Mediengolfer_2021
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Mediengolfer · Ausgabe 2021
Marshall mit vierbeinigem Begleitschutz: Stella
Niehörster mit ihrem Artus als Platzaufsicht bei
einem Benefizturnier im istrischen Savudrija.
Foto: Branko Bacic
Und weil Christa das Spiel, ihren Club und die
meisten Mitglieder sehr, sehr gerne hat, fährt
sie „Marshalla“. Christa ist ein Seelchen, aber
wehe eine/r versucht, ihr etwas von Etikette
und dem, was auf dem Platz gilt, zu erzählen.
Dann wird aus der lieben Lady eine fauchende
Furie. „Muss nicht sein, wenn sich alle an die
Regeln halten.“ Das mit den Pitchmarken, das
hat sie aufgegeben. „Einige machen sowieso
nie welche, andere haben nicht mal ´ne Pitchgabel
dabei.“ Alles große Golfer. Die höfliche
Bitte, doch das kleine Handwerkszeug vorzuzeigen,
ist für manche/n wie die Frage nach
Mundgeruch oder dem letzten Vollrausch.
Entsetzen macht sich blitzartig breit. „Ich
hab’ eine in meinem Bag“, antwortet der
Strahlemann und fühlt sich schon als Sieger.
Das Bag steht 30 Meter weg. Die Pitchgabel
hatte wahrscheinlich noch nie Bodenkontakt.
Das edle Teil mit Ballmarker von St. Andrews
klemmt in einem Echt-Leder-Etui. Für den
Dreck viel zu schade, war wahrscheinlich
ein Geschenk zur Platzreife und hat seither
das Bag nicht verlassen. Weitere Debatten
zwecklos. Christa muss weiter, weil jetzt die
späteren Nachmittag-Flights starten.
Zum Abschlag der Bahn 10 stolziert eine junge
Frau, die sich ganz schick gemacht hat und
scheinbar vom Friseur mit Make-Up-Artist
zum Golfplatz durchgestartet ist. Neuestes
Bag, teuerster Trolley, knappes Blüschen,
Blue Jeans. Das Outfit passt so für eine Braut -
schau – Tatort Theke. „Nur in Röhren-Jeans
nicht auf den Platz, bitte.“ Der dezente und
durchaus lieb gemeinte Hinweis, das hautenge
blaue Beinkleid kurzfristig im Pro-Shop gegen
ein passendes Stück zu tauschen, wird mit
wenig Verständnis erwidert. „Erstens ist das
eine sehr teure Designer-Jeans und zweitens
lass ich mir nicht vorschreiben, was ich
anziehe“, kommentiert die frisch geföhnte
Dame schnippisch den Hinweis des diensthabenden
Marshalls. Der hat große Augen
gemacht und an anderer Stelle auch nichts
gegen das deutlich dekolletierte Blüschen
einzuwenden, aber hier ein No-Go. Statt in den
Pro-Shop ist die Unbekannte in den hautengen
Blue-Jeans gleich zum Parkplatz. Klamotten
ins Auto und weg. Auf Nimmer-Wiedersehen.
„Golfer sind eben ein
besonderes Völkchen“
„Auf die Einhaltung von Platz und Spielordnung
zu achten, das ist der Job der Marshalls, dazu
freundlich für ein zügiges Spiel sorgen“, sagt
Christa völlig emotionslos. Das klappt aber
nur, wenn alle, die spielen, da auch mitspielen;
denn manches Mal muss sie sich – wie
all die anderen, die sich als Marshall oder
Platzaufsicht ehrenamtlich in den Dienst des
Golfsports und ihrer Clubs stellen – die Faust
in der Tasche machen oder sich auf die Lippen
beißen. „Golfer sind eben ein besonderes
Völkchen und manche sind ganz besonders.“
Dass die Marshalla sich pflichtgemäß Stunden
vorher erlaubt hat, nach der Pitchgabel zu fragen,
sorgt am Abend noch für Gesprächsstoff
auf der Terrasse. Der Präsident und andere
haben erst gestaunt, dann geschmunzelt, dann
die Köpfe geschüttelt. Ohne weitere Worte.
Im Pro-Shop sorgt die Geschichte für Umsatz.
In den folgenden Tagen werden mehr Pitchgabeln
nachgefragt als in den Wochen zuvor.
„Alles richtig gemacht“, sagt Christa und freut
sich. Doch die Hoffnung, dass es deswegen
demnächst weniger Pitchmarken auf den
Grüns von Kiel bis Berchtesgaden gibt, die
hat auch Kurt aufgegeben. Der „Blödmann“,
der ihm beim Herren-Nachmittag den Eagle
versaut hat, wurde nie ermittelt.
Von Helmut A. Metzen
Der Marshall muss gut sein
Ja, ich oute mich. Ich bin ein Freund von guten
Marshalls. Die Betonung liegt auf gut. Denn
natürlich gibt es – wie überall – gewaltige
Unterschiede. Ein guter Marshall ist einer,
der Aktive freundlich begrüßt, den aktuellen
Platzzustand kennt und weiß, was da los ist.
Ein guter Marshall kennt die Spieler und ahnt
schon, dass es bei speziellen Spielerkonstellation
spätestens an Loch 5 knautscht. Der gute
Marshall lenkt die Spielgeschwindigkeit mit
klarer und immer respektvoller Ansprache.
Dem guten Marshall widerspricht man nicht.
Selbst Problemkinder hören auf ihn. Eine
Traumvorstellung und eher die Ausnahme
als die Regel.
Denn: Es gibt auch den bräsigen, phlegmatischen
Marshall, der Scorekarten verteilt und
alle zehn Minuten den nächsten Flight auf die
Runde schickt. Den Spielfluss steuert er von
Tee eins, hören tut sowieso keiner auf ihn.
Vielen Clubs reicht das. Hier hat der Marshall/
Starter häufig eine Alibifunktion ohne echte
Funktion. Hauptsache da steht jemand und
man kann sagen: „Wir haben einen.“ Hier gilt
es, sich Gedanken zu machen. Wie wird aus
einem Starter ein Marshall, der eine wichtige
Funktion im Clubmanagement hat und der
für die Mitglieder- und Kundenzufriedenheit
sorgt? Noch immer wissen viel zu viele Clubs
nicht wirklich, was auf ihrem Platz gerade
tatsächlich los ist. Das heißt weitergedacht:
Diese Clubs wissen auch nicht, ob sie ihre
Anlage optimal auslasten. Ein guter professioneller
Marshall kann eine ganz zentrale
und einträgliche Rolle spielen. Er muss es
allerdings auch können und dürfen.
Welchen besseren Ort als Tee 1 gibt es für Mitgliederbetreuung,
wo jeder vorbei muss und
meist zehn Minuten wartet. Dieser zentrale
Ort auf dem Platz wird in der Regel von mäßig
dynamischen Herren bewacht, die mit ein
bisschen Glück nett sind, mit Pech aber auch
nicht. Helfen würde auf jeden Fall, wenn die
Marshallschaft ernsthaft ins Clubmanagement
integriert würde, wenn die Position offensiv
und für die Mitglieder erkennbar aufgewertet
würde. Allein dadurch würde sich das Standing
verbessern und Autoritätsprobleme wären
passé. Ein guter Marshall, in Kombination mit
40
Ein guter professioneller Marshall kann für seinen
Club eine ganz zentrale und einträgliche Rolle
spielen: Jörg Schlockermann, Vorstand Golfentwicklung
& Kommunikation beim DGV.
Foto: Jupp Lentzen
einem Startzeitenreservierungssystem, digitaler
Unterstützung und einem professionellen
Clubmanagement, das wäre mein Traum.