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Life Channel Magazin Januar 2021

Wunder

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gott<br />

ist…<br />

| SERIE<br />

Gott ist …<br />

… überraschend in jeder Beziehung<br />

Vermutlich hat jeder von uns so seine<br />

Lebensthemen. Darunter verstehe ich<br />

diejenigen Themen, die uns ein Leben lang<br />

begleiten. Wir wachsen zwar darin, lernen<br />

und reifen, aber es sind und bleiben die<br />

Themen, die uns am meisten herausfordern.<br />

Mein Lebensthema ist definitiv<br />

meine Tendenz, «stark sein» zu müssen.<br />

Es gibt Situationen, da brauchen Menschen<br />

ein Wunder. Als der Jesuit Alfred Delp nach<br />

dem missglückten Hitler-Attentat vom<br />

20. Juli 1944 wegen seiner Mitgliedschaft<br />

in der Widerstandsbewegung ins Gefängnis<br />

gebracht und schwer gefoltert wurde, bat<br />

er Gott manchmal um ein «Guetzli», würde<br />

man in der Schweiz sagen, um ein kleines<br />

Geschenk als Zeichen seiner Gegenwart.<br />

Er schreibt in seinem Tagebuch, dass er<br />

es jedes Mal bekommen hat.<br />

Das Wunder, vor den Nazis gerettet zu<br />

werden, hat Delp nicht erlebt, am 2. Februar<br />

1945 wurde er hingerichtet. Während er im<br />

Gefängnis seinen Prozess erwartete,<br />

schrieb er zu Weihnachten 1944 eine Meditation<br />

über die Hirten von Bethlehem, die,<br />

anders als die Menschen um sie herum, im<br />

neugeborenen Jesus den Messias erkannten:<br />

«Die Welt ist voller Wunder, keiner sieht<br />

sie, unsere Augen sind gehalten.»<br />

Es überrascht, dass Gott Delp zwar immer<br />

wieder kleine Wunder in seinen Alltag<br />

hinein geschenkt hat – aber ihn nicht vor<br />

dem Tod bewahrt hat. Es ist nicht ohne<br />

Weiteres verständlich, dass Paulus, durch<br />

Handauflegung von Blindheit geheilt, in<br />

Schwäche leben musste, vermutlich mit<br />

einer Erkrankung, die ihn auch bei seiner<br />

missionarischen Arbeit behindert hat.<br />

Meine Augen zu öffnen lässt sich üben – so<br />

dass ich die Wunder sehen kann, mit denen<br />

Gott die Welt für mich gefüllt hat. Seine<br />

Gegenwart zu erkennen, ist vielleicht der<br />

hauptsächliche Zweck von Wundern. Die<br />

grossen Probleme werden selten durch<br />

Wunder gelöst, Gott beseitigt nicht routinemässig<br />

Leiden durch wundersames Eingreifen.<br />

Aber sowohl Paulus als auch Delp<br />

lebten in einer Welt, die angefüllt war mit<br />

Wundern, erfüllt vom Handeln Gottes. Das<br />

ist doch eine Perspektive für uns.<br />

Es gibt Situationen, da bitten Menschen<br />

um ein Wunder. Paulus litt an einer (nicht<br />

näher bekannten) Krankheit, die ihn in<br />

seiner missionarischen Arbeit behinderte,<br />

er schreibt von seiner Bitte um Heilung<br />

(im 2. Korintherbrief, Kap. 12). Und von der<br />

Antwort, die er stattdessen von Gott erhalten<br />

hat: «Meine Gnade genügt, die Kraft<br />

wird in Schwachheit vollendet.»<br />

SERIE «GOTT IST …»<br />

Wie oder wer ist Gott eigentlich? Diese<br />

Frage beschäftigt die Menschen schon<br />

lange. In der Bibel werden unterschiedliche<br />

Bilder gebraucht, um Gott zu beschreiben.<br />

In einer Serie teilen Theologinnen und<br />

Theologen aus unterschiedlichen Denominationen<br />

ihre Vorstellungen, wie Gott ist.<br />

Effizienz ist kein Kriterium Gottes für seine<br />

Wunder. Schon in der Bibel heilt Jesus nicht<br />

nur Kranke, sondern verwandelt auch auf<br />

einer Hochzeit zu später Stunde Wasser in<br />

Wein. Bestellbar, auf sicher, sind Wunder<br />

ebenfalls nicht – so wenig, wie die mal in<br />

Esoterik-Kreisen beliebten «Bestellungen<br />

beim Universum» funktionieren, so wenig<br />

lässt sich Gott auf die Lieferung von Wundern<br />

durch bestimmte Gebete, Personen<br />

oder Veranstaltungen ein.<br />

Er ist kein Automat, der liefert, wenn wir<br />

nur das Richtige tun. Gott bleibt un-berechenbar,<br />

aber immer auf unserer Seite,<br />

wenn wir das Leben suchen. Was ein Wunder<br />

ist, also was ich als ein Zeichen der<br />

Anwesenheit Gottes in meinem Leben<br />

erkennen kann, das entscheidet sich an<br />

meiner Beziehung mit ihm.<br />

ZUR PERSON<br />

Karin Reinmüller ist seit 2018 katholische<br />

Pfarreiseelsorgerin in Pfäffikon ZH. Bevor<br />

sie Theologin wurde, war sie als Physikerin<br />

in der Wissenschaft und als Software-<br />

Ingenieurin in der Industrie unterwegs.<br />

Ihr Herz schlägt dafür, auf der Spur Gottes<br />

zu bleiben, der das Leben liebt. Dabei<br />

helfen ihr ignatianische Spiritualität und<br />

gregorianischer Gesang.<br />

<strong>Life</strong> <strong>Channel</strong> <strong>Magazin</strong> | <strong>Januar</strong> <strong>2021</strong> | 11

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