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Nr. 36/2013 Buch IV<br />
31<br />
Porsche 918 Spyder<br />
Volles Rohr aus drei Motoren<br />
Der anspruchsvollste Serienporsche aller Zeiten unterläuft alle Anforderungen<br />
in klarer Aussage: 3,1 Liter Normverbrauch, Topspeed 345 km/h.<br />
Porsche-Techniker alles getan habe, um die Stränge zu kanalisieren.<br />
Alle Hauptfunktionen sind direkt vom Lenkrad aus ansteuerbar.<br />
Rechts unten auf vier Uhr befindet sich der Map-Schalter, der<br />
die leistungsrelevanten Kennfelder drehbar aktiviert: E steht für<br />
reine Elektro-Power, H für automatische Hybridregelung, S für<br />
Sport und R (Racing) für höchste Fahrdynamik. Wer alles auf<br />
eine Karte setzen will, drückt den Roten Knopf in der Mitte: HOT<br />
LAP. Voller Boost without regrets, jetzt geht es mit voller Systemleistung<br />
zur Sache. Aber eben nur für eine Runde Nordschleife,<br />
dann sind die Batterien ausgepowert und der Verbrauch liegt<br />
wohl um eine Kommastelle weiter rechts.<br />
Damit der Fahrer sich intuitiv mit den Anforderungen versteht,<br />
wurde im Gaspedal ein variabler Druckpunkt gesetzt. Der vermittelt<br />
einerseits den rein elektrischen Antrieb im E-Modus, andererseits<br />
muss auch der E-Boost in der Hot-Lap-Konfiguration<br />
feinsinnig verarbeitet werden können. Anders als bei Kickdowns<br />
üblich, bleibt der Widerstand nach Überschreiten des Druckpunktes<br />
dosierbar erhalten. Schon im E-Modus beschleunigt<br />
der Wagen in gut sechs Sekunden auf hundert, kann Tempo 150<br />
erreichen. Absolute All-In-Spitze: 345 km/h.<br />
(Muss man glauben.)<br />
Handbremse weg, lautlos<br />
schiebt die Wucht an.<br />
Freilich kommen mit erhöhter<br />
Geschwindigkeit<br />
ungeahnte Fahr-Leergeräusche<br />
ans Ohr – erinnert<br />
irgendwie an eine sobere<br />
Nichtraucher-Disko um<br />
fünf Uhr morgens, wenn<br />
nackte, ungefilterte Empfindungen<br />
an die Sinne<br />
dringen.<br />
Die volle Batterieleistung<br />
des 918 Spyder, 6,8 kWh,<br />
entspricht ungefähr sechs<br />
Waschmaschinendurchgängen<br />
à 60 Grad. Irgendwie<br />
ist man erleichtert,<br />
wenn sich der 4,3-Liter-<br />
V8 mit mächtigem Gebrüll<br />
einspült und alles klar macht.<br />
Der 918 Spyder ist die aufwendigste, technisch anspruchsvollste<br />
Fahrmaschine, die je eine Straßenzulassung erreicht hat.<br />
Die nackten Fakten dazu: Drei Motoren, zwei Antriebssysteme,<br />
drei Kühlkreisläufe, Vierradantrieb, fünf wählbare Antriebs-Varianten,<br />
dramatisch gespreizte Leistung-zu-Verbrauch-Werte,<br />
Höchstdrehzahl von 9.150/min. 2,6 sec auf Hundert. Unter sieben<br />
Minuten um die Nordschleife mit Straßenbereifung (dank<br />
nochmals abgespecktem, um 72.000 Euro teurem Weissach-<br />
Paket).<br />
Die Leistungswerte: 608 PS aus dem V8-Hochdrehzahlmotor<br />
(Sauger) in hinterer Mittellage, plus 156 PS vom dort angekoppelten<br />
E-Motor, weitere 129 PS von dem die Vorderräder direkt<br />
antreibenden E-Aggregat im Bug. Macht zusammen 887 PS bei<br />
einem System-Drehmoment von 1.280 Nm.<br />
Liest sich trocken, ist aber pure Energie (samt deren teilweiser<br />
Rückgewinnung).<br />
Weitere Immanenzen: Porsche-Doppelkupplungsgetriebe mit<br />
sieben Gängen, Hinterachslenkung, aktives Torque-Vectoring<br />
zur Kraftzuleitung an kurvenäußere Räder, Kennfeld-Fahrwerk,<br />
High-Performance-Bremsen mit vorgeschaltet höchstem zivilen<br />
Rekuperationswert (der allein 0,5g Bremsleistung abledert), Lithium-Ionen-Trockenbatterie<br />
mit allerhöchster spezifischer Leistung<br />
– alles in Zuffenhausener Handarbeit vereint auf einem hypersteifen<br />
Rolling Chassis aus Kohlefaser, also im Grunde nach<br />
dem guten alten selbstfahrenden Bodenplatten-Prinzip von VW<br />
Käfer oder den Ur-Porsches.<br />
Zwanzig verschiedene Firmen buken Kohlefaserteile für definierte<br />
Ansprüche. Und, wie der Projektleiter Michael Hölscher<br />
erklärt: „Wir wollten uns kein Öko-Feigenblatt anheften. Es geht<br />
hier ganz klar um mehr Leistung bei weniger Verbrauch.“ Dank<br />
heruntergebrochener NEFZ-Zyklenberechnung bei vollen Batterien,<br />
deren Leistung einen Großteil der Meßstrecke abdeckt,<br />
bleiben nur 3,1 l/100 km zu verbrennen.<br />
Die Batterie kann über das Stromnetz per Porsche-Schnellladestation<br />
(Aufpreis € 20.000,–) in einer Dreiviertelstunde aufgeladen<br />
werden.<br />
Das Zusammenspiel von E zu V wie Verbrennungsmotor, der<br />
Leistungsabruf, die möglichst effiziente Rekuperation der Batterie<br />
während der Fahrt – das sind die großen Technik-Themen,<br />
die einerseits höchst komplex, undurchschaubar, andererseits<br />
völlig bewältigt erscheinen. Dennoch: Den Wagen in jeder Situation<br />
zu erfassen und zu verstehen fällt nicht leicht, obwohl<br />
Die ganze Dramatik eines tiefgelegten Zweisitzers wird unterstützt<br />
von zwanzig (vorne) bzw. einundzwanzig-Zoll-Rädern<br />
hinten. Die Michelin-Bereifung wurde eigens für den Wagen entwickelt,<br />
als Backup gibt es ein Tirefit-System an Bord. Winterbereifung<br />
ist nicht vorgesehen. Etwas unspektakulär wirken die<br />
würfelig angeordneten LED-Tagfahrlichter von bisher nicht gekannter<br />
Leuchtintensität. Zwei abnehmbare Dachhälften lassen<br />
sich im Gepäckraum vorne verstauen, zusammen mit dem um<br />
17.000 Euro bestellbaren Maßgepäck aus Kohlefaser (das dann<br />
wahrscheinlich noch die Crashfestigkeit erhöht).<br />
Markant sind die beiden Top Pipes – Auspuffrohre, die direkt<br />
hinter dem Cockpit ins Freie führen und die Passagiere in eine<br />
entsprechende Klangwolke hüllen.<br />
Freilich geht man erst völlig unspektakulär zur Sache: Nach<br />
Drehen (des bei Porsche reichlich kindisch als Spielzeugauto<br />
geformten) Elektronikmoduls im traditionell links angeordneten<br />
Zündschloss passiert außer einigen Zeiger- und Diodenzuckungen<br />
in den drei appetitlichen Rundinstrumenten gar nichts.<br />
Man knipst rechts auf Lenkradhöhe die Stufe D an und die<br />
Auf der Rennstrecke beeindruckt der 918 Spyder mit der schieren<br />
Jederzeit-Leistung und der gewaltigen Wucht, mit der sich<br />
sehr früh aus Kurven herausbeschleunigen lässt dank E-Boost<br />
auch an den Vorderrädern. Neutrales Grundverhalten, per Pedalpower<br />
gut dosierbar. Unentwegter Dank an die Bremsen.<br />
Freilich spürt man das Eigengewicht – mit 1674 kg befindet<br />
man sich hundert Kilogramm über dem Lamborghini Aventador<br />
LP700-4, was an sich sensationell gering ist.<br />
Dennoch trägt das Doppel-Konzept auf – am dicksten freilich<br />
beim Preis. Euro 776.880,– in Österreich. Dieser lässt sich aber<br />
relativieren: Reduziert man das Gewicht per Weissach-Paket mit<br />
mageren Sitzen, Keramikkegelradlager, Magnesiumfelgen, Türzugschlaufen<br />
um 41 kg, legt man lockere 72.000 Euro drauf und<br />
darf sich eine Martini- oder Porsche-Salzburg-Racingfolierung<br />
aussuchen. Entscheidet man sich für den delikaten Liquid-Metal-Lack,<br />
sind noch einmal 60.000 Euro fällig. Die 17.000 für die<br />
Kohle-Köfferchen wurden ja bereits erwähnt. Insofern wäre das<br />
reine Auto an sich ja ganz günstig.