Leseprobe_Der Mönch von Salzburg
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verweigert wird, so findet er doch zahlreiche andere Möglichkeiten, um<br />
sein Ziel zu erreichen: Wenzel „verpot ym holcz zu bringen, do schuf der<br />
<strong>von</strong> <strong>Salzburg</strong> zu kauffen als vil nuzz daz er genug het zu brennen in seiner<br />
kuchen“. 26 Die Historizität der Zeilen wird heute – zurecht – in Frage gestellt.<br />
Die eigentlichen Beweggründe Pilgrims, König Wenzel für die Unterstützung<br />
des Papstes in Avignon zu gewinnen, nämlich die Eingliederung der<br />
Propstei Berchtesgaden mit ihren wertvollen Salzvorkommen in das Erzbistum<br />
<strong>Salzburg</strong> zu erlangen, werden ebenso wenig thematisiert wie Wenzels<br />
Argumente. Die anstelle <strong>von</strong> Brennholz verwendeten Nüsse lassen jedenfalls<br />
Raum für die Zuschreibung <strong>von</strong> bestimmten Eigenschaften, die mit Pilgrim<br />
in Verbindung gebracht werden. Nüsse als Brennholz zu verwenden, mag für<br />
das Publikum eigenartig anmuten, jedenfalls aber den Eindruck erwecken,<br />
dass einzig und allein deren Eigenschaft der Brennbarkeit ausschlaggebend<br />
für die Verwendung als Brennholz ist. Ihre (er-)nährende und damit auch<br />
wertvolle Funktion tritt dabei in den Hintergrund. Nüsse werden jedoch<br />
auch metaphorisch thematisiert: ihre Bedeutung in symbolischer, religiöser<br />
und erotischer Hinsicht wird <strong>von</strong> Autoren wissenschaftlicher, und hier vor<br />
allem theologischer Traktate häufig betont. Besonders letztere könnte in der<br />
geschilderten Sequenz angesprochen worden sein, denn Nüsse symbolisieren<br />
Liebe, Fruchtbarkeit und erotische Freuden genauso wie die Liebe Gottes zum<br />
Menschen im mystischen Kontext. Ob eine da<strong>von</strong> auch für die Beschreibung<br />
der Eigenschaften Erzbischof Pilgrims in Frage kommt, sei dahingestellt. 27<br />
21<br />
Jedenfalls wusste er die vielfältigen Einflüsse der höfisch-adeligen und klerikal-geistlichen<br />
Welt erfolgreich zu nutzen. Sein eigenständiger herrschafts- als<br />
auch kirchenpolitischer Entscheidungswille, seine weitreichenden Kontakte<br />
und ein dichtes Netz an persönlichen Beziehungen zu den einflussreichen<br />
weltlichen und kirchlichen Fürsten ermöglichten es ihm, sich in den Auseinandersetzungen<br />
zwischen den Ansprüchen um territoriale, ökonomische und<br />
seelsorgliche Einflussbereiche <strong>von</strong> Papst, Kaiser und Territorialherren nachhaltig<br />
zu positionieren. An seinem Hof konnte sich gerade deshalb auch eine<br />
literarische Kultur entwickeln, die durch ihren Umfang, ihre Vielfältigkeit<br />
und Nachhaltigkeit beeindruckt.<br />
26 Vgl. März, Die weltlichen Lieder des <strong>Mönch</strong>s <strong>von</strong> <strong>Salzburg</strong> (wie Anm. 3), S. 205 und 389.<br />
27 Vgl. Albrecht Classen, Haselnüsse, Erotik und Epistemologie in der Literatur des Mittelalters,<br />
in: Fabula. Zeitschrift für Erzählforschung 56 (2015), S. 79–94; Anna Mühlherr, Nüsse und<br />
Hasenbraten. Prägnante Dinge in Mären, in: Prägnantes Erzählen, hg. v. Friedrich M. Dimpel<br />
und Silvan Wagner, Oldenburg 2019 (Brevitas 1, BmE Sonderheft), S. 351–382.