Mittelbadische Presse - Chance 2021
Sonderbeilage der Mittelbadischen Presse - Zeitungen der Ortenau
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72 CHANCE <strong>2021</strong><br />
Samstag, 6. Februar <strong>2021</strong><br />
Karriere:RalfHäußleristGeschäftsführerderBSWAnlagenbauundAusbildungGmbHinKehl<br />
Vom Azubi zum Chef<br />
VON FLORENCE-ANNE KÄLBLE<br />
Ralf Häußler ist überall<br />
auf dem Gelände der<br />
Badischen Stahlwerke<br />
zu finden. Seit mittlerweile<br />
fast 28 Jahren arbeitet er in<br />
Kehl.ZehnJahredavonalsGeschäftsführer<br />
der BSW AnlagenbauundAusbildungGmbH,<br />
sowie seit 1. April 2020 auch<br />
als Geschäftsführer der Badische<br />
Drahtwerke GmbH. Seine<br />
Begeisterung für die Stahl-<br />
Produktion aus Altmetall ist<br />
ansteckend. Und sein Werdegang?Beeindruckend.<br />
Über Umwege<br />
Aufgewachsen in Bühlertal<br />
hat sich der heute 53-Jährige<br />
nach seinem Realschulabschluss<br />
für eine Ausbildung<br />
zum Industriemechaniker bei<br />
Bosch beworben. „Zuerst erfolglos“,<br />
wie er unumwunden<br />
zu gibt. Den Einstellungstest<br />
hat er nämlich erfolgreich<br />
versemmelt. „Ich war mit allen<br />
Aufgaben als Erster fertig<br />
und wunderte mich, warum<br />
die anderen noch am<br />
Schreiben waren, bis mir auffiel,<br />
dass mein Kumpel die Arbeitsblätter<br />
auch umdrehte“,<br />
erinnert sich Häußler und<br />
lacht. Die jeweils zweite Seite<br />
hatte er einfach vergessen zu<br />
bearbeiten und somit war der<br />
Traum Industriemechaniker<br />
zuwerdenerstmalpassé.<br />
„Zur Überbrückung habe<br />
ich ein Jahr die Holzfachschule<br />
in Rastatt besucht und danach<br />
war mir klar, dass das<br />
überhaupt nichtsfür mich ist“,<br />
erzählt der 53-Jährige und<br />
schmunzelt. Sowohl sein Vater<br />
als auch sein Onkel waren<br />
Schreiner. Aber für Häußler<br />
eindeutignichtseineWelt.<br />
Es hat klick gemacht<br />
Er packt sehr gerne im Kehler Stahlwerk mit an<br />
und ist überall anzutreffen, wo man ihn braucht:<br />
Ralf Häußler.<br />
Foto: BSW Kehl<br />
Die erneute Bewerbung im<br />
Jahr darauf glückte, den Einstellungstest<br />
bestand er und<br />
bis zum Start der Ausbildung<br />
arbeitet er als Montierer bei<br />
dem Bühler Unternehmen.<br />
„Dadurch habe ich einen ersten<br />
Einblick in die ArbeitsweisemeinesAusbildungsbetriebs<br />
bekommen“.<br />
Zum Start der Lehre gab<br />
es eine Neuerung bei Bosch –<br />
zwei Azubis wollte man den<br />
Besuch des Berufskollegs ermöglichen.<br />
Da war neben einer<br />
Lehrzeit-Verkürzung um<br />
einhalbesJahrauchdieHälfte<br />
des Maschinenbautechnikers<br />
mit drin und die Fachhochschulreife<br />
gab es obendrauf.<br />
„Obwohl meine schulischen<br />
Leistungen echt zu wünschen<br />
übriggelassen hatten, habe<br />
ich mich gemeldet, wohlwissend,<br />
dass ich nicht die erste<br />
Wahlseinwürde“,erzähltRalf<br />
Häußler.<br />
Vertrauensbeweis<br />
Am nächsten Tag wurde er<br />
zum Chef gerufen und auch<br />
dieser erklärte ihm, dass er<br />
zwar von den Noten her nicht<br />
die erste Wahl sei, aber sein<br />
Mut sich zu melden, beeindruckt<br />
habe. „Deshalb wollte<br />
man mir die <strong>Chance</strong> geben“,<br />
erinnertsichHäußlerundfügt<br />
hinzu, dass „dieser Vertrauensvorschuss<br />
dazu führte,<br />
dass es bei mir klick gemacht<br />
hat“. Begeistert legte er sich<br />
ins Zeug und wuppte neben<br />
der Ausbildung auch das Berufskolleg,sodassernachdrei<br />
Jahren nicht nur Industriemechaniker<br />
war, sondern<br />
auch seine Fachhochschulreife<br />
in der Tasche hatte sowie<br />
die erste Hälfte des Maschinenbautechnikers.<br />
„Das war<br />
wirklichmitvielAufwandverbunden,<br />
aber<br />
es hat sich<br />
gelohnt“.<br />
Während<br />
seiner Zeit<br />
als Industriemechaniker<br />
im<br />
Sondermaschinenbau<br />
versuchte er<br />
sich1990dannalsStudentund<br />
merkte aber recht schnell,<br />
dass das nichts für ihn ist.<br />
Zu trocken. „Man schlug mir<br />
vor in die USA zu reisen, um<br />
beim Aufbau einer Maschine<br />
beim Kunden vor Ort mit dabei<br />
zu sein, was für mich als<br />
24-25-Jähriger durchaus interessant<br />
gewesen wäre, aber<br />
ichlehnteab“, erzählter.<br />
Reise ins Unbekannte<br />
Häußler entschied sich<br />
stattdessen in Vollzeit die<br />
Fachausbildung zum staatlich<br />
geprüften Maschinenbautechniker,<br />
Schwerpunkt<br />
Fertigungstechnik, fertig zu<br />
machen. Durch den Besuch<br />
des Berufskollegs fehlten nur<br />
zwei Semester für den Abschluss.<br />
„Das war mir zu diesem<br />
Zeitpunkt einfach wichtiger“,erinnertersich.<br />
Mit seinem Wechsel 1993<br />
zurBSWAnlagenbauundAusbildung<br />
GmbH als Bereichsleiter<br />
Sonderanlagenbau und Instandhaltung<br />
begann für ihn<br />
erstmal eine Reise ins Unbekannte:<br />
„Ich habedamalsLeute<br />
geführt, die waren 40 und<br />
50 Jahre alt, und kannten das<br />
Werk wie ihre Westentasche.<br />
Ich dagegen kannte mich hier<br />
bei den Badischen Stahlwerkennochüberhauptnichtaus“.<br />
Er war damals gerade erst ein<br />
Jahr mit der Technikerschule<br />
fertig. „Die Leute haben mich<br />
damals unterstützt und mir<br />
geholfen, Fuß zu fassen“, erinnertsichHäußler.<br />
GenerellzeichnetRalfHäußler<br />
aus, dass er das „lebenslangeLernen“seitJahrzehntenerfolgreich<br />
verinnerlicht hat und<br />
umsetzt. Neben verschiedenen<br />
Fachausbildungen hat er über<br />
dieJahreauchvieleZusatzqualifikationenerworben.<br />
Viele Weiterbildungen<br />
Da seine eigene Ausbildung<br />
praktisch<br />
und technisch war,<br />
hat sich der heutige<br />
Geschäftsführer<br />
1999 entschieden<br />
den<br />
Technischen<br />
Betriebswirt<br />
berufsbegleitend<br />
bei der IHK<br />
draufzusetzen. Eine<br />
weitere Qualifizierung<br />
erfolgte 2005: „Als<br />
Maschinenbauer kommt man<br />
eher vom Schrauben und Kleben,<br />
im Stahlwerk hingegen<br />
steht aber das Schweißen an<br />
erster Stelle und ich hatte vom<br />
Schweißen keine Ahnung.“<br />
Deshalb entschied sich Häußler<br />
für die berufsbegleitende<br />
Fachausbildung „Internationaler<br />
Schweißtechniker“. 2011<br />
machte er noch den „Internationalen<br />
Schweißgüteprüfer –<br />
C“ – erneut berufsbegleitend.<br />
„Das hat einen riesen Spaß gemachtundhatdenHorizontabsolut<br />
erweitert“, erzählt Häußlerbegeistert.<br />
Ralf Häußlers Werdegang<br />
zeigt: Mit Realschulabschluss<br />
und einer fundierten dualen<br />
Ausbildunglässtsichvieleserreichen.<br />
„Ich glaube, heutzutage<br />
ist es ungleich schwerer,<br />
aber: Wer Biss hat und weiterkommenmöchte,wirdsichseine<strong>Chance</strong>nerarbeiten“,betont<br />
der Geschäftsführer der BSW<br />
Anlagenbau und Ausbildung<br />
GmbH.