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Life Channel Magazin April 2021

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SERIE<br />

LIFE CHANNEL MAGAZIN ı 04.<strong>2021</strong> ı 21<br />

gott<br />

ist…<br />

… Diakonie<br />

VON CHRISTOPH ZINGG<br />

Ich werde oft gefragt, was denn eigentlich «Diakonie» bedeute, und ob der Begriff nicht unverständlich oder altbacken sei und<br />

ersetzt gehöre durch «kirchliche Sozialarbeit» zum Beispiel. So einfach ist es nicht. Ich befürchte, dass in dem Moment eine der<br />

für mich persönlich bewegendsten Eigenschaften Gottes vergessen und verloren gehen würde: Gott ist Diakonie. Warum?<br />

Diakonie im weitesten Sinn wird gerne mit «Gastfreundschaft»<br />

übersetzt. Zu Jesu Zeiten, die stark von dem<br />

geprägt waren, was im Römischen Reich von der griechischen<br />

Kultur weiter gepflegt wurde, lagen die Menschen -<br />

wenigstens die, die es sich leisten konnten – zum Essen auf<br />

bequemen Chaiselongues auf der Seite, durch dicke Kissen<br />

gestützt. Die Speisen, die auf niederen Tischen angerichtet<br />

wurden, waren so aber schwierig zu erreichen. Deshalb<br />

bedienten Tischdiener die Speisenden. Dieses «Zu-Tische-<br />

Dienen» ist ein Bild, welches die Vorstellung von Diakonie<br />

Hunderte von Jahren geprägt hat. Umso mehr, als dass in<br />

der Auffassung der jungen Christengemeinden auch Menschen<br />

«zu Tische» eingeladen wurden, deren Herkunft<br />

und Status umstritten war. Ganz nach dem Vorbild Jesu,<br />

der mit Sündern und Zöllnern und anderen Marginalisierten<br />

gemeinsam ass.<br />

Wörtlich geht der Begriff Diakonie auf «dia konos»<br />

zurück und bedeutet: «Der, der durch den Staub geht. Der<br />

weite Wege geht. Der sich schmutzige Füsse, Blasen und<br />

aufgerissene Fusssohlen holt. Dem kein Weg zu beschwerlich<br />

ist.» Gerne erinnere ich mich an das Gleichnis vom<br />

verlorenen Schaf in Lukas 15, 4-7: Die Stützen der Gesellschaft<br />

kritisierten Jesus von Nazareth eben dafür, dass er<br />

mit Zöllnern und Sündern ass und feierte. Der Nazarener<br />

antwortet ihnen:<br />

«Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat<br />

und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig<br />

in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach,<br />

bis er's findet? Und wenn er's gefunden hat, so legt er<br />

sich's auf die Schultern voller Freude. Und wenn er heimkommt,<br />

ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu<br />

ihnen: Freut Euch mit mir.»<br />

Gott ist der Hirte, der seine Schafe sucht, jedes einzelne,<br />

und dem kein Weg zu weit und zu beschwerlich ist. Gott<br />

ist «dia konos», Gott ist, der durch den Staub geht, damit<br />

keines seiner Geschöpfe verloren geht. Und er macht sich<br />

immer neu auf den staubigen, beschwerlichen Weg.<br />

Im Sozialwerk Pfarrer Sieber, einem durch und durch<br />

diakonischen Werk, sind wir täglich unterwegs zu und mit<br />

Menschen, die von einem schwierigen Leben gezeichnet<br />

sind: Sie haben keine Wohnung, kein Obdach, leben auf<br />

der Strasse oder in wechselnden Abhängigkeiten. Sie sind<br />

arbeitslos, ausgesteuert. Sie sind einsam, verwahrlosen<br />

äusserlich und innerlich. Sie sind suchtkrank, von Gewaltund<br />

Missbrauchserfahrungen traumatisiert. Der Weg zu<br />

diesen Menschen und ihren Herzen ist beschwerlich. Eine<br />

vertrauensvolle Beziehung aufzubauen dauert oft Jahre und<br />

Fortschritte und Rückschläge halten sich die Waage. Gott,<br />

der «dia konos» ist uns darin Leitung und Ermutigung<br />

in einem, und er ist es auch für Mitarbeitende, die keiner<br />

christlichen Kirche angehören oder aus einem anderen<br />

Bekenntnis als dem Christlichen leben. Kein Weg zu weit,<br />

keine Hürde zu hoch: dem vermag auch zu folgen, wer<br />

anders betet. Gott, der «dia konos» führt den, der seine<br />

Menschen sucht, und sei er noch so weit weg von ihm und<br />

noch so stark an den Rand gedrängt.<br />

Ein Rabbi wurde von einem Schüler gefragt, weshalb<br />

die Menschen zu biblischen Zeiten Gott so oft zu Gesicht<br />

bekommen hätten und er sich heute seinen Menschen<br />

kaum mehr zeige. Der Rabbi antwortete: «Das muss daran<br />

liegen, dass sich die Menschen heute kaum mehr bücken<br />

können.»<br />

<br />

SERIE «GOTT IST …»<br />

Wie oder wer ist Gott eigentlich? Diese Frage beschäftigt<br />

die Menschen schon lange. In der Bibel werden unterschiedliche<br />

Bilder gebraucht, um Gott zu beschreiben. In einer<br />

Serie teilen Theologinnen und Theologen aus verschiedenen<br />

Denominationen ihre Vorstellungen, wie Gott ist.<br />

USER ZUR PERSON<br />

Christoph Zingg, Pfarrer und NPO-Manager,<br />

seit Anfang 2011 Gesamtleiter des Sozialwerks<br />

Pfarrer Sieber, liebt es, Menschen<br />

unterschiedlicher Begabungen, Sprachen<br />

und Kulturen über gemeinsamen Themen<br />

zusammenzuführen. Gottes Schöpfung ist<br />

so bunt, so schön und reich.

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