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ST:A:R_20

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62 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII - Religion Nr. <strong>20</strong>/<strong>20</strong>09<br />

Wie am Meer brechen sich die Wellen am Sandstrand von Tamtchi,<br />

dem ersten Badeort am Nordufer des kirgisischen Issyk Kul - Sees. Seine<br />

Uferzonen werden von der Seidenstraße berührt und gelten seit Jahrtausenden<br />

als Kreuzweg der Kulturen, als Ort der Erholung und Begegnung.<br />

Eine alte Kirgisenweisheit besagt, wer hier einmal im Jahr ins Wasser<br />

steigt, bleibt gesund. Der Issyk Kul gilt als wasserreichster Gebirgssee<br />

der Welt. Von Ost nach West misst er 140, von Nord nach Süd bis zu 70<br />

Kilometer und reicht 600 Meter in die Tiefe.<br />

Die gletscherbedeckten Gebirge im Hintergrund, die sich am Vorabend<br />

noch malerisch im Wasser spiegelten sind in die Ferne gerückt. Sie gehören<br />

zum Tien Schan, den Himmelsbergen und ragen bis zu 7.439 Meter<br />

empor. Nach den ersten kräftigeren Schwimmzügen im leicht salzhältigen<br />

Wasser bleibt einem der Atem weg.<br />

Die dünnere Luft auf 1.600 Metern spürt man deutlich. Ein hervorragendes Anpassungstraining,<br />

wenn man durchs Gebirge wandernt möchte. 90 Prozent des Landes,<br />

das mit 195.500 Quadratkilometern etwa die Fläche von Österreich, Bayern und<br />

der Schweiz umfasst, liegen über tausend Metern Seehöhe. 34 Prozent der Fläche<br />

ragen über 3.000 Meter hinaus.<br />

Die Fahrt in die Berge führt uns zunächst das mediterrane Südufer des Sees<br />

entlang. Immer wieder finden sich bizzarre Vorgebirgsformationen. Rot leuchten die<br />

neun Ochsen bei Tscheti Ögüs, Bergrücken, die die Erosion ausgewaschen hat.<br />

Am Song Kul, dem „schönen See“, auf 3.000 Metern Seehöhe verbringen die Hirten<br />

mit ihren Pferden, Schafen, Rindern, Yaks den Sommer. Am Leben der Clans hat<br />

sich in den letzten Jahrhunderten nur wenig geändert. Schon die Zehnjährigen gelten<br />

als hervorragende Reiter, die es nicht verstehen können, dass Erwachsene Männer<br />

bei Pferden für Verwirrung sorgen.<br />

Perfektion am Sattel ist Selbstverständlichkeit hier. Es gehört viel Übung dazu, um<br />

um jene akrobatischen Übungen zu beherrschen, die bei den legendären Reiterspielen<br />

dargeboten werden. Oder um jenes wilde, poloartige Reiterspiel zu erlernen, das<br />

die Kirgisen voll Enthusiasmus pflegen. Dabei wird ein Schafsbock geschlachtet, der<br />

Kopf abgetrennt, die unterel Läufe gehäutet. Danach jagen zwei Mannschaften damit<br />

über die Wiesen. Es gilt als Ehre, wenn der Bock in den Eingang einer bestimmte<br />

Jurte geworfen wird.<br />

Als nomadisierendes Turkvolk gelten die Kirgisen gastfreundlilch langmütig und tolerant.<br />

Sie stellen mit zirka 65% die Bevölkerungsmehrheit. Außerdem leben Usbeken,<br />

Russen, Dunganen (chinesische Muslime), Uiguren (1,0 %), Ukrainer, Tadschiken ,<br />

Tataren , Kasachen und Angehörige weiterer Ethnien, wie etwa 57.000 Mescheten,<br />

im Lande.<br />

Die Bevölkerungsmehrheit bekennt sich zum sunnitischen Islam, der stark mit Schamanstischen<br />

Ritualen und Naturreligionen durchsetzt ist. Gegen ein gutes Stamperl<br />

hat hier keiner was einzuwenden, zu jung ist die Vergangenheit als Kirgisische Sowjetrepublilk.<br />

Auch der Luftgetrockenete von daheim kommt gut an. Selbstbewusst,<br />

modern und vor allem unverschleiert ist der Auftritt der Frauen. Sie stellen vielerorts<br />

in der Wirtschaft ihren Mann.<br />

Am Kuhfladenherd in der Gemeinschaftsjurte erwärmen wir uns rasch und stärken<br />

uns beim Nachtmahl mit allerlei kirgisischen Leckereien. Es gibt Lagmat, einen suppigen<br />

Nudeleintopf, Butter, Käse, Wurst, Weißbrot, Tee und als Nachspeise Brandteigspiralen,<br />

die hervorragend zu den aromatischen Marmeladen passen. Kirgistan<br />

ist ja die Heimat der Marille doch die anderen Früchte des Sommers, vor allem die<br />

Himbeeren aus der Höhe schmecken einzigartig. Zum Abschluss<br />

Etwas schweigsam und müde schauen sie ins Feuer. Einer von Ihnen entschuldigt<br />

sich für die Einsilbigkeit am ersten Abend und fügt hinzu, dass sich dies schon ändern<br />

wird, wenn wir uns mal näher kennen. Er soll recht behalten. Denn schon bald<br />

erleben wir zünftige Jurtenabende mit viel Gelächter und Self-Entertainment, das<br />

unsere Tagesmärsche beschließt.

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