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ZUGANG zur Erziehungswissenschaft durch Gewinnung von DATEN

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Die Geisteswissenschaften haben als ihre umfassende Gegebenheit die Objektivation des Lebens.<br />

Indem aber nun die Objektivation des Lebens für uns ein Verstandenes wird, enthält sie als solche<br />

überall die Beziehung des Äußeren zum Inneren. Sonach ist diese Objektivation überall bezogen im<br />

Verstehen auf das Erleben, in welchem der Lebenseinheit sich ihr eigener Gehalt erschließt und den<br />

aller anderen zu deuten gestattet (Dilthey, VII. Bd., S. 148).<br />

Neubegründung der Geisteswissenschaften<br />

Dilthey versuchte mit dem Gegensatz <strong>von</strong> Erklären - Verstehen eine Neubegründung jener Wissenschaften,<br />

die im Zeitalter des Aufblühens der Naturwissenschaften in Gefahr waren, nicht mehr als<br />

„Wissenschaften“ ernst genommen zu werden - alle diejenigen Wissenschaften nämlich, die nicht<br />

experimentell arbeiten, sondern interpretatorische Leistungen vollbringen und <strong>von</strong> daher keine Naturwissenschaften<br />

sind, wie etwa Geschichts-, Sprach-, Rechts- und Religionswissenschaft. Deshalb<br />

kommt der Gegenübersetzung <strong>von</strong> Erklären - Verstehen keineswegs nur eine methodische, sondern<br />

auch eine programmatisch-wissenschaftstheoretische Bedeutung zu.<br />

Kritik an der geisteswissenschaftlichen Pädagogik<br />

Obwohl die geisteswissenschaftliche Pädagogik am pädagogischen Geschehen ihrer Zeit interessiert<br />

war und die pädagogische Praxis reflektierte, war sie doch sehr viel stärker historisch und erziehungsphilosophisch<br />

als praxisverändernd ausgerichtet. Dennoch hat die geisteswissenschaftliche<br />

Pädagogik sich bleibende Verdienste erworben: Sie lieferte eine wissenschaftliche Begründung dafür,<br />

daß Pädagogik eine selbständige Wissenschaft mit eigener Aufgabe ist, also nicht nur eine angewandte<br />

Philosophie oder Psychologie darstellt. Sie hat die Bedeutung der Selbständigkeit des<br />

Erziehers und seine in pädagogischer Freiheit gewonnene Verantwortung für die Erziehung des<br />

Kindes erkannt, die nicht am eigenen Interesse, sondern an der des Kindes orientiert ist. Der Erzieher<br />

ist „Anwalt des Kindes“. Sie hat nicht zuletzt die Bedeutung der historischen „ Gewordenheit“<br />

aller Verhältnisse, vor allem auch der in einer Zeit vorherrschenden Werte und Normen, betont und<br />

relativiert somit absolute Normsetzungen und überzeitlich-universale Erziehungsideale.<br />

Grundsätzliche Kritik an der geisteswissenschaftlichen Pädagogik, die zum Niedergang dieser<br />

Richtung wesentlich beitrug, erfolgte in den 60er Jahren - <strong>von</strong> zwei ganz unterschiedlichen Seiten:<br />

1. Gesellschaftskritik:<br />

a) Die geisteswissenschaftliche Pädagogik interpretiere zwar die pädagogische Wirklichkeit, bleibt<br />

dabei aber an die Tradition gebunden. Sie ist nicht in der Lage, Konflikte und Ungerechtigkeiten<br />

wahrzunehmen, kritisch zu analysieren und zu verändern. Gesellschaftliche Konflikte als Grundbestand<br />

moderner demokratischer Industriegesellschaften können <strong>von</strong> einer Erziehungstheorie nicht<br />

wahrgenommen werden, die nur das Verhältnis zwischen Kind und Erzieher ohne einen kritischen<br />

Blick auf die gesellschaftlichen Realitäten reflektiert.<br />

b) Die geisteswissenschaftliche Pädagogik ist aus dieser kritischen Sicht Bestandteil eines gesellschaftlichen<br />

Systems, das die Benachteiligung großer gesellschaftlicher Gruppen (Arbeiterkinder vs.<br />

Akademikerkindern, Mädchen vs. Jungen, Landkinder vs. Stadtkindern, Lehrlinge vs. Studenten)<br />

einfach unterschlägt und somit fortschreibt. Sie ist ein Produkt des gutsituierten Bürgertums, dem<br />

im Gegensatz zu benachteiligten Gruppen alle gesellschaftlichen Vorteile offen stehen.<br />

c) Die Kritiker bemängeln, dass die historische Orientierung der geisteswissenschaftlichen Pädagogik<br />

eine rein ideengeschichtliche sei und sich nur auf die großen Persönlichkeiten in der Geschichte<br />

der Pädagogik konzentriert. Es wird dabei gar nicht gefragt: Wie waren denn die realen Lebens- und<br />

Bildungsverhältnisse früher, welche gesellschaftlichen Bedingungen bewirkten, daß der größte Teil<br />

der Bevölkerung ungebildet blieb und sozial benachteiligt war, während sich aus den etablierten<br />

Schichten des Bürgertums und des Adels sowie der Kirche die führenden Kreise der Gebildeten und<br />

der politischen Entscheidungsträger rekrutierte. Die traditionelle Hermeneutik, das einfühlende Verstehen<br />

war gefühlsmäßiges Nachvollziehen <strong>von</strong> seelischen Vorgängen und hatte keinerlei gesellschaftskritische<br />

Zielrichtung.

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