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Leseprobe_100143

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Radaj<br />

FACHBUCHREIHE SCHWEISSTECHNIK<br />

Eigenspannungen<br />

und Verzug<br />

beim Schweißen<br />

Rechen- und Meßverfahren


Radaj<br />

Eigenspannungen<br />

und Verzug<br />

beim Schweiûen<br />

Rechen- und Meûverfahren


Die Deutsche Bibliothek ± CIP-Einheitsaufnahme<br />

Radaj, Dieter:<br />

Eigenspannungen und Verzug beim Schweiûen : Rechen- und<br />

Meûverfahren / Radaj. ± DuÈsseldorf : Verl. fuÈr Schweiûen und<br />

Verwandte Verfahren, DVS-Verl., 2002<br />

(Fachbuchreihe Schweiûtechnik ; Bd. 143)<br />

ISBN 3-87155-194-5<br />

Fachbuchreihe Schweiûtechnik<br />

Band 143<br />

ISBN 3±87155±194±5<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

f Verlag fuÈr Schweiûen und verwandte Verfahren DVS-Verlag GmbH, DuÈsseldorf ´ 2002<br />

Herstellung: J. F. Ziegler KG, Remscheid<br />

Titelgestaltung: M + V Werbeagentur, Willich


Gewidmet<br />

Yukio Ueda und John Goldak<br />

Wegbereiter von<br />

Computational Welding Mechanics


Vorwort<br />

Die fortschreitende Computerisierung der industriellen Produkt- und Verfahrensentwicklung<br />

bedingt eine Neuorientierung auch in den Methoden der QualitaÈtssicherung hinsichtlich Eigenspannungen<br />

und Verzug. Die rechnerische Schweiûsimulation tritt gegenuÈber herkoÈmmlichen<br />

experimentellen Verfahrensweisen zunehmend in Erscheinung. Die WettbewerbsfaÈhigkeit<br />

von Unternehmen mit schweiûtechnischer Fertigung entscheidet sich auch an der<br />

FaÈhigkeit, die MoÈglichkeiten rechnerischer Verfahren angemessen zu nutzen.<br />

Das vorliegende Buch zur rechnerischen und meûtechnischen Ermittlung von Eigenspannungen<br />

und Verzug beim Schweiûen ist eine den Fortschritten in Wissenschaft und Anwendung<br />

entsprechende Neubearbeitung des 1988 im Springer-Verlag (Berlin) erschienenen und zwischenzeitlich<br />

vergriffenen Werkes ,,WaÈrmewirkungen des Schweiûens ± Temperaturfeld, Eigenspannungen,<br />

Verzug``, das auch in englischer und chinesischer UÈ bersetzung vorliegt. Es<br />

wendet sich an Interessenten mit unterschiedlichem Ausbildungs- und Erfahrungsstand, an den<br />

aufgeschlossenen Newcomer ebenso wie an den kritischen Insider des Fachgebiets. Ihnen soll<br />

eine fundierte UÈ bersicht zu den Grundlagen ebenso wie zu den anwendungstechnisch wichtigen<br />

Details gegeben werden.<br />

Die Neubearbeitung erfolgte mit FoÈrderung durch die DaimlerChrysler AG Stuttgart, das<br />

Unternehmen, in dem ich bis vor kurzem beruflich taÈtig war. Mein Dank gilt insbesondere<br />

Werner Pollmann, der die Bedeutung der rechnerischen Schweiûsimulation fruÈhzeitig erkannt<br />

und meine diesbezuÈgliche Projektarbeit wirkungsvoll unterstuÈtzt hat. Die Buchpublikation<br />

wurde durch innerbetriebliche Dienstleistungen wie Literaturbeschaffung, Textverarbeitung<br />

und AusfuÈhrung der grafischen Arbeiten ermoÈglicht. Die Textverarbeitung lag in HaÈnden von<br />

Ute Keller, die das wiederholt korrigierte und erweiterte Manuskript mit Sorgfalt und Geduld in<br />

die drucktechnisch weiterverarbeitbare Form brachte. Die Strichzeichnungen wurden von<br />

Helga Schmidt in unuÈbertrefflicher QualitaÈt von Hand ausgefuÈhrt. Die anschlieûende Beschriftung<br />

erfolgte durch Roland Dierolf mittels Computersatz. Ohne die ZuverlaÈssigkeit der<br />

genannten Personen haÈtte das Buchprojekt nicht vollendet werden koÈnnen. Der Autor hat den<br />

Beteiligten nicht nur zu danken, sondern auch in Anerkennung von deren Leistung etwas<br />

zuruÈckzutreten.<br />

Dem DVS-Verlag gilt mein Dank fuÈr die Aufnahme des Titels in sein Verlagsprogramm.<br />

Meinen besonderen Dank richte ich an die Verlagslektorin Beate Herud, die das Buchprojekt<br />

betreut hat.<br />

Stuttgart, im Oktober 2001<br />

Dieter Radaj


Inhaltsverzeichnis<br />

Liste der Formelzeichen<br />

1 EinfuÈhrung ............................................................. 1<br />

1.1 Inhalt des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />

1.2 PhaÈnomenbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

1.3 Gliederung des Buches und allgemeine Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

2 Modellierung von Schweiûtemperaturfeldern ............................. 16<br />

2.1 Bedeutung, Inhalt und Anwendung des WaÈrmeleitmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

2.2 Verteilte WaÈrmequellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

2.3 Grundgleichungen der WaÈrmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

2.4 Temperaturfelder um momentane konzentrierte WaÈrmequellen . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

2.5 Temperaturfelder um kontinuierliche konzentrierte WaÈrmequellen . . . . . . . . . . . . . 37<br />

2.6 Temperaturfelder um momentane und kontinuierliche verteilte WaÈrmequellen . . . 46<br />

2.7 Temperaturfelder um schnellwandernde Hochleistungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

2.8 Temperaturfelder in dimensionslosen GroÈûen ................................ 53<br />

2.9 Anwendung des linearen WaÈrmeleitmodells auf komplexere Problemstellungen . . 62<br />

2.10 Spitzentemperatur, AbkuÈhlgeschwindigkeit, AbkuÈhlzeit und Verweilzeit . . . . . . . . 67<br />

2.11 WaÈrmeleitrechnung nach numerischen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

3 Modellierung von Schweiûeigenspannungen und Schweiûverzug ........... 99<br />

3.1 Modellgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

3.2 Elastisch-plastisches Werkstoffverhalten und Finite-Elemente-Methode . . . . . . . . 106<br />

3.3 Stabelementemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />

3.4 Ringelementemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

3.5 Scheibenelementemodell mit ebener Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156<br />

3.6 Scheibenelementemodell mit ebener Dehnung (Querschnittmodell) . . . . . . . . . . . . 164<br />

3.7 Schalen- und Plattenelementemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180<br />

3.8 KoÈrperelementemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

3.9 Elastisches WaÈrmespannungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199<br />

3.10 Elastisches Schrumpfkraftmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205<br />

3.11 Elastisches Eigenspannungsquellenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227<br />

3.12 Verzugsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246<br />

3.13 Beulverzugsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260<br />

3.14 Modellintegration in Festigkeitsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267<br />

4 Thermodynamische und thermomechanische Werkstoffkennwerte ......... 282<br />

4.1 UÈ bersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282<br />

4.2 Thermodynamische Werkstoffkennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282<br />

4.3 Thermomechanische Werkstoffkennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289<br />

4.4 Kombinierte Diagramme von Werkstoffkennwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297<br />

4.5 Werkstoffkennwerte zur GefuÈgeumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302<br />

4.6 Spannungsrelaxation durch GluÈhen ........................................ 314<br />

5 Meûverfahren fuÈr Temperatur, Eigenspannungen und Verzug .............. 322<br />

5.1 UÈ bersicht und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322<br />

5.2 Temperaturmeûverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322<br />

5.3 Eigenspannungsmeûverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326


5.4 Verzugsmeûverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344<br />

5.5 AÈ hnlichkeitsbeziehungen fuÈr Versuchsschweiûungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349<br />

Literaturverzeichnis .............................................................. 352<br />

Sachverzeichnis .................................................................. 386


1 EinfuÈhrung<br />

1.1 Inhalt des Buches<br />

Bedeutung der rechnerischen Schweiûsimulation<br />

Eigenspannungen und Verzug durch Schweiûen gelten als QualitaÈtsmangel, weil sie die Fertigung<br />

behindern und die BetriebsbewaÈhrung der gefertigten Strukturen beeintraÈchtigen koÈnnen.<br />

Es werden deshalb fertigungstechnische Maûnahmen vor, waÈhrend und nach dem Schweiûen<br />

ergriffen, um Eigenspannungen und Verzug gering zu halten. Informationen uÈber Eigenspannungen<br />

und Verzug lassen sich uÈber rechnerische und meûtechnische Verfahren gewinnen. Die<br />

rechnerische Schweiûsimulation hat zum Ziel, uÈber Eigenspannungen und Verzug sowie uÈber<br />

die Wirkung der erwaÈhnten gegenlaÈufigen Fertigungsmaûnahmen moÈglichst schon im Entwurfsstadium<br />

Auskunft zu geben. Die Meûverfahren sind mit den Rechenverfahren eng verknuÈpft.<br />

Sie dienen der Kalibrierung der Berechnungsmodelle und der Verifizierung der Berechnungsergebnisse.<br />

Die rechnerische Schweiûsimulation, zugehoÈrig die Berechnung von Temperaturfeld, Eigenspannungen<br />

und Verzug, ist ein Teilbereich der rechnerischen Fertigungssimulation, die der<br />

Konstruktionssimulation gegenuÈbersteht, Bild 1.1. Die Schweiûsimulation gehoÈrt zum mittleren<br />

Balken mit den Hilfsmitteln zur Bewertung von Fertigungswirkungen. Gemeint sind die<br />

meist negativen und somit zu begrenzenden Wirkungen der Fertigung auf die Bauteileigenschaften<br />

in den verschiedenen Phasen des Fertigungsprozesses und nach Abschluûdesselben,<br />

also auf Werkstoffzustand, Formgenauigkeit und Abmessungstoleranzen, Festigkeit und Steifigkeit<br />

sowie auf weitere QualitaÈtsmerkmale. Diese Hilfsmittel sind wegen der KomplexitaÈt der<br />

Bild 1.1. Hilfsmittel (tools) zur Bewertung der Fertigungswirkungen zwischen Konstruktionsbewertung und Fertigungsplanung<br />

(vertikal) sowie zwischen Konzept und Detail (horizontal); in der Grundstruktur allgemeinguÈltige<br />

Darstellung aus dem Automobilbau; nach Runnemalm [289] (geringfuÈgig abgeaÈndert)<br />

1


zu simulierenden VorgaÈnge vorerst nur unzureichend verfuÈgbar. Im Bild oben angeordnet sind<br />

die traditionell hoch entwickelten Hilfsmittel zur Konstruktionsbewertung, darunter die Systeme<br />

fuÈr Computer-Aided-Design (CAD) und die Finite-Elemente-Programme. Im Bild unten sind<br />

die gelaÈufigen Hilfsmittel zur Fertigungsplanung aufgefuÈhrt, darunter die Systeme zur Roboterbahnprogrammierung<br />

und zur Materialfluûsteuerung. Die Entwicklungsschritte vom Konzept<br />

zum Detail bei Konstruktion und Fertigung sind durch KaÈstchen dargestellt. Diese Schritte<br />

sollten nach heutigem VerstaÈndnis gleichzeitig ablaufen (simultaneous engineering), wofuÈr<br />

computerisierte Hilfsmittel (tools) eine unabdingbare Voraussetzung sind. Es wird angestrebt,<br />

die gesamte Prozeûkette vom Rohstoff bis zum Fertigteil im Computer abzubilden und mit der<br />

Simulation des Produktlebenszyklus, einer Aufgabe der Strukturberechnung, zu verbinden.<br />

GegenuÈber den bisher uÈberwiegend experimentellen Vorgehensweisen bei der Bestimmung<br />

von Temperaturfeld, Eigenspannungen und Verzug durch Schweiûen kann die rechnerische<br />

Schweiûsimulation bei bedachtsamer industrieller Anwendung folgende Vorteile bieten:<br />

± Die Modellierung der PhaÈnomene eroÈffnet neue Einblicke in die physikalischen ZusammenhaÈnge<br />

und foÈrdert dadurch die Verbesserung der Verfahren und Bauteile.<br />

± Die Parametergrenzen realer Verfahren und Bauteile koÈnnen im Modell durch eine virtuelle<br />

RealitaÈt aufgehoben werden.<br />

± Berechnungen koÈnnen billiger und schneller als Versuche durchgefuÈhrt werden. ModellgestuÈtzte<br />

Versuche sind aussagefaÈhiger als empiriegestuÈtzte experimentelle Vorgehensweisen.<br />

± In der RealitaÈt nicht oder nur schwer meûbare GroÈûen sind im Zuge der Simulation abrufbar.<br />

± Durch die Simulation idealer Bedingungen laÈût sich die Wirkung von Einfluûparametern<br />

zuverlaÈssig darstellen. Die Streubereiche koÈnnen zusaÈtzlich erfaût werden.<br />

Die rechnerische Schweiûsimulation ist somit ein in Zukunft unverzichtbares Hilfsmittel bei<br />

der innovativen Weiterentwicklung der Schweiûverfahren, der Schweiûkonstruktionen und der<br />

dabei verarbeiteten Werkstoffe.<br />

ThemenuÈbersicht<br />

Die nachfolgende Abhandlung bezieht sich auf die rechnerische Simulation von Temperaturfeld,<br />

Eigenspannungen und Verzug beim Schweiûen. Unter rechnerischer Simulation wird die<br />

RuÈckfuÈhrung der genannten schweiûtypischen PhaÈnomene auf physikalische Modelle sowie<br />

deren mathematische Darstellung durch Computerprogramme verstanden. Es wird schwerpunktmaÈûig<br />

auf die Fragen der Modellierung eingegangen. Die dabei benoÈtigten Werkstoffkennwerte<br />

werden zusammengetragen. Die der Modellkalibrierung und Ergebnisverifizierung<br />

dienenden Meûverfahren werden ebenfalls dargestellt.<br />

Die rechnerische Simulation betrifft Schweiûverbindungen unterschiedlicher Art. Zum Begriff<br />

,,Schweiûen`` gibt es verschiedene Definitionen. Ihnen gemeinsam ist die Aussage, daû durch<br />

Schweiûen KontinuitaÈt des vorher getrennten Werkstoffs hergestellt wird. Dies kann durch<br />

direkte Bindung der OberflaÈchenatome, durch Diffusion derselben oder durch Auskristallisieren<br />

in ein Schmelzbad geschehen. Lokale WaÈrmeeinbringung und/oder Druckwirkung sind<br />

dafuÈr Voraussetzung. Die Verbindung kann ohne oder mit Zusatzwerkstoff erfolgen. Bei<br />

Verwendung eines Zusatzwerkstoffs mit Schmelztemperatur unterhalb derjenigen des Grundwerkstoffs<br />

(Bindung ohne Aufschmelzen) wird von ,,LoÈten`` gesprochen.<br />

Die lokale WaÈrmewirkung des Schweiûens steht wegen ihrer uÈberragenden anwendungstechnischen<br />

Bedeutung im Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtungen. Angesprochen sind aber<br />

2


auch phaÈnomenologisch aÈhnliche Fertigungsverfahren wie das thermische Schneiden, das<br />

Richten oder Umformen mit lokalen WaÈrmequellen, die Kombination von WaÈrmequellen und<br />

WaÈrmesenken beim Schweiûen und das Kaltrecken nach dem Schweiûen. Die lokale WaÈrmeerzeugung<br />

erfolgt je nach Schweiûverfahren auf unterschiedliche Weise. Zu den SchweiûwaÈrmequellen<br />

gehoÈren die Gasflamme, der elektrische Lichtbogen, der Laser- und Elektronenstrahl,<br />

die Reib- und WiderstandserwaÈrmung. Es wird zwischen SchweiûnaÈhten mit relativ zum<br />

WerkstuÈck bewegter WaÈrmequelle und Schweiûstellen mit relativ zum WerkstuÈck ortsfester<br />

WaÈrmequelle unterschieden.<br />

Die WaÈrmequelle erzeugt ein stark inhomogenes und zeitlich veraÈnderliches (transientes)<br />

Temperaturfeld. In den Feldpunkten treten Temperaturzyklen auf (Anstieg und Abfall der<br />

Temperatur uÈber die Zeit), die im Bereich der WaÈrmequelle besonders ausgepraÈgt sind. Hier<br />

befindet sich die Schmelzzone mit Temperaturen vielfach bis nahe der Siedetemperatur. Ihr<br />

benachbart ist die WaÈrmeeinfluûzone des Grundwerkstoffs, gekennzeichnet durch Temperaturzyklen<br />

unterhalb der Schmelztemperatur, die mikrostrukturelle Prozesse ausloÈsen.<br />

Die metallurgischen und mikrostrukturellen VeraÈnderungen in der Schmelz- und WaÈrmeeinfluûzone<br />

umfassen die ZustandsaÈnderungen des Schmelzens und Erstarrens, die GefuÈgeumwandlung<br />

im festen Zustand sowie die Aufnahme und Abgabe von Gasen (speziell Wasserstoff,<br />

Sauerstoff, Stickstoff) und Legierungselementen (Zulegieren, Abbrand) im fluÈssigen<br />

Zustand. Im Gefolge der meist inhomogenen metallurgischen und mikrostrukturellen VeraÈnderungen<br />

koÈnnen Heiûrisse, Kaltrisse, Porigkeit und andere Fertigungsimperfektionen entstehen.<br />

Infolge der lokalen WaÈrmeeinbringung treten waÈhrend und nach dem Schweiûen Eigenspannungen<br />

(Schweiûeigenspannungen) und ebenso FormaÈnderungen (Schweiûschrumpfung,<br />

Schweiûverzug) auf. Schweiûeigenspannungen koÈnnen die Festigkeit und Lebensdauer des<br />

Bauteils beeintraÈchtigen (SproÈdbruch, ErmuÈdungsbruch, Spannungsriûkorrosion, ForminstabilitaÈt).<br />

Schweiûverzug kann die Schwingfestigkeit herabsetzen und besonders bei duÈnnwandigen<br />

Bauteilen InstabilitaÈten hervorrufen (Beulverzug, Verwerfungen). Besonders ausgepraÈgt<br />

koÈnnen derartige Probleme bei Reparaturschweiûungen auftreten. Schweiûverzug<br />

behindert daruÈber hinaus die form- und maûgenaue Fertigung bei Bearbeitung und Montage<br />

und kann die SichtqualitaÈt der BauteiloberflaÈche beeintraÈchtigen. Die QualitaÈt geschweiûter<br />

Bauteile haÈngt daher entscheidend von der Beherrschung von Eigenspannungen und Verzug ab.<br />

In der Praxis werden vielfaÈltige Maûnahmen vor, waÈhrend und nach dem Schweiûen ergriffen,<br />

um geforderte QualitaÈtsstandards zu erreichen. Es wird zwischen konstruktiven, werkstofftechnischen<br />

und fertigungstechnischen Maûnahmen zur Verminderung bzw. guÈnstigen Beeinflussung<br />

von Eigenspannungen und Verzug unterschieden. Derartige Maûnahmen sind jedoch<br />

nur in begrenztem Umfang moÈglich und koÈnnen die Fertigung erheblich verteuern.<br />

ThemenbeschraÈnkung<br />

In der industriellen Praxis wird eigentlich eine umfassende Darstellung des angesprochenen<br />

Themenbereichs, also des Schweiûens mit den Vor- und Nachbehandlungsverfahren unter<br />

Einschluûder Schweiûmetallurgie benoÈtigt. Sie ist jedoch nur als vielbaÈndiges Nachschlagewerk<br />

vorstellbar, das allenfalls von einer global organisierten Autorengemeinschaft mit erheblichem<br />

Aufwand erstellt werden koÈnnte. Der Alleinautor ist mit einer derartigen Aufgabe<br />

uÈberfordert. Seine Aufgabe wird nachfolgend darin gesehen, den Stand des theoretisch fundierten<br />

und damit uÈbertragbaren Wissens in einem definierten Teilbereich darzustellen sowie<br />

die zugehoÈrigen Rechen- und Meûverfahren dem potentiellen Anwender nahezubringen.<br />

3


Nachfolgend wird die numerische Simulation von Temperaturfeld, Eigenspannungen und<br />

Verzug in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt. Davon ausgehend werden Anwendungsbeispiele<br />

fuÈr diese Simulation dargestellt, die der Literatur entnommen sind. Dabei<br />

werden auch Fragen der experimentellen Ergebnisverifikation und der anwendungstechnischen<br />

Ergebnisintegration behandelt. Hinsichtlich der vielfach vorzuschaltenden Schweiûprozeûsimulation<br />

wird auf die entsprechende Buchpublikation [3] des Autors verwiesen.<br />

GegenuÈber den vorangegangenen Buchpublikationen [19, 20] des Autors wird auf die Darstellung<br />

der Schweiûmetallurgie weitgehend verzichtet. Damit entfaÈllt der Anspruch, die<br />

Schweiûbarkeit numerisch zu simulieren, fuÈr die der metallurgische Einfluûmitbestimmend<br />

ist. Andererseits naÈhert sich der Inhalt des Buches durch die weitergefuÈhrte Hervorhebung der<br />

rechnerischen Simulation dem von Watanabe und Satoh [24] gepraÈgten Begriff ,,Schweiûmechanik``<br />

und seiner Fortentwicklung durch Ueda et al. [296] in ,,Computational Welding<br />

Mechanics`` bzw. durch Goldak et al. [259] in ,,Computational Weld Mechanics``.<br />

Teilbereiche der rechnerischen Schweiûsimulation<br />

Es hat sich bewaÈhrt, die Schweiûsimulation in die Teilbereiche der Prozeûsimulation, der<br />

Struktursimulation und der Werkstoffsimulation mit jeweils eigenstaÈndigen ZielgroÈûen zu<br />

unterteilen, Bild 1.2. Die Teilbereiche sind uÈber Koppelparameter verbunden (Pfeile zwischen<br />

Bild 1.2. Teilbereiche der Schweiûsimulation mit den wichtigsten Ziel- und KoppelgroÈûen; nach Inoue und Wang<br />

[219] sowie Karlsson [268]<br />

4


den Kreisen). Eine derartige Grafik wurde erstmals von Inoue und Wang [219] sowie von<br />

Karlsson [268] verwendet.<br />

Die Prozeûsimulation hat zum Ziel, die Schmelzzonengeometrie (insbesondere Nahtbreite,<br />

Einbrandtiefe, NahtuÈberhoÈhung, SchmelzbadlaÈnge), die Prozeûwirkungsgrade und die ProzeûstabilitaÈt<br />

darzustellen. Dabei werden im Sinne des Schaubildes aus Richtung Struktur die<br />

thermischen Randbedingungen und die thermomechanische SpaltbreitenaÈnderung benoÈtigt<br />

sowie aus Richtung Werkstoff die relevanten thermischen Werkstoffkennwerte einschlieûlich<br />

der Umwandlungspunkte. Vorgeschaltet sind die nicht dargestellten Angaben zu den Verfahrenseinstellungen<br />

und zum jeweiligen GeraÈteverhalten.<br />

Die Struktursimulation (oder Strukturberechnung) versucht, Eigenspannungen und Verzug<br />

vorauszubestimmen und deren Einfluûauf Festigkeit und Steifigkeit abzuschaÈtzen. Dabei<br />

werden im Sinne des Schaubildes aus Richtung Prozeûdie WaÈrmequelle in berechnungsgeeigneter<br />

einfacher Form benoÈtigt sowie aus Richtung Werkstoff die relevanten mechanischen<br />

Werkstoffkennwerte einschlieûlich der Umwandlungsdehnungen. Vorgeschaltet sind die nicht<br />

dargestellten Angaben zur Geometrie, Lagerung und Belastung der Struktur.<br />

Die Werkstoffsimulation betrifft den GefuÈgezustand (in der erkaltenden Schmelzzone ebenso<br />

wie in der WaÈrmeeinfluûzone), die sich ausbildende HaÈrte (AufhaÈrtung oder EnthaÈrtung), die<br />

Wasserstoffdiffusion sowie die Heiû- und Kaltriûneigung. Dabei werden im Sinne des Schaubildes<br />

aus Richtung Prozeûdie Temperaturzyklen und die Schmelzezusammensetzung benoÈtigt<br />

sowie aus Richtung Konstruktion die GefuÈgebeanspruchung (speziell die Nahtquerdehnung<br />

hinsichtlich Heiûriûneigung und der Eigenspannungszustand hinsichtlich der<br />

GefuÈgeumwandlung). Vorgeschaltet sind die nicht dargestellten Angaben zur chemischen<br />

Zusammensetzung des Werkstoffs und zum GefuÈgezustand des Ausgangsmaterials.<br />

WaÈhrend die Prozeûsimulation in einer anderen Buchpublikation [3] des Autors dargestellt<br />

wird, sind nachfolgend Temperaturfeld, Eigenspannungen und Verzug mit Schwerpunkt in der<br />

Struktursimulation erfaût. Das Temperaturfeld basiert auf der vorausgehenden Schweiûprozeûsimulation<br />

(KoppelgroÈûe ,,aÈquivalente WaÈrmequelle``). Es wird auûerdem hinsichtlich<br />

der Parameter ausgewertet und diskutiert, die bei der Werkstoffsimulation eine Rolle spielen<br />

(KoppelgroÈûe ,,Temperaturzyklen``).<br />

1.2 PhaÈnomenbeschreibung<br />

Entstehung der Schweiûeigenspannungen<br />

Eigenspannungen sind innere KraÈfte ohne Wirkung aÈuûerer KraÈfte. Sie stehen als ZwaÈngungsspannungen<br />

nur mit sich selbst im Gleichgewicht. Reaktionsspannungen aus Lagerwirkung<br />

koÈnnen sich den ZwaÈngungsspannungen uÈberlagern. Die Eigenspannungen insgesamt<br />

superponieren sich den Spannungen aus der aÈuûeren Belastung, den Lastspannungen.<br />

Es wird zwischen Eigenspannungen erster, zweiter und dritter Art unterschieden, Bild 1.3.<br />

Eigenspannungen erster Art s I (Makroeigenspannungen) erstrecken sich uÈber makroskopische<br />

Bereiche, sind uÈber mehrere Kristallite gemittelt. Eigenspannungen zweiter Art s II (Mikroeigenspannungen)<br />

wirken zwischen Kristalliten oder Kristallitteilbereichen (etwa 1,0-<br />

0,01 mm), sind innerhalb dieser Bereiche gemittelt (beispielsweise die Eigenspannungen um<br />

Versetzungsstaus oder Zweitphasen). Eigenspannungen dritter Art s III wirken zwischen atomaren<br />

Bereichen (etwa 10 ±2 bis 10 ±6 mm, beispielsweise die Eigenspannungen um Einzel-<br />

5


Bild 1.3. Eigenspannungen erster,<br />

zweiter und dritter Art (s I , s II , s III )in<br />

Kristallitstruktur, beschraÈnkt auf die<br />

Spannungskomponente s y uÈber der<br />

Koordinatenachse x, s II hier als Kristallitmittelwert<br />

aufgefaût; schematische<br />

Darstellung nach Macherauch et<br />

al. [729]<br />

versetzungen). Die nachfolgenden AusfuÈhrungen beziehen sich ausschlieûlich auf die anwendungstechnisch<br />

besonders wichtigen Eigenspannungen erster Art, die makroskopischen<br />

Eigenspannungen, deren Entstehung und Verteilung kontinuumsmechanisch beschrieben wird.<br />

Eigenspannungen entstehen durch ungleichmaÈûige bleibende FormaÈnderung, die am Werkstoffelement<br />

folgendermaûen unterteilbar ist:<br />

± VolumenaÈnderung durch WaÈrmedehnung, chemische Umsetzung, GefuÈgeumwandlung oder<br />

ZustandsaÈnderung und<br />

± GestaltaÈnderung (oder Scherung) durch (zeitunabhaÈngig) plastische sowie (zeitabhaÈngig)<br />

viskoplastische FormaÈnderung.<br />

Derartige bleibende FormaÈnderungen am Werkstoffelement relativ zu einem kompatiblen<br />

Ausgangszustand werden auch als ,,AnfangsformaÈnderungen``, ,,Eigendeformationen``,<br />

,,Restdeformationen`` oder ,,Extradehnungen`` bezeichnet und in Berechnungen eingefuÈhrt.<br />

Ihnen lassen sich alternativ elastisch umgerechnete ,,Anfangsspannungen`` oder ,,Eigenspannungsquellen``<br />

zuordnen.<br />

Eigenspannungen koÈnnen auch durch AÈ nderung der StoffschluÈssigkeit, also durch (Makro-)<br />

Versetzungen entstehen, wie sich am aufgeschnittenen, gekuÈrzten und wieder geschlossenen<br />

Ring veranschaulichen laÈût.<br />

Die durch ungleichmaÈûige WaÈrmedehnung hervorgerufenen Eigenspannungen werden WaÈrmespannungen<br />

oder thermische Eigenspannungen genannt. Rein elastisch erzeugte WaÈrme-<br />

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spannungenverschwinden nach Wegfall der TemperaturaÈnderung, die sie hervorgerufen haben.<br />

Sie werden deshalb von vielen Autoren nicht den Eigenspannungen zugeordnet. Bei hinreichend<br />

groûer Temperaturdifferenz treten infolge der WaÈrmespannungen plastische FormaÈnderungen<br />

auf. Nach Wegfall der TemperaturaÈnderung bleiben in diesem Fall Eigenspannungen<br />

zuruÈck. Die durch GefuÈgeumwandlung hervorgerufenen Eigenspannungen werden Umwandlungseigenspannungen<br />

genannt.<br />

Schweiûeigenspannungen und Eigenspannungen an Brennschnittkanten sind WaÈrmespannungen<br />

(und zwar primaÈr AbkuÈhlspannungen) mit moÈglicherweise uÈberlagerten Umwandlungseigenspannungen.<br />

Beim Kaltpreûschweiûen und Diffusionsschweiûen ist die Umformkraft<br />

ausschlieûlich oder zusaÈtzlich zu den WaÈrmewirkungen fuÈr die Eigenspannungsentstehung<br />

maûgebend.<br />

Beim thermischen Schweiûvorgang wird der Schweiûbereich gegenuÈber der Umgebung stark<br />

erwaÈrmt und lokal aufgeschmolzen. Der Werkstoff dehnt sich infolge der ErwaÈrmung aus. Die<br />

WaÈrmedehnung wird durch die kaÈltere Umgebung behindert, es treten WaÈrmespannungen auf.<br />

Die WaÈrmespannungen uÈberschreiten teilweise die Flieûgrenze, die bei erhoÈhter Temperatur<br />

erniedrigt ist. Dadurch wird der Schweiûbereich plastisch gestaucht und ist nach AbkuÈhlung<br />

gegenuÈber der Umgebung zu kurz, zu schmal oder zu klein. Er weist dadurch Zugeigenspannungen<br />

auf, die Umgebung Druckeigenspannungen. GefuÈgeumwandlung waÈhrend<br />

der AbkuÈhlung (beispielsweise bei Stahl die Umwandlung von Austenit in Ferrit) ist mit<br />

VolumenvergroÈûerung verbunden. Tritt sie bei einer hinreichend niedrigen Temperatur auf, bei<br />

der die (Warm-)Flieûgrenze genuÈgend hoch ist, entsteht Druck im waÈrmeren Nahtbereich und<br />

Zug in der kaÈlteren Umgebung. Als Merkregel gilt, daûin den zuletzt erkalteten Bereichen des<br />

Bauteils bei dominierender WaÈrmedehnung Zug, bei dominierender Umwandlungsdehnung<br />

Druck auftritt. GefuÈgeumwandlungen sind andererseits vielfach mit einer Flieûgrenzenminderung<br />

verbunden (beispielsweise die UmwandlungsplastizitaÈt bei StaÈhlen oder die Rekristallisation<br />

bei kaltverfestigten Aluminiumlegierungen), wodurch die EigenspannungshoÈchstwerte<br />

im Nahtbereich vermindert werden.<br />

Schweiûeigenspannungen werden in Bauteilen erzeugt, die im allgemeinen schon eigenspannungsbehaftet<br />

sind, und sie veraÈndern sich bei der weiteren Bearbeitung des Bauteils und im<br />

Betrieb. Eigenspannungsverursachende Herstellverfahren sind das Gieûen, das Warm- und<br />

Kaltumformen, das Bearbeiten, Beschichten, OberflaÈchenbehandeln sowie das WaÈrmebehandeln<br />

und AushaÈrten. Auch durch Verspannen waÈhrend der Montage koÈnnen Eigenspannungen<br />

entstehen. EigenspannungsveraÈndernd wirkt lokales oder globales Flieûen unter einmaliger<br />

(statischer oder dynamischer) oder wiederholter (beispielsweise schwingender) Beanspruchung.<br />

WaÈrme- und Umwandlungseigenspannungen entstehen im homogenen Werkstoff nicht, wenn<br />

sich alle Bauteilbereiche gleichartig erwaÈrmen bzw. abkuÈhlen, also zu keinem Zeitpunkt<br />

Temperaturunterschiede aufweisen. Vorhandene Eigenspannungen lassen sich bei hoher Temperatur<br />

durch die Verminderung von Flieûspannung und ElastizitaÈtsmodul sowie durch Spannungsrelaxation<br />

(Kriechen) abbauen (Warmentspannen, SpannungsarmgluÈhen). Nach der ErwaÈrmung<br />

muûdas Bauteil langsam und gleichmaÈûig abgekuÈhlt werden. Im inhomogenen<br />

Werkstoff (beispielsweise in Verbindungen artfremder Werkstoffe) entstehen Eigenspannungen<br />

bereits beim gleichmaÈûigen ErwaÈrmen bzw. AbkuÈhlen.<br />

Vorhandene Eigenspannungen werden auch abgebaut, wenn Lastspannungen den Eigenspannungen<br />

so uÈberlagert werden, daûdie Flieûgrenze oÈrtlich vorzeitig uÈberschritten wird, wodurch<br />

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ein Spannungsausgleich stattfindet (mechanisches oder thermisches Kaltentspannen: Kaltrekken,<br />

Flamm- und Vibrationsentspannen).<br />

Typen von Schweiûeigenspannungsfeldern<br />

ZunaÈchst wird die gerade Schweiûnaht in einer Rechteckplatte betrachtet. Die Schmelzzone<br />

wird als symmetrisch relativ zur Mittelebene der Platte angenommen, so daûEigenspannungen<br />

nur als Membranspannungen in der Plattenebene wirken, also Biegespannungen und Biegedeformationen<br />

ausgeschlossen sind. Des weiteren sei die Schweiûnaht mit hoher Geschwindigkeit<br />

ausgefuÈhrt, so daûsie als gleichzeitig erwaÈrmt und langsam abkuÈhlend betrachtet<br />

werden kann. Es bilden sich die Eigenspannungen in NahtlaÈngsrichtung, Nahtquerrichtung und<br />

Nahtdickenrichtung nach unterschiedlichen Mechanismen.<br />

LaÈngseigenspannungen entstehen infolge der LaÈngskontraktion der abkuÈhlenden Naht nach<br />

dem Mechanismus der ,,zu kurzen Naht``. Die Zugspannungen sind auf den Nahtbereich<br />

begrenzt und liegen mit ihrem GroÈûtwert an oder uÈber der (einachsigen) Flieûgrenze, Bild<br />

1.4 (a). In der weiteren Umgebung herrschen niedrigere Druckspannungen, die mit der Entfernung<br />

von der Naht abklingen. Diese Verteilung ist typisch fuÈr unlegierte und austenitische<br />

StaÈhle. Auch bei Aluminium- und Titanlegierungen tritt diese Verteilung auf, wobei jedoch die<br />

HoÈchstspannung unterhalb der Flieûgrenze liegt. Bei Aluminiumlegierungen wird auûerdem<br />

eine (erweichungsbedingte) Einsenkung der Spannungskurve in Nahtmitte beobachtet, Bild<br />

1.4 (b). Bei niedriglegierten StaÈhlen ist die Spannung in Nahtmitte infolge der GefuÈge-<br />

Bild 1.4. LaÈngseigenspannungen an Schweiûnaht in unlegiertem bzw. austenitischem Stahl (a), Aluminiumlegierung<br />

bzw. Titanlegierung (b), niedriglegiertem Stahl mit GefuÈgeumwandlung (c) und niedriglegiertem Stahl mit austenitischem<br />

Schweiûgut (d); mit Flieûgrenze s F ; in Anlehnung an Vinokurov [23]<br />

8


umwandlung bei tiefer Temperatur in den Druckbereich verschoben, waÈhrend Spannungsmaxima<br />

in der WaÈrmeeinfluûzone des Grundwerkstoffs auftreten, Bild 1.4 (c). Wird dagegen<br />

austenitischer Zusatzwerkstoff verwendet, so wird in Nahtmitte die relativ niedrige Zugflieûgrenze<br />

des austenitischen Schweiûguts erreicht, waÈhrend rechts und links davon in der<br />

WaÈrmeeinfluûzone die umwandlungsbedingten Druckspannungsmaxima und weiter auûen die<br />

eigentlichen Zugspannungsmaxima im Grundwerkstoff erscheinen, Bild 1.4 (d). Noch weiter<br />

auûerhalb herrschen Druckspannungen, die infolge des komplizierten Entstehungsmechanismus<br />

der Eigenspannungen sich nochmals in Zugspannungen umkehren koÈnnen.<br />

Die an der ebenen Platte ohne Biegewirkung veranschaulichten LaÈngseigenspannungen fuÈhren<br />

bei SchweiûnaÈhten auf relativ duÈnnwandigen gekruÈmmten Strukturteilen (,,Schalen``) zu erheblichen<br />

Biegeeigenspannungen. Das bedeutsamste Beispiel dafuÈr ist die Umfangsnaht an<br />

einer Zylinder- oder Kugelschale, deren LaÈngskontraktion in der AbkuÈhlphase eine EinschnuÈrung<br />

der Schale hervorruft. Dadurch entstehen Biegespannungen quer zur Umfangsnaht, die an<br />

der innenliegenden Nahtwurzel hohe Zugwerte annehmen. Die QualitaÈt und Festigkeit der Naht<br />

kann dadurch in Frage gestellt sein.<br />

Quereigenspannungen in der Plattenebene bilden sich infolge der Querkontraktion der abkuÈhlenden<br />

Naht nach dem Mechanismus ,,zu schmale Naht`` besonders bei fest eingespannten<br />

PlattenraÈndern aus. Sie sind nicht auf einen engen Nahtbereich beschraÈnkt, sondern erfassen auch<br />

die weitere Umgebung. Sie stuÈtzen sich aÈhnlich wie aÈuûere Lasten ab und liegen bei hinreichender<br />

Nachgiebigkeit der AbstuÈtzung unterhalb der Flieûgrenze. Bei frei gelagerten PlattenraÈndern<br />

und laÈnglicher Platte dominiert jedoch die Wirkung der NahtlaÈngskontraktion auch in den<br />

Nahtquereigenspannungen. Wie in Bild 1.5 veranschaulicht, wuÈrde die NahtlaÈngskontraktion bei<br />

querfreier Nahtfuge ein Aufklaffen der Fuge verursachen, welches bei quergebundener Nahtfuge<br />

durch entgegenwirkende Quereigenspannungen unterdruÈckt wird, Zugspannungen im Inneren<br />

und Druckspannungen am Plattenquerrand (dargestellt fuÈr lange und kurze Platten). Wird die<br />

Schweiûnaht dagegen mit geringerer Schweiûgeschwindigkeit ausgefuÈhrt, so entsteht am Plattenquerrand<br />

(zuletzt abkuÈhlender Bereich) eine Zugspannung quer zur Naht.<br />

Denvorstehenden, konstant uÈber die Plattendickewirkenden Quereigenspannungen uÈberlagern<br />

sich Quereigenspannungen, die durch unterschiedliche AbkuÈhlbedingungen an der PlattenoberflaÈche<br />

und im Platteninnern hervorgerufen werden und uÈber die Plattendicke nichtlinear<br />

Bild 1.5. Quereigenspannungen in Rechteckplatte bei schnell geschweiûter langer (a) und kurzer (b) Naht sowie bei<br />

langsam geschweiûter langer Naht (c); schematische Darstellung nach Vinokurov [23]<br />

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Bild 1.6. Nichtlinearer Anteil der Quereigenspannungen uÈber der<br />

Schweiûnahtdicke<br />

Bild 1.7. Rotationssymmetrischer Eigenspannungszustand am Schweiûpunkt oder WaÈrmepunkt; mit Flieûgrenze s F ,<br />

Radialspannung s r und Tangentialspannung s t<br />

veraÈnderlich sind, Bild 1.6 (auûen Druckspannungen und innen Zugspannungen). Bei biegefester<br />

Einspannung der PlattenraÈnder koÈnnen sich auûerdem Biegespannungen durch unterdruÈckte<br />

Winkelschrumpfung einstellen.<br />

Quereigenspannungen senkrecht zur Plattenebene (also in Dickenrichtung) koÈnnen sich ausbilden,<br />

wenn die Plattendicke hinreichend groûist, Zugspannungen bei AbkuÈhlung ohne<br />

Umwandlung, Druckspannungen bei AbkuÈhlung mit Umwandlung. Im ersteren Fall wird der<br />

die Riûbildung beguÈnstigende dreiachsige Zugspannungszustand hervorgerufen.<br />

Bei mehrlagig geschweiûten NaÈhten an entsprechend dicken Platten treten vermehrt ungleichmaÈûig<br />

uÈber die Plattendicke verteilte Eigenspannungen auf. Die zuletzt geschweiûten Lagen<br />

finden beim AbkuÈhlen in LaÈngs- und Querrichtung (in der Plattenebene) einen hohen Kontraktionswiderstand<br />

vor, so daûhohe LaÈngs- und Quereigenspannungen auftreten, gemildert<br />

allenfalls durch den VorwaÈrmeffekt der vorher geschweiûten Lagen. Die Zugeigenspannungen<br />

in den uÈberschweiûten Lagen werden dagegen infolge der thermischen und mechanischen<br />

Wirkung der Decklagen abgebaut. Die Eigenspannungen in Dickenrichtung bleiben vernachlaÈssigbar<br />

klein.<br />

Der Eigenspannungszustand um Schweiûpunkte oder WaÈrmepunkte bildet sich infolge der<br />

Radialkontraktion des abkuÈhlenden Punktbereichs nach dem Mechanismus ,,zu kleiner<br />

Punktbereich`` rotationssymmetrisch aus, Bild 1.7. Im Punktinnenbereich treten zweiachsige<br />

Zugspannungen in HoÈhe der Flieûgrenze auf, die auûerhalb des Punktbereichs steil abfallen,<br />

die Radialspannung direkt auf Null, die Tangentialspannung uÈber ein Druckspannungsmaximum.<br />

Der Radialzug im Innenbereich stuÈtzt sich gegen den Tangentialdruck im Auûenbereich<br />

ab. Das beschriebene Eigenspannungsfeld tritt dem Typus nach auch beim Loch- und Bolzenschweiûen<br />

sowie an Schweiûnahtenden auf. Im ersteren Fall sind hohe Biegespannungen<br />

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Bild 1.8. LaÈngseigenspannungen an<br />

Brennschnittkante von Stahl bezogen<br />

auf die Flieûgrenze s F<br />

Bild 1.9. Quer- bzw.<br />

LaÈngseigenspannung in<br />

eingespannter laÈnglicher<br />

Platte mit Quernaht (a)<br />

und LaÈngsnaht (b), unterteilt<br />

nach Reaktionsspannung<br />

s re und ZwaÈngungsspannung<br />

s zw<br />

uÈberlagert, im letzteren Fall ist die Rotationssymmetrie nur einseitig angenaÈhert. Bei AbkuÈhlung<br />

mit UmwandlungsvorgaÈngen kann die beschriebene Vorzeichenumkehr der Spannungen<br />

auftreten.<br />

Besonders ausgepraÈgte Umwandlungseigenspannungen treten an den Brennschnittkanten von<br />

Stahlplatten auf, Bild 1.8. Hier sollte infolge der LaÈngskontraktion beim AbkuÈhlen der Kante<br />

ein Zugspannungsmaximum auftreten. Bei hinreichender Aufkohlung und AbkuÈhlgeschwindigkeit<br />

mit zugehoÈriger Umwandlung von Austenit in Martensit wird dieses jedoch in ein<br />

Druckspannungsmaximum verkehrt. Die ,,Druckhaut`` an der Brennschnittkante erklaÈrt die<br />

hohe ErmuÈdungsfestigkeit unbearbeiteter BrennschnittflaÈchen bei hoher SchnittqualitaÈt und<br />

die Herabsetzung der ErmuÈdungsfestigkeit durch UÈ berschleifen.<br />

Eigenspannungen ohne AbstuÈtzeffekte nach auûen werden ZwaÈngungsspannungen genannt,<br />

Eigenspannungen mit AbstuÈtzeffekten Reaktionsspannungen (im Sonderfall auch Umlagerungsspannungen).<br />

Die ZwaÈngungsspannungen stehen mit sich selbst im Gleichgewicht. Die<br />

Reaktionsspannungen stehen mit den ReaktionskraÈften an den Lagerstellen im Gleichgewicht.<br />

Bei allseitig verschiebungsfrei gelagerten Bauteilen treten nur ZwaÈngungsspannungen auf. Bei<br />

verschiebungsbehindernd gelagerten Bauteilen uÈberlagern sich Reaktionsspannungen. In Bild 1.9<br />

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