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weihnachtsbeilage_sachsen

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4 WEIHNACHTEN 2020 Donnerstag, 24. Dezember 2020<br />

Weiße Weihnacht istdie Ausnahme<br />

Ein Blick aufsWetter Früher gabeszu<br />

Weihnachten immer Schnee. Mit diesem<br />

Vorurteil räumt Günter Kobelaus Ortrand<br />

auf.Der 93-jährigeHobbymeteorologe<br />

dokumentiert seit Jahrzehnten das Wetter.<br />

VonTorsten Richter-Zippack<br />

ZuWeihnachten 2020 jährt<br />

sich ein kleines Jubiläum<br />

zum zehnten Mal: 2010<br />

waren die Festtage letztmalig<br />

komplett weiß. In der Heiligen<br />

Nacht vom 24. auf den<br />

25. Dezember schneite esinOrtrand<br />

und Umgebung unentwegt,<br />

sodasssichdie bereitsvorhandene,<br />

18Zentimeter starke Schneedecke<br />

am ersten Feiertag auf<br />

24 Zentimeter erhöhte. Am<br />

27. Dezember waren es bereits<br />

36 Zentimeter, tags darauf sogar<br />

40 Zentimeter.<br />

Aufgeschrieben hatdiese Werte<br />

der Ortrander Günter Kobel.<br />

Underweiß nochmehr:„Im Jahr<br />

2010 winterte es in unserer Gegend<br />

bereits Ende November ein.<br />

Am 1. Dezember 2010 lagen schon<br />

17 Zentimeter Schnee, am2.Dezember<br />

bereits 30 Zentimeter.<br />

Der ganze Monat war durch und<br />

durch winterlich.“<br />

Das Jahr 2010 hatte bereitsmit<br />

Schnee und Eis begonnen. Lagen<br />

am Neujahrstag zwei Zentimeter<br />

Schnee in der Pulsnitzstadt, warenesam11.<br />

Januar schon 22 Zentimeter.<br />

Wenige Tage zuvor war<br />

Schneesturm Daisy über die Region<br />

gerast und hatte für zahlreiche<br />

Schneeverwehungen gesorgt.<br />

Auch sonstwar 2010 wettermäßig<br />

rekordverdächtig. Denn in<br />

manchen Wetterstationen der<br />

Lausitz wurden erstmals mehr als<br />

1000 Liter Niederschlag proQuadratmeter<br />

registriert. In Ortrand<br />

warenesimmerhin 868 Liter. Der<br />

statistische Durchschnitt bewegt<br />

sich zwischen 560 und 570 Litern<br />

je Quadratmeter.<br />

Günter Kobel muss eswissen.<br />

Schließlich beobachtet und dokumentiert<br />

der mittlerweile93-Jährigedas<br />

Wetterinder Regionseit<br />

Jahrzehnten. „Seit 28Jahren bin<br />

ich für den Deutschen Wetterdienst<br />

tätig, gebe regelmäßig die<br />

gefallenen Niederschlägedurch“,<br />

sagt der Ortrander. Bereits zu<br />

DDR-Zeiten interessiertesich der<br />

Lehrer für Mathematik und Physik<br />

für das Wetter. Kein Wunder,<br />

dass Kobelander Schwarzheider<br />

Wandelhof-Schule eine Arbeitsgemeinschaft<br />

„Junge Meteorologen“<br />

mit sechs Schülern ins Leben<br />

gerufen hatte.<br />

Letzte weiße Weihnacht 2010<br />

Die weißen Weihnachten haben<br />

Günter Kobel dabei besondersinteressiert.<br />

„Klar glauben viele<br />

Leute,dassesfrüherzuden Festtagen<br />

öfter weiß war als heute.<br />

Aber das stimmt nicht. Keineswegs<br />

gab eszuWeihnachten jedes<br />

Jahr Schnee und Eis.“ 1969<br />

ging dieser Traum inErfüllung,<br />

ebenso 1970,1976, 1981,1986, 1995,<br />

2000, 2001, 2002 und 2009. Und<br />

eben 2010.<br />

Seitdem hat esnicht eine weiße<br />

Weihnacht mehr gegeben. Laut<br />

Deutschem Wetterdienst gibt es<br />

bundesweit statistisch gesehen<br />

nur alle sieben bis acht Jahre ein<br />

weißes Fest. Demzufolge wären<br />

Schnee und Eisvom 24.bis 26. Dezember<br />

also überfällig.<br />

Doch welches Wetter müsste<br />

sich einstellen, dassesinder Lausitz<br />

tatsächlich zum Fest einwintert?<br />

„Wir bräuchten eine nordwestliche<br />

Strömung, die den<br />

Seit 28 Jahren misstGünter Kobel täglichden Niederschlag undgibt die Summe an den Deutschen Wetterdienst<br />

weiter.<br />

Foto:Torsten Richter-Zippack<br />

Schnee bringt“, sagt der Hobbymeteorologe.<br />

„Anschließend<br />

müsste sich eine Nord- oder<br />

Nordostlage einstellen, die polare<br />

Kälte bringt, damit die weiße<br />

Pracht auch liegenbleibt.“Inden<br />

vergangenen Jahren herrschten<br />

zu Weihnachten dagegen stets<br />

westliche oder südwestliche Luftströmungen<br />

vor. Die gab esfrüher<br />

aber auch schon. Beispielsweise<br />

zu Heiligabend 1977. Damals<br />

wurden plus 16 Grad Celsius<br />

gemessen.<br />

„Ich denke, es liegt am Klimawandel,<br />

dass wir heute kaum<br />

mehr weiße Weihnachtenhaben“,<br />

sagt Günter Kobel. „Luft- und<br />

Meeresströmungen verändern<br />

sich durch das Abschmelzen des<br />

Eises am Nordpol“, lautet seine<br />

Begründung. Seit Jahren befasst<br />

sich der Ortrander mit diesem<br />

Phänomen. „Es macht mir Angst“,<br />

gesteht der pensionierte Lehrer.<br />

Um die Veränderungen zu dokumentieren,<br />

misst er trotz seiner<br />

93 Jahre täglich um 7.30 Uhr<br />

den Niederschlag und gibt die Daten<br />

an den Wetterdienst nach<br />

Potsdam weiter. „Falls esbei mir<br />

mal nicht gehen sollte, springt<br />

mein Schwiegersohnein“, erklärt<br />

Kobel. Der Meteorologie möchte<br />

er aber solange treu bleiben, wie<br />

es seine Gesundheit zulässt. „Und<br />

es wäre mein Traum, wenn ich<br />

noch eineweiße Weihnacht erleben<br />

dürfte.“<br />

Verlässliche Vorhersage<br />

nurfür drei Tage<br />

Wetter istein chaotischesSystem.<br />

Deshalb lässt es sich trotz modernsterTechnik<br />

nur so schwer vorhersagen.<br />

Verlässlich isteinePrognose von<br />

maximal drei Tagen. Bis zu acht bis<br />

zehn Tagenkönnen die Vorhersagen<br />

noch eine Trefferquotevon bis zu<br />

80 Prozent aufweisen, sagt HobbymeteorologeGünter<br />

Kobel. Alles, was<br />

darüber hinausgeht,gehört ins Reich<br />

der Spekulation.

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