Mittelbadische Presse - Chance 2021
Sonderbeilage der Mittelbadischen Presse - Zeitungen der Ortenau
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70 CHANCE <strong>2021</strong><br />
Samstag, 6. Februar <strong>2021</strong><br />
Berufsbild:PolizistenwerdenzumDienstanBürgerundStaatausgebildet<br />
Mit Waffe, Handschellen und Verstand<br />
VON FLORENCE-ANNE KÄLBLE<br />
Karina Gerter ist angehende Polizistin. Im Praktikum steht<br />
ihr der Praxisausbilder Polizeioberkommissar Manuel<br />
Waidele zur Seite.<br />
Foto: Florence-Anne Kälble<br />
Von klein auf hatte Karina<br />
Gerter aus Obersasbach<br />
immer das Gefühl,<br />
„dass ich zur Polizei möchte“.<br />
Nach Abschluss von Hauptund<br />
Wirtschaftsschule bewarb<br />
sich die junge Frau und meisterte<br />
erfolgreich den Einstellungstest.<br />
Im September 2019<br />
startetesieihreAusbildungim<br />
Mittleren Dienst. Die 20-Jährigeistsichsicher,<br />
dassniemand<br />
als Polizist geboren wird: „Natürlich<br />
haben viele Menschen<br />
den Wunsch zur Polizei zu gehen,aberobderBerufwirklich<br />
zueinempasst,merktmanerst<br />
jelängermanimJobist“.<br />
Schulische Ausbildung:<br />
Im ersten Jahr ihrer Ausbildung<br />
stand für Karina Gerter<br />
Schulbankdrücken auf dem<br />
Programm. „Ich habe ein Jahr<br />
anderHochschuleinLahrverbracht<br />
und dabei die rechtlichen<br />
Grundlagen meines<br />
Berufs erlernt“, erzählt die angehende<br />
Polizistin. Aufgrund<br />
der Corona-Pandemie fand der<br />
Unterricht ab März 2020 digitalmitVideokonferenzenstatt.<br />
Auch haben Gerter und ihre<br />
Mitschüler praktische Aufgaben<br />
für zu Hause erhalten:<br />
„Wir mussten Sachverhalte zu<br />
Hausenachspielen,umdannso<br />
diesen lösen und den Lösungsweg<br />
sowie das Ergebnis protokollierenzukönnen“.<br />
Manchmal hat sie für die<br />
praktischen Aufgaben auch ihre<br />
Familie involviert, die sie<br />
gerne dabei unterstützt hat.<br />
„Es war sehr viel, was wir im<br />
ersten Jahr lernen mussten,<br />
und die Kameradschaft, die<br />
man in Lahr in der Schule in<br />
den ersten Monaten erlebt hat,<br />
fehlte schon manchmal“, gibt<br />
die20-Jährigezu.<br />
Aber durch die Pandemie<br />
habe sich auch gezeigt, wie<br />
gut der Jahrgang der jungen<br />
Frau bereits in den ersten Monaten<br />
zusammengewachsen<br />
war:„BeimLernenhatsichgezeigt,<br />
wie wichtig Teamarbeit<br />
ist, wir haben uns online gegenseitig<br />
unterstützt und einander<br />
geholfen“. Für sie stellt<br />
diePolizeibereitsjetzteineArt<br />
„zweite Familie“ dar, weil der<br />
Gemeinschaftssinnund die gegenseitige<br />
Unterstützung in<br />
schweren Zeiten eine absolute<br />
Selbstverständlichkeit waren.<br />
„Kameradschaft ist keine hohle<br />
Phrase, sondern wird wirklich<br />
von allen gelebt“, fügt die<br />
angehendePolizistinhinzu.<br />
September 2020 startete<br />
die junge Frau dann ins Praktikum<br />
in ihrem Heimatrevier<br />
in Achern. Ihr Praxisbetreuer<br />
ist Manuel Waidele, mit<br />
dem sie die ersten sechs Monate<br />
im Team arbeitet. Waidele<br />
ist Polizeioberkommissar und<br />
seit 2008 im Dienst. Er unterstützt<br />
Karina Gerter fachlich<br />
und menschlich bei ihren ersten<br />
Schritten im Polizeialltag.<br />
„WirfahrengemeinsamStreife<br />
und ich bin dafür verantwortlich,dasssiedas,wassieinder<br />
Hochschule gelernt hat, in der<br />
Praxis umsetzen lernt und so<br />
Erfahrungen sammeln kann“,<br />
erklärt der Oberkommissar<br />
seineAufgaben.<br />
„An der Hochschule sind alle<br />
Fälle, die wir bearbeitet haben,<br />
vorhersehbar und finden<br />
im geschützten Raum statt“,<br />
weiß Gerter und fügt hinzu,<br />
dass„wirfürdasUmsetzendes<br />
Gelernten jedoch mit dem realen<br />
Leben konfrontiert werden<br />
unddasistebenwederplanbar<br />
nochvorhersehbar“.<br />
Höchste Konzentration<br />
im Einsatz: Selbstschutz ist<br />
ein wichtiger Faktor bei der<br />
Einarbeitung neuer Kollegen,<br />
weshalb nur erfahrene BeamteeinenPraktikantenzurSeite<br />
gestellt bekommen. „Ich muss<br />
nicht nur mich sichern, sondern<br />
auch meine junge Kollegin,<br />
da ihr die Erfahrung<br />
naturgemäß fehlt und das erfordert<br />
höchste Konzentration“,<br />
betont der 34-jährige Waidele.<br />
Wissenstransfer: Als erfahrener<br />
Praxisausbilder<br />
möchte er seinem Schützling<br />
dasWissen,dasersichüberdie<br />
Jahreselbstangeeignethat,erfolgreich<br />
weitergeben – „wichtig<br />
ist dabei eine offene und<br />
ehrliche Kommunikation, damit<br />
meine Praktikantin aus<br />
Situationen lernen und sich<br />
erfolgreich selbst Handlungsweisen<br />
für bestimmte Situationabschauenkann“.<br />
Gerade die ersten Tage gemeinsam<br />
auf Streife sind die<br />
intensivsten: Nach jedem Einsatz<br />
werden der Fall, das Erlebte,<br />
nochmal gemeinsam bis<br />
ins Detail durchgesprochen.<br />
„Wichtigistauchzusehen,welches<br />
der Unterschied in der<br />
Falllösung ist zwischen dem,<br />
was in der Hochschule gelehrt<br />
wirdunddem,wieesinderRealität<br />
abläuft“, erzählt der Praxisausbilder.<br />
Mit jedem Einsatz, den die<br />
beiden als Team erfolgreich<br />
meistern, gewinnt die 20-Jährige<br />
an Erfahrung dazu. Die<br />
Folge: Sie wird sicherer in ihren<br />
Arbeitsweisen und kann<br />
bei Delikten, die sie schon<br />
mehrfach erlebt hat, bereits eigenständig<br />
Aufgaben übernehmen.<br />
„Von Einsatz zu Einsatz<br />
lernt sie dazu und wir sprechen<br />
bei bekannten Delikten<br />
auf dem Weg zum Einsatzort<br />
nur noch ab, wer welche Aufgabe<br />
übernimmt“, freut sich<br />
der erfahrene Polizist. Im Anschluss<br />
erfolgt aber noch immereinFeedback-Gespräch.<br />
„Der Praxisausbilder prägt<br />
eigentlichimmerdieLaufbahn<br />
eines Polizisten“, erzählt der<br />
34-jährige. Deshalb ist eswichtig,<br />
Vorbild zu sein und eine<br />
gute kameradschaftliche EbenezumArbeitenzuhaben.„Im<br />
besten Fall hat man ein Leben<br />
lang Bezug zueinander und<br />
hältKontakt“,fügtWaideleaus<br />
eigenerErfahrunghinzu.<br />
Karina Gerter ist sich sicher,<br />
den für sie passenden Beruf<br />
gewählt zu haben. „Mit der<br />
wachsenden Einsatz-Erfahrungbekommeichauchimmer<br />
mehr Sicherheit und im Zweifel<br />
habe ich ja noch Manuel an<br />
meiner Seite, der mich mit Rat<br />
undTatunterstützt“,freutsich<br />
diejungeFrau.<br />
Nach dem ersten halben<br />
JahraufStreifemitihremPraxisausbilder<br />
wird Gerter in<br />
den regulären Dienst einsteigen<br />
und auch mit anderen KollegenaufStreifesein.NachAbschluss<br />
des Praxisjahres geht<br />
es dann nochmal für ein halbes<br />
Jahr nach Lahr an die<br />
Hochschule. „Danach werde<br />
ich als ausgebildete Polizisten<br />
im Mittleren Dienst in Stuttgart<br />
oder Mannheim erste Erfahrungen<br />
sammeln“, erzählt<br />
siebegeistert.<br />
Kameradschaft und Zusammenhalt:<br />
Gerade die Abwechslung<br />
im Alltag ist es, die<br />
der angehenden Polizistin so<br />
gut anihrem Job gefällt.„Kein<br />
Tag gleicht dem anderen, auch<br />
wenn sich die Delikte wiederholen,<br />
so sind es doch immer<br />
andere Menschen in anderen<br />
Lebensumständen, mit denen<br />
wir es zu tun haben“, erklärt<br />
sie. In den Feierabend geht sie<br />
mit einem guten Gefühl, denn<br />
sie weiß, was sie geleistet hat:<br />
„Ich habe Menschen helfen<br />
können und das ist es, was ich<br />
neben der Kameradschaft und<br />
demfamiliärenUmganguntereinanderanderArbeitalsPolizistinsoschätze“.