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Taxi Times Berlin - 1. Quartal 2021

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KOLUMNE<br />

Gab’s auch schon vor Corona<br />

Hast Du bei Uber oder bei dessen Generalpartner<br />

Ennoo Safe-Driver oder auch<br />

bei Free Now noch eine zusätzliche Schulung<br />

gemacht?<br />

Nein, ich war bereits als <strong>Taxi</strong>fahrer mit<br />

Free Now und Uber vertraut, jedoch müssen<br />

laut Aussagen neue Fahrer an einer<br />

Schulung teilnehmen. Über die Rückkehrpflicht<br />

wurde nie gesprochen, aber es gab<br />

einige Tutorials per Mail und in der Uber-<br />

App im Bezug auf richtigen Umgang mit<br />

Fahrgästen.<br />

Über welche App hast Du mehr Touren<br />

vermittelt bekommen – Free-Now-Ride<br />

oder UberX?<br />

UberX – mit weitem Abstand.<br />

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf<br />

den Mietwagenbetrieb ausgewirkt?<br />

Finanziell stehen sie nicht gut da. Viele<br />

Wagen wurden stillgelegt, jeder Cent wird<br />

umgedreht. Wir bekamen sogar die Anweisung,<br />

den Wagen nicht zu waschen.<br />

Wieso hast Du aufgehört, als Mietwagenfahrer<br />

zu arbeiten und was machst<br />

Du jetzt?<br />

Es ist Sklavenarbeit, und was die Zukunft<br />

mit sich bringt, steht aktuell in den Sternen.<br />

Was wünschst Du den Mietwagenfahrer*Innen<br />

und Unternehmern für<br />

die Zukunft?<br />

Dass sie Aufwachen und kein System unterstützen,<br />

das darauf beruht, die Partner und<br />

deren Angestellte auszubeuten. Firmen wie<br />

Uber verdienen allein durch die Vermittlung<br />

mehr als Fahrer und Unternehmer. Sie<br />

tun dafür nichts außer Marketing und Vermittlung.<br />

Für mich grenzt es an Zuhälterei,<br />

da man absolut auf die angewiesen ist.<br />

Das Interview führte Hayrettin Şimşek.<br />

DAS TAXI STIRBT<br />

NICHT AN CORONA<br />

ALLEINE<br />

„80.000 <strong>Taxi</strong>fahrer könnten bis Ende <strong>2021</strong><br />

aufgeben“ – so die Überschrift einer Online-<br />

Meldung Ende November. Bisher hatte daran<br />

doch Uber die Hauptschuld.<br />

Obwohl ich Ende November bereits<br />

mehr als ein halbes Jahr auf<br />

Kurzarbeit Null war und auch<br />

schon die Kündigung im Kasten hatte,<br />

wäre diese journalistische Glanzleistung<br />

beinahe an mir vorbeigegangen.<br />

Journalistische Glanzleistung deswegen,<br />

weil der Artikel, in dem es um den Niedergang<br />

des <strong>Taxi</strong>gewerbes geht, es schafft,<br />

ganz ohne Uber auszukommen. Zum Glück<br />

bin ich durch die Praxis in meinem <strong>Taxi</strong>, in<br />

dem ein jeder alles sagen durfte, und ich<br />

mir auch wirklich alles und jedes angehört<br />

habe, bestens auf die aktuelle Situation und<br />

auch auf das vom Spiegel beschriebene Szenario<br />

vorbereitet. Nachdem ich nun auch<br />

noch mehr Zeit zum Nachdenken habe,<br />

halte ich es für durchaus möglich, dass<br />

das bei „Spiegel Online“ gar kein Versehen<br />

war, sondern dass es in Zukunft wirklich so<br />

sein könnte, dass an allem und jedem einzig<br />

und allein Corona Schuld ist. Und das,<br />

obwohl es beispielsweise im Scheidungsrecht<br />

seit vielen Jahren keinen Alleinschuldigen<br />

mehr gibt.<br />

Auch in der Geschichtsschreibung wird<br />

zwischen Anlass und Ursache unterschieden.<br />

Denn, um nur ein Beispiel zu nehmen,<br />

den Personalmangel beim LABO, den gibt<br />

es nicht erst seit Corona. Schon vor Corona<br />

sind die <strong>Berlin</strong>er Behörden kaputt gespart<br />

worden. So wurde ich selbst zum Beispiel<br />

in über zwanzig Jahren im <strong>Taxi</strong> nur ganze<br />

zweimal nach meinem <strong>Taxi</strong>-Schein gefragt.<br />

Zugezogene zogen es deswegen schon vor,<br />

sich gar nicht erst in <strong>Berlin</strong> anzumelden<br />

und somit auch keine Steuern hier zu zahlen.<br />

Uber hat da nur das nachgemacht, was<br />

zuvor schon gängige Praxis in unserer<br />

Stadt war.<br />

Die ebenfalls kaputtgesparten öffentlichen<br />

Verkehrsmittel, möglicherweise auch<br />

das gläsern gemachte <strong>Taxi</strong> und ein paar<br />

klitzekleine Gesetzesänderungen kamen<br />

Uber gerade „recht“ für den Markteintritt<br />

auf unseren ebenfalls kaputten Straßen.<br />

Deswegen sind Uber-Fahrzeuge auch mit<br />

einer Ausnahmegenehmigung unterwegs,<br />

schließlich gab es in unserer Stadt einen<br />

Beförderungsnotstand. Und überhaupt:<br />

Warum sollten Uber-Fahrer (und demnächst<br />

möglicherweise auch <strong>Taxi</strong>fahrer) auch nur<br />

eine Straße lernen, wo doch nur der, der<br />

nichts weiß, alles glauben muss, wie vielleicht<br />

bald: Corona ist an allem Schuld!<br />

Ob es wirklich so kommt, dass Corona<br />

an allem Schuld sein soll, das weiß natürlich<br />

auch ich nicht, genau so wenig, wie<br />

ich weiß, ob die <strong>Taxi</strong>s meines Chefs, die<br />

er gerade an <strong>Taxi</strong>- und Mietwagenunternehmer<br />

verkauft, demnächst noch<br />

als öffentliches Verkehrsmittel <strong>Taxi</strong> mit<br />

Beförderungs- und Tarifpflicht und mit<br />

Mindestlohn für den Fahrer unterwegs<br />

sein werden, oder bereits als Mietwagen<br />

für den Steuervermeider Uber und mit von<br />

uns allen bezahlten Aufstockern am Steuer<br />

auf unseren Straßen.<br />

Ich für meinen Teil gehe auf Nummer<br />

sicher und habe es mir bereits vor dem<br />

Spiegel-Artikel angewöhnt zu sagen, dass<br />

ich „Uber-Corona-bedingt“ und nicht einfach<br />

nur „wegen Corona“ aus dem Verkehr<br />

gezogen bin. <br />

rm<br />

FOTO: Rumen Milkow<br />

TAXI <strong>1.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong><br />

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