Kulturfenster Nr. 03|2021 - Juni 2021
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BLASMUSIK<br />
CHORWESEN<br />
HEIMATPFLEGE<br />
in Südtirol<br />
<strong>Nr</strong>. 3<br />
JUNI<br />
<strong>2021</strong><br />
Traminer Freskenzyklus neu interpretiert<br />
Ausblick und Vorfreude auf das Jugendfestival 2022<br />
Wie die Chormusik auf Krisen reagiert<br />
Poste Italiane SpA – Sped. in a.p. | -70% – NE BOLZANO – 71. Jahrgang – Zweimonatszeitschrift<br />
Poste Italiane SpA – Sped. in a.p. | -70% – NE BOLZANO – 73. Jahrgang – Zweimonatszeitschrift
vorausgeschickt<br />
Aus der Geschichte lernen<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
der Heimatpflegeverband widmet seine<br />
Titelgeschichte der neuen, sehr aufschlussreichen<br />
Interpretation des Freskenzyklus<br />
von Bartlme Dill Riemenschneider<br />
in der so genannten „Trinkstube“ des Ansitzes<br />
Langenmantel in Tramin. Dementsprechend<br />
ziert auch der zweigesichtige<br />
römische Gott Janus das Titelbild dieser<br />
Ausgabe. Er ist der Gott des Anfangs und<br />
des Endes, der Gott allen Ursprungs, nach<br />
dem auch der Monat „Januar“ benannt<br />
ist. Wie kaum ein anderer kann er wohl<br />
auch als aktuelles Symbol für das (nahende)<br />
Ende der Corona-Pandemie und<br />
den gemeinsamen Neubeginn stehen.<br />
Gleichermaßen zuversichtlich schaut der<br />
Verband Südtiroler Musikkapellen mit Vorfreude<br />
auf das Jugendfestival 2022, das<br />
Leidenschaft für Musik, Bewegung, Tanz<br />
und Schauspiel vereinen will. Die gleiche<br />
Zuversicht war auch in der Mitgliedervollversammlung<br />
des Verbandes zu spüren,<br />
denn im Rückblick auf dieses besondere<br />
Jahr habe sich vor allem gezeigt, dass<br />
die Blasmusik die Menschen gerade in<br />
schwierigen Zeiten bewegt.<br />
Die Kunst wird diejenige sein, die nach<br />
überstandender Krise die Corona-Zeit aufund<br />
verarbeiten wird, damit wir aus der Geschichte<br />
lernen können. So hat auch die<br />
Chormusik immer schon auf Katastrophen<br />
und Krisen reagiert. Der Akustiker und<br />
Musikwissenschaftler Karsten Blüthgen<br />
gibt dazu im Hauptthema des Chorverbandes<br />
einen interessanten historischen<br />
Überblick, wie die Komponisten dem Unfassbaren<br />
Ausdruck verliehen und dadurch<br />
Trost gespendet haben.<br />
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen wiederum<br />
eine unterhaltsame, aber auch informative<br />
Lektüre und einen aufschlussreichen<br />
Blick durch unser „KulturFenster“.<br />
Stephan Niederegger<br />
„<br />
Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich<br />
das. Wenn ich zwei Tage nicht übe, hört<br />
es mein Orchester. Wenn ich drei Tage<br />
nicht übe, hört es mein Publikum.<br />
„<br />
Yehudi Menuhin<br />
„<br />
Die Musik hat von allen Künsten den<br />
tiefsten Einfluss auf das Gemüt. Ein<br />
Gesetzgeber sollte sie deshalb am meisten<br />
unterstützen.<br />
„<br />
Napoleon Bonaparte<br />
KulturFenster<br />
2 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Inhalt<br />
In dieser Ausgabe<br />
Heimatpege<br />
Riemenschneider-Fresken neu interpretiert ......................... 4<br />
Nicht nur Beruf, sondern Berufung<br />
Josef Oberhofer geht in Pension........................................ 10<br />
„Wir sind am Puls der Zeit“<br />
Josef Oberhofer im Gespräch ............................................ 12<br />
Espan und Mult<br />
Flurnamen aus der Agrargeschichte, Teil 2........................ 15<br />
Dorferneuerung mit Bürgerbeteiligung<br />
Die Geschäftsstelle des Landes Tirol .................................. 16<br />
Wir sollen authentisch bleiben<br />
Den Tourismus nachhaltig und resilient gestalten............... 18<br />
Dinge des Alltags: Schnapshund und Schnapsschwein...... 19<br />
50 Jahre Einsatz für Natur- und Heimatschutz<br />
„Lia per Natura y Usanzes“ feiert Jubiläum ....................... 20<br />
Die Bergmannstracht<br />
„Glück auf!“ in festlichem Gewand .................................... 22<br />
Großer Einsatz für die Kulturlandschaften Tirols<br />
Im Gedenken an Dipl. Ing. Josef Menardi (1925–2020)..... 23<br />
Chorwesen<br />
Auf Krisen antworten – Chormusik hat schon immer<br />
auf Katastophen und Krisen reagiert.................................. 48<br />
Chorporträt „lautstark“ ...................................................... 52<br />
Eigene Emotonen ausdrücken<br />
Die jugen Rapper Duzzy & LA ........................................... 54<br />
Veranstaltungen und Kurse <strong>2021</strong> ...................................... 55<br />
Unser Lieblingslied<br />
Erfoglreiches Online-Konzert ............................................. 56<br />
Sichere Chorproben in der Pandemie<br />
Webinar mit Bernd Gänsbacher ........................................ 57<br />
Harmonie und Einfachheit<br />
Die Komponistin Annelies Oberschmied im Gespräch........ 58<br />
Blasmusik<br />
Leidenschaft für Musik, Bewegung, Tanz, Schauspiel<br />
Ausblick und Vorfreude auf das Jugendfestival 2022 ......... 24<br />
„Blasmusik bewegt – wieder!“<br />
73. VSM-Mitgliedervollversammlung.................................. 29<br />
Es war einmal … eine Musikkapelle<br />
Bitte um Mitarbeit bei der Suche nach<br />
verschollenen Musikkapellen............................................. 31<br />
50 Jahre Leistungsabzeichen im VSM<br />
Eine Erfolgsgeschichte mit Fortsetzung.............................. 32<br />
70 Jahre Österreichischer Blasmusikverband<br />
Eine umfassende Chronik zum Geburtstag ........................ 33<br />
Jung, rhythmisch, „GiGantisch“<br />
Das „GiGa Percussion Duo“ im Porträt .............................. 34<br />
Brennerwind<br />
Die Jugendkapelle von Pflersch und Gossensass............... 36<br />
„Ohne Musik wird es leise“<br />
Die Musikkapelle und die Pandemie.................................. 38<br />
Sepp Thaler, der große (Blas-)Musikpionier Südtirols<br />
Persönliche Erinnerungen von Gottfried Veit ...................... 39<br />
Vivat Athesis! – von Johann Finatzer<br />
Eine Hommage an das Land an der Etsch ......................... 42<br />
Üben mit Video- und Tonaufnahme<br />
Das Smartphone als nützlicher Übungspartner.................. 44<br />
Einspielhilfen für Blasorchester ......................................... 45<br />
Die Konzertmeister-App – Clevere Terminplanung für<br />
Musikvereine, Orchester und Chöre................................... 46<br />
kurz notiert<br />
Neues von den Musikkapellen........................................... 47<br />
Impressum<br />
Mitteilungsblatt<br />
- des Verbandes Südtiroler Musikkapellen<br />
Redaktion: Stephan Niederegger, kulturfenster@vsm.bz.it<br />
- des Südtiroler Chorverbandes<br />
Redaktion: Paul Bertagnolli, info@scv.bz.it<br />
- des Heimatpflegeverbandes Südtirol<br />
Redaktion: Florian Trojer, florian@hpv.bz.it<br />
Anschrift:<br />
Schlernstraße <strong>Nr</strong>. 1 (Waltherhaus), I-39100 Bozen<br />
Tel. +39 0471 976 387 – info@vsm.bz.it<br />
Raiffeisen-Landesbank Bozen<br />
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Jahresabonnement = 20,00 Euro<br />
Ermächtigung Landesgericht Bozen <strong>Nr</strong>. 27/1948<br />
presserechtlich verantwortlich: Stephan Niederegger<br />
Druck: Ferrari-Auer, Bozen<br />
Das Blatt erscheint zweimonatlich am 15. Februar, April, <strong>Juni</strong>, August, Oktober und<br />
Dezember. Redaktionsschluss ist der 15. des jeweiligen Vormonats.<br />
Eingesandte Bilder und Texte verbleiben im Eigentum der Redaktion und werden nicht<br />
zurückerstattet. Die Rechte an Texten und Bildern müssen beim Absender liegen bzw.<br />
genau deklariert sein. Die Verantwortung für die Inhalte des Artikels liegt beim Verfasser.<br />
Die Wahrung der Menschenwürde und die wahrheitsgetreue Information der Öffentlichkeit<br />
sind oberstes Gebot. Der Inhalt der einzelnen Beiträge muss sich nicht mit<br />
der Meinung der Redaktion decken. Nachdruck oder Reproduktion, Vervielfältigung jeder<br />
Art, auch auszugsweise, sind nur mit vorheriger Genehmigung der Redaktion erlaubt.<br />
Sämtliche Formulierungen gelten völlig gleichrangig für Personen beiderlei Geschlechts.<br />
gefördert von der Kulturabteilung<br />
der Südtiroler Landesregierung<br />
KulturFenster<br />
3 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Venus „Cythare“ mit blindem Amor<br />
Die Liebe (Venus, Erato) stellt gemeinsam mit der Kunst (Apollo) und<br />
der Welt des Geistes (Vergil) im Traminer Freskenzyklus von Bartlme<br />
Dill Riemenscheider die lebenspendenden Mächte dar.<br />
KulturFenster<br />
4 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
erforscht<br />
Riemenschneider-Fresken<br />
neu interpretiert<br />
Neuerscheinung von Wolfgang Strobl über die Trinkstube im<br />
Langenmantel-Haus in Tramin<br />
Der renommierte Altphilologe und Historiker<br />
Wolfgang Strobl aus Toblach hat in<br />
der „Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte“<br />
2019 eine höchst interessante<br />
und aufschlussreiche Neuinterpretation des<br />
Freskenzyklus in der sogenannten Trinkstube<br />
des Ansitzes Langenmantel in Tramin vorgelegt.<br />
Unter dem Titel „Ianus Bifrons – ein<br />
Künstlerleben in Widerspruch und Einheit“<br />
liefert der Autor eine faszinierend schlüssige<br />
Deutung der Fresken als Ausdruck einer<br />
subversiv täuferischen Haltung des berühmten<br />
Würzburger Renaissance-Künstlers<br />
Bartlme Dill Riemenschneider.<br />
Forschungsgeschichtliches<br />
„Die intendierte Aussage und Botschaft<br />
dieses singulären, ausgeklügelt und gleichzeitig<br />
mysteriös wirkenden Bildprogramms<br />
konnte bisher weder entschlüsselt noch hinreichend<br />
erklärt werden“, stellt Autor Wolfgang<br />
Strobl in der Einleitung fest. 1 In seinen<br />
Ausführungen zur Forschungsgeschichte<br />
erläutert er, dass zwar im Jahr 1928 eine<br />
erste ausführliche und bis heute grundlegende<br />
Studie, verfasst vom Tiroler Landeskonservator<br />
Josef Garber, erschienen ist,<br />
dass aber erst der Innsbrucker Kunsthistoriker<br />
und Volkskundler Josef Ringler in den<br />
frühen 1950er-Jahren die Fresken dem bis<br />
dahin nahezu unbekannten Bartlme Dill<br />
Riemenschneider zuschreiben konnte. Bis<br />
in die 1960er-Jahre war das Bildprogramm<br />
inhaltlich identifiziert. Und in jüngster Zeit<br />
haben die Kunsthistoriker Helmut Stampfer<br />
und Hanns Paul Ties maßgebliche wissenschaftliche<br />
Beiträge zur Bedeutung der<br />
Malereien für die Tiroler Kunstgeschichte<br />
geliefert: Stampfer schätzt die Qualität und<br />
Originalität als „sehr hoch“ ein. Ties betont,<br />
dass „sich innerhalb des erhaltenen Bestandes<br />
an profanen Wandmalereien aus<br />
der europäischen Renaissance“ dem Zyklus<br />
„nichts auch nur annähernd Vergleichbares<br />
zur Seite stellen“ lasse. 2<br />
Gesamtansicht der äußerst interessanten, aber renovierungsbedürftigen Trinkstube<br />
Der Künstler und das Täufertum in Tirol<br />
Bartlme Dill Riemenschneider, Sohn des<br />
weitaus bekannteren Würzburger Bildhauers<br />
und Holzschnitzers Tilman Riemenschneider,<br />
war ein dem Täufertum<br />
zugeneigter Künstler. Über sein Leben ist<br />
recht wenig bekannt. Sowohl in der Werkstatt<br />
seines Vaters als wahrscheinlich auch<br />
in der Nürnberger Werkstatt von Albrecht<br />
Dürer eignete sich Bartlme Dill Techniken<br />
und Ausdrucksformen des künstlerischen<br />
Schaffens an.<br />
1525 verließ Bartlme Dill seine Heimatstadt,<br />
die auch in den Sog der Bauernkriege geraten<br />
war und den Vater seine Ämter und<br />
einen großen Teil seines Vermögens gekostet<br />
hatte. Der junge Bartlme Dill fasste im<br />
südlichen Tirol Fuß. Seine religiöse Einstellung<br />
wurde bald bekannt, hatte er doch in<br />
Tirol die Möglichkeit eines Anschlusses an<br />
täuferische Gruppen, die hier ab 1520 entstanden<br />
waren und sogar für bestimmte Zeit<br />
Fotos: Heimatpflegeverband Südtirol<br />
die Dimension einer Volksbewegung annahmen.<br />
„Die schwerwiegenden Missstände<br />
in der katholischen Kirche, aber auch die<br />
Verwaltung in Verwaltung und Justiz sowie<br />
die tiefe Sehnsucht nach Heil und Erlösung<br />
trieben viele Menschen in die Arme<br />
der neuen reformatorischen Glaubenslehre.“<br />
3 Landesherr Ferdinand I. verfolgte<br />
die Täufer mit großer Härte, und die zahlreichen<br />
Hinrichtungen zwangen die Täufergemeinde<br />
in den Untergrund.<br />
1528 wurde Bartlme Dill Riemenschneider<br />
gemeinsam mit seiner Ehefrau Katharina<br />
Wolff verhaftet, zum Widerruf gezwungen<br />
und dann begnadigt. Riemenschneider<br />
wurde aber in den darauffolgenden Jahren<br />
„rückfällig“ und riskierte in Bozen sogar<br />
die Todesstrafe. Er kam schließlich davon,<br />
sodass man annehmen kann, dass<br />
höchste kirchliche Kreise (Fürstbischof<br />
Bernhard von Cles) die schützende Hand<br />
über ihn gehalten hatten.<br />
➤<br />
KulturFenster<br />
5 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
erforscht<br />
Das Bildprogramm<br />
Das 1547 geschaffene Bildprogramm mit<br />
den elf Fresken und den 13 Figuren im<br />
Loggia-Dachgeschoss, das dem adeligen<br />
Besitzer und dessen Freunden ein geselliges<br />
Zusammensein in einer besonderen<br />
Atmosphäre bot, orientiert sich gänzlich an<br />
der griechischen und römischen Antike:<br />
Es werden die Gottheiten Ianus, Phoebus<br />
Apollo, Pan, Venus (als Venus Cytherea in<br />
Begleitung des blinden Amor) und die Zauberin<br />
Kirke dargestellt. Ebenso sieht man<br />
die vier Musen Erato, Kalliope, Urania und<br />
Terpsichore als Einzelfiguren und den römischen<br />
Dichter Vergil neben Madina sowie<br />
König Midas neben dem schweinsköpfigen<br />
Gryllus als Paare.<br />
Diese Figuren „dienten sehr wahrscheinlich<br />
der Verschlüsselung einer Botschaft, die<br />
wegen ihrer Brisanz und Subversivität nicht<br />
offen und direkt ausgesprochen bzw. dargestellt<br />
werden konnte. Die mythologische<br />
bzw. allegorische Codierung eröffnete dem<br />
Künstler die Möglichkeit, das Unaussprechliche<br />
und Unsagbare zu verhüllen und damit<br />
die eigentliche Bildaussage allein einem<br />
sehr kleinen Kreis Eingeweihter lesbar und<br />
verständlich zu machen.“ 4 Strobl geht davon<br />
aus, dass Riemenschneider damit der<br />
Nachwelt eine geistige Hinterlassenschaft<br />
über prägende Momente seines täuferischen<br />
Lebens hinterlassen wollte, und belegt das<br />
auch sehr genau (siehe Beschreibungen).<br />
Die Laute spielende Muse Kalliope<br />
Hans Langenmantel als bekennender Täufer?<br />
Hans Langenmantel, Angehöriger eines ursprünglich aus Augsburg stammenden Adelsgeschlechts, das sich<br />
im frühen 15. Jahrhundert auch in Tramin niedergelassen hatte, verfügte hier über Land- und Gutsbesitz und<br />
ließ seinen Traminer Ansitz um 1545 umbauen und restaurieren. In diesem Zusammenhang engagierte er<br />
auch Bartlme Dill Riemenschneider, der seinem Auftraggeber 1546 einen Fayence-Ofen mit der Geschichte<br />
von Jason und Medea dekorierte. Bei dieser Gelegenheit dürfte auch die Idee zur Gestaltung des obersten<br />
Geschosses mit dem Freskenzyklus geboren worden sein.<br />
„Sehr wahrscheinlich entstand der kirchen- und obrigkeitskritische Freskenzyklus nicht ohne das Wissen und<br />
Einverständnis des Auftraggebers“ 11 , so Autor Strobl und mutmaßt, dass die begüterten Traminer Langenmantel,<br />
die „nicht durch besondere äußere Frömmigkeit und Akte der Werkheiligkeit“ 12 aufgefallen seien, „selbst<br />
dem Täufertum anhing oder mit dem täuferischen Bekenntnis zumindest in hohem Maße sympathisierte“. 13<br />
KulturFenster<br />
6 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Heimatpege<br />
Zweigesichtiger Ianus<br />
Dem altrömischen Gott der Anfänge, Aus-,<br />
Ein- und Durchgänge, kommt in der Trinkstube<br />
eine besondere Bedeutung zu, hervorgehoben<br />
durch die zentrale Stelle an<br />
der Südseite des Raumes, durch die nur<br />
hier verwendete grüne Farbe und den Löwenkopf<br />
und durch die gekonnt in den Bildinhalt<br />
integrierte Jahreszahl „15 – 47“,<br />
die den gesamten Freskenzyklus datiert.<br />
Strobl deutet den zweigesichtigen Janus<br />
als doppeltes Selbstporträt des Künstlers,<br />
der sich linksseitig als efeubekränzter und<br />
an Gott Dionysos erinnernder Jüngling mit<br />
einer Traube in der Rechten im Alter von<br />
15 Jahren und rechtsseitig als gereifter<br />
bärtiger Mann mit stechendem Blick und<br />
mit Trinkbecher in der Linken im Alter von<br />
47 Jahren darstellt.<br />
In übertragener Bedeutung steht Ianus<br />
auch für die Ambivalenz, und so erzählt<br />
Riemenschneiders Figur „in komprimierter<br />
Form von einem Künstlerleben, von der<br />
Entwicklung und Reifung eines unerfahrenen<br />
Jünglings zu einem abgeklärten und<br />
scharfblickenden Mann. Sie erzählt aber<br />
auch von dem Leben eines Künstlers im<br />
Widerspruch, von einem Leben mit zwei<br />
Gesichtern, einem offen-öffentlichen, angepassten,<br />
systemkonformen und einem<br />
verborgen-getarnten, subversiven und rebellierenden.<br />
Von einem Künstler, der sich<br />
aufgrund seiner religiösen Überzeugung<br />
zeitlebens genötigt sah, das eine zu denken,<br />
das andere zu sagen und die daraus<br />
resultierende Spannung zu ertragen.“ 5<br />
Vergil und Madina<br />
„Madina“ und „Virgillius Mago“<br />
Dieses anscheinend nicht ganz in den<br />
Freskenzyklus passende Bild – alle anderen<br />
Fresken nehmen auf die die griechische<br />
Mythologie Bezug – verweist auf<br />
die seit dem 13. Jahrhundert weit verbreitete<br />
Vergil-Legende. Demnach hat sich<br />
der römische Dichter Vergil in die Tochter<br />
eines Kaisers verliebt – bei Riemenschneider<br />
heißt sie Madina. Er rächte sich dann,<br />
von ihr schmählich öffentlich bloßgestellt,<br />
kraft seiner zauberischen Fähigkeiten, indem<br />
er in Rom sämtliche Feuer zum Erlöschen<br />
brachte und sich daher alle Römer<br />
an die Kaisertochter wenden mussten, um<br />
sich das Feuer mit einer Kerze in ihrem<br />
Schoß neu zu entzünden.<br />
Die Decodierung dieses Bildes durch<br />
den Autor Strobl besagt, dass die gänzlich<br />
nackt dargestellte schamlose Madina<br />
als „Hure Babylon“ die Kirche verkörpert<br />
und Vergil den Künstler Riemenschneider,<br />
der an dieser gerechte Rache nimmt. Riemenschneider<br />
hat, wie viele andere Wiedertäufer<br />
auch, am eigenen Leib erfahren<br />
müssen, was es heißt, verfolgt, verhört, öffentlich<br />
vorgeführt zu werden und seinen<br />
religiösen Überzeugungen abschwören<br />
zu müssen. Am Ende aber, so Riemenschneider,<br />
siegt der Künstler, der geistbegabte<br />
Mensch über brachiale Gewalt und<br />
dumpfe Einfältigkeit.<br />
Midas und Gryllus, Apollo<br />
und Pan<br />
Mit König Midas aus der griechischen Mythologie<br />
ist auch die Brücke zu Apollo und<br />
Pan geschlagen. Midas, dem aufgrund<br />
seines verhängnisvollen Wunsches alles,<br />
was er berührte, zu Gold wurde, trennte<br />
sich nach dem befreienden Bad im Fluss<br />
Paktolos von all seinen Reichtümern und<br />
schloss sich dem Hirtengott Pan an. Als<br />
Richter in einem Musikerstreit zwischen<br />
Apollon und Pan sprach Midas seinem<br />
„Midas“ und „Grillus“<br />
KulturFenster<br />
7 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
erforscht<br />
Die Muse Erato mit Flöte und Trommel Die Zauberin Kirke Gott Pan: halb Mensch, halb Ziege mit Dudelsack<br />
Herrn Pan den Siegespreis zu, was Apollon<br />
schwer kränkte und dazu veranlasste,<br />
Midas Eselsohren wachsen zu lassen.<br />
Der in den Traminer Fresken neben dem<br />
mit Eselsohren ausgestatteten Midas dargestellte<br />
eberköpfige Gryllus ist laut Sage<br />
ein Gefährte des Odysseus, der nach seiner<br />
Umwandlung in ein Schwein durch<br />
die Zauberin Kirke seine in Aussicht gestellte<br />
Rückverwandlung ablehnte und<br />
seine tierische Existenz beibehalten wollte.<br />
Strobl interpretiert diese Figuren so, dass<br />
Riemenschneider mit König Midas den<br />
Tiroler Landesfürsten Ferdinand I. in all<br />
seiner Maßlosigkeit, Geldgier, Torheit und<br />
mit seinem fehlenden Kunstsinn darstellen<br />
wollte. Der ihm zur Seite gestellte<br />
Gryllus mit dem Zylinder als Abzeichen<br />
eines höheren Standes lässt auf Ratgeber<br />
des Landesfürsten, speziell auf den<br />
in Tirol so verhassten leitenden Finanzbeamten<br />
Gabriel Salamanca, schließen.<br />
Die täuferische Kritik an den weltlichen<br />
Machtinstitutionen und an der fehlenden<br />
Trennung zwischen Kirche und Staat lässt<br />
sich laut Strobl anhand dieses Freskos<br />
belegen.<br />
Die Zauberin Kirke<br />
Laut griechischer Mythologie ist sie diejenige,<br />
die durch einen Zaubertrank die<br />
Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt<br />
hatte und Odysseus an sich binden<br />
wollte. Die Riemenschneider Kirke ist<br />
als schöne junge Frau mit wallenden Haaren<br />
dargestellt, die in ihrer Rechten einen<br />
großen goldenen Trinkbecher hält und mit<br />
der Linken mit einem langstieligen gefiederten<br />
Löffel in einem Topf rührt, dem eine<br />
Kröte und ein Maulwurf entspringen. „Man<br />
kann davon ausgehen, dass Riemenschneider<br />
mit der Darstellung Kirkes in chiffrierter<br />
Form auf die römische Kirche anspielen<br />
wollte“ und „die eigenwillige Namensgebung<br />
CIRES“ dürfte laut Strobl eine weitere<br />
„Verschleierungsstrategie“ sein. 6 Der<br />
Autor geht auf die symbolträchtige kulturhistorische<br />
Bedeutung der Kröte als Verkörperung<br />
des Bösen, Sündhaften und<br />
Häretischen ein: Die vom wahren Glauben<br />
abgefallenen Kirche („Kirke“-„Kirche“)<br />
verbreitet falsche, die Seele schädigende<br />
Lehren, bringt die Menschen um den Verstand<br />
und macht sie zu willigen Helfern<br />
eines repressiven Systems.<br />
Die Trinkbecher in den<br />
Händen von Kirke und Ianus<br />
Wolfgang Strobl richtet noch gesondert den<br />
Blick auf zwei in den Fresken dargestellte<br />
Trinkgefäße: Kirke stellt einen großen goldenen<br />
Becher ostentativ zur Schau, was<br />
auch auf die täuferische Kritik an dem<br />
zur Schau getragenen Prunk der Kirche<br />
und an der Verbreitung der bösen Tranks,<br />
also der falschen Lehren durch die Kirche,<br />
schließen lässt. Ianus hält einen kleineren,<br />
einfachen, allein mit einem schmalen<br />
Goldrand verzierten und mit gutem Wein<br />
gefüllten Becher. Das am Tisch liegende<br />
Brot und die Traube in der Rechten machen<br />
die Anspielung auf das Abendmahl<br />
noch evidenter: Die Täufer glaubten zwar<br />
nicht an die reale Präsenz Christi in Form<br />
von Fleisch und Blut, waren aber überzeugt,<br />
dass das Abendmahl als gemeinsames<br />
Gedächtnismahl in Form von Wein<br />
und Brot für alle in Christus Getauften seinen<br />
Ausdruck finden soll.<br />
Strobl deutet den runden Tisch, an dem<br />
sich Ianus befindet, auf die Gleichberechtigung<br />
aller am Mahle Beteiligten, denn<br />
die Täufer unterscheiden nicht zwischen<br />
Priestern und Laien. Durch einen weiteren<br />
ikonografischen Vergleich an zwei anderen<br />
Selbstporträts Riemenschneiders leitet<br />
Strobl für den Traminer Ianus ab, dass<br />
„sich Riemenschneider in der zentral positionierten<br />
Ianus-Figur auch als täuferischer<br />
,Priester' und Gemeindevorsteher<br />
darstellen wollte“. 7<br />
Einige ikonograsche<br />
Notizen<br />
Das Porträt – und als Sonderformen das<br />
Selbst- und Kryptoporträt – erlebte in der<br />
Renaissance eine Blütezeit. Strobl stellt<br />
Hinweise zur Selbstportätierung Riemenschneiders<br />
in anderen Werken und zu an-<br />
KulturFenster<br />
8 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Heimatpege<br />
Die Muse Terpsichore mit Orgelpositiv<br />
Gesangsbuch in der Hand des Gottes Apollo mit Text „O, alle foll alle//foll//Kannen leer-Kannen leer“<br />
deren künstlerischen Ianus-Darstellungen<br />
her, an denen sich Riemenschneider inspiriert<br />
haben dürfte.<br />
„O, alle foll alle// foll// Kannen leer-Kannen<br />
leer“ kann man nebst einer Notation<br />
im Gesangsbuch, das der Traminer Apollon<br />
aufgeschlagen in seiner Linken hält,<br />
ablesen – ein im 16. Jahrhundert weit<br />
verbreitetes Trinklied, wie Strobl beweist.<br />
Den Musikinstrumenten als Attributen<br />
der Musen und Götter kommt auch symbolhafte<br />
Bedeutung zu. Apollo spielt die<br />
klassische Doppelflöte, eine Harfe ist im<br />
Hintergrund zu erkennen. Pan bläst den<br />
Dudelsack, Erato spielt die Flöte und zugleich<br />
die Handtrommel, Kalliope die Laute,<br />
Urania die Posaune und Terpsichore das<br />
Orgelpositiv. Da die vier Musen nicht mit<br />
den ihnen gewöhnlich zugeschriebenen<br />
Instrumenten ausgestattet sind, nimmt<br />
Strobl an, dass der Zuteilung eine „codierte<br />
Bedeutung“ 8 zugrunde liegt und belegt<br />
diese durch ikonografische Verweise<br />
sowie durch den Hinweis auf die Teilung<br />
des Raumes in eine profan dominierte,<br />
positiv konnotierte und in eine mehr sakral<br />
bestimmte negativ geprägte Sphäre.<br />
Zur Komposition und<br />
Anordnung der Bilder<br />
„Der Blick auf die Anordnung der Fresken<br />
suggeriert, dass Riemenschneider<br />
den an sich profanen Raum einer vermeintlichen<br />
,Trinkstube' wie einen Sakralraum<br />
gestaltet, indem er Ianus in den Mittelpunkt<br />
rückt und zu seiner Rechten die<br />
lebensspendenden, zu seiner Linken die<br />
lebensbedrohenden Mächte darstellt.“ 9<br />
Es dürfte sich laut Strobl bei der Traminer<br />
„Trinkstube“ um ein „geschickt und<br />
raffiniert getarntes Konventikel, also einen<br />
Versammlungs- bzw. Kultraum einer<br />
Täufergemeinschaft gehandelt haben“. 10<br />
Claudia Plaikner<br />
1<br />
Strobl Wolfgang, „Ianus Bifrons“ – Ein Künstlerleben<br />
in Widerspruch und Einheit, Sonderdruck aus:<br />
Zeitschrift für bayerischen Landesgeschichte 2019,<br />
Bd. 82, [Heft 2], S. 381<br />
2<br />
Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 385f.<br />
3<br />
Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 393<br />
4<br />
Strobl, „Ianus Bifrons“, S 394<br />
5<br />
Strobl, „Ianus Bifrons“, S.398f.<br />
6<br />
Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 404<br />
7<br />
Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 411<br />
8<br />
Strobl, „Ianus bifrons“, S. 426<br />
9<br />
Strobl, „Ianus Bifrons, S.430 f.<br />
10<br />
Strobl, „Ianus Bifrons, S. 433<br />
11<br />
Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 416<br />
12<br />
Strobl, „Ianus Bifrons”, S. 417<br />
13<br />
Ebenda<br />
Aus der Redaktion<br />
Ihre Beiträge (Texte und Bilder) für die Heimatpflegeseiten<br />
senden Sie bitte an: florian@hpv.bz.it<br />
Für etwaige Vorschläge und Fragen erreichen Sie uns unter<br />
folgender Nummer: +39 0471 973 693 (Heimatpflegeverband)<br />
Redaktionsschluss für<br />
die nächste Ausgabe des<br />
KulturFensters ist<br />
Donnerstag, 15. Juli <strong>2021</strong><br />
KulturFenster<br />
9 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
informiert & reektiert<br />
Nicht nur Beruf, sondern Berufung<br />
Josef Oberhofer geht nach 30 Jahren Tätigkeit im<br />
Heimatpflegeverband in Pension<br />
Er hat einige Landesobleute, viele Vorstandsmitglieder,<br />
Sachbearbeiter, Fachberater,<br />
Bezirks- und Vereinsobleute im<br />
Heimatpflegeverband kommen und gehen<br />
gesehen: Der gebürtige Traminer Josef<br />
Oberhofer hat 30 Jahre lang vom vierten<br />
Stock des Waltherhauses in Bozen aus<br />
die Geschäftsführung des Heimatpflegeverbandes<br />
innegehabt. Nun tritt er in den<br />
wohlverdienten Ruhestand.<br />
Es scheint so, als ob Tramin geradezu<br />
prädestiniert sei, um wichtige Akteure<br />
für die Heimatpflege in Tirol hervorzubringen,<br />
war es doch auch ein Traminer,<br />
Kunibert Zimmeter, der im Jahr 1908 den<br />
ersten Heimatpflegeverein Tirols gegründet<br />
hat. Josef Oberhofer hat am 8. November<br />
1990 unter der Obmannschaft<br />
von Ludwig Walther Regele die Geschäftsführung<br />
übernommen. Jetzt, wenn er am<br />
30. <strong>Juni</strong> <strong>2021</strong> in den Ruhestand tritt, ist<br />
es ein Wahltraminer, Florian Trojer, der<br />
seine Agenden übernimmt.<br />
In diesen drei Dezennien hat Josef Oberhofer<br />
ganz wesentlich die Geschichte und<br />
Geschicke des HPV mitgeprägt. Er war für<br />
die allermeisten Heimatpfleger*innen im<br />
Land die Ansprechperson schlechthin.<br />
Abgesehen von der vielen täglichen bürokratischen<br />
Arbeit, der Mitgliederbetreuung,<br />
der Kontaktpflege mit den verschiedenen<br />
Ämtern hat Josef auch inhaltlich Akzente<br />
gesetzt. Dadurch dass er diesen Beruf nie<br />
nur als Brotberuf angesehen hat, sondern<br />
für den Verband „brannte“ und von den<br />
Zielsetzungen begeistert war, hat er vieles<br />
mitgestaltet. Er war und ist Garant für Qualität,<br />
Kontinuität und Innovation gleichermaßen.<br />
Einige seiner maßgeblichen Aktivitäten<br />
sind nebenstehend aufgelistet.<br />
Der Netzwerker Josef Oberhofer war in<br />
den vergangenen Jahren bei vielen Veranstaltungen<br />
von „Bund Heimat und Umwelt/Bonn“<br />
in Berlin, Aschaffenburg, Freiburg,<br />
Bonn und Leipzig als Referent tätig.<br />
Auch die Aufnahme des HPV als Mitglied<br />
im Landschaftsschutznetzwerk Civilscape<br />
(2011) und in das europäische Verzeichnis<br />
der „Landschaftsobservatorien“ (2012)<br />
sowie die Gründung des „Netzwerk Kulturerbe“<br />
(2019) ist unter maßgeblichem<br />
Einsatz des weitsichtigen Geschäftsführers<br />
gelungen.<br />
Josef Oberhofer hat auch die Ausbildung<br />
zum „kommunalen Klimaschutzbeauftragten“<br />
durchlaufen.<br />
Viele festliche Höhepunkte wurden auch<br />
aufgrund der umsichtigen und professionellen<br />
Vorbereitung und Durchführung<br />
durch den Verbandsgeschäftsführer<br />
zu bleibenden Erlebnissen, etwa die<br />
Heimatpflegefeste auf Schloss Prösels<br />
(1995, 2005, 2015), die Heimatpreisverleihungen<br />
(1992, 1994, 2000, 2008) sowie<br />
die Feiern anlässlich „90 Jahre Heimatschutz<br />
in Tirol“ 1998 in Tramin, „50<br />
Jahre Landesverband für Heimatpflege in<br />
Südtirol“ 1998 auf Schloss Sigmundskron,<br />
„100 Jahre Heimatschutz in Tirol“ 2008<br />
auf Schloss Tirol und „70 Jahre Heimatpflege“<br />
2019 in Matschatsch.<br />
„<br />
„<br />
Josef Oberhofer war und ist Garant<br />
für Qualität, Kontinuität und Innovation<br />
gleichermaßen.<br />
Claudia Plaikner<br />
Und wo wurden alle diese Tätigkeiten<br />
geplant? An einem geordneten Schreibtisch<br />
im Büro des HPV, der ein Musterbeispiel<br />
für alles im Blick haltendes Arbeiten<br />
war. Die Buchhaltung und generell<br />
die Finanzen verwaltete Josef mit großer<br />
Sorgfalt. Er verstand es immer, den Verband<br />
möglichst unbeschadet durch alle<br />
Untiefen der finanziellen und personellen<br />
Herausforderungen zu führen. Mit seiner<br />
Freundlichkeit, seinem Charme und seiner<br />
entwaffnenden Ehrlichkeit erreichte<br />
er vieles. Josef konnte aber auch durchaus<br />
leidenschaftlich sein: Wenn evidente<br />
Gemeinsamer Einsatz für<br />
den Schutz des Natur- und<br />
Kulturerbes: Karl Obwegs<br />
(langjähriger Heimatpflege-<br />
Ortsbeauftragter des Gadertales),<br />
Ehrenobmann Peter<br />
Ortner (damals noch Obmann),<br />
die jetzige Obfrau<br />
Claudia Plaikner und Josef<br />
Oberhofer (v. l.).<br />
KulturFenster<br />
10 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Heimatpege<br />
Schieflagen in Gesellschaft und Politik aufzuzeigen<br />
waren, so argumentierte er mit<br />
Verstand und auch viel Impetus.<br />
Großes Verantwortungsbewusstsein zeigte<br />
Josef auch bei den Übergängen des Verbandes<br />
in neue Phasen. Ich kenne Josef<br />
seit 1996, als ich in den Vorstand des<br />
HPV gewählt wurde. Seit 2008 war ich<br />
Obmannstellvertreterin von Peter Ortner,<br />
und 2017 haben mich die Südtiroler<br />
Heimatpfleger*innen zu ihrer Obfrau gewählt.<br />
Zu wissen, dass ich auf die absolute<br />
Loyalität des Geschäftsführers Oberhofer<br />
setzen kann, und ermutigt durch<br />
seinen Zuspruch konnte ich dieses Amt<br />
beruhigt annehmen. Ich habe ganz viel<br />
von dem, was die Entwicklung des Verbandes<br />
und die Tätigkeit des Verbandsgeschäftsführers<br />
anbelangt, hautnah miterlebt<br />
und viel gelernt – auch von Josef.<br />
Ich danke dir, lieber Josef, für deinen unermüdlichen<br />
Einsatz zum Wohle unserer<br />
Heimat und unseres Verbandes und ich<br />
wünsche dir viele erlebnisreiche, glückliche<br />
und etwas ruhigere Jahre! Als Heimatpfleger<br />
aus Berufung wirst du uns sicherlich<br />
auch weiterhin verbunden bleiben.<br />
Claudia Plaikner, Verbandsobfrau<br />
Maßgebliche Aktivitäten<br />
➤ 1990 gründete Josef Oberhofer mit einigen Persönlichkeiten aus Politik und<br />
Wirtschaft das Komitee gegen den Ausbau des Bozner Flughafens.<br />
➤ Richtungsweisend war die Betreuung der bäuerlichen Kleindenkmäler, wobei<br />
er die bis heute geltenden Richtlinien für die Vergabe von Beiträgen im Bereich<br />
der Landschaftspflege ausarbeitete. Ganz besonders setzte er sich hierbei für<br />
die Erhaltung der inzwischen rar gewordenen Strohdächer ein.<br />
➤ Josef Oberhofer organisierte zwischen 1991 und 2012 zehn Naturschutzwochen<br />
für Heimatpfleger*innen und Lehrpersonen.<br />
➤ Das Ehrengrab von Max Valier am Münchner Westfriedhof wird auf Initiative<br />
von Josef Oberhofer seit 30 Jahren vom Heimatpflegeverband Südtirol gepflegt.<br />
➤ Gemeinsam mit dem damaligen Obmann Peter Ortner gelang ihm 1997 die<br />
Einführung des Ensembleschutzgesetzes, und er organisierte mehrere internationale<br />
Tagungen zum Thema Ensembleschutz (1993, 2003).<br />
➤ Auch die Einrichtung des Landschaftsfonds wurde auf seine und Peter Ortners<br />
Initiative hin umgesetzt.<br />
➤ Er betätigte sich beratend als Mitglied der I. Landeskommission für Landschaftsschutz,<br />
des UVP-Beirates und des Landschaftsfonds.<br />
➤ Josef Oberhofer betrieb aktiv die Gründung des Welschtiroler Heimatpflegevereines<br />
(2007).<br />
➤ In der Informationsbroschüre „Landschaftspflege in Südtirol“ (1994), in der<br />
Festschrift anlässlich der 100-Jahr-Feier auf Schloss Tirol (2008) und beim<br />
Drehbuch für den Film H€IMAT (2003) trat Josef als Co-Autor in Erscheinung.<br />
➤ Im Tiroler Gedenkjahr 2009 konzipierte er für die Jugend das Online-Gewinnspiel<br />
„syndrome09“.<br />
Die Kulturlandschaft liegt ihm am Herzen:<br />
Von Hans Rottensteiner übernahm<br />
Josef Oberhofer die Initiativen<br />
zur „Rettung“ der letzten Strohdächer<br />
Südtirols.<br />
Für das überdimensionierte Fahrsicherheitszentrum in Pfatten musste eine der letzten Auen<br />
in Südtirol weichen. Josef Oberhofer wollte das Ausmaß der Zerstörung im Bild festhalten,<br />
organisierte sich einen Rundflug über das Gelände und machte eine Luftaufnahme.<br />
KulturFenster<br />
11 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
informiert & reektiert<br />
„Wir sind am Puls der Zeit“<br />
Josef Oberhofer über Flughafenproteste und Bremstests,<br />
den Klimaschutz und die Zukunft des HPV<br />
Er liebt und lebt seinen Beruf. Gerade deswegen<br />
will der Geschäftsführer des Heimatpflegeverbandes<br />
Südtirol seine Verantwortung<br />
nun „in jüngere Hände legen“,<br />
wie er es ausdrückt. Warum das so ist, mit<br />
welchem Blick auf die Vergangenheit und<br />
die Zukunft er Ende <strong>Juni</strong> in Pension geht<br />
und was er als „Rentner“ vorhat, das erzählt<br />
Josef Oberhofer im Interview.<br />
KulturFenster: Mit welchen Gedanken und<br />
Gefühlen räumen Sie am 30. <strong>Juni</strong> Ihren<br />
Schreibtisch?<br />
Josef Oberhofer: Mit dem guten Gefühl,<br />
den Verband in seinen Anliegen und Interessen<br />
ein Stück weit vorangebracht<br />
zu haben. Auch gehe ich mit dem beruhigenden<br />
Wissen, dass ich genügend<br />
Zeit hatte, meine Nachfolge vorzubereiten.<br />
Allerdings begleitet mich auch der<br />
beunruhigende Gedanke in die Rente,<br />
dass die Heimatpflege in Zukunft einen<br />
noch schwierigeren Stand haben könnte<br />
als es bisher schon der Fall war.<br />
KF: Inwiefern?<br />
Oberhofer: Insofern, dass ich in den über<br />
30 Jahren meiner Tätigkeit große Veränderungen<br />
miterlebt habe. Der technische<br />
Fortschritt und ein zunehmender Wohlstand<br />
haben in Wirtschaft und Gesellschaft<br />
zum blinden Glauben geführt, dass alles<br />
machbar sei – losgelöst vom historisch<br />
Gewachsenen. Dieser Prozess, der schleichend<br />
vor sich geht, führt in meinen Augen<br />
immer mehr zu einer Verwilderung<br />
des Geschmacks und geht leider nicht<br />
mit einem tiefgreifenden Diskurs über die<br />
gesellschaftliche und landschaftliche<br />
Entwicklung unserer Heimat einher.<br />
Vielen Menschen ist das Gespür<br />
für das richtige Maß verlorengegangen.<br />
Um es mit den Worten<br />
von Silvius Magnago zu sagen:<br />
„Zuviel Wohlstand tut den Leuten<br />
nicht gut und führt zu einer geistigen<br />
Verfettung.“ Diesem<br />
gefährlichen Prozess Einhalt<br />
zu gebieten, wird<br />
noch eine große Herausforderung.<br />
KF: Apropos Herausforderung. Dieser haben<br />
Sie sich gestellt, als Sie 1990 einen<br />
damals nicht ganz harmonischen Verband<br />
übernommen haben. Wie kam es dazu?<br />
Oberhofer: Ich habe mich nach meinem<br />
Studienaufenthalt in Venedig und nach<br />
einigen Arbeitserfahrungen im In- und<br />
Ausland auf eine Stellenanzeige in der<br />
Zeitung – „Geschäftsführer für Heimatpflegeverband<br />
Südtirol gesucht“ – beworben,<br />
weil mich das Anforderungsprofil sehr<br />
angesprochen hat. Außer mir bewarben<br />
sich noch einige, zum Teil<br />
recht prominente Südtiroler,<br />
die weit mehr<br />
Einblick in die Materie<br />
hatten …<br />
„<br />
Der technische Fortschritt und ein zunehmender<br />
Wohlstand haben in Wirtschaft<br />
und Gesellschaft zum blinden<br />
Glauben geführt, dass alles machbar<br />
sei – losgelöst vom historisch Ge-<br />
„<br />
wachsenen.<br />
Josef Oberhofer<br />
Foto: Florian Trojer<br />
KulturFenster<br />
12 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Heimatpege<br />
KF: … aber man entschied sich für Sie.<br />
Oberhofer: Ja, der damalige Vorstand entschied<br />
sich vermutlich wohl bewusst für<br />
einen Quereinsteiger, der den Verband –<br />
abseits von persönlichen Interessen – sowohl<br />
nach innen als auch nach außen wieder<br />
ins Lot bringt.<br />
KF: Ist Ihnen das gelungen?<br />
Oberhofer: Ich denke schon. Ich habe von<br />
Beginn an versucht, über jegliche Konflikte<br />
hinweg die Ziele des Verbandes in den<br />
Mittelpunkt zu stellen. Schon eine Woche<br />
nach meinem Arbeitsbeginn habe ich zusammen<br />
mit einigen namhaften Persönlichkeiten<br />
das Komitee gegen den Ausbau<br />
des Bozner Flughafens gegründet. Nach<br />
und nach kamen viele neue Themen aufs<br />
Tapet. Ich wuchs mit den Aufgaben, und<br />
damit wuchs auch meine Begeisterung für<br />
die Heimatpflege.<br />
Bei der letzten Naturschutzwoche 2012 verabschiedet sich Josef Oberhofer von Prof. Franz<br />
Wolkinger aus Graz, der seit 1970 alle Naturschutzwochen geleitet hatte.<br />
KF: Welche Aktionen oder Themen des<br />
Heimatpflegeverbandes werden Ihnen in<br />
besonderer Erinnerung bleiben?<br />
Oberhofer: In Erinnerung bleiben naturgemäß<br />
Themen, die immer wiederkehren.<br />
Der Flughafen begleitet mich, wie gesagt,<br />
seit den ersten Arbeitstagen. Wegweisend<br />
war für mich auch der Ensembleschutz,<br />
der 1997 unter Obmann Peter Ortner in<br />
einem Gesetz festgelegt wurde und für<br />
den Heimatpflegeverband nach wie vor<br />
Anlass ist, ihn mit viel mehr Konsequenz<br />
und Ernsthaftigkeit einzufordern und umzusetzen.<br />
Ebenso werde ich mich an die<br />
vielen Bauern erinnern, für die ich zur Erhaltung<br />
von bäuerlichen Kleindenkmälern,<br />
Holzzäunen sowie Stroh- und Schindeldächern<br />
jährlich eine finanzielle Unterstützung<br />
seitens der Landesregierung erwirken<br />
konnte. Die vielen Anträge, mit denen<br />
ich mich als Mitglied der I. Landschaftsschutzkommission<br />
und des Landesumweltbeirat<br />
beschäftigt habe, wie die Skigebietserweiterungen<br />
und der Druck seitens der<br />
Wirtschaft, des Tourismus und der Landwirtschaft,<br />
sich immer mehr unberührte<br />
Landschaft zu eigen zu machen, gehören<br />
ebenso dazu. Meine ständige Aufmerksamkeit<br />
erfordert hat zudem der bedenkenlose<br />
und von unseren gewählten Politikern<br />
vielfach geduldete – wenn nicht gar<br />
lobbygesteuerte – Umgang mit unserem<br />
materiellen und immateriellen Kulturerbe.<br />
In Erinnerung bleiben auch kleinere Projekte,<br />
wie etwa der vom damaligen Landeshauptmann<br />
partout gewollte Bergzoo<br />
in Tisens, gegen den wir uns erfolgreich<br />
gewehrt haben, oder das Biotop Krebsbach<br />
in Lana, welches wir im Einvernehmen<br />
mit den Betreibern eines Golfplatzes<br />
erhalten konnten. Leider war unser Einsatz<br />
nicht immer von Erfolg gekrönt. Ich<br />
denke an die Zerstörung zahlreicher kleiner<br />
und größerer Naturschönheiten und<br />
an den Bau des völlig überflüssigen und<br />
viel zu großen Fahrsicherheitszentrums in<br />
Pfatten, dem eine der letzten Auen in Südtirol<br />
weichen musste. Es gäbe noch unzählige<br />
Beispiele.<br />
KF: Bleiben wir beim Positiven. Was hat<br />
Ihnen bei Ihrer Arbeit besondere Freude<br />
bereitet?<br />
Oberhofer: Ich bin vor allem in den ersten<br />
Jahren häufig zu den Menschen hinausgegangen,<br />
habe versucht, sie für das kulturelle<br />
Erbe, das sie besitzen, zu sensibilisieren,<br />
habe sie beraten und ihnen<br />
Unterstützung durch den Verband angeboten.<br />
Dieser Kontakt war sehr bereichernd<br />
für mich. Mit den Jahren hat sich die Arbeit<br />
leider immer mehr ins Büro verlagert.<br />
Auch draußen auf den Höfen ist mehr Hektik<br />
eingekehrt. Es bleibt keine Zeit mehr<br />
für den „Ratscher“ danach, der oft ganz<br />
wichtig ist. Aber zurück zum Positiven: Viel<br />
Freude haben mir auch die Naturschutzwochen<br />
bereitet, die ich von 1991 bis 2012<br />
organisiert habe, um vor allem die Lehrpersonen<br />
als Multiplikatoren in den Schulen<br />
für den Schutz unseres Natur- und Kulturerbes<br />
zu gewinnen.<br />
KF: Eine dieser Naturschutzwochen war ein<br />
ungewöhnliches Erlebnis, wie der Blick ins<br />
Heimatpflegearchiv zutage gebracht hat …<br />
Oberhofer: Stimmt. Das war 2004 in Stilfs.<br />
Auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft<br />
für die rund 60 Teilnehmer des<br />
Lehrganges bin ich dahintergekommen,<br />
„<br />
Ich gehe in Pension, weil ich überzeugt<br />
davon bin, dass der Verband<br />
„<br />
in jüngere Hände gehört.<br />
Josef Oberhofer<br />
KulturFenster<br />
13 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
informiert & reektiert<br />
„<br />
Meine ständige Aufmerksamkeit erfordert<br />
hat der bedenkenlose und von<br />
unseren gewählten Politikern vielfach<br />
geduldete – wenn nicht gar lobbygesteuerte<br />
– Umgang mit unserem materiellen<br />
und immateriellen<br />
„<br />
Kulturerbe.<br />
Josef Oberhofer<br />
dass die meisten Hotels genau in dieser<br />
Woche, in der wir den Lehrgang abhalten<br />
wollten, ausgebucht waren, weil der Autohersteller<br />
BMW in dieser Zeit auf der Stilfser-Joch-Straße<br />
Bremstests für die Fahrzeuge<br />
durchführen wollte. Bremstests<br />
mitten im Nationalpark! Ich musste diesen<br />
Naturfrevel verhindern, habe die Verantwortlichen<br />
in Bayern angeschrieben<br />
und bin mit dieser Geschichte an sämtliche<br />
Medien im In- und Ausland gegangen.<br />
BMW stellte die Tests daraufhin ein,<br />
aber die betroffenen Hoteliers im Vinschgau<br />
sahen sich um ihr Geschäft gebracht<br />
und traten mit einer Sammelklage gegen<br />
den Verband auf den Plan. Diese Reaktion<br />
hat mich sehr belastet. Der Fall wurde<br />
zum Glück eingestellt, weil ich mich für<br />
die Gesundheit aller eingesetzt und in<br />
sämtlichen Stellungnahmen ausschließlich<br />
auf den Schutz der Natur und Umwelt<br />
gepocht hatte.<br />
KF: Sie haben im Verband zahlreiche Obleute<br />
und Vorstandsmitglieder kommen<br />
und gehen gesehen. Wie sehr haben diese<br />
Wechsel die Ausrichtung des Verbandes<br />
beeinflusst, und welche Rolle haben Sie<br />
als Geschäftsführer da gespielt?<br />
Oberhofer: Natürlich sind es der Vorstand<br />
und der Obmann bzw. die Obfrau, die die<br />
Richtung vorgeben und Themen einbringen.<br />
Da waren dann auch die Schwerpunkte<br />
manchmal unterschiedlich. Als<br />
Geschäftsführer hatte ich die Aufgabe,<br />
gemeinsam mit dem Vorstand Strategien<br />
auszuarbeiten und diese dann gewissenhaft<br />
umzusetzen. Dass ich dem Verband<br />
auch meinen Stempel aufgedrückt habe,<br />
ist der Tatsache geschuldet, dass ich täglich<br />
mit den aktuellen Themen konfrontiert<br />
war und viele auch ganz persönlich<br />
als wichtig empfand. Die Arbeit war für<br />
mich ja nicht nur Job, sondern ich habe<br />
den Beruf gelebt.<br />
KF: Sich auf unterschiedliche Obleute und<br />
Vorstände einzustellen, dürfte nicht immer<br />
leicht sein …<br />
Oberhofer: Für mich war das nie ein Problem,<br />
denn das Wichtigste in der Zusammenarbeit<br />
ist das gegenseitige Vertrauen.<br />
Ich habe die Meinungen der Vorstandsmitglieder<br />
immer ernstgenommen und<br />
gewissenhaft gearbeitet. Das hat im Gegenzug<br />
auch mir Vertrauen eingebracht.<br />
KF: Glauben Sie, dass die Struktur des Heimatpflegeverbandes<br />
noch zeitgemäß ist?<br />
Oberhofer: Ich denke, ja. Der Verband ist<br />
kapillar vertreten und dementsprechend<br />
kann bei wichtigen Angelegenheiten auch<br />
rasch vor Ort reagiert werden. Das Problem<br />
ist eher, dass immer weniger Leute<br />
vor Ort die „Schneid“ aufbringen, sich für<br />
oder gegen etwas im eigenen Dorf einzusetzen,<br />
weil sie Gefahr laufen, abgestraft<br />
und benachteilig zu werden. Es handelt<br />
sich ausschließlich um Ehrenämter, die<br />
weder Geld noch Ruhm einbringen. Mit<br />
dem neuen Raumordnungsgesetz, das<br />
den Gemeindevertretern noch mehr Spielraum<br />
für Entscheidungen gibt, wird sich<br />
dieser Umstand eher weiter verschärfen.<br />
KF: Woran hätten Sie gern noch gearbeitet,<br />
wären Sie nicht bald im Ruhestand?<br />
Oberhofer: Am Thema „Klimaschutz“. Ich<br />
habe vor einigen Jahren eine Ausbildung<br />
zum kommunalen Klimaschutzbeauftragten<br />
absolviert, aber schon bald gespürt,<br />
dass hierzulande in der Bevölkerung noch<br />
sehr wenig Sensibilität für das Thema vorhanden<br />
ist. Es gibt zwar diverse und im<br />
Prinzip gute Initiativen zum Schutz des<br />
Klimas, aber kein großes Netzwerk, das<br />
auch Einfluss auf die Entscheidungen der<br />
Politik hat. Letztendlich überwiegen immer<br />
noch die Interessen der Wirtschaft.<br />
Dem entgegenzuwirken, wäre mir noch<br />
ein großes Anliegen. Aber ich weiß den<br />
Heimatpflegeverband in guten Händen.<br />
Vor allem Obfrau Claudia Plaikner denkt<br />
und arbeitet sehr breitgefächert, ist offen<br />
für Neues und scheut sich auch nicht,<br />
die Position des Heimatpflegeverbandes<br />
klar darzulegen.<br />
KF: Trotz Motivation und Ideen gehen Sie<br />
jetzt in Pension. Warum?<br />
Oberhofer: Weil ich überzeugt davon bin,<br />
dass der Verband in jüngere Hände gehört.<br />
Ich merke seit einiger Zeit, dass die Routine,<br />
die sich naturgemäß eingestellt hat,<br />
manchmal hemmend wirkt. Zwar brenne<br />
ich nach wie vor für meinen Beruf und für<br />
die Themen des Heimatpflegeverbandes,<br />
aber ich spüre, dass mir ein wenig die zeitgemäße<br />
Herangehensweise vor allem an<br />
die neueren Themen, die den Verband<br />
beschäftigen, fehlt. Mein Anliegen ist es<br />
aber, dass der Verband zunehmend jüngere<br />
Menschen anspricht, sie für unsere<br />
Interessen gewinnt. Deshalb finde ich es<br />
wichtig, die Jugend über deren Kanäle anzusprechen<br />
und mitzuziehen.<br />
KF: Ist der Verband „altmodisch“?<br />
Oberhofer: Nein, er ist sogar sehr modern.<br />
Wir sind mit unseren Themen stets<br />
am Puls der Zeit, in einigen Bereichen<br />
manchmal auch der Zeit voraus. Unser<br />
Handicap ist vielleicht, dass im Hinblick<br />
auf die Zerstörung des Natur- und Kulturerbes<br />
die allgemeine Wahrnehmung fehlt<br />
– ähnlich wie beim Klimawandel. Da ist es<br />
immer schwierig, die Menschen zu überzeugen<br />
und mitzunehmen. Wir werden<br />
oft als Neinsager oder Verhinderer abgestempelt,<br />
ohne unsere zukunftsweisende<br />
Haltung zu sehen. Andererseits habe ich<br />
schon öfter erlebt, dass junge Leute begeistert<br />
und aufgeschlossen sind, wenn<br />
sie Einblick in die Verbandsarbeit bekommen.<br />
Daran müssen wir anknüpfen – auf<br />
junge Art und Weise.<br />
„<br />
Ich bin überzeugt, dass der Verband<br />
„<br />
in jüngere Hände gehört.<br />
Josef Oberhofer<br />
KF: Werden Sie dem Verband in irgendeiner<br />
Weise treu bleiben?<br />
Oberhofer: Wenn ich um Rat oder Hilfe gefragt<br />
werde, bringe ich mich gerne ein. Ich<br />
werde die Entwicklung des Landes weiterhin<br />
beobachten und mich für die Belange<br />
der Heimatpflege einsetzen.<br />
KF: Und was werden Sie sonst noch im<br />
Ruhestand tun?<br />
Oberhofer: Ich möchte mir noch gerne viele<br />
schöne Flecken dieser wunderbaren Welt<br />
ansehen, und sie auf gemütliche und umweltfreundliche<br />
Art bereisen. Als leidenschaftlicher<br />
Bahnfahrer wird mir das hoffentlich<br />
gelingen.<br />
Interview: Edith Runer<br />
KulturFenster<br />
14 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Heimatpege<br />
Espan und Mult<br />
Serie: Flurnamen aus der Agrargeschichte (2)<br />
ObereMultenamLangkreuz.<br />
Das Langkreuz<br />
(Bildmitte oben) ist uralte<br />
Gerichtsgrenze<br />
zwischen Nauders<br />
(Oberland, Oberes<br />
Gericht) und Glurns<br />
(Vinschgau), heute<br />
noch Grenze zwischen<br />
Haid und Burgeis. Die<br />
große Weide ist die<br />
Burgeiser Marein.<br />
aus: Franziszeische<br />
Katastermappe 1858<br />
Nach den in der Ausgabe 2/<strong>2021</strong> des „KulturFensters“<br />
besprochenen Namen Egert,<br />
Trate und Zelge, die der mittelalterlichen<br />
Dreifelderwirtschaft zugeordnet werden können,<br />
stellt der Kulturanthropologe Johannes<br />
Ortner in dieser Ausgabe weitere zwei Flurnamen<br />
aus der Agrargeschichte vor.<br />
Espan<br />
Espan ist ein auffallender und häufiger<br />
Flurname landauf landab, der in den verschiedenen<br />
Mundarten Südtirols „Erschpam“,<br />
„Easchpam“, „Eschpann“ u. ä.<br />
lautet. In Unterinn gibt es den Hofnamen<br />
„Erschbaumer“ (Ritten), daneben den Familiennamen<br />
Erschbaumer oder Erschbamer.<br />
In all diese Namenformen wird<br />
oft ein „Baum“, speziell ein „Eschbaum“<br />
(Esche), eingeblendet. Damit hat der Name<br />
aber nichts zu tun.<br />
Espan bezeichnet den freien Platz in einer<br />
Flur, der zur Viehweide genutzt wird,<br />
also eine Art Gemeinweide. Bereits in althochdeutschen<br />
Glossaren ist von espan<br />
compascuum die Rede. 1320 ist der Begriff<br />
als ospan, im 14. und 15. Jahrhundert<br />
als espan oder espaum und in Penser<br />
Weistümern – das sind Gewohnheitsrechte<br />
– des 16. Jahrhunderts als das gmain eschpam<br />
belegt.<br />
Der Name „Espan“ leitet sich von „Esch-<br />
Bann“ ab, das ist der Bann- oder Weidezaun,<br />
der die Viehweide von der Ackerflur<br />
trennte. Ein früheres Wort für die Ackeroder<br />
Saatflur lautete nämlich „Esch“ (zu<br />
althochdeutsch ezzisk „Saat, Anpflanzung,<br />
Flur“). Durch das Eschtor oder Eschtürl<br />
wurde das Vieh auf die Weide getrieben.<br />
Die Bezeichnung für den Zaun hat sich im<br />
Laufe der Zeit auf die Weide ausgedehnt.<br />
Vom „Eschtürl“ nahmen die Familiennamen<br />
Tirler und Dirler ihren Ausgang – diese<br />
wohnten also am Eschtürl.<br />
Beispiele aus Südtirol: Lahna-Easchpånn<br />
in Sexten, Easchpina in Pfunders (Hof),<br />
mehrere Eschpam in Pens, die Weide<br />
Ferschpam in Entholz/Ridnaun (wörtlich<br />
’f Erschpam) und der Graben Erschpam<br />
in Verdins/Schenna.<br />
Mult<br />
Bekannt sind die Multen auf der Malser<br />
Haide, deren Bewirtschaftung einst streng<br />
reglementiert war. Am besten ließe sich<br />
„Multen“ mit „Flurzwang“ übersetzen.<br />
Das Wort Mult stammt aus dem Alpenromanischen<br />
*multa „Zwang, Strafe“.<br />
Der Flurzwang schrieb den Bauern vor,<br />
was in einem bestimmten Flurblock angebaut<br />
werden musste, wann und in welcher<br />
zeitlichen Abfolge die Heumahd<br />
vonstatten zu gehen hatte und wie diese<br />
einzufahren war. Diese Vorschrift war<br />
aufgrund der Anlage der Grundstücke<br />
notwendig, vor allem wegen der Durchfahrtsrechte,<br />
die viel Grund beanspruchten<br />
– teilweise bis zu einem Drittel der<br />
Grundfläche. Eine gemischte Nutzung<br />
als Kornacker, Viehweide und Mahd wäre<br />
von der „Logistik“ her schwierig zu bewältigen<br />
gewesen.<br />
Große Multwälder (Bannwälder) finden<br />
sich am Vinschger Nörderberg, in Kastelbell,<br />
Schlanders oder in Laas. Aber<br />
auch unterhalb von Vellau dehnt sich<br />
ein Multwald aus.<br />
Ein Bannwald ist bekanntlich ein Wald,<br />
dessen Nutzung durch die Allgemeinheit<br />
geregelt war, also das Gegenteil eines Privatwaldes.<br />
Bannwälder boten Schutz vor<br />
Muren und Lawinen.<br />
Johannes Ortner<br />
KulturFenster<br />
15 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
informiert & reektiert<br />
Dorferneuerung mit<br />
Bürgerbeteiligung<br />
In Tirol unterstützt eine Geschäftsstelle<br />
Gemeinden beim Veränderungsprozess<br />
Beispiel einer Dorferneuerung mit Bürger- und Expertenbeteiligung: das Ortszentrum von Mils bei Hall in Tirol. Fotos: Land Tirol/Abteilung Bodenordnung<br />
Wo in der Gemeinde soll die neue Schule<br />
gebaut werden? Wie setzt man Verkehrsberuhigung<br />
konkret um? Was tun mit dem viel<br />
zu alten Vereinshaus? Im Nachbarland Tirol<br />
können sich Gemeinden an die Geschäftsstelle<br />
für Dorferneuerung des Landes Tirol<br />
wenden. Sie werden beim Entscheidungsprozess,<br />
der mit Bürgerbeteiligung erfolgt,<br />
auch finanziell unterstützt. Ein Interview mit<br />
Nikolaus Juen, dem Leiter der Geschäftsstelle<br />
für Dorferneuerung.<br />
KulturFenster: Wann und warum wurde die<br />
Geschäftsstelle für Dorferneuerung in Tirol<br />
eingerichtet?<br />
Nikolaus Juen: Sie wurde bereits 1986 mit<br />
dem Ziel eingerichtet, Gemeinden in ihren<br />
Veränderungsprozessen zu unterstützen.<br />
Die Zusammenarbeit von Anfang an hat<br />
den Vorteil, dass Bauprojekte oder andere<br />
Vorhaben schon in der Ideenentwicklung<br />
und Planungsphase dahingehend begleitet<br />
werden, dass sie von Bürgern oder potenziellen<br />
Nutzern mitgetragen werden und<br />
dass möglichen Fehlentwicklungen vorgebeugt<br />
wird. Heißt konkret: Es soll verhindert<br />
werden, dass ein Projekt zum Beispiel an<br />
den Kosten oder an mangelnder Umsetzbarkeit<br />
scheitert.<br />
„<br />
Die Kombination von Bürger und Expertenbeteiligung<br />
ist essenziell, weil<br />
dadurch das Projekt einerseits nutzerfreundlicher<br />
wird, andererseits die<br />
„<br />
Bereitschaft wächst, es mitzutragen.<br />
Nikolaus Juen<br />
KF: Wer kommt mit welchen Anliegen in Ihre<br />
Geschäftsstelle?<br />
Juen: In der Regel sind es die Gemeinden,<br />
die sich an uns wenden. Es geht<br />
meistens um den Bau oder Umbau von<br />
öffentlichen Einrichtungen – Schulen, Kindergärten,<br />
Friedhöfen, Dorfplätzen, Vereins-<br />
oder Gemeindehäusern. In anderen<br />
Fällen steht die Frage im Raum, was mit<br />
historischer Bausubstanz oder generell alten<br />
Infrastrukturen passieren soll. In kleineren<br />
Gemeinden kann zum Beispiel auch<br />
die Nahversorgung zu einer Herausforderung<br />
werden, da geht es dann um Themen<br />
wie die Direktvermarktung oder die Ansiedelung<br />
eines Supermarktes am Ortsrand.<br />
Wir als Geschäftsstelle werden auch deshalb<br />
zu Rate gezogen, weil die Gemeinden<br />
die Anliegen im Rahmen der Lokalen<br />
Agenda 21 umsetzen.<br />
KulturFenster<br />
16 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Heimatpege<br />
KF: Was ist die Lokale Agenda 21?<br />
Juen: Das ist die kommunale Umsetzung<br />
des 1992 beschlossenen UN-Aktionsprogrammes<br />
zur nachhaltigen Entwicklung.<br />
Dieses Programm sieht auf kommunaler<br />
Ebene u. a. eine stärkere Bürgerbeteiligung<br />
vor, mit dem Ziel, eine höhere Lebensqualität<br />
für die Bewohner von Gemeinden<br />
in einem ökologisch vertretbaren<br />
Umfeld zu schaffen.<br />
KF: Können sich somit auch einzelne<br />
Bürger an Sie wenden?<br />
Juen: Es kommen auch Ideen von Bürgern<br />
auf unsere Schreibtische, aber wir<br />
gehen keinen Einzelinteressen oder oppositionellen<br />
Gruppen nach. Unsere Aufgabe<br />
ist es, die Interessen der Gemeindeverwaltungen<br />
und jene der Bürger<br />
zusammenführen.<br />
KF: Wie läuft der Prozess der Dorferneuerung<br />
konkret ab?<br />
Juen: Sehr unterschiedlich. Meistens steigen<br />
wir als Geschäftsstelle für Dorferneuerung<br />
mit einer Gemeindeklausur in den<br />
Prozess ein. Will heißen: Unsere Mitarbeiter<br />
treffen sich mit Gemeindevertretern,<br />
die ihrerseits eventuell bereits einzelne<br />
Experten von außen einladen. Gemeinsam<br />
wird abgesteckt, worum es geht,<br />
in welcher Form man arbeiten möchte,<br />
welche Gruppen es geben soll u. ä.. In<br />
einem zweiten Moment werden Interessensgruppen,<br />
wie beispielsweise Vereinsvertreter<br />
eingeladen. Danach könnte<br />
eine erste Bürgerversammlung stattfinden,<br />
auf der Ideen gesammelt und konkretere<br />
Ziele abgesteckt werden. Bis zum<br />
fertigen Plan dauert es oft mehrere Monate,<br />
selten aber über ein Jahr. Denn es<br />
geht schon darum, eine rasche Umsetzung<br />
herbeizuführen.<br />
KF: Warum ist die Bürger- und Expertenbeteiligung<br />
so wichtig?<br />
Juen: Die Kombination von Bürger und<br />
Expertenbeteiligung ist essenziell, weil<br />
dadurch das Projekt einerseits nutzerfreundlicher<br />
wird, andererseits die Bereitschaft<br />
wächst, es mitzutragen. Für<br />
Zur Person<br />
Nikolaus Juen ist seit 1988 Leiter der Geschäftsstelle<br />
für Dorferneuerung & Lokale Agenda 21<br />
in der Abteilung Bodenordnung des Landes<br />
Tirol. Er ist von Beruf Architekt.<br />
die Umsetzung wichtig ist aber, dass die<br />
Bürger und Experten in ihren Ideen begleitet<br />
werden. Dazu beauftragt die Geschäftsstelle<br />
für Dorferneuerung professionelle<br />
Prozessbegleiter, die Erfahrung<br />
sowohl in der Thematik als auch in der<br />
Moderation haben. Sie haben die Aufgabe,<br />
die verschiedenen Anregungen zu<br />
einer weitgehend gemeinsamen Lösung<br />
zu führen und dabei auch die entsprechende<br />
Gesprächskultur und den Respekt<br />
der Beteiligten zu bewahren. Am<br />
Ende sollte ein von allen gut akzeptiertes<br />
Projekt stehen.<br />
KF: Wer sind die Prozessbegleiter?<br />
Juen: Je nach Aufgabenstellung handelt<br />
es sich um Moderatoren aus verschiedenen<br />
Bereichen. Das können Erwachsenenbildner,<br />
aber auch Fachleute aus<br />
der Wirtschaft sein. Wer sich konkret eignet,<br />
entscheidet die Gemeinde aufgrund<br />
der Vorschläge der Geschäftsstelle. Das<br />
ist dann oft einfach Vertrauenssache.<br />
KF: Das Land Tirol fördert diese Prozessbegleitung<br />
bei der Dorferneuerung. Wie<br />
hoch sind die Förderungen?<br />
Juen: Je nach Finanzkraft der Gemeinde<br />
werden die Kosten, die durch das Hinzuziehen<br />
externer Fachleute entstehen,<br />
zu 50 bis 75 Prozent vom Land Tirol<br />
übernommen.<br />
KF: In Südtirol legen die Gemeinden ihre<br />
Projekte oft wie selbstverständlich in die<br />
Hände der lokalen Planer und Architekten.<br />
Sie plädieren eher für Wettbewerbe.<br />
Warum?<br />
Juen: Es müssen nicht zwangsläufig<br />
Wettbewerbe sein, aber die Erfahrung<br />
zeigt, dass es sich lohnt, für etwas, auf<br />
das man lange hinarbeitet und das viel<br />
kostet, mehrere Ideen und Meinungen<br />
einzuholen, um sich dann für das beste<br />
Projekt zu entscheiden. Die Erfahrung<br />
zeigt jedoch auch, dass Wettbewerbe –<br />
vor allem im Baubereich – kostensparend<br />
sind. Denn sehr oft sind die intelligenten<br />
Projekte auch die kleineren Projekte.<br />
Interview: Edith Runer<br />
Summer<br />
Dr Summer lócht ins iaz ins Lond,<br />
mit an farbign, sunnign Giwond,<br />
a kluager Wind wiag Grous und Klea,<br />
Kinder loun sich treibm in Sea.<br />
Die Baidn fliagn und suachn ummr,<br />
brauchn an stilln, wormen Summr,<br />
ols wos bliahnt schtrebm sie un,<br />
mit gêila Sackler fliagn sie drfun.<br />
Dr wilda Mougn leichtet weit,<br />
in dear hoachn Summerzeit,<br />
und in schpotn Sunnenliacht,<br />
dr Mischtköfr sich verkriacht.<br />
Die Schwolbm treibm in dr Luft,<br />
die Roasnschtaudn verbroatn Duft,<br />
die Grilln mian die Geign schtimmen,<br />
af Nocht heart man sie lauthols singen.<br />
Des isch dr Summer mit oldr Procht,<br />
der ins iaz ins Landl innerlócht,<br />
es tauert nicht nor isch der goldina Summer,<br />
viel zu schnell schun wieder ummer.<br />
Anna Steinacher, Verdings<br />
KulturFenster<br />
17 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
informiert & reektiert<br />
Wir sollen authentisch bleiben<br />
Landestourismusentwicklungskonzept muss Weichen für<br />
nachhaltige Entwicklung setzen<br />
Prunkbauten wie dieses Hotel stehen für<br />
alles andere als für nachhaltigen Tourismus.<br />
Foto: HPV<br />
Der Tourismusbereich ist von der Coronakrise<br />
auch in Südtirol stark betroffen. Umso<br />
wichtiger ist es, jetzt Maßnahmen zu treffen,<br />
um den Tourismus im Land nach der Krise<br />
nachhaltig und resilient zu gestalten. Genau<br />
das soll mit dem geplanten Landestourismuskonzept<br />
geschehen, betonte Landesrat<br />
Arnold Schuler bei einem Treffen mit dem<br />
Heimatpflegeverband Südtirol.<br />
Seit Jahrzehnten weist der Heimatpflegeverband<br />
darauf hin, dass die wichtigste<br />
Ressource für den Tourismus in Südtirol<br />
die einzigartige und authentische Naturund<br />
Kulturlandschaft ist. Mit dem überhitzten<br />
Ausbau des Tourismussektors und<br />
den bekannten Auswüchsen werden diese<br />
Qualitäten Südtirols sowohl für Einheimische<br />
als auch für Touristen bedroht. „Wir<br />
sollen und müssen authentisch bleiben“,<br />
ist deshalb auch Landesrat Arnold Schuler<br />
überzeugt und plant mit dem neuen<br />
Landestourismusentwicklungskonzept die<br />
Weichen für eine nachhaltigere Entwicklung<br />
zu setzen.<br />
Bettenobergrenze und mehr<br />
Ein wichtiger Schritt ist der geplante Abgleich<br />
zwischen genehmigter Bettenanzahl<br />
und tatsächlichen Übernachtungen und<br />
vor allem auch die Miteinberechnung der<br />
nichtgewerblichen Betten aus Privatzimmern,<br />
Urlaub auf dem Bauernhof und<br />
Airbnb, um einen tatsächlichen Überblick<br />
über die Kapazitäten im Südtiroler Tourismus<br />
zu bekommen. Allzu oft wurden in der<br />
Vergangenheit beispielsweise Gästebetten<br />
als Personalbetten deklariert. Sehr zu begrüßen<br />
ist aus Sicht des Heimatpflegeverbandes<br />
die Abschaffung der Möglichkeit<br />
der quantitativen Erweiterung, während das<br />
Problem der qualitativen Erweiterung aber<br />
bestehen bleibt. Der Heimatpflegeverband<br />
appelliert an die Landesregierung, auch<br />
hier Richtlinien vorzugeben.<br />
Schlupöcher für<br />
Tourismuszonen<br />
Mit dem geplanten Landestourismuskonzept<br />
nicht gelöst werden kann das<br />
Problem der bereits zugewiesenen, aber<br />
noch nicht verbauten Betten und Tourismuszonen.<br />
Die Folge: In den nächsten<br />
Jahren sind mehrere touristische Großbauten<br />
zu erwarten, was den Druck auf<br />
die familiengeführten kleinen und mittelgroßen<br />
Betriebe erhöht. Zwar sehen<br />
die neuen Tourismusleitlinien der Lan-<br />
desregierung die verstärkte Unterstützung<br />
der Klein- und Mittelbetriebe vor.<br />
Dazu muss, so der HPV, allerdings den<br />
großen Tourismusscheinwelten ein Riegel<br />
vorgeschoben werden. Der Heimatpflegeverband<br />
verurteilt auch die noch bestehenden<br />
Schlupflöcher für Tourismuszonen<br />
sowie die oft ungleiche gesetzliche<br />
Behandlung von touristischen Projekten<br />
und Wohnbauprojekten.<br />
Der Heimatpflegeverband betont: Die<br />
Sommer- und Wintersaisonen vor der<br />
Coronakrise haben gezeigt, dass das<br />
Phänomen des „Overtourism“ auch auf<br />
Südtirol zutrifft. Gerade jetzt wäre es<br />
notwendig, die Weichen für eine nachhaltige<br />
Entwicklung zu setzen. Mit den<br />
neuen Tourismusleitlinien hat man eine<br />
gute Grundlage geschaffen. Nun bleibt zu<br />
hoffen, dass die Leitlinien im geplanten<br />
Landestourismuskonzept auch umgesetzt<br />
werden.<br />
Heimatpflegeverband Südtirol<br />
KulturFenster<br />
18 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Dinge des Alltags<br />
aus Geschichte und<br />
Gegenwart<br />
Schnapshund und<br />
Schnapsschwein<br />
Man sollte gar nicht meinen,<br />
dass man aus diesem<br />
Schnapsschweinchen<br />
trinken kann.<br />
Der Schnaps galt in der Vergangenheit als<br />
Heilmittel. Damit wurden müde Knochen<br />
eingerieben, wunde Stellen desinfiziert<br />
oder Verdauungsschwierigkeiten kuriert.<br />
Die Liste der Heilmittel, in denen das<br />
hochprozentige Getränk vorkommt,<br />
ist lang. Wohl nicht umsonst wurde<br />
er „Aqua vitae“, Lebenselixier, genannt.<br />
Er galt aber auch als Liebesgabe<br />
und man trank ihn beim Abschluss<br />
eines Vertrages. In Tirol ist<br />
natürlich auch das „Gipfl-Schnapsl“<br />
bekannt.<br />
In Privatsammlungen und in Museen<br />
ist eine Vielzahl an Schnapsflaschen<br />
mit den dazugehörigen Gläsern erhalten<br />
geblieben. Die Schnapsgläser<br />
tragen im Dialekt die Bezeichnungen<br />
Stamperle, Fraggele oder<br />
Pudel. Die Flaschen waren zum Teil<br />
reich verziert mit Trink- oder Liebessprüchen,<br />
wie zum Beispiel „Mein<br />
Herz soll dir allein, bis auf den Tod<br />
verbunden sein“ oder „Wie treu ich<br />
dir, sei du zu mir.“<br />
Bekannt sind die Nabelflaschenaschen aus Waldglas,<br />
die in den Glashütten von Kramsach<br />
entstanden sind. Sie trugen einen Zinnverschluss<br />
und am Bauch eine Einbuchtung,<br />
woher der Name Nabelflaschea<br />
her-<br />
rührt. Daneben sind auch Gefäße erhalten<br />
geblieben, die sich unter der Bezeichnung<br />
„Scherzgefäße“ verbreitet haben. Ab dem<br />
16. Jahrhundert waren sie besonders bei<br />
Der Schnapshund war eines der beliebtesten<br />
Scherzgefäße.<br />
Fotos: Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde<br />
den Zünften sehr beliebt. Doch die Anfänge<br />
dieser Gefäßgattungen gehen bereits auf<br />
die Antike zurück, als man sich bei ausgelassenen<br />
Trinkgelagen damit amüsierte.<br />
Die Gefäße konnten die Form eines<br />
Tieres, zum Beispiel eines Hundes,<br />
Schweines oder Affen haben, oder<br />
eines Gegenstandes wie etwa eines<br />
Stiefels. Manchmal hatten sie auch<br />
die Form eines Musikinstrumentes<br />
wie eines Jagdhorns oder einer Trompete.<br />
Zu den beliebtesten Motiven,<br />
die bis in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
in Gebrauch waren, zählen die<br />
Schnapshunde, die es in verschiedenen<br />
Formen und Farben gab.<br />
Warum ein Scherzgefäß? Die Bezeichnung<br />
ist wohl nicht nur auf die<br />
ungewöhnlichen Formen zurückzuführen.<br />
Es war anscheinend nicht<br />
ganz leicht, aus diesen Gefäßen zu<br />
trinken, ohne sich dabei zu bekleckern,<br />
was zur allgemeinen Belustigung<br />
in fröhlicher Runde beitrug.<br />
Barbara M. Stocker<br />
KulturFenster<br />
19 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
angegangenen Jahrzehnte für das Tal von<br />
einem rasanten Wandel gekennzeichnet gewesen,<br />
der sowohl die Gesellschaft als auch<br />
das Landschafts- und Siedlungsbild ergriffen<br />
hatte: Wie die Pilze waren Hotels und<br />
Liftanlagen aus dem Boden geschossen.<br />
Verschwunden waren die Getreidefelder,<br />
und dasselbe Schicksal drohte auch den<br />
typischen Grödner Bauernhöfen.<br />
Der große Fortschrittsoptimismus, das Immer-Mehr<br />
auf der einen Seite führte aber<br />
dazu, dass auf der anderen Seite kritische<br />
Gegenstimmen immer lauter wurden. In<br />
diesem Sinne ist es seit Jahrzehnten Aufgabe<br />
der Lia, das reine wirtschaftliche Kalkül,<br />
den „Homo oeconomicus“, der gerade<br />
in Gröden sehr häufig vorkommt, in seine<br />
Schranken zu weisen.<br />
Sicher handelte es sich dabei nicht imhinausgeblickt<br />
50 Jahre Einsatz für<br />
Natur- und Heimatschutz<br />
„Lia per Natura y Usanzes“ feiert Jubiläum – Rückblick auf<br />
eine umfangreiche Tätigkeit<br />
Seit 50 Jahren setzt sich die „Lia per Natura y Usanzes“ ein für den Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft, für den Schutz von<br />
Luft, Gewässern und Böden, für Flora und Fauna.<br />
Foto: Walter Perathoner<br />
Seit ihrer Gründung vor 50 Jahren setzt sich<br />
die „Lia per Natura y Usanzes“ (Naturschutzund<br />
Heimatpflegeverein) für den Schutz der<br />
Grödner Natur- und Kulturlandschaft ein. Der<br />
Verein leistete damit auf vielen Fronten Pionierarbeit<br />
– und das zu einer Zeit, als Naturschutz<br />
noch lange nicht zum Bewusstsein<br />
der Allgemeinheit gehörte.<br />
Wahrscheinlich bereits 1969 wurde in<br />
St. Ulrich, auf Initiative von Florian Peter<br />
Schrott (allseits als „Flëur“ bekannt), die<br />
Naturschutzgruppe „Lia per Natura y Usanzes“<br />
gegründet. Ursprünglich handelte es<br />
sich dabei um eine Arbeitsgruppe innerhalb<br />
des Trachten- und Heimatvereines. Dieser<br />
konnte in Gröden bereits auf eine lange Tradition<br />
zurückblicken: Kurz nach 1900 gegründet,<br />
wirkte er bis in die 1920er-Jahre,<br />
als seine Tätigkeit von den faschistischen<br />
Machthabern unterbunden wurde. Nach<br />
seiner Wiedergründung 1949 entfaltete er<br />
rasch eine breitgefächerte Tätigkeit, wobei<br />
sich der Volkstanz und der Naturschutz<br />
immer deutlicher als wichtige Arbeitsbereiche<br />
etablierten. So kam es, dass 1963<br />
zunächst eine eigene Volkstanzgruppe ins<br />
Leben gerufen wurde und schließlich (zwischen<br />
1969 und 1971) der Naturschutzverein<br />
„Lia per Natura y Usanzes“.<br />
Getreidefelder weichen<br />
Hotels<br />
Damals stand Gröden mitten in den Vorbereitungen<br />
zu einem Großereignis, der Ski-<br />
WM 1970. Und überhaupt waren die vo-<br />
KulturFenster<br />
20 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Heimatpege<br />
„<br />
Nicht zuletzt wegen des tatkräftigen<br />
Einsatzes der „Lia“ konnten einige<br />
einzigartige Naturgebiete bis heute<br />
„<br />
von irreversiblen Eingriffen geschützt<br />
werden.<br />
Engelbert Mauroner<br />
mer um ein einfaches Unterfangen, das<br />
mitunter auch dazu führte, dass die Vereinsmitglieder<br />
als „Ökofaschisten“ beschimpft<br />
wurden. Trotz allem waren und<br />
sind zahlreiche Bemühungen der „Lia“<br />
von Erfolg gekrönt.<br />
Natur vor Eingriffen<br />
bewahrt<br />
Seit mittlerweile 50 Jahren setzt sie sich<br />
für den Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft,<br />
für den Schutz von Luft, Gewässern<br />
und Böden, für Flora und Fauna<br />
ein. Nicht zuletzt wegen dieses tatkräftigen<br />
Einsatzes konnten einige einzigartige<br />
Naturgebiete bis heute von irreversiblen<br />
Eingriffen geschützt werden, wie die Almen<br />
von Innerraschötz oder das Gebiet<br />
von „Cunfin“ unterhalb des Langkofels.<br />
Um die sogenannten „Confinböden“, ein<br />
wichtiges Quellgebiet und Rückzugsgebiet<br />
zahlreicher Tiere und Pflanzen, vor Eingriffen<br />
zu schützen, bemüht sich die Lia<br />
bereits seit mehr als zehn Jahren um den<br />
Einschluss von Langkofel und Sellastock<br />
ins UNESCO-Weltnaturerbe.<br />
Den Wintertourismus<br />
im Auge<br />
In den 1990er-Jahren standen hingegen<br />
Initiativen gegen eine neuerliche Ski-WM<br />
1995 bzw. 1997 sowie gegen den Bau einer<br />
Müllverbrennungsanlage in Gröden<br />
ganz oben auf der Vereinsagenda. Außerdem<br />
setzte man sich für den Abbau<br />
von Schneekanonen im Sommer und gegen<br />
den schädlichen Einsatz von Streusalz<br />
zur Räumung der schneebedeckten Straßen<br />
im Winter ein – oder man wies auf die<br />
verschwenderische und unnütze nächtliche<br />
Beleuchtung der Bergstationen hin.<br />
Damit hat der Verein in zahlreichen Anliegen<br />
eine äußerst wertvolle Sensibilisierungsarbeit<br />
geleistet.<br />
Der Vorstand der „Lia per Natura y Usanzes“: Livio Senoner, Inge Perathoner, Präsident<br />
Engelbert Mauroner, Heidi Stufer und Manuela Piazza (v. l.)<br />
Für Klima und Kultur<br />
Informationsabende, Vorträge und Ausstellungen<br />
trugen dazu bei, ein größeres<br />
Bewusstsein in Sachen Umweltschutz<br />
zu schaffen. Man vergesse dabei nicht,<br />
dass gerade der Schutz der Umwelt auf<br />
lokaler Ebene, wenn nicht gar beim „Ich“<br />
beginnt. Wenn nicht ich damit beginne,<br />
Strom, Wasser oder Müll zu sparen – wer<br />
bitte dann? Lange vor der Fridays-for-<br />
Future-Bewegung wurden Klimaschutz<br />
und alternative Energiequellen thematisiert.<br />
Regelmäßig veranstaltete Biomärkte,<br />
Besichtigungen von Höfen mit<br />
naturnaher Landwirtschaft und Kräuterwanderungen<br />
trugen dazu bei, das Bewusstsein<br />
für gesunde Ernährung und<br />
nachhaltige bzw. solidarische Wirtschaftskreisläufe<br />
zu stärken.<br />
Neben ökologischen verfolgte die „Lia“<br />
immer auch historisch-kulturelle Anliegen.<br />
Dank ihres Einsatzes konnten zahlreiche<br />
Bauten von historischer Bedeutung<br />
Die Feier<br />
Foto: Lia per Natura y Usanzes<br />
restauriert und vor dem sicheren Verfall<br />
bewahrt werden (wie die Burgruine Wolkenstein,<br />
die Kalköfen in Pontives oder<br />
die Getreidemühlen von Pufels). Bereits<br />
1985 gab die Lia außerdem eine Karte<br />
der alten Flur-und Wiesennamen von St.<br />
Ulrich heraus, um zu verhindern, dass<br />
diese allmählich aus dem kollektiven Gedächtnis<br />
verschwinden. 2001 folgte die<br />
toponomastische Karte der Seiser Alm.<br />
Einen wertvollen Beitrag zur Grödner Geschichtsforschung<br />
leisteten außerdem die<br />
Publikationen zur „Grödner Bahn“ (zusammengestellt<br />
von der Historikerin Elfriede<br />
Perathoner).<br />
Nicht zu vergessen sind letztendlich die<br />
Lehrfahrten, zu denen Mitglieder und Interessierte<br />
im Herbst eines jeden Jahres<br />
eingeladen wurden. In diesem Sinne bleibt<br />
nur zu hoffen, dass auch die „Reise“ der<br />
„Lia per Natura y Usanzes“ noch eine<br />
recht lange und erfolgreiche sein möge.<br />
Engelbert Mauroner<br />
Obmann „Lia per Natura y Usanzes“<br />
Am 12. <strong>Juni</strong> und damit nach Redaktionsschluss war die Feier zum 50-Jahr-Jubiläum<br />
der „Lia per Natura y Usanzes“ geplant. Sie fand gemeinsam mit der Vollversammlung<br />
des Heimatpflegeverbandes Südtirol in St. Ulrich in Gröden statt.<br />
Dabei wurde auch eine Festschrift vorgestellt und ein Film gezeigt. Den Bericht<br />
über die Feier lesen Sie in der nächsten Ausgabe des „KulturFensters“.<br />
KulturFenster<br />
21 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
getragen<br />
Die Bergmannstracht<br />
„Glück auf!“ in festlichem Gewand<br />
Tracht voller Symbolik<br />
Den Verein Bergknappen Silberbergwerk Terlan gibt es seit 2005.<br />
Tirol war im 15. und 16. Jahrhundert das bedeutendste<br />
Erzabbaugebiet Europas, und das<br />
heutige Südtirol spielte dabei eine gewichtige<br />
Rolle. Egal ob in Prettau, am Schneeberg<br />
zwischen Ridnaun und Passeier, in Villanders<br />
oder in Terlan – in all diesen Gebieten<br />
ist man stolz auf seine Bergbau-Vergangenheit<br />
und zeigt das auch durch das Tragen<br />
der typischen Bergmannstracht.<br />
Wirklich eine Tracht?<br />
Im Begriff „Tracht“ steckt das Wort „tragen“.<br />
Die zwei gehören zusammen. Man<br />
bezeichnet damit eine typische Kleidung,<br />
die von einer bestimmten Gruppe in einer<br />
bestimmten Gegend zu bestimmten Zwecken<br />
getragen wird. Es gibt wohl kaum<br />
eine Tracht, die auf eine so lange Tradition<br />
zurückgreifen kann, wie die Bergmannstracht<br />
in ihrem Ursprung. So wie die heutigen<br />
Südtiroler Trachten das Feiertagsgewand<br />
der bäuerlichen Bevölkerung waren,<br />
so war die Bergmannstracht eben das gemeinsame<br />
Gewand der bergbautreibenden<br />
Knappen. In diesem Sinne hat der Begriff<br />
Tracht seine Berechtigung.<br />
Europaweiter Austausch<br />
Im Mittelalter war die maximilianische Bergmannstracht<br />
aus grobem, hellem Wollstoff<br />
Foto: Verein Bergknappen<br />
mit Kapuze üblich. Ältestes und typischstes<br />
Element war dabei das sogenannte<br />
Berg- oder Arschleder, das niemals fehlen<br />
durfte. Natürlich hat auch bei uns die<br />
Bergmannstracht vom Mittelalter bis herauf<br />
ins 19. Jahrhundert eine vielfältige<br />
Entwicklung durchgemacht. Sie war auch<br />
stets von der Bergmannstracht anderer europäischer<br />
Bergbaugebiete beeinflusst, da<br />
die Bergknappen gerne dorthin zogen, wo<br />
sie Arbeit fanden. So kam es zu einem regen<br />
Austausch untereinander, auch was<br />
die Kleidung anbelangte.<br />
Bergknappen<br />
Silberbergwerk Terlan<br />
Die heute zu festlichen Anlässen getragene<br />
Bergmannstracht hat nichts mit der<br />
Arbeit im Untertagebau zu tun, sondern<br />
geht auf eine Verordnung des Ackerbauministeriums<br />
in Wien von 1890 zurück.<br />
Sie wird von Knappenkapellen, Chören<br />
oder Knappenvereinen getragen und hat<br />
im Brauchtum der ehemaligen Bergbaugebiete<br />
ihren festen Platz. In Terlan zum<br />
Beispiel bemüht sich seit 2005 der Bergknappenverein,<br />
die Erinnerung an den<br />
jahrhundertelangen Silber- und Bleiglanzabbau<br />
wach zu halten. Auch ein ehemaliger<br />
Stollen kann mit Führung wieder betreten<br />
werden.<br />
Die schwarze Bergmannstracht hängt eng<br />
mit der Schutzpatronin der Bergknappen,<br />
der heiligen Barbara, zusammen. Ihr Festtag<br />
ist der 4. Dezember. Auf dem Bergkittel<br />
müssen 29 vergoldete Knöpfe sein, die<br />
das Licht der Sonne symbolisieren, aber<br />
auch auf das Lebensalter der heiligen<br />
Barbara hinweisen, welche der Legende<br />
nach mit 29 Jahren hingerichtet wurde.<br />
Die schwarze Farbe symbolisiert die Dunkelheit<br />
in den Stollen. Die Seidenfransen<br />
an den Ärmeln erinnern an die Reservedochte<br />
für die Öllampen. Am Berghut und<br />
am Oberarm erinnert das Gezähe mit gekreuztem<br />
Bergeisen und Schlägel an die<br />
Erzabbaumethode des Mittelalters.<br />
Agnes Andergassen<br />
Arbeitsgemeinschaft Lebendige Tracht<br />
Bergmannstracht heute - aus: „Schneeberg<br />
in Südtirol“, Hrsg: Südtiroler Bergbaumuseum,<br />
2000<br />
KulturFenster<br />
22 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
gedenken<br />
Großer Einsatz für die<br />
Kulturlandschaften Tirols<br />
Im Gedenken an Dipl. Ing. Josef Menardi (1925–2020)<br />
Josef Menardi (†)<br />
Foto: Archiv Bundesdenkmalamt Tirol<br />
Ein lebenswertes Tirol, in dem die Spuren<br />
der Vergangenheit lebendig sind, war sein<br />
Ziel, sein Lebensinhalt. Am 1. Oktober 2020<br />
ist mit Hofrat Dipl. Ing. Josef Menardi eine<br />
prägende Persönlichkeit der Tiroler Denkmalpflege<br />
und ein engagierter Heimatpfleger<br />
95-jährig verstorben.<br />
Als Landeskonservator wachte der ausgebildete<br />
Architekt Josef Menardi 15 Jahre<br />
lang über den Denkmalschutz in Tirol.<br />
In dieser Funktion war er nicht nur zuständig<br />
für sämtliche Restaurierungen an<br />
denkmalgeschützten Sakral- und Profanbauten<br />
im Bundesland Tirol und die fachliche<br />
Betreuung der Fassadenaktionen in<br />
Hall, Schwaz, Rattenberg, Pfunds und<br />
Grins. Er leistete auch wertvolle Grundlagenarbeit,<br />
auf die nachfolgende Generationen<br />
von Denkmalpfleger*innen in der<br />
täglichen Arbeit zurückgreifen konnten.<br />
So veranlasste er die Erfassung sämtlicher<br />
denkmalwürdiger Objekte im<br />
Rahmen der Erstellung der Flächenwidmungspläne<br />
aller 279 Tiroler Gemeinden,<br />
initiierte Aktionen zur Erhaltung<br />
alter Holzbrücken, zur Sicherung<br />
von Burgruinen und bäuerlicher Nebengebäude<br />
wie Kornkästen oder Mühlen<br />
und wirkte bei der Kapellenaktion des<br />
Landes mit.<br />
Ab 1963 engagierte sich Josef Menardi<br />
im Verein für Heimatschutz und Heimatpflege<br />
in Nord- und Osttirol, fast 30<br />
Jahre davon (1971–2000) als Obmannstellvertreter.<br />
Ein besonderes Anliegen<br />
war ihm hier die Zusammenarbeit mit<br />
Südtirol, so zum Beispiel als Mitbegründer<br />
des Dachverbandes mit den Nord-,<br />
Ost- und Süd- und Welschtiroler Heimatpflegern.<br />
Beim jährlichen gemeinsamen<br />
Gesamttiroler Heimatpflegetreffen<br />
war Josef Menardi bis ins hohe Alter<br />
stets dabei. Sein großes Fach- und Detailwissen<br />
brachte Josef Menardi auch<br />
bei vielen Gutachten und Themen der<br />
Südtiroler Heimatpfleger ein.<br />
Josef Menardis Bemühungen um die Kulturlandschaften<br />
Tirols und um das baukulturelle<br />
Erbe unseres Landes werden<br />
uns auch in Zukunft ein Vorbild bleiben.<br />
Josef Oberhofer<br />
5‰fürdieNatur-undKulturlandschaft<br />
5‰fürdenHeimatpflegeverband<br />
Seit 2020 ist der Heimatpflegeverband in die Liste der 5-Promille-Empfänger eingetragen. Damit hat man die Möglichkeit, die<br />
Heimatpflege auch über die Steuererklärung zu fördern.<br />
Der Heimatpflegeverband setzt sich für den Erhalt unserer Natur- und Kulturlandschaft und der historischen Baukultur, für eine<br />
offene und traditionsbewusste Gesellschaft, für die Förderung der Volkskultur, der Tracht und der Mundart, für die Heimat ein.<br />
Unterstützen auch Sie die Tätigkeit des Heimatpflegeverbandes, indem Sie bei der Steuererklärung (CU, Mod 730 oder Mod.<br />
UNICO) ganz einfach und unkompliziert im entsprechenden Feld die Steuernummer 80006000212 des Heimatpflegeverbandes<br />
Südtirol eintragen und Ihre Unterschrift daruntersetzen.<br />
Vielen Dank für die Unterstützung!<br />
KulturFenster<br />
23 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Wenn Musik so richtig in Bewegung<br />
kommt, wird aus Spaß Begeisterung.<br />
KulturFenster<br />
24 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
angekündigt<br />
Leidenschaft für Musik,<br />
Bewegung, Tanz, Schauspiel<br />
Ausblick und Vorfreude auf das Jugendfestival 2022<br />
Es ist nicht lange her, dass ich eines Abends<br />
vor meinem Computer saß und unvermittelt<br />
eine kleine Zeitreise unternahm, die mich<br />
wieder einmal an einen roten Faden meiner<br />
beruflichen Laufbahn erinnerte. Ich schaute<br />
mir ein altes Video einer Musicalaufführung<br />
mit Schülern an, die ich im Jahr 2004<br />
während meiner Ausbildungszeit als Musiklehrerin<br />
betreute. Und der rote Faden, von<br />
dem ich spreche, der sogar noch viel früher<br />
begann und sich bis heute durchzieht,<br />
ist meine Leidenschaft für Musik – Bewegung<br />
– Tanz – Schauspiel, am liebsten alles<br />
auf einmal, angetrieben von viel Kreativität<br />
und Fantasie.<br />
Gleich darauf führten mich die Gedanken<br />
noch auf eine zweite Zeitreise – diesmal<br />
aber in die Zukunft, zu einem mit Vorfreude<br />
und Spannung erwarteten Ereignis,<br />
das voraussichtlich im nächsten Jahr<br />
in dieser Form zum ersten Mal in Südtirol<br />
stattfinden kann: ein landesweites Jugendfestival<br />
unter dem Motto Musik und<br />
Bewegung.<br />
Doch zurück zum Ausgangspunkt. Schon<br />
als Kind war ich einerseits begeistert von<br />
allem, was Musik war, andererseits hatte<br />
ich eine Leidenschaft für Bewegung, vor<br />
allem für die ästhetischen Sportarten wie<br />
Turnen, Tanzen… und ebenso begeisterte<br />
mich das Theater, sodass ich bei jeder<br />
Schultheatergruppe dabei war und<br />
auch später viele Gelegenheiten nutzte,<br />
mich in diesem Bereich weiterzubilden.<br />
Genau diese Leidenschaften sollten sich<br />
als der besagte rote Faden durch mein<br />
Berufsleben ziehen.<br />
„<br />
Die Leidenschaft für Bewegung<br />
zieht sich ebenso wie die für Musik<br />
wie ein roter Faden durch mein<br />
„<br />
Berufsleben.<br />
Caroline Hempel<br />
Durch Musikprojekte werden Kinder und Jugendliche ermutigt, sich ihrer kreativen Fähigkeiten<br />
bewusst zu werden und sie auch zum Ausdruck zu bringen.<br />
Der Anfang des „Roten<br />
Fadens“ in Norddeutschland …<br />
Bereits während der Ausbildung fing ich<br />
an, mit Schülern Musicals und Tanzprojekte<br />
einzustudieren und aufzuführen – und dies<br />
begleitete mich durch all die Jahre meiner<br />
bisherigen Berufstätigkeit. Die Projekte waren<br />
vielseitig – kleine Klassenaufführungen,<br />
teilweise auch größere Produktionen, und<br />
darüber hinaus hatte ich Gelegenheit, in<br />
der norddeutschen Stadt Göttingen das<br />
Kindermusicalprojekt „Kids on Stage“ zu<br />
gründen und mit den Kindern und Jugendlichen<br />
zahlreiche Aufführungen zu gestalten.<br />
Ebenso begleitete ich über vier Jahre<br />
lang die Gruppe „Four plus One“ aus vier<br />
gesangs- und theaterbegeisterten Mädchen.<br />
In unserer gemeinsamen Arbeit stand neben<br />
dem Gesangsunterricht auch die Inszenierung<br />
selbst konzipierter Musicals<br />
im Mittelpunkt, kombiniert mit Tanz-Performance<br />
und Instrumenten.<br />
… und die Fortsetzung<br />
in Südtirol<br />
Im Jahre 2017 war schließlich ein Entschluss<br />
in mir gereift, der mein Leben in<br />
mancher Hinsicht sehr verändert hat – der<br />
Umzug nach Südtirol. Es waren das Interesse<br />
am Land und an den Menschen,<br />
die Faszination der Berge, ebenso wie die<br />
Neugier und der Wunsch, etwas Neues<br />
zu beginnen, meinen Horizont zu erweitern<br />
und neue Erfahrungen zu machen,<br />
die mich hierher zogen an diesen Ort, der<br />
sich heute schon nach einer „neuen Heimat“<br />
anfühlt.<br />
Es dauerte nicht lange, da tauchte wieder<br />
der rote Faden in meinem beruflichen Leben<br />
auf. Bereits mehrfach hatte ich Gelegenheit,<br />
ein Musicalprojekt im Rahmen<br />
eines Sommercamps zu begleiten, und<br />
im Rahmen meiner Tätigkeit als Lehrerin<br />
führten wir mit einer Schulklasse am<br />
Ende meines ersten Südtiroler Schuljahrs<br />
KulturFenster<br />
25 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
angekündigt<br />
Kapellmeisterin – eine neue<br />
Herausforderung<br />
Musik bewegt … die Ausführenden ebenso wie die, die zuhören und zuschauen.<br />
ebenfalls ein Musical auf. Und ich glaube,<br />
mit Gewissheit sagen zu können, dass es<br />
nicht das letzte Projekt dieser Art war, sobald<br />
die Bedingungen es erst einmal wieder<br />
zulassen. Einstweilen hat zumindest<br />
die Bewegung zur Musik in meinem Musikunterricht<br />
immer wieder ihren Raum<br />
und wichtigen Stellenwert.<br />
Was mich immer am meisten fasziniert<br />
hat, war, in der Arbeit mit den verschiedenen<br />
Gruppen zu erleben, wie tief sich<br />
die Erlebnisse den Kindern und Jugendlichen<br />
einprägten und wie sie Jahre später<br />
noch von Proben, Aufführungen und<br />
auch ihren persönlichen Erfahrungen erzählten.<br />
Wie sie strahlten und immer wieder<br />
über sich hinauswuchsen. Wie sie<br />
die Gelegenheit ergriffen, sich weiterzuentwickeln<br />
und persönlich zu wachsen.<br />
Dieses Erleben bedeutete für mich eine<br />
Kraft, die mich selbst immer wieder antrieb<br />
und mir einen Überfluss an Energie<br />
und Begeisterung für diese Projekte<br />
schenkte.<br />
Nun beschränkt sich mein musikalischer<br />
Horizont natürlich keineswegs auf den Bereich<br />
des Musiktheaters, vielmehr liebe<br />
ich gerade die Vielseitigkeit. Nach jahrelanger<br />
Tätigkeit als Chorleiterin bei verschiedenen<br />
Chören bin ich derzeit unter<br />
anderem als Workshopleiterin für den<br />
„Pop-up-Chor“ bei der MURX-Academy<br />
in Eppan tätig. Darüber hinaus traf ich<br />
gleich nach meiner Ankunft in Südtirol<br />
auf eine ganz neue musikalische Herausforderung:<br />
die Leitung einer Musikkapelle<br />
und die Tätigkeit als Kapellmeisterin. Es<br />
war erst zu diesem Zeitpunkt, dass ich<br />
intensiver mit der Blasmusik in Kontakt<br />
kam, da mich diese neue Herausforderung<br />
reizte und ich gerne ausprobieren<br />
wollte, ob ich dieser Aufgabe gewachsen<br />
war – und vor allem, was ich daran lernen<br />
und mir neu aneignen konnte.<br />
So übernahm ich im September 2017 die<br />
musikalische Leitung der Musikkapelle<br />
Pufels, was mir seither immer viel Freude<br />
bereitet und mir ebenso die große Chance<br />
gegeben hat, meine musikalische Tätigkeit,<br />
mein Repertoire und meinen Erfahrungshorizont<br />
zu erweitern. Die Gestaltung<br />
zahlreicher Konzerte und Umzüge<br />
ließ mich auch einen besonderen Einblick<br />
in die Kultur und Tradition des Landes gewinnen<br />
– ein Eindruck, den ich sonst sicherlich<br />
nicht so schnell und intensiv bekommen<br />
hätte.<br />
Beim traditionellen Cäcilienkonzert der<br />
Musikkapelle im Spätherbst 2019 – das<br />
erste Konzert im gerade fertig gestellten<br />
neuen Vereinslokal in Pufels – hatte ich<br />
schließlich die Gelegenheit, persönlich<br />
mit dem Verband Südtiroler Musikkapellen<br />
(VSM) in Kontakt zu kommen.<br />
Die neue Idee war geboren:<br />
Musical und Filmmusik<br />
Das Musical vereint Musik, Gesang, Bewegung, Theater.<br />
Klaus Fischnaller, der Verbandsstabführer,<br />
sprach mich mit großem Enthusiasmus<br />
an, um mich für eine Projektidee<br />
zu gewinnen – eine wunderbare Gelegenheit,<br />
meinen „Roten Faden“ noch etwas<br />
weiter zu spinnen und ihn durch einige<br />
neue „Verknüpfungen“ zu erweitern.<br />
Klaus hatte die Idee, ein großes Festival<br />
für Jugendkapellen aus ganz Südtirol zu<br />
veranstalten, das unter dem Motto „Musik<br />
in Bewegung“ stehen soll. Dabei sollen<br />
auch neue, kreative Wege erkundet<br />
KulturFenster<br />
26 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Blasmusik<br />
KF: Wieso genau Musik in Bewegung?<br />
Klaus Fischnaller: Beobachten wir doch<br />
mal Kinder und Jugendliche, wenn sie<br />
Musik hören. Sie tanzen und bewegen<br />
sich dazu, ohne dass wir sie dazu auffordern.<br />
Musik und Bewegung gehören einfach<br />
zusammen. Die Idee dazu ist gebowerden,<br />
Musik, Bewegung und Szene zu<br />
verbinden – weit über das hinaus, was das<br />
reine Spielen und Marschieren in Formationen<br />
bedeutet.<br />
Die neue Idee war geboren und entwickelte<br />
sich weiter. Bei einem ersten Planungstreffen<br />
des Organisationsteams einigten<br />
wir uns schnell auf ein Thema: Das Festival<br />
soll unter dem Motto „Musical und<br />
Filmmusik“ stehen und die Türen öffnen<br />
für verschiedene kreative Arten, Musik,<br />
Bewegung und Szene zu verbinden, immer<br />
in Verbindung zur Blasmusik und<br />
zum Spiel der Kapellen. Mit ein wenig<br />
Fantasie ist da so viel mehr möglich!<br />
Da stehen wir nun, mit der Idee, mit<br />
der Begeisterung und mit der Entschlossenheit,<br />
trotz aller Widrigkeiten<br />
am Ball zu bleiben und<br />
das Projekt in Zukunft Wirklichkeit<br />
werden zu lassen.<br />
Nachdem uns die Entwicklung<br />
der Dinge etwas „ausgebremst“<br />
hat und das Jugendfestival<br />
nicht wie geplant im April <strong>2021</strong> stattfinden<br />
konnte, sind wir indessen nun von<br />
der Möglichkeit einer Realisierung im Jahr<br />
2022 überzeugt und werden weiter mit<br />
Begeisterung darauf hinarbeiten.<br />
Und natürlich hoffen wir, möglichst viele<br />
Zur Person<br />
Die Musikerin, Musikpädagogin, Chorleiterin und Kapellmeisterin<br />
Caroline Hempel (Jahrgang 1974) lebt seit dem Sommer<br />
2017 in Südtirol. Sie absolvierte ihre Ausbildung an<br />
der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover<br />
und erwarb zusätzliche Qualifikationen in den Bereichen<br />
Darstellendes Spiel, Musical, Chorleitung und<br />
Populärmusik. Neben ihrer langjährigen Berufserfahrung<br />
in Deutschland lebte und arbeitete sie zeitweilig in England,<br />
Frankreich und Bosnien-Herzegowina. Sie initiierte<br />
zahlreiche Kinder- und Jugendmusicalprojekte<br />
sowie verschiedene Gesangsformationen und leitete<br />
mehrere Chöre. Ihre Schwerpunkte und Leidenschaften<br />
sind unter anderem Klavier, Gesang,<br />
Musical, Chorleitung und Theater. In<br />
ihrer beruflichen Tätigkeit ist sie bestrebt,<br />
diese Bereiche immer wieder zu kombinieren,<br />
sich selbst damit auszudrücken und<br />
andere auf diesem Weg voranzubringen.<br />
Jugendliche, Jugendleiter, Kapellmeister<br />
und andere Interessierte ebenso begeistern<br />
und motivieren zu können, etwas<br />
beizutragen und mitzumachen!<br />
Wir alle warten nun darauf, endlich wieder<br />
loslegen zu können mit der musikalischen<br />
Arbeit – und dann wird auch unsere<br />
Planung wieder Fahrt aufnehmen. Wir<br />
werden euch auf dem Laufenden halten!<br />
Caroline Hempel<br />
„Die Zukunft gehört der Jugend!“<br />
Einladung zum Jugendfestival 2022<br />
Verbandsstabführer Klaus Fischnaller<br />
und Verbandsjugendleiter-Stellvertreterin<br />
Uta Praxmarer planen für 2022<br />
ein Festival für alle Jugendkapellen.<br />
„Die Freude und der Spaß für die Musik<br />
sollen dabei ganz oben stehen“, unterstreichen<br />
der VSM-Verbandsstabführer<br />
Klaus Fischnaller und die VSM-Verbandsjugendleiter-Stellvertreterin<br />
Uta Praxmarer.<br />
Sie planen und arbeiten schon seit<br />
einiger Zeit an einem Festival mit Musik<br />
Tanz und Bewegung, für und mit unserer<br />
Jugend – ganz nach dem Motto: Die Zukunft<br />
gehört der Jugend!<br />
Es soll ein Festival sein, das es in dieser<br />
Form wahrscheinlich noch nie gegeben<br />
hat und wozu alle Jugendkapellen, egal<br />
ob groß oder klein, erst neu gegründet<br />
oder lange bestehend, eingeladen sind<br />
dabei zu sein.<br />
KulturFenster: Was war dein erster Gedanke,<br />
als du von der Idee des Jugendfestivals<br />
erfahren hast?<br />
Uta Praxmarer: Das hört sich total spannend<br />
an und muss umgesetzt werden.<br />
Musik in Bewegung mit allen Sinnen –<br />
das klingt vielversprechend. Ich würde<br />
meine Jugendkapelle sofort animieren<br />
mitzumachen.<br />
KulturFenster<br />
27 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
angekündigt<br />
Musik in Bewegung ist viel mehr als „nur<br />
marschieren“; sie bringt Körper, Geist<br />
und Sinne in Bewegung.<br />
ren, als ich anlässlich eines Maturaballs<br />
eine selbst gestaltete Mitternachtseinlage<br />
von Jugendlichen miterleben durfte. Es<br />
war einfach toll zu sehen, wie einfallsreich,<br />
kreativ und mit welcher Freude sie<br />
sich zur Musik bewegt haben.<br />
KF: Zur Musik tanzen ist eins, aber dazu<br />
zu spielen ist doch nochmal anders?<br />
Fischnaller: Ja das stimmt! Es soll auch<br />
kein klassisches Marschieren sein wie<br />
wir es alle kennen. Wir möchten vielmehr<br />
dazu einladen, sich passend zur Musik<br />
zu bewegen. Wo beispielsweise die Musik<br />
im Stand, unterstützend im Hintergrund<br />
oder auch solistisch gespielt wird<br />
und diese mit einfachen Figuren, kreativen<br />
Bewegungsformen, Bühnenbild und<br />
Kostümen unterstützt werden.<br />
Praxmarer: Es gibt ein gutes Konzept,<br />
der Rest ist Raum lassen für Kreativität,<br />
Ideen, Austausch, Begegnungen. Kinder<br />
sind wahre Meister in Sachen Spontanität,<br />
Ausprobieren und Spaß haben.<br />
KF: Welche Hilfestellungen sind geplant?<br />
Fischnaller: Wir werden eigens einen<br />
Workshop anbieten, wo das Projekt an alle<br />
Jugendleiter*innen und Stabführer*innen<br />
im Detail vorgestellt wird. In verschiedenen<br />
Gruppen sollen praktische Beispiele und<br />
Ideen erarbeiten werden, welche als Hilfestellung<br />
und Ideenanstoß dienen sollen.<br />
Weiteres werden wir ständig in Kontakt<br />
mit den Teilnehmenden sein, und wenn<br />
gewünscht, sie auch bei der Vorbereitung<br />
unterstützen.<br />
Blasmusik ist „cool“ und eröffnet zudem eine Menge kreativer Gestaltungsräume.<br />
KF: Was erwartet ihr euch von den<br />
Jugendleiter*innen?<br />
Praxmarer: Neugier, Interesse und Freude,<br />
bei diesem Jugendfestival dabei zu sein.<br />
Dass alle diese tolle Idee mittragen, damit<br />
dieser Tag ein unvergessliches Erlebnis<br />
wird, das noch lange nachwirkt und<br />
Lust auf mehr macht.<br />
Fischnaller: Dass wir gemeinsam an diesem<br />
tollen Projekt arbeiten und es so zu<br />
einem besonderen Erlebnis werden lassen,<br />
das lange in Erinnerung bleiben wird.<br />
Gespräch:<br />
Stephan Niederegger<br />
KulturFenster<br />
28 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
VSM intern<br />
„Blasmusik bewegt – wieder!“<br />
73. VSM-Mitgliedervollversammlung<br />
Mit der „Intrada“<br />
von Johann Pezel<br />
eröffnete die MK<br />
Naturns die diesjährige<br />
Online-<br />
Mitgliedervollversammlung<br />
des VSM.<br />
Am 24. April hielt der Verband Südtiroler<br />
Musikkapellen seine traditionelle Jahresversammlung<br />
ab. Traditionell waren aber nur<br />
die Inhalte, denn – wie schon im Vorjahr –<br />
wurde die Versammlung coronabedingt per<br />
Videokonferenz organisiert.<br />
Beim letzten Mal saß das Verbandspräsidium<br />
im Raiffeisensaal in Bozen und<br />
die Versammlung wurde übers Internet<br />
ausgestrahlt. Diesmal war es eine reine<br />
Videokonferenz, bei der sowohl die Mitglieder<br />
des Verbandsvorstandes als auch<br />
die Vertreter der Musikkapellen einzeln<br />
über ihren PC zugeschaltet waren. Tonund<br />
Videoeinspielungen der Musikkapellen<br />
Naturns, Vahrn, Mals und Toblach<br />
sowie der Bürgerkapelle Gries und eines<br />
Blechbläserquintetts sorgten für die musikalische<br />
Note.<br />
Wie schon im Vorjahr wurde die heurige VSM Mitgliedervollversammlung coronabedingt<br />
wiederum online abgehalten.<br />
Optimismus nach einem<br />
schwierigen Jahr<br />
Nach mehr als einem Jahr Corona war die<br />
Pandemie auch das alles überragende<br />
Thema. Verbandsobmann Pepi Fauster und<br />
Verbandsgeschäftsführer Andreas Bonell<br />
blickten gemeinsam mit Verbandskapellmeister<br />
Meinhard Windisch, Verbandsjugendleiter<br />
Hans Finatzer und Verbandsstabführer<br />
Klaus Fischnaller auf das vergangene Tätigkeitsjahr<br />
zurück: vom Virus überrumpelt<br />
und gestoppt, Absagen, neue Hoffnung, Öffnungen<br />
und Schließungen, rechtliche Unsicherheit,<br />
fehlende Perspektiven – das waren<br />
die alles bestimmenden Schlagworte.<br />
Man habe versucht, die Gremien auf Verbands-<br />
und Bezirksebene, aber auch die<br />
breite Basis in den Musikkapellen in die<br />
jeweiligen Entscheidungen einzubinden,<br />
damit diese von allen mitgetragen werden<br />
konnten. Dadurch sei es gelungen, „diese<br />
schwere Zeit gemeinsam zu überbrücken“<br />
und dem Dreijahresmotto des Verbandes<br />
„Blasmusik bewegt“ einmal mehr gerecht<br />
zu werden: „Auch wenn wir nicht aktiv musizieren<br />
können, so hat sich gezeigt, dass<br />
die Blasmusik die Menschen gerade auch<br />
in dieser Zeit bewegt.“ Daher blicke man optimistisch<br />
auf die bevorstehenden Monate.<br />
KulturFenster<br />
29 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
VSM intern<br />
Rund 280 Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
wurden bei der Versammlung gezählt, freute<br />
sich VSM-Obmann Pepi Fauster.<br />
Werner Mair, der Jugendleiter und EDV-Referent<br />
des VSM-Bezirks Bozen sorgte im Hintergrund<br />
für den reibungslosen technischen<br />
Ablauf der Versammlung.<br />
(Präsident des Tiroler Blasmusikverbandes),<br />
Rudi Pascher (Tiroler Landeskapellmeister,<br />
Renzo Braus (Präsidenten des Trentiner<br />
Blasmusikverbandes), Erich Deltedesco<br />
(Obmann des Südtiroler Chorverbandes),<br />
Claudia Plaikner (Obfrau des Südtiroler Heimatpflegeverbandes),<br />
Hans Christoph von<br />
Hohenbühel (Vorsitzender des Südtiroler<br />
Kulturinstitutes), Monika Rottensteiner (Vorsitzende<br />
der ArGe Volkstanz), Gernot Niederfriniger<br />
(Obmann des Südtiroler Volksmusikkreises),<br />
Klaus Runer (Obmann des<br />
Südtiroler Theaterverbandes) sowie Paul<br />
Peter Niederwolfsgruber (Redaktion KulturFenster)<br />
und Alfons Gruber (ehemaliger<br />
Schriftleiter des KulturFensters).<br />
Man wolle das heurige Jahresprogramm<br />
ständig an die Situation anpassen und möglichst<br />
kreativ die vorgesehenen Projekte umsetzen,<br />
hoben die Verantwortlichen hervor.<br />
Grußworte<br />
Landeshauptmann Arno Kompatscher und<br />
Landesrat Philipp Achammer bedankten<br />
sich in ihren Grußworten beim Verband und<br />
allen Musikkapellen, für „die Geduld, die<br />
Disziplin, den Verzicht und die Kreativität,<br />
mit der dieses enorm schwierige Jahr gemeistert<br />
wurde.“ Sie sicherten weitere Lockerungen<br />
zu und versprachen, dass die<br />
bereits zugesicherten Unterstützungen aus<br />
dem Kulturfonds so schnell wie möglich und<br />
unbürokratisch ausbezahlt werden. Zudem<br />
werden sie weitere Anläufe machen, damit<br />
die neuen „Regeln des römischen Zentralismus“<br />
zum Ehrenamt abgeändert und die<br />
Eigenheit des Vereinswesens in Südtirol berücksichtigt<br />
werden.<br />
Erich Riegler, der Präsident des Österreichischen<br />
Blasmusikverbandes, bedankte<br />
sich einmal mehr für die hervorragende<br />
Zusammenarbeit. Auch wenn die gesetzlichen<br />
Rahmenbedingungen unterschiedlich<br />
sind, so seien die Bedürfnisse der Blasmusik<br />
diesseits und jenseits des Brenners<br />
die gleichen, hob er hervor: „Die Blasmusik<br />
darf nicht hinten bleiben und unverhältnismäßig<br />
behandelt werden.“<br />
Die Ehrengäste<br />
Vertreter von 179 Musikkapellen nahmen<br />
an der Online-Versammlung teil. Weiters<br />
konnte VSM-Obmann Pepi Fauster zahlreiche<br />
Ehrengäste begrüßen, die ebenfalls<br />
virtuell der Versammlung beiwohnten und<br />
damit ihre Wertschätzung dem Verband gegenüber<br />
zum Ausdruck brachten: Gottfried<br />
Furgler (VSM-Ehrenobmann), Gottfried Veit<br />
(VSM-Ehrenkapellmeister, die VSM-Ehrenmitglieder<br />
Klaus Bragagna, Toni Profanter<br />
und Bruno Hosp, Landeshauptmann Arno<br />
Kompatscher, Bildungslandesrat Philipp Achammer,<br />
Landesmusikschuldirektor Felix<br />
Resch, Giacomo Fornari (Direktor des Bozner<br />
Musikkonservatoriums), Erich Riegler<br />
(ÖBV-Präsident), Friedrich Weyermüller<br />
(ÖBV-Ehrenpräsident), Helmut Schmid<br />
(ÖBV-Bundesjugendreferent), Elmar Juen<br />
Landeshauptmann Arno Kompatscher, Bildungslandesrat Philipp Achammer und ÖBV-Präsident<br />
Erich Riegler bedankten sich in ihren Grußworten für die hervorragende Zusammenarbeit<br />
„in diesem äußerst schwierigen Jahr“.<br />
„Fesch in Tracht“: Die neue Informationsbroschüre<br />
gibt im Detail Tipps zum Tragen<br />
und Pflegen der Frauen- und Männertracht.<br />
„Fesch in Tracht“<br />
Unter der Leitung von Stefan Sinn, seines<br />
Zeichens Obmann des VSM-Bezirks Bozen,<br />
wurde in Zusammenarbeit mit der<br />
ArGe „Lebendige Tracht“ und der ArGe<br />
„Volkstanz“ eine handliche Broschüre mit<br />
Tipps zum Tragen und Pflegen der Tracht<br />
erstellt. „Eine Tracht anzuziehen sollte niemals<br />
eine Last sein, vielmehr eine Ehre“,<br />
hob Agnes Andergassen hervor. Sie ist die<br />
Vorsitzende der ArGe „Lebendige Tracht“,<br />
hat maßgeblich an der Broschüre mitgearbeitet<br />
und diese bei der VSM-Mitgliedervollversammlung<br />
vorgestellt. Das Informationsbüchlein<br />
wurde in einer Auflage von 10.000<br />
Stück gedruckt und wird an alle Mitgliedsvereine<br />
verteilt.<br />
Stephan Niederegger<br />
VSM-Medienreferent<br />
KulturFenster<br />
30 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Blasmusik<br />
Es war einmal …<br />
eine Musikkapelle<br />
Bitte um Mitarbeit bei der Suche nach verschollenen Musikkapellen<br />
Es hat in der Vergangenheit in unserm Land gar einige<br />
Musikkapellen gegeben, die im Laufe der Zeit<br />
von der Bildfläche verschwunden sind und vielfach<br />
erinnern nur mehr lückenhafte Notizen von deren<br />
vormaliger Existenz.<br />
GESUCHT!<br />
Erinnerungen, Dokumente,<br />
Fotos, Zeitungsmeldungen etc.<br />
Nun soll der Versuch gemacht werden, ein vom Vergessen<br />
bedrohtes Kapitel Südtiroler Blasmusikgeschichte<br />
zu dokumentieren und für die Zukunft zu sichern.<br />
Deshalb ersuchen wir alle, die vom Bestand ehemals<br />
existierender und heute verschwundener Musikkapellen<br />
oder selbstständiger Bläserformationen Kenntnis<br />
haben, dies mitzuteilen. Vor allem bitten wir, auch ältere<br />
Musikanten oder ältere Menschen aus der Dorfgemeinschaft<br />
anzusprechen und sie nach ihren diesbezüglichen<br />
Erinnerungen zu befragen.<br />
Wenn es neben den bloßen Erinnerungen auch noch<br />
konkrete Unterlagen (Dokumente, Fotos, Zeitungsmeldungen<br />
etc.) zu den verschwundenen Musikkapellen<br />
geben sollte, so wären wir für deren leihweise Überlassung<br />
natürlich sehr dankbar. Jeder noch so kleine<br />
Hinweis ist bei der Recherche hilfreich!<br />
Hinweise und Infos bitte direkt an den Verband Südtiroler<br />
Musikkapellen, Schlernstraße 1, 39100 Bozen<br />
oder info@vsm.bz.it<br />
Stephan Niederegger<br />
Aus der Redaktion<br />
Ihre Beiträge (Texte und Bilder) für die Blasmusikseiten<br />
senden Sie bitte an: kulturfenster@vsm.bz.it<br />
Redaktionsschluss für<br />
die nächste Ausgabe des<br />
KulturFensters ist<br />
Donnerstag, 15. Juli <strong>2021</strong><br />
KulturFenster<br />
31 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
VSM intern<br />
50 Jahre Leistungsabzeichen<br />
im VSM<br />
Eine Erfolgsgeschichte mit Fortsetzung<br />
Die „alten“ Jungmusikerleistungsabzeichen<br />
(im Bild das Abzeichen in Bronze).<br />
So sahen die Jungmusikerleistungsabzeichen<br />
ab dem Jahr 2006 aus (im Bild das<br />
Abzeichen in Silber).<br />
2018 erhielten die Leistungsabzeichen ein<br />
völlig neues Design.<br />
Mit den Prüfungen am vergangenen 2. und<br />
5. <strong>Juni</strong> endete eine Ära: Nach 50 Jahren<br />
wechselvoller und spannender Geschichte<br />
wurden die Prüfungen zum Leistungsabzeichen<br />
zum letzten Mal vom Verband Südtiroler<br />
Musikkapellen (VSM) ausgetragen.<br />
Ein historisches Datum, das an die vielen<br />
Musikant*innen erinnert, welche sich im<br />
Laufe der Jahre für diesen besonderen Moment<br />
angestrengt hatten. Viele von ihnen<br />
sind die heutigen Eckpfeiler der Musikkapellen,<br />
Leistungsträger, Funktionäre oder<br />
Berufsmusiker.<br />
Vor 50 Jahren auch in<br />
Südtirol eingeführt<br />
Bereits 1969 führte der Österreichische<br />
Blasmusikverband (ÖBV) die Jungmusikerleistungsabzeichen<br />
„zur Hebung des<br />
musikalischen Niveaus“ ein. Die Ausbildung<br />
der Jungmusiker fand damals hauptsächlich<br />
in den Kapellen und kaum in den<br />
(teilweise noch zu gründenden) Musikschulen<br />
statt. Die Leistungsabzeichen waren<br />
also ein kluger Schachzug und gleichzeitig<br />
bahnbrechend. Somit gab es jetzt drei<br />
Leistungsstufen in Bronze, Silber und Gold<br />
– ähnlich den olympischen Disziplinen –<br />
als Motivation für die Jugend. Schon zwei<br />
Jahre später, 1971, wurde diese Idee vom<br />
Verband Südtiroler Musikkapellen (VSM)<br />
übernommen und über die Bezirke landesweit<br />
organisiert.<br />
Diese Kurse mit integriertem Theorie- und<br />
Praxisunterricht erstreckten sich in der Regel<br />
über mehrere Sonntagvormittage, wobei<br />
die eigentliche Prüfung von externen Juroren<br />
abgenommen wurde. Vielfach lernten<br />
die allermeisten Musikanten aufgrund der<br />
damals mangelnden Ausbildung bei diesen<br />
Kursen grundlegende Spieltechniken<br />
und wurden zum ersten Mal von geschulten<br />
Fachleuten unterrichtet.<br />
Steigende Ansprüche<br />
Mit steigenden Ansprüchen an Literatur und<br />
Ausbildung wurden die Theorieprüfungen<br />
Anfang der 2000-er Jahre Musikschulen<br />
ausgelagert. Die bisherige einheitliche Prüfungsliteratur<br />
wurde durch individuelle, moderne<br />
Literaturlisten abgelöst.<br />
Die Leistungsabzeichen erfreuen sich nach<br />
wie vor großer Beliebtheit: in den vergangenen<br />
fünf Jahrzehnten haben ca. 15.000<br />
Musikant*innen eines der Leistungsabzeichen<br />
erlangt. Jährlich stellen sich an die<br />
750 Musikant*innen der Herausforderung,<br />
dabei entfallen etwa 70% auf Bronze, 25%<br />
aus Silber und 5% auf Gold.<br />
Musikschulen übernehmen<br />
die Prüfungen<br />
Seit Herbst 2020 verfügt der VSM über<br />
eine von Verbandsjugendleiter Johann Finatzer<br />
konzipierte Anmeldeseite, über die<br />
die Lehrpersonen ihre Schüler bequem<br />
und unbürokratisch zu den Prüfungen anmelden<br />
können.<br />
Der nächste und letzte Baustein dieser<br />
50-jährigen Geschichte ist der Übergang<br />
der Prüfungen zum Leistungsabzeichen ab<br />
dem Schuljahr <strong>2021</strong>/22 an die Musikschulen,<br />
wobei gewährleistet bleibt, dass weiterhin<br />
die Richtlinien des österreichischen<br />
Blasmusikverbandes eingehalten werden.<br />
Wir blicken nun nach vorne und wünschen<br />
den Leistungsabzeichen eine gute<br />
Reise. Mögen sie für weitere 50 Jahre ein<br />
begehrtes Ziel und zudem ein Garant bleiben<br />
für das musikalische Niveau unserer<br />
Kapellen und weit darüber hinaus.<br />
Johann Finatzer<br />
VSM-Verbandsjugendleiter<br />
KulturFenster<br />
32 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
hinausgeblickt<br />
70 Jahre Österreichischer<br />
Blasmusikverband<br />
Eine umfassende Chronik zum Geburtstag<br />
Friedrich Anzenberger (v.l.) mit seiner Frau<br />
Elisabeth und VSM-Obmann Pepi Fauster auf<br />
Recherche im VSM-Archiv in Bozen<br />
Am 4. März hat Friedrich Anzenberger die<br />
Chronikkurzfassung im Online-Blasmusikstudio<br />
des ÖBV vorgestellt.<br />
Friedrich Anzenberger mit der Kurzfassung<br />
als Vorgeschmack zur Jubiläums-Chronik<br />
des ÖBV<br />
In der Aprilausgabe haben wir bereits auf<br />
den runden Geburtstag des Österreichischen<br />
Blasmusikverbandes „hinausgeblickt“<br />
(siehe S.63). Im Oktober wird die<br />
Jubiläums-Chronik erscheinen. Der ÖBV-<br />
Bundesschriftführer Friedrich Anzenberger<br />
hat zum „Geburtstag“ am 4. März dazu<br />
vorab eine Kurzfassung des historischen<br />
Teils vorgestellt.<br />
KulturFenster: Warum ist es von Bedeutung,<br />
dass eine Chronik über die letzten sieben<br />
Jahrzehnte des ÖBV veröffentlicht wird?<br />
Friedrich Anzenberger: Bis jetzt gab es leider<br />
noch nie eine umfassende Darstellung<br />
der Verbandsgeschichte. Daher glaube ich,<br />
dass es wichtig ist, dass heuer im Oktober<br />
eine Chronik zum 70-Jahr-Jubiläum erscheint,<br />
die auch die Biografien der mehr<br />
als 100 bisher im Präsidium tätigen Funktionäre<br />
einschließt. Zum „Geburtstag“ am<br />
4. März gab es eine Kurzfassung des historischen<br />
Teils als erste Information.<br />
KF: Welchen Aufwand hattest du beim Verfassen<br />
der Chronik?<br />
Anzenberger: Ich durfte bereits Anfang der<br />
1990-er Jahre die erste Festschrift für den<br />
Niederösterreichischen Blasmusikverband<br />
(NÖBV) schreiben und beschäftige mich<br />
seither mit der Blasmusikgeschichte, besonders<br />
intensiv seit der Schaffung des ÖBV-<br />
Dokumentationszentrums in Oberwölz im<br />
Jahr 2008. Die Vorbereitungsarbeiten gingen<br />
also über mehrere Jahre. Neben tausenden<br />
Protokollseiten waren auch mehr als<br />
30.000 Seiten der Österreichischen Blasmusikzeitung<br />
(seit 1953) zu lesen. Aus der<br />
letzten Zeit gab es rund 100 Foto-CDs bzw.<br />
DVDs durchzusehen, auf manchen befinden<br />
sich mehr als 1.000 Bilder.<br />
KF: Was gab es, das dich beim Recherchieren<br />
und beim Verfassen überrascht hat?<br />
Anzenberger: Besonders aufschlussreich<br />
war, dass es immer wieder Funktionäre<br />
gegeben hat, die weit in die Zukunft gedacht<br />
haben, auch wenn diese Vorschläge<br />
nicht immer gleich in die Praxis umgesetzt<br />
werden konnten. Dazu ein Beispiel: Schon<br />
1963 schlug der spätere steirische Landesobmann<br />
und ÖBV-Bundesschriftführer<br />
Willi Konrad ein Abzeichen „Für Leistung“<br />
mit theoretischer und praktischer<br />
Prüfung vor. Beschlossen wurde das damalige<br />
Jungmusiker-Leistungsabzeichen<br />
nach längerer Diskussion erst 1969.<br />
KF: Was wünscht du dir für das Jubiläumsjahr<br />
<strong>2021</strong>?<br />
Anzenberger: Es sind großartige Veranstaltungen<br />
zum 70-Jahr-Jubiläum geplant,<br />
auf die ich mich – so wie viele<br />
andere – sehr freue. Es bleibt zu hoffen,<br />
dass sie trotz Pandemie auch alle<br />
durchgeführt werden können. Die Chronik<br />
soll dazu beitragen, dass Musiker<br />
und Funktionäre – und ganz besonders<br />
die Jugend – besser über die Leistungen<br />
des Verbandes in der Vergangenheit<br />
informiert sind.<br />
KF: Warum sollen wir die Chronik unbedingt<br />
lesen?<br />
Anzenberger:Wenn man mit Zeitzeugen<br />
der vierziger und fünfziger Jahre<br />
spricht, wird immer wieder betont, aus<br />
welch bescheidenen Anfängen sich alles<br />
entwickelt hat. Die Chronik zeigt uns<br />
– in aller Kürze – die bemerkenswerte<br />
Aufwärtsentwicklung unserer Blasmusik<br />
durch die sieben Jahrzehnte, das beeindruckende<br />
Engagement von Musikern<br />
und Funktionären, ohne die es<br />
unser heutiges Qualitätsniveau nicht<br />
geben würde.<br />
Stephan Niederegger<br />
KulturFenster<br />
33 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
jung musiziert<br />
jung musiziert<br />
Jung, rhythmisch, “GiGantisch”<br />
Das „GiGa Percussion Duo“ wurde ihm Jahr<br />
2019 von den beiden Schlagzeugern Loris<br />
Gitterle (20) und Mathias Gamper (19)<br />
gegründet. Auf Initiative ihrer beiden Instrumentallehrer<br />
Martin Knoll und Hannes<br />
Reiterer nahmen sie damals am VSM-Wettbewerb<br />
„Musik in kleinen Gruppen“ teil und<br />
holten sich mit 97/100 Punkten den Tagessieg.<br />
Da sich die beiden Jungmusiker in der<br />
Vorbereitungsphase von Anfang an gut miteinander<br />
verstanden hatten, wollten sie dieses<br />
Projekt weiterführen und somit war das<br />
Duo gegründet.<br />
Ihr Ziel: Anspruchsvolle, perkussive Livemusik,<br />
gespielt auf den verschiedensten<br />
Klangkörpern. Zu ihrem Hauptinventar<br />
gehören Marimbaphon, Vibraphon, Pauken,<br />
Bongos, Drum-Set und die klassische<br />
kleine Trommel. Zum weiteren Set-Up gehören<br />
aber auch andere Instrumente wie<br />
Pipedrums, Töpfe, Woodblocks und mehr.<br />
In den letzten Monaten gestaltete es sich<br />
natürlich als sehr schwierig, zusammen zu<br />
üben. Deshalb konzentrieren sich beide<br />
Schlagzeuger momentan auf ihre jeweilige<br />
Ausbildung. Loris studiert Schlagwerk<br />
im Konzertfach am Tiroler Landeskonservatorium<br />
in Innsbruck. Mathias bereitet<br />
sich auf die Matura vor und möchte Loris<br />
im nächsten Jahr nach Innsbruck folgen.<br />
In der Zwischenzeit wird aber fleißig arrangiert<br />
und Neues ausprobiert: YouTube<br />
dient dabei als wichtige Inspirationsquelle<br />
für neue Literatur und Showelemente, die<br />
später in ihre Auftritte eingebaut werden<br />
können. Dabei fixieren sie sich nicht auf<br />
ein bestimmtes Genre, sondern versuchen<br />
alle Stilrichtungen bestmöglich abzudecken.<br />
Bei ihren Konzerten wollen sie<br />
ihre Zuhörer nicht nur musikalisch begeistern,<br />
sondern auch die Vielseitigkeit der<br />
Perkussionsinstrumente aufzeigen.<br />
<strong>Kulturfenster</strong>: Mathias, warum hast du dich<br />
entschieden, das Schlagzeug zu erlernen?<br />
Mathias Gamper: Mein Vater spielt Horn im<br />
Musikverein. Als ich ein kleines Kind war,<br />
hat er mich immer wieder zu den örtlichen<br />
Konzerten der Musikkapelle mitgenommen,<br />
somit hatte ich bereits einen starken Bezug<br />
zur Musik. Besonders das Schlagzeug hat<br />
mir aber immer schon imponiert – sei es<br />
beim Marschieren als auch bei den Konzerten.<br />
Es klingt vielleicht ein bisschen kitschig,<br />
aber man kann von „Liebe auf den<br />
ersten Blick“ sprechen!<br />
KF: Loris, du studierst ja schon Schlagwerk<br />
in Innsbruck. Ab welchem Zeitpunkt wolltest<br />
du die Musik zu deinem Beruf machen?<br />
Loris Gitterle: Meine Leidenschaft zum<br />
Schlagzeug kam erst später, denn in meinen<br />
jungen Jahren habe ich mir ehrlich<br />
gesagt nicht viel dabei gedacht. Ich hatte<br />
zwischenzeitlich sogar die Musikschule<br />
abgebrochen und bin damals dann eher<br />
dem Sport verfallen. Als ich dann der Musikkapelle<br />
beigetreten bin, kehrte die Motivation<br />
zurück und ich besuchte fortan wieder<br />
die Musikschule. Durch die Teilnahme<br />
an landesweiten Jungmusikerwettbewerben<br />
wie zum Beispiel „Prima la Musica“<br />
erkannte ich wie reizvoll es ist, anspruchsvolle<br />
Musikstücke zu üben, den Fortschritt<br />
mitzuerleben und später dann mit einem<br />
Erfolgserlebnis zu krönen.<br />
KF: Mathias, welche Eigenschaft schätzt<br />
du an deinem Ensemble-Partner Loris<br />
besonders?<br />
KulturFenster<br />
34 03 <strong>Juni</strong><strong>2021</strong>
Gamper: (lacht) Einmal abgesehen von seiner<br />
Musikalität wäre es dann<br />
wohl sein Durchhaltevermögen.<br />
Ich erinnere mich an<br />
unsere erste gemeinsame<br />
Probe als Duo. Nach eineinhalb<br />
Stunden des Übens<br />
dachte ich, wir hätten uns<br />
eine Pause mehr als verdient,<br />
doch Loris wollte noch unbedingt<br />
eine Passage im Musikstück<br />
genauer ausarbeiten. In<br />
diesem Moment motivierte er<br />
mich dann umso mehr!<br />
KF: Loris, was zeichnet euch als<br />
Percussion-Duo aus?<br />
Gitterle: Wir beide lieben es einfach,<br />
gern aufzuspielen und die<br />
Zuschauer mit unserer Show zu<br />
fesseln. ... (lacht) „Wenn die<br />
Stimmung passt, donn lossmer<br />
so richtig die Goas gean!“<br />
Bericht: Alexander Mayr<br />
LorisGitterle<br />
Alter: 20 Jahre<br />
Wohnort: Naturns<br />
Beruf: Student am Tiroler<br />
Landeskonservatorium<br />
Hobbies: Laufen, Grafik-Design<br />
Lieblingsinstrument: Kleine Trommel<br />
MathiasGamper<br />
Alter: 19 Jahre<br />
Wohnort: Marling<br />
Beruf: Schüler an der OFL-Auer<br />
Hobbies: Fotografie, Film, Freunde<br />
Lieblingsinstrument: Marimba<br />
Instagram – Profil:<br />
https://www.instagram.com/giga.percussion/?hl=de<br />
..<br />
Literaturtipp fur Jugendkapellen<br />
von MagdalenaKeim,Jugendkapelle Brennerwind<br />
Counting Stars ein Hit von One Republic aus der Feder von Ryan Tedder –<br />
Arrangement von Robert Longfield<br />
Dieser von One Republic aufgenommene Hit ist für Spieler ab dem zweiten Lernjahr arrangiert.<br />
Das Stück beginnt mit einer kurzen, langsamen Einführung und enthält ein optionales<br />
Solo für Altsaxophon oder Trompete.<br />
Es folgt ein moderates Tanztempo mit einem treibenden Puls und interessante Teile für<br />
alle Register. Unseren JungmusikantInnen hat es großen Spaß gemacht dieses Stück zu<br />
spielen, weshalb wir es gerne weiterempfehlen.<br />
Hier der Link zum Orginalvideo von<br />
One Republic zum Probehören:<br />
https://www.youtube.com/watch?v=hT_nvWreIhg<br />
Und der Link direkt zum Arrangement<br />
von R. Longfield<br />
https://www.youtube.com/watch?v=GSox18xt6Aw<br />
KulturFenster<br />
35 03 <strong>Juni</strong><strong>2021</strong>
DerBrennerwind<br />
dieJugendkapelle von<br />
Pflersch undGossensass<br />
„Ausgefratschelt“ bei Jugendleiterin Magdalena Keim<br />
Mit viel Begeisterung unterwegs – die Jugendkapelle Brennerwind<br />
Steckbrief<br />
Name: Brennerwind<br />
Musikkapelle: Pflersch und Gossensaß<br />
Jugendleiterteam: Magdalena Keim, Verena<br />
Röck, Viktoria Obkircher (Pflersch), Christian<br />
Festini (Gossensaß)<br />
Jungmusikanten: ca. 20 Mitglieder<br />
KulturFenster: Sag mal Magdalena, du bist<br />
Bezirksjugendleiterin von Sterzing, im Jugendteam<br />
der MK Pflersch und Mitverantwortliche<br />
der Jugendkapelle Brennerwind.<br />
Wer sind Brennerwind eigentlich und woher<br />
habt ihr diesen genialen Namen?<br />
Magdalena Keim: Die Jugendkapelle Brennerwind<br />
vereinigt Jungmusikant*innen<br />
aus der Gemeinde Brenner (Musikkapelle<br />
Pflersch und Vereinskapelle Gossensaß).<br />
Unter der Leitung der damaligen Jugendleiterin<br />
von Pflersch, Marianne Mair Leitner,<br />
hatte Brennerwind beim Cäcilienkonzert<br />
in Pflersch im Jahre 2012 seinen ersten<br />
Auftritt. Durch den unermüdlichen Einsatz<br />
der engagierten Jugendleiterin konnten<br />
die jungen Musikant*innen viele Konzerte<br />
diesseits und jenseits des Brenners<br />
abliefern. Auch für den treffenden Namen<br />
ist Marianne verantwortlich. Wie genau es<br />
dazu gekommen ist, kann ich nur mutmaßen.<br />
Wahrscheinlich, weil auf dem Brenner<br />
tatsächlich hie und da der Wind bläst<br />
und Gossensaß und Pflersch die größten<br />
Ortschaften der Gemeinde Brenner sind.<br />
Leider hat im Herbst 2019 unsere liebe<br />
Marianne durch ein tragisches Ereignis ihr<br />
Leben verloren und somit stand Brennerwind<br />
plötzlich ohne Leitung da. Mit vereinten<br />
Kräften konnten wir ein Jahr bis zu den<br />
Neuwahlen überbrücken und versuchten<br />
für Marianne, ihre Familie und für den<br />
Verein die Musik weiterleben zu lassen.<br />
Ihr Verlust ist immer und überall spürbar,<br />
doch im Herzen und in Gedanken wird sie<br />
immer bei uns bleiben.<br />
<strong>Kulturfenster</strong>: Und wie sieht die Leitung<br />
von Brennerwind heute aus?<br />
Keim: Ende des Jahres 2020 wurde in<br />
der Musikkapelle Pflersch ein neuer Ausschuss<br />
gewählt und dabei wurde auch ein<br />
Jugendleiterteam zusammengestellt, das<br />
aus Verena Röck, Viktoria Obkircher und<br />
mir besteht. Zusammen mit unserem Kollegen<br />
aus Gossensaß, Christian Festini, leiten<br />
wir nun den Brennerwind.<br />
KF: Im letzten Jahr ist es sicherlich auch<br />
ruhiger um euren Brennerwind geworden,<br />
aber erzähl uns doch ein bisschen von euren<br />
regelmäßigen musikalischen Tätigkeiten<br />
in einem Nicht-Pandemie-Jahr!<br />
Keim: Neben musikalischen Gestaltungen<br />
von hl. Messen in der Kirche<br />
nimmt der Brennerwind auch an Landesjugendkapellentreffen,<br />
Faschingsumzügen<br />
und verschiedenen Projekten<br />
im Bezirk Wipptal (z.B. Bezirksjugendkapelltreffen,<br />
Adventskonzert) teil. Der<br />
Brennerwind leitet jährlich das Cäcilienkonzert<br />
der Musikkapelle Pflersch und<br />
das Pfingskonzert der Vereinskapelle Gossensaß<br />
mit mehreren Stücken ein, welche<br />
von den Jungmusikant*innen selbst<br />
anmoderiert werden. Stolz werden die<br />
Jungmusikant*innen und deren Familien,<br />
wenn sie auf der Bühne vor Freunden,<br />
Nachbarn und Musikkolleg*innen für<br />
das erfolgreich bestandene Leistungsabzeichen<br />
geehrt werden. Außerdem nehmen<br />
viele unserer Jungmusikant*innen<br />
mit Begeisterung bei den alljährlichen Bezirksbläsertagen<br />
teil, bei denen es möglich<br />
ist, sich untereinander auszutauschen<br />
und in Praxis und Musiktheorie<br />
weiterzubilden.<br />
KF: Und eure außermusikalischen Tätigkeiten?<br />
Keim: Um den Zusammenhalt der Jugendlichen<br />
zu stärken, werden hin und wieder<br />
verschiedene Ausflüge organisiert. Es<br />
wurde bereits geklettert, gerodelt oder gemeinsam<br />
eine Pizza oder ein Eis genossen.<br />
KF: Was ist so das Highlight eures Brennerwind-Jahres?<br />
Keim: Das Probenwochenende im Herbst<br />
auf einer Hütte in Ladurns ist für die Jugendlichen<br />
der Höhepunkt des gesamten<br />
Probenjahres. Dort proben wir vor allem<br />
für das Cäcilienkonzert und eine Familienmesse.<br />
Die musikalische Weiterentwicklung,<br />
die Pflege vieler Freundschaften<br />
und auch Spaß und Action kommen<br />
dabei nicht zu kurz.<br />
KulturFenster<br />
36 03 <strong>Juni</strong><strong>2021</strong>
KF: Innovativ seid ihr auch noch! Instrumentenvorstellung<br />
<strong>2021</strong>?<br />
Keim: Ja, aufgrund der momentanen Situation<br />
musste im Februar <strong>2021</strong> die traditionelle<br />
Instrumentenvorstellung für<br />
die Grundschüler von Pflersch auf einen<br />
alternativen Weg erfolgen. Einige<br />
aktive Musikant*innen sowie erfahrene<br />
Jungmusikant*innen erstellten je einzeln<br />
ein Video, in welchem alle Instrumente<br />
vorgestellt wurden. Den zusammengestellten<br />
Film und einen kleinen<br />
Rätselspaß mit allgemeinen Fragen zum<br />
Musikverein durften wir den Lehrern der<br />
Grundschule übergeben. In dieser Form<br />
hoffen wir auch in diesen Zeiten auf einen<br />
Zuwachs von jungen und motivierten<br />
Musikant*innen, damit die nicht wegzudenkende<br />
Tradition auch in Zukunft weitergeführt<br />
werden kann.<br />
KF: Plant ihr auch schon Projekte für den<br />
heurigen Sommer?<br />
Keim: Nein noch nichts Konkretes (Stand<br />
Anfang Mai), aber hoffentlich können wir<br />
heuer wieder unsere traditionellen Veranstaltungen<br />
abhalten und bald wieder mit<br />
den Proben beginnen.<br />
Brennerwind – Koordination<br />
Anna Vonmetz<br />
SaraHofer<br />
Name: Sara Hofer<br />
Alter: 13 Jahre<br />
Ich spiele: Querflöte<br />
Ich lerne dieses Instrument, weil meine Mutter auch Querflöte spielt und es<br />
mir schon immer sehr gut gefallen hat, besonders wenn sie in der Kirche die<br />
Jungscharmessen musikalisch begleitet hat.<br />
Mir gefällt an der Jugendkapelle, dass wir alle zusammen sehr coole und moderne<br />
Stücke spielen. Mir haben auch die Bezirksbläsertage immer sehr gut gefallen.<br />
Ein lustiges Ereignis mit dem Brennerwind war, als bei einer Probe im Probelokal<br />
ein ziemlich übler Geruch zu vernehmen war. Das kam daher, dass vor<br />
der Eingangstür ein Hundehäufchen lag. Der Geruch war dermaßen stark,<br />
dass wir uns während des Spielens öfters die Nase zuhalten mussten und<br />
natürlich wurde deswegen auch viel gelacht. Zum Schluss musste unser Ju-<br />
gendleiter den Haufen entfernen, da es sonst logisch niemand machen wollte.<br />
NELLY<br />
GabrielGherbaz<br />
Mein Name: Gabriel Gherbaz<br />
Alter: 12 Jahre<br />
Ich spiele: Trompete<br />
Ich lerne dieses Instrument, weil ich immer meinen Vater Trompete spielen<br />
gesehen habe, und es hat mir so gut gefallen.<br />
Bei der Jungendkapelle gefällt mir das Musizieren mit Anderen.<br />
Ein typischer Spruch unserer ehemaligen Kapellmeisterin Marianne war „Leitler,<br />
reißt‘s enk zom“ - um uns alle bei Proben und Konzerten aufmerksam zu<br />
machen. Das habe ich in guter Erinnerung.<br />
David Windisch<br />
Name: David Windisch<br />
Alter: 15 Jahre<br />
Ich spiele: Tenorhorn<br />
Ich lerne dieses Instrument, weil mir das Instrument gefällt und weil es mir<br />
Spaß bereitet.<br />
An der Jugendkapelle gefällt mir der Zusammenhalt, Treffen mit Freunden<br />
und der Spaß während der Proben.<br />
Wenn wir mit der Jugendkapelle unterwegs sind, finden wir immer etwas zum<br />
Lachen. Wir als Gruppe sind stets nett zueinander und zeigen Respekt, auch<br />
wenn jemandem mal ein Fehler passiert.<br />
KulturFenster<br />
37 03 <strong>Juni</strong><strong>2021</strong>
“OhneMusikwird es leise“<br />
Die Musikkapelle und die Pandemie –<br />
eine Projektarbeit von Maren Mittelberger<br />
Die 19-jährige Klarinettistin Maren Mittelberger<br />
aus Vöran besucht die Landeshotelfachschule<br />
Kaiserhof in Meran. Im Rahmen<br />
des Unterrichtsfaches „Eventmanagement“<br />
hat sie sich in einer Projektarbeit kritisch<br />
und sehr persönlich mit der Situation ihrer<br />
Heimatkapelle in der Corona-Pandemie<br />
auseinandergesetzt. Gerade weil oft vergessen<br />
werde, dass „nicht nur systemrelevante<br />
Dinge wichtig sind“ und man „als<br />
Außenstehender oft nicht sieht, wie viel<br />
Arbeits- und Zeitaufwand hinter manchen<br />
Sachen steht“, hat sie sich diesem Themas<br />
gewidmet.<br />
Sie zeigt die dauernd sich geänderten Situationen<br />
im Laufe des Jahres auf und veranschaulicht,<br />
wie die Kapelle darauf reagiert<br />
hat: „Der Verein hat versucht, sich so<br />
gut wie möglich der Situation anzupassen<br />
und das Beste herauszuholen. Natürlich<br />
war man oft deprimiert, wenn wieder einmal<br />
etwas nicht stattfinden konnte. Aber<br />
auf die nächste gute Nachricht freute man<br />
sich dann umso mehr.“ In ihrer Arbeit zitiert<br />
sie abschließend auch den Beitrag<br />
„Tacet“ ihres Musikkollegen Hubert Reiterer,<br />
den wir bereits in der <strong>Juni</strong>ausgabe<br />
2020 des KulturFensters“ (S. 8/9) veröffentlicht<br />
haben.<br />
Für Kolleg*innen in den Reihen der Musikkapelle<br />
Vöran, wie auch für Außenstehende<br />
dokumentiert diese Arbeit sehr<br />
anschaulich, wie Corona die „Eventszene<br />
Blasmusikkapelle" beeinflusst hat.<br />
Trotz aller Rückschläge bleibt die junge<br />
Musikantin optimistisch: „Eines ist aber<br />
sicher. Wir werden, sobald es möglich ist,<br />
wieder unsere Instrumente in die Hand<br />
nehmen und gemeinsam proben, auftreten<br />
und feiern. Unsere Musikkapelle ist<br />
nicht nur ein Verein, um zu musizieren.<br />
Sie ist viel mehr wie eine große Familie.“<br />
Stephan Niederegger<br />
Untern diesem QR-Code kann die gesamte<br />
Projektarbeit eingesehen werden.<br />
Die Musikantin Maren Mittelberger<br />
hat sich intensiv<br />
mit der Situation ihrer<br />
Musikkapelle in<br />
der Zeit der Coronapandemie<br />
auseinandergesetzt.<br />
Daraus entstanden ist eine ausführliche<br />
Projektarbeit, die Interessierten zugänglich<br />
gemacht werden soll.<br />
KulturFenster<br />
38<br />
03 <strong>Juni</strong><strong>2021</strong>
persönlich<br />
Sepp Thaler, der große<br />
(Blas-)Musikpionier Südtirols<br />
Persönliche Erinnerungen von VSM-Ehrenkapellmeister Gottfried Veit<br />
AAm heurigen 9. <strong>Juni</strong> wäre der ehemalige<br />
VSM-Ehrenkapellmeister, Komponist, Chorleiter<br />
und Organist Sepp Thaler 120 Jahre alt<br />
geworden. Da sowohl sein Leben als auch<br />
sein Werk gegenwärtig nahezu lückenlos<br />
dokumentiert sind (siehe Verzeichnis am<br />
Ende dieses Beitrages), möchte ich hier<br />
und heute nur einige ganz persönliche Begegnungen<br />
mit Sepp Thaler kurz aufleuchten<br />
lassen.<br />
Erstes Kennenlernen<br />
Den Namen Sepp<br />
Thaler kannte ich bereits<br />
als Kind, war er<br />
doch schon damals<br />
„Landeskapellmeister“<br />
und formte zudem<br />
die Musikkapelle<br />
Auer zu einem der<br />
besten Klangkörper<br />
Südtirols.<br />
Mit den Kompositionen<br />
aus der Feder<br />
von Sepp Thaler<br />
machte ich als ganz<br />
junger Klarinettist der<br />
Bürgerkapelle Gries<br />
schon im Jahre 1956<br />
Bekanntschaft. Als<br />
Dirigent erlebte ich<br />
Thaler erstmals bei<br />
einem sogenannten<br />
„Monsterkonzert“,<br />
das die Bürgerkapelle<br />
Gries mit der<br />
Musikkapelle Auer<br />
zur Einweihung des<br />
„Kanonikus-Michael-<br />
Gamper-Heimes“ im<br />
Jahre 1961 bei einem<br />
gemeinsamen konzertanten<br />
Auftritt in Gries<br />
zusammenführte.<br />
Als ich mit sechzehn Jahren meine ersten<br />
Kompositionsversuche machte, pilgerte<br />
ich mit einer meiner soeben fertiggestellten<br />
Partitur (es konnte natürlich nichts anderes<br />
sein als ein „Marsch“) nach Auer,<br />
um sie dem verehrten Meister Thaler zur<br />
Begutachtung vorzulegen. Es erfüllte mich<br />
damals natürlich mit großer Freude aus<br />
seinem Munde zu hören, ich solle unbedingt<br />
weitere Stücke für Blasmusik zu Papier<br />
bringen.<br />
Noch vor meinem Musikstudium, als noch<br />
recht junger Klarinettist, hatte ich die Ehre<br />
in der Funktion einer „Aushilfe“, bei der<br />
Musikkapelle Auer unter der Leitung Sepp<br />
Thalers mitspielen zu dürfen. Was mich<br />
Sepp Thaler wäre heuer 120 Jahre<br />
alt geworden.<br />
dabei besonders beeindruckte war, dass<br />
Thaler mit seinem starken Einfühlungsvermögen<br />
hochmusikalisch gestaltete und<br />
ohne Ausnahme immer das Gesamte - also<br />
„die Musik“ - haarscharf im Auge behielt.<br />
Als Jugendlicher besuchte ich natürlich<br />
die zehntägigen Kapellmeisterlehrgänge<br />
des Verbandes Südtiroler Musikkapellen.<br />
Bei diesen Lehrveranstaltungen, bei denen<br />
Sepp Thaler neben Otto Ulf, Sepp Tanzer,<br />
Leo Ertl, Hans Haas u.a.m. unterrichtete,<br />
wurde ich zu den Lehrproben mit der Musikkapelle<br />
Wiesen bei ihm<br />
zugeteilt. Ich erinnere<br />
mich noch lebhaft: Seine<br />
Probenarbeit mit der<br />
Lehrgangskapelle und<br />
den Lehrgangsteilnehmern<br />
war allemal konsequent<br />
und herausfordernd,<br />
aber immer auch<br />
mit Humor gespickt. Einer<br />
seiner Lieblingsaussprüche<br />
lautete nämlich:<br />
„Der Humor ist der<br />
Schwimmgürtel des Lebens“.<br />
Zusammenarbeit<br />
im VSM und<br />
darüber hinaus<br />
Einige Jahre später<br />
wurde ich bei der Generalversammlung<br />
des<br />
VSM zu Thalers Stellvertreter<br />
als VSM-Kapellmeister<br />
gewählt. Und<br />
es dauerte nicht lange,<br />
bis mich Sepp Thaler<br />
als Wertungsrichter bei<br />
Konzertwertungsspielen<br />
auf Bezirksebene einsetzte,<br />
bespielsweise in<br />
Stezring, Bruneck und<br />
Schlanders. Natürlich war ich damals besonders<br />
stolz, an seiner Seite dieses verantwortungsvolle<br />
Amt ausüben zu dürfen.<br />
Bei solchen und ähnlichen Gelegenheiten<br />
KulturFenster<br />
39 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
persönlich<br />
Der spätere Verbandskapellmeister Gottfried Veit besuchte im Jahre 1959 einen Kapellmeisterlehrgang mit Sepp Thaler (links im Bild)<br />
in Sterzing.<br />
„<br />
Es gelang ihm wie kaum einem anderen<br />
nicht nur mit seinen Fachkollegen,<br />
sondern auch mit vollkommen<br />
unbekannten Menschen urplötzlich<br />
„<br />
ein angeregtes Gespräch zu führen.<br />
Gottfried Veit<br />
kam seine „Vaterfigur“ besonders deutlich<br />
zum Tragen, denn er war den Musikkapellen<br />
und ihren Dirigenten gegenüber immer<br />
äußerst entgegenkommend. Man könnte<br />
sagen: Seine Kritik war nie verletzend, sondern<br />
ausnahmslos aufbauender Natur!<br />
In den frühen Siebzigerjahren hatte ich<br />
einmal die Ehre, im Auftrag des VSM gemeinsam<br />
mit Sepp Thaler, einen Dirigentenkongress<br />
des Schweizerischen Blasmusikverbandes<br />
zu besuchen. Besonders<br />
interessant war für uns dabei, dass namhafte<br />
Schweizer Komponisten, wie beispielsweise<br />
Paul Huber, Robert Blum, Jean Daetwyler,<br />
Albert Benz, Jean Balissat u.a.m.<br />
eigene Werke mit hervorragenden Blasorchestern<br />
öffentlich einstudierten. Wie so oft,<br />
kam bei dieser Gelegenheit Sepp Thalers<br />
Kontaktfreudigkeit besonders zum Leuchten.<br />
Es gelang ihm z. B. wie kaum einem<br />
anderen nicht nur mit seinen Fachkollegen,<br />
sondern auch mit vollkommen unbekannten<br />
Menschen urplötzlich ein angeregtes Gespräch<br />
zu führen. Seine Redefreudigkeit<br />
ging daher nicht selten so weit, dass er<br />
eine große Tischgemeinschaft mit seinen<br />
kurzweiligen Geschichten nicht nur köstlich<br />
unterhalten, sondern sogar vollkommen<br />
in den Bann ziehen konnte.<br />
Seine Redebegabung kam Sepp Thaler natürlich<br />
auch als VSM-Kapellmeister immer<br />
wieder zugute. Als Vorsitzender der Musikkommission,<br />
in der auch ich jahrzehntelang<br />
mitarbeitete, sorgte er beispielsweise stets<br />
für ein „hervorragendes Betriebsklima“.<br />
Es gelang ihm z. B. kinderleicht, bei etwas<br />
angespannteren Themen den sogenannten<br />
„Gordischen Knoten“ fast spielend<br />
zu lösen.<br />
In den 15 Jahren, in denen ich Leiter der<br />
Musikschule Auer war, habe ich mich unzählige<br />
Male mit Sepp Thaler getroffen.<br />
Dieser Gedankenaustausch fand nicht selten<br />
bei einem guten Glas Rotwein beim<br />
nahegelegenen „Turmwirt“ statt. In dieser<br />
lockeren Atmosphäre ist mir wiederholte<br />
Male aufgefallen, dass Sepp Thaler trotz<br />
seiner überaus starken Heimatverbundenheit<br />
ein in jeder Hinsicht aufgeschlossener<br />
und weltoffener Mensch war.<br />
Dem Dorf Auer in vielfacher<br />
Weise verbunden<br />
Sepp Thaler übte Zeit seines Lebens den<br />
Beruf eines Kaufmannes aus. Aufrichtig<br />
wie er war, verbarg er aber niemals, dass<br />
dies nur sein „Broterwerb“ sei. Seine geradezu<br />
ansteckende Lebensfreude schöpfte<br />
er eindeutig aus zwei besonderen Leidenschaften:<br />
da war zum einen die alles<br />
überstrahlende Leidenschaft zur Musik,<br />
aber zum anderen auch die spezielle<br />
Leidenschaft zum Kartenspiel. Das Kartenspiel<br />
begleitete Sepp Thaler von seiner<br />
Jugend an bis ins hohe Alter. Jahrzehntelang<br />
traf er - pünktlich um 17.00<br />
Uhr - sein „Quartett“ von Kartenspielern<br />
im Gasthaus „Zur Rose“. Dort entstand<br />
auch sein gleichermaßen bekanntes wie<br />
beliebtes „Perlågger-Lied“ für Männerchor,<br />
das mit folgendem Text beginnt:<br />
„Im Wirtshaus zur Rosn, ganz gleim bei<br />
der Stråß“.<br />
Für die Gemeinde Auer, seinem Geburtsort,<br />
war Sepp Thaler ohne Zweifel ein Segen.<br />
Nahezu sein ganzes Leben lang dirigierte<br />
er die Musikkapelle von Auer und<br />
ebenso lange leitete er den dortigen Kirchenchor,<br />
war rund um die Uhr als Organist<br />
im Einsatz und erreichte u. a. die<br />
Errichtung einer eigenen Musikschule in<br />
KulturFenster<br />
40 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Blasmusik<br />
seinem Heimatort. Als langjähriger Leiter<br />
der Musikschule Auer konnte ich bei vielfältigsten<br />
Gelegenheiten feststellen, welch<br />
hohen Stellenwert die Musikschule Auer<br />
im Herzen Sepp Thalers besaß. Er fehlte<br />
bei keiner Veranstaltung dieser Institution<br />
und zeigte seine Begeisterung über<br />
elementarste Musikerziehung in gleicher<br />
Weise wie über künstlerische Hochleistungen.<br />
Auszeichnungen<br />
Die Gemeindeverwaltung von Auer bedankte<br />
sich bei Sepp Thaler für seinen<br />
uneigennützigen Einsatz in mehrfacher<br />
Weise: Zu Lebzeiten wurde er zum Ehrenbürger<br />
der Gemeinde Auer ernannt.<br />
Nach seinem Tode wurde in Auer einerseits<br />
eine Gedenktafel an seinem Wohnhaus<br />
angebracht, andererseits ein Weg<br />
im Dorfzentrum nach ihm benannt. Nicht<br />
zuletzt erhielt die dortige Musikschule die<br />
Bezeichnung „Musikschule Sepp Thaler“.<br />
Natürlich hat das Wirken Sepp Thalers<br />
die Grenzen seiner Heimatgemeinde unendlich<br />
weit überschritten. Seine Wertschätzung<br />
im eigenen Land und darüber<br />
hinaus dokumentieren eindeutig<br />
seine zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen.<br />
Sepp Thaler gratuliert Gottfried Veit, der mit der Musikkapelle Zwölfmalgreien sein Hauptwerk<br />
„Die Etsch“ im Meraner Kursaal (vermutlich in den 70er Jahren im Rahmen eines<br />
Landesmusikfestes) zur Aufführung brachte.<br />
Von diesen nennen wir hier nur Folgende:<br />
➤ Walther-von-der-Vogelweide-Preis<br />
➤ Verdienstkreuz des Landes Tirol<br />
➤ Verdienststern des Verbandes Südtiroler<br />
Musikkapellen<br />
➤ Goldenes Verdienstkreuz des Österreichischen<br />
Blasmusikverbandes<br />
➤ Goldene Fördermedaille des Allgäu-<br />
Schwäbischen Musikbundes<br />
➤ Bundesverdienstmedaille in Gold des<br />
Blasmusikverbandes Baden-Württemberg<br />
➤ Ernennung zum Ehrenkapellmeister des<br />
Verbandes Südtiroler Musikkapellen<br />
Bibliographie: Literatur über Leben und Werk Sepp Thalers<br />
- „Sepp Thaler“ von Fritz Thelen in „Der deutsche Volksmusiker“ 11 (1959)<br />
- „Kurzes Lebensbild des Komponisten und Kapellmeisters der Südtiroler Musikkapellen Sepp Thaler“ von Hermann Freybott, in „Allgemeine Volksmusikzeitung“<br />
15 (1965)<br />
- „Der Preisträger Sepp Thaler“ von Otto Ulf, Laudatio zur Verleihung des Walther-von-der-Vogelweide-Preises in „Der Schlern“ 43 (1969)<br />
- „Sepp Thaler – seine Bedeutung als Verbandskapellmeister“ von Gottfried Veit in „Tiroler Volkskultur“ 34 (1982)<br />
- „Sepp Thalers Rang in der Südtiroler Musikszene“ von Karl H. Vigl in Tageszeitung „Dolomiten“ <strong>Nr</strong>. 131 (1982)<br />
- „Dem Musiker Sepp Thaler zum Gedenken“ von Heinrich Lona in Tageszeitung „Dolomiten“ <strong>Nr</strong>. 132 (1982)<br />
- Sepp Thaler „Humor im Unterland“ von Josef Fontana und Gottfried Veit, Verlagsanstalt Athesia-Bozen (1984)<br />
- „Sepp Thaler“ in „Blasmusik aus Tirol“, Verzeichnis der Komponisten und ihrer Werke, zusammengestellt von Gottfried Veit, Florian Pedarnig und Klaus Bragagna,<br />
FF-Verlag Bozen (1985)<br />
- „Sepp Thaler: Leben und Werk eines Blasmusikpioniers“ von Gottfried Veit in Mitteilungen der IGEB <strong>Nr</strong>. 17 (1985)<br />
- „Leben und Werk Sepp Thalers“ Laudatio von Gottfried Veit in „Tiroler Volkskultur“ (November 1992)<br />
- Sepp Thaler (1901-1982) „Ein Leben für Musik und Heimat“, Sonderdruck „Der Schlern“ 66. Jahrgang, Heft 10, Verlagsanstalt Athesia-Bozen. Darin: A) Heinrich<br />
Lona: „Sepp Thalers Leben – ein Rückblick“, B) Gottfried Veit: „Das Werk Sepp Thalers“, C) Klaus Bragagna: „Sepp Thaler – Verbandskapellmeister zwischen<br />
Tradition und Erneuerung“, D) Wolfgang Suppan: „Sepp Thaler – und die Blasmusik“, E) Siegfried Tappeiner: „Sepp Thaler und das Chorwesen“ (1992)<br />
- „Sepp Thaler“ in „Das Neue Lexikon des Blasmusikwesens“ von Wolfgang und Armin Suppan (4. Auflage des „Lexikon des Blasmusikwesens“), Blasmusikverlag<br />
Schulz GMBH (1994)<br />
- „Sepp Thaler“ in „Blasmusik im Überblick“ von Georg Ried, Druck und Verlag Hans Obermayer GmbH (DVO) (1998)<br />
- „Sepp Thaler, Leben und Werk eines Südtiroler Komponisten“, Monographie: Diplomarbeit mit Werkverzeichnis von Wolfgang Kostner, Innsbruck (1999)<br />
- „Sepp Thaler“ Artikel in „Dizionario della musica italiana per banda“ von Mario Anese, Stampa: Grafital-Torre Boldone (BG) (2004)<br />
- „Die Männerchorlieder von Sepp Thaler“ von Gottfried Veit, Artikel in der Festschrift „100 Jahre Männergesangsverein Kurtatsch“, Druck: Athesia-Bozen (2006)<br />
- „Sepp Thaler“ Artikel in „Blasmusik in Tirol“ Verzeichnis der Komponisten und ihrer Werke von Gottfried Veit und Friedrich Weyermüller. Hutter-Druck, St.<br />
Johann i. T. (2007)<br />
- „Sieben Stationen im Leben Sepp Thalers – Ein Bilderbuch, aufgeschlagen von Gottfried Veit“ in „Der Schlern“ 81, Heft 9, Verlagsanstalt Athesia-Bozen (2007)<br />
- „Die Kirchenmusik und die Kirchenmusiker Südtirols“, Sepp Thaler in „Musikgeschichte Tirols III. 20. Jahrhundert“ herausgegeben von Kurt Drexel und Monika<br />
Fink, Schlern-Schriften - 344, Wagner, Innsbruck (2008)<br />
KulturFenster<br />
41 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
komponiert<br />
Manche Komponisten haben faszinierende<br />
Werke geschaffen, bei deren Hören ich mich<br />
immer noch frage, woher sie ihre Schaffenskraft<br />
und ihre Einfälle beziehen. Beschäftigt<br />
man sich mit dieser Materie, wird<br />
klar, dass man neben guten Ideen auch das<br />
Handwerk dazu beherrschen muss. Beides<br />
ist für das Komponieren notwendig, damit<br />
man auch das ausdrücken kann, was man<br />
sagen möchte, ähnlich der Sprache.<br />
Komponieren ist für mich ein sehr spannendes<br />
Feld, welches ständige Herausforderungen<br />
in allen Bereichen mit sich<br />
bringt und vor allem<br />
eins zum Ziel hat:<br />
Musik zu schreiben,<br />
die berührt.<br />
Vivat Athesis!<br />
Eine Hommage an das Land an der Etsch<br />
„<br />
„<br />
Musik höre ich, seit ich denken<br />
kann – sie begleitet mich seit frühester<br />
Kindheit.<br />
Hans Finatzer<br />
Die Musikgeschichte brachte ein Füllhorn<br />
an mehr oder weniger genialen Komponisten<br />
und entsprechende Werke hervor,<br />
als dass man überhaupt selbst zur Feder<br />
greifen müsste. So dachte ich mir das bei<br />
meinen kleineren Werken auch immer, bis<br />
ich 2010 zur Musikkapelle St. Pauls kam.<br />
Die Paulsner sind voller Lebenslust, voller<br />
Feierlaune, aber auch streng traditionsbewusst.<br />
Musikanten – und von ihnen kenne<br />
ich durch meinen Beruf wahrlich viele –<br />
haben mehr oder weniger überall diese<br />
noblen Eigenschaften, doch bewog mich<br />
der Umstand, der damals für mich neuen<br />
Kapelle eine kleine Hommage zu schreiben.<br />
Bis dahin nichts Ungewöhnliches, jedoch<br />
änderte sich 2010 einiges in meinem Leben<br />
als Komponist. Da ich selbstbewusst<br />
verheißen hatte, einen Konzertmarsch zu<br />
schreiben, blieb mir nichts anderes übrig,<br />
als dies auch zu tun. Gesagt, getan: Aber<br />
wie soll man bitte einen Konzertmarsch<br />
schreiben – von denen gibt es viele und<br />
schöne auch – der nicht klingt wie schon<br />
unzählige andere vorher, der innovativ<br />
klingt, ohne die Grenzen zu sprengen, und<br />
dabei noch gut ankommt? Einige Skizzen,<br />
die bereits bis zum Trio reichten,<br />
verwarf ich nach vielen Stunden Arbeit<br />
aus Verzweiflung wieder. Dann<br />
kam der entscheidende Moment: An<br />
einem langen Winterabend fielen mir<br />
nach und nach die schönsten Melodien<br />
ein, die auch zueinander passten;<br />
unwirklich, fast aus Geisterhand, schrieb<br />
ich die Phrasen nieder.<br />
Von der Etsch inspiriert<br />
Dabei inspirierte mich nicht etwa<br />
ein bestimmtes Thema, wie in<br />
der Programmmusik üblich, sondern<br />
vielmehr ist es der Lauf<br />
der Etsch, der unser schönes<br />
Land vom Reschen bis<br />
zur Salurner Klause über<br />
Jahrtausende formte und<br />
der mich beeindruckte.<br />
Freilich kann man in eine<br />
4-minütige Marschform<br />
nicht all das hineinpacken.<br />
Aber der Grundgedanke war<br />
es eben, der neuen Kapelle zum musikalischen<br />
Einstand einen schönen Konzertmarsch<br />
auf den Leib zu schneidern – äh,<br />
zu komponieren.<br />
Der Erfolg und die Rückmeldung des Publikums<br />
waren groß, so groß, dass ich – ermutigt<br />
von einigen Kollegen – mehrere Verlage<br />
für die Veröffentlichung anschrieb. Nach kurzer<br />
Zeit meldete sich der „Rundel“-Verlag<br />
und nahm mich kurzerhand unter Vertrag.<br />
Das ehrte mich sehr und verwunderte mich<br />
gleichzeitig, umso mehr, als Frau Rundel mir<br />
bei einem Kaffee zuflüsterte: „Wir bekommen<br />
dutzende Anfragen in der Woche…“<br />
Ob dieser Aussage war meine Freude natürlich<br />
noch größer. Seitdem der Marsch in<br />
Druck ging, wird „Vivat Athesis“ in vielen<br />
Ländern mit Erfolg vertrieben.<br />
„<br />
„<br />
Eigentlich wollte ich nicht auch noch<br />
komponieren<br />
Hans Finatzer<br />
Nach einigen kammermusikalischen Werken,<br />
welche etwa im „Köbl“-Verlag in München<br />
publiziert wurden, schrieb ich wiederum<br />
Konzertmärsche, so zum Beispiel für<br />
die 200-Jahr-Jubiläen der Musikkapellen<br />
Lengmoos und Partschins – beides Auftragskompositionen.<br />
Auch die Brassband<br />
„Überetsch“ spielte 2018 zu ihrem zehnjährigen<br />
Bestandsjubiläum eine Uraufführung<br />
aus meiner Feder. 2019 folgte eine<br />
Konzertpolka mit dem Namen „Platzlpolka“<br />
für großes Blasorchester, welche<br />
demnächst beim neugegründeten Musikverlag<br />
„Südtirol MVS“ erscheinen wird.<br />
Aktuell arbeite ich an mehreren blasmusikalischen<br />
Werken. Neuerdings wende ich<br />
mich vermehrt auch der konzertanten Literatur<br />
zu, welche ein neues, sehr interessantes<br />
Feld für mich ist.<br />
Nur so komme ich zu dem Punkt, an dem<br />
ich ein Gefühl oder eine musikalische Idee<br />
in Musik kleide, welche gut klingt, gut<br />
spielbar ist, und welche vor allem berührt.<br />
Hans Finatzer<br />
www.finatzer.it<br />
„<br />
„<br />
Ich arbeite ohne Zeitdruck und versuche<br />
den richtigen Augenblick für<br />
die passende Melodie zu finden.<br />
Hans Finatzer<br />
KulturFenster<br />
42 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Blasmusik<br />
Zur Person<br />
Partitur<br />
(Full Score)<br />
Piccolo<br />
Flöte<br />
Oboe<br />
Fagott<br />
(Bassoon)<br />
E Klarinette<br />
B Klarinette 1<br />
B Klarinette 2<br />
B Klarinette 3<br />
B Bassklarinette<br />
E Altsax.<br />
B Tenorsax.<br />
E Baritonsax.<br />
F Horn<br />
F Horn<br />
1<br />
2<br />
1<br />
2<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
B Trompete 1<br />
VIVAT ATHESIS<br />
Gewidmet der Musikkapelle St. Pauls, Südtirol / Dedicated to the St. Pauls Concert Band, South Tyrol<br />
Konzertmarsch•Concert March<br />
2<br />
3 4 5<br />
à2<br />
à2<br />
à2<br />
à2<br />
Musik: Hans Finatzer<br />
Arr.: Franz Gerstbrein<br />
6<br />
➤ 1973 in Bozen geboren, aufgewachsen in Truden im Naturpark<br />
➤ 1985–1988 Mittelschulzeit mit Besuch des Konservatoriums „C. Monteverdi“ in Bozen<br />
➤ 1986 Eintritt in die Musikkapelle Truden<br />
➤ 1988–1991 Lehre mit Abschluss als Maschinenschlosser<br />
➤ 1995 Konzertdiplom im Fach Posaune<br />
➤ 1997–1999 Weiterbildung bei internationalen Meisterkursen<br />
➤ 1995 Konzertreihe als Soloposaunist mit dem Haydnorchester von Bozen & Trient<br />
➤ Fester Substitut des Haydnorchesters von 1995 bis 2008<br />
➤ Mitglied verschiedener Orchester und Ensembles wie der Streicherakademie, Orchestra<br />
Arturo Toscanini Parma, Brass Connection Tirol, Kapelle für neue Musik<br />
„Windkraft“, Südtiroler Bläserensemble, Ensemble Clavituba<br />
➤ Gründer und Dirigent der Brassband Überetsch, Südtiroler Jugendbrassband, Sonoro<br />
Posaunenquartett, Young Brass Quintet, Cinquino Brass Quintett.<br />
➤ Kapellmeistertätigkeiten seit 1993 in Kurtinig, Margreid, Auer, Truden, St. Pauls,<br />
Terlan und bei der Stadtkapelle Bozen<br />
➤ 2008–2009 Musikpädagogiklehrgang an der Fakultät für Bildungswissenschaften<br />
Bozen/Brixen<br />
➤ Tätigkeiten in der Landesmusikschuldirektion: Instrumentalpädagoge für Posaune/<br />
Euphonium seit 1993, Landesfachgruppenleiter Blechblasinstrumente seit 2009,<br />
Beauftragter der Leistungsabzeichen seit 2020, Direktorstellvertreter der Musikschule<br />
Überetsch/Mittleres Etschtal, Mitglied des Landesfachbeirates „Prima la<br />
Musica“ von 2010 bis 2015<br />
➤ Jurorentätigkeit: Seit 2009 regelmäßiges Engagement als Juror und Koordinator in<br />
diversen Bundesländern Österreichs, Leistungsabzeichen des VSM<br />
➤ Verbandsjugendleiter im VSM seit 2019<br />
➤ Kompositionen und Arrangements für Bläser, Brassband und Blasorchester<br />
Werksverzeichnis:<br />
B Trompete 2<br />
B Trompete 3<br />
C Posaune<br />
(Trombone) 2<br />
C Posaune<br />
(Trombone)<br />
B Flügelhorn<br />
(B Cornet)<br />
B Flügelhorn<br />
(B Cornet)<br />
B Tenorhorn<br />
(Baritone)<br />
C Bariton<br />
(Euphonium)<br />
1<br />
3<br />
4<br />
1<br />
2<br />
1<br />
C Bass<br />
2<br />
Schlagzeug<br />
❋ Pauken und Mallets aus Platzgründen nicht in Partitur (separate Stimmen)<br />
© Copyright 2013 by Musikverlag RUNDEL GmbH • D-88430 Rot an der Rot No. 2960<br />
➤ 2006 Hymne der Südtiroler Weinbruderschaft<br />
➤ 2007 „Jazzetüde“ für Bassposaune<br />
➤ 2010 „Euphonium-Tenorhorn-Bariton“ Etüde/Pflichtstück Leistungsabzeichen<br />
➤ 2011 Überetscher Adventsweise<br />
➤ 2013 Konzertmarsch „Vivat Athesis“<br />
(Musikverlag Rundel)<br />
➤ 2014„AstateWeis“–Adventweise<br />
➤ 2017 Eine kleine Weltreise – Suite<br />
in 3 Sätzen für Posaunenquartett<br />
(Verlag Köbl, München)<br />
➤ 2018 Jubilate! - Jubiläumskonzertmarsch<br />
für das 10-jährige Bestehen<br />
der Brassband Überetsch<br />
➤ 2018 Auftragskomposition „Altissimus“<br />
anlässlich der 200-Jahr-<br />
Feier der Musikkapelle Lengmoos<br />
➤ 2018Auftragskomposition„Partschinser<br />
Jubiläumsmarsch“ anlässlich<br />
der 200-Jahr-Feier der<br />
Musikkapelle Partschins<br />
➤ 2019 „Platzlpolka“ – Konzertpolka<br />
für großes Blasorchester<br />
➤ <strong>2021</strong> „Florianis“ – Straßenmarsch<br />
für Blasorchester<br />
KulturFenster<br />
43 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
hinausgeblickt<br />
Blasmusik<br />
ONline<br />
Seminare-Webinare-<br />
Workshops<br />
https://wiki.blasmusik.at/display/LS/<br />
BlasmusikOnline<br />
entdeckt<br />
Üben mit Video- und<br />
Tonaufnahme<br />
Das Smartphone als nützlicher Übungspartner<br />
Der Musiker Jürgen K. Groh empfiehlt,<br />
beim Üben das Smartphone als „akustischen<br />
Spiegel“ zu nutzen.<br />
Niemand spricht so offen, direkt und schonungslos<br />
mit uns wie der [akustische] Spiegel.<br />
Brigitte Fuchs<br />
(*1951, Schweizer Autorin und Lyrikerin)<br />
Dieses, durch den Einschub des Adjektivs<br />
„akustische” geänderte Zitat, soll Ihre Aufmerksamkeit<br />
auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten<br />
von Video- oder Tonaufnahmen<br />
für zielgerichtetes Üben deutlich<br />
machen. Denn heute legt uns die technologische<br />
Welt etwas zu Füßen, wonach sich<br />
früher professionelle Kamera- und Tonleute<br />
alle zehn Finger geleckt hätten: unser<br />
Smartphone. Stellen Sie es einfach vor<br />
sich, vielleicht sogar mit einem preisgünstigen<br />
flexiblen dreibeinigen Stativ, schauen<br />
Sie, dass Sie im Bild sind und drücken Sie<br />
auf den Aufnahmeknopf.<br />
Die Aufnahme serviert Ihnen alle guten<br />
Klänge und eventuell noch vorhandene<br />
Schwachstellen auf einem Silbertablett<br />
und Sie können sich sofort in einen feuilletonerfahrenen<br />
Musikkritiker verwandeln,<br />
der das Ganze als aufmerksamer und kritischer<br />
Zuhörer „von außen” wahrnimmt.<br />
Die Wahrnehmung spielt<br />
oft Streiche<br />
Denn im Moment des Spielens spielt Ihnen<br />
Ihre Wahrnehmung oft Streiche: Abschnitte,<br />
wo sie dachten, es würde schräg<br />
klingen, stellen sich als ganz passabel oder<br />
sogar gut heraus, genauso wie das eben<br />
auch umgekehrt der Fall sein kann.<br />
Ähnlich einer guten Köchin, die kein Gericht<br />
hinausschickt, ohne es vorher gekostet<br />
und abgeschmeckt zu haben, sollten<br />
wir unser Spiel durchaus mehrmals in diesem<br />
akustischen Spiegel betrachten, bevor<br />
wir den Schritt auf die Bühne wagen.<br />
Sehr erhellend ist oft, wenn wir einen zeitlichen<br />
und emotionalen Abstand zu einer<br />
Aufnahme haben und sie erst einige Tage<br />
später anhören. Das kann zu neuen Erkenntnissen<br />
führen und unter Umständen<br />
sogar unser Selbstwertgefühl heben.<br />
Musik ist eine sehr<br />
persönliche Beschäftigung<br />
mit uns selbst<br />
Musik ist schließlich auch eine sehr persönliche<br />
Beschäftigung mit uns selbst. Zu<br />
wissen, wie man klingt und eine Vorstellung<br />
zu entwickeln, wie man klingen will,<br />
ist ein wichtiger Schritt in unserer musikalischen<br />
Entwicklung. Und regelmäßiges<br />
Aufnehmen stellt ein mächtiges Werkzeug<br />
dafür da.<br />
Eine solche Aufnahme bringt neben gut gelungen<br />
Passagen zum Beispiel auch heikle<br />
Übergänge, knifflige Rhythmen, klangliche<br />
Ungenauigkeiten sowie ein noch zu<br />
verbesserndes Ausschöpfen des musikalischen<br />
Spektrums zutage. Im Schutz des<br />
Übezimmers können wir durch die Aufnahme<br />
unser Spiel unter die akustische<br />
Lupe nehmen, auf Herz und Nieren prüfen<br />
und dann verbessern.<br />
Betrachten wir diese vielfältigen technischen<br />
Aufnahmemöglichkeiten ruhig<br />
als unser „Helferlein”, das dem Ingenieur<br />
Daniel Düsentrieb in den Disney-Comics<br />
des Zeichners Carl Barks immer treu zur<br />
Seite stand und dem ungestümen Erfinder<br />
oft aus der Patsche half. Und erinnern wir<br />
uns an ein wiederum leicht abgewandeltes<br />
Zitat des Komponisten George Bizet, dessen<br />
Oper Carmen zu einem der größten<br />
Erfolge der Operngeschichte wurde: „Die<br />
zuverlässigsten Freunde sind die [akustischen]<br />
Spiegel. Sie sehen alles und reden<br />
nicht darüber.”<br />
Jürgen K. Groh<br />
Master of Arts, Dirigent, Moderator<br />
und<br />
Vizepräsident der WASBE-Sektion Deutschland<br />
www. juergenkgroh.de<br />
Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag wurde im<br />
Fachmagazin für Blasmusik „brawoo“ veröffentlicht<br />
(siehe Ausgabe Jänner/Februar <strong>2021</strong>, S.38).<br />
Wir bedanken uns beim Redakteur Klaus Härtel<br />
und beim Autor Jürgen K. Groh für die freundliche<br />
Genehmigung zum Nachdruck.<br />
KulturFenster<br />
44 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Blasmusik<br />
7 Minuten Warm-up für<br />
Blasorchester<br />
Kostenlose Starthilfe für den Restart<br />
von Kapellmeister Dietmar Rainer<br />
„Es gibt ja eigentlich schon genügend<br />
Einspielstücke auf dem Markt“, weiß<br />
auch der Kapellmeister und Musikpädagoge<br />
Dietmar Rainer. Mit seinen neuen<br />
„7 Minuten Warm-ups für Blasorchester“<br />
will er den Kapellmeister*innen und<br />
Musiker*innen ein einfaches Arbeitsbuch<br />
in die Hand geben. Auch weniger versierten<br />
Musiker*innen können die relativ einfachen<br />
Einheiten wiederholen und parallel<br />
dazu werden die „Profis“ mehr gefordert.<br />
Auch die Intonationsübung bietet neue<br />
Möglichkeiten.<br />
Die Partitur samt Einzelstimmen<br />
ist kostenlos per Email erhältlich:<br />
dietmar@toccata.info<br />
Stephan Niederegger<br />
Damit die Musik richtig „läuft“, gibt<br />
es nützliche Tipps zum Warm-up von<br />
Kapellmeister Dietmar Rainer.<br />
Aus der Praxis – für die Praxis:<br />
Das Einspielen im Blasorchester<br />
Neues Einspielheft von Gottfried Veit<br />
Der Anfang und die Einspielphase einer<br />
Probe sind oft entscheidend für den weiteren<br />
Verlauf und den Erfolg der Probe. Je<br />
zielgerichteter der Probenbeginn gestaltet<br />
wird, umso besser kann die Probenarbeit<br />
gelingen.<br />
Beim kürzlich stattgefundenen Online-<br />
Treffpunkt „Musik“ hat Verbandskapellmeister<br />
Meinhard Windisch den Verbandsobmann<br />
Pepi Fauster und den<br />
Musikprofessor Thomas Ludescher zu<br />
einem Gespräch eingeladen. Dabei hat<br />
Ludescher einmal mehr darauf hingewiesen,<br />
dass sich ein einfacher Marsch<br />
sehr gut zu Rhythmusübungen eignet,<br />
sich Prozessionsmärsche für Phrasierungsübungen<br />
anbieten und anhand von<br />
Chorälen detailliert am Klang, Intonation,<br />
Balance und Tonbildung gearbeitet werden<br />
kann – ganz nach dem Motto: „Blasorchester,<br />
die einen Choral gut spielen<br />
können, beherrschen auch alle anderen<br />
Musikstücke!“<br />
Für Abwechslung beim Einspielen sorgt das<br />
neue Einspielheft von Gottfried Veit.<br />
Wesentlich dabei ist sicherlich, dass der<br />
Probenbeginn abwechslungsreich bleibt<br />
und nicht immer nach dem gleichen<br />
Schema F abläuft. Wer spezielle Literatur<br />
dazu sucht, wird schnell fündig – wohl<br />
auch im eigenen Notenschrank.<br />
Für die nötige Abwechslung sorgt nun<br />
auch Gottfried Veit mit seiner neuesten<br />
Publikation und gibt damit den<br />
Kapellmeister*innen ein weiteres Arbeitsheft<br />
in die Hand: „Das Einspielen<br />
im Blasorchester“<br />
In fünf B-Dur-Tonleitern (F bis DES) sowie<br />
in C- und G-Dur und den jeweiligen parallelen<br />
Moll-Tonarten werden rhythmische<br />
und dynamische Übungen, Akkordzerlegungen<br />
und Kadenzen angeboten, um<br />
dieses musikalische Grundmaterial zu<br />
festigen. Zu jeder Tonart folgt ein dazu<br />
passender vierstimmiger Choral. Diese<br />
14 Choräle sind sowohl im gesamten Orchester<br />
als auch in verschiedenen Quartett-Besetzungen<br />
spielbar und eignen sich<br />
daher auch als Gebrauchsmusik zu feierlichen<br />
und kirchlichen Anlässen.<br />
Der vollständige Notensatz samt Partitur<br />
und Direktionsstimme ist im TIROL Musikverlag<br />
erschienen und im einschlägigen<br />
Fachhandel erhältlich.<br />
Stephan Niederegger<br />
KulturFenster<br />
45 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
entdeckt<br />
Die Konzertmeister-App<br />
Clevere Terminplanung für Musikvereine,<br />
Orchester und Chöre – Den Wildwuchs<br />
an Kommunikationskanälen bändigen<br />
WhatsApp oder Facebook-<br />
Messenger und natürlich<br />
E-Mails, um Nachrichten<br />
zu versenden.<br />
Genau diese Vielfalt ist es,<br />
die sich dann auch in der<br />
Terminkommunikation in<br />
den Vereinen widerspiegelt.<br />
Mit der steigenden Anzahl<br />
an Kommunikationspartnern<br />
wird dies aber zunehmend<br />
mühsam und als Vereinsverantwortlicher<br />
gerät<br />
man schnell in eine unüberschaubare<br />
Situation.<br />
Um diesen Wildwuchs an<br />
Kommunikationskanälen<br />
zu bändigen und eine maßgeschneiderte<br />
Lösung für<br />
Blasorchester zur Verfügung<br />
zu stellen, wurde<br />
Konzertmeister entwickelt.<br />
Sobald ein Termin erstellt wurde, werden<br />
die eingeladenen Mitglieder über den neuen<br />
Termin informiert. Mit nur einem Klick kann<br />
ein Mitglied seine Rückmeldung abgeben.<br />
„Was ist die größte organisatorische Herausforderung,<br />
die man sich vorstellen kann? Einen<br />
Termin mit mehr als zwei Musiker*nnen<br />
zu koordinieren.“<br />
Dieser weit verbreitete Scherz ist natürlich<br />
überspitzt, hat aber durchaus einen wahren<br />
Kern. Wo liegen aber die Probleme der<br />
Terminkommunikation in einem Blasorchester?<br />
In unserem digitalisierten Alltag stehen<br />
uns sehr viele Kommunikationsmittel<br />
zur Verfügung: Wir telefonieren, verwenden<br />
SMS, verschiedene Dienste wie z.B.<br />
Kommunikation<br />
und gelungene<br />
Terminplanung<br />
im Blasorchester<br />
Um zu veranschaulichen,<br />
wie Konzertmeister die<br />
Abstimmung von Terminen<br />
und Anwesenheiten<br />
in einem Verein einfach<br />
und flexibel unterstützen<br />
kann, wollen wir eine „Standardsituation“<br />
betrachten, wie sie oftmals im Vereinsalltag<br />
vorkommt:<br />
Auftrittsanfrage und Spielfähigkeit:<br />
Neben fixen, wiederkehrenden Auftritten<br />
spielen auch individuelle Anfragen zu Auftritten<br />
eine wichtige Rolle. Trifft eine Terminanfrage<br />
ein, sollte natürlich im Idealfall<br />
so bald wie möglich eine verlässliche<br />
Rückmeldung möglich sein. Mit Konzertmeister<br />
können Auftrittsanfragen schnell,<br />
einfach und zielgerichtet gestellt werden:<br />
In Echtzeit kann ein Überblick über die<br />
Rückmeldungen im System gewonnen werden.<br />
Um eine Antwort bis zu einem gewissen<br />
Zeitpunkt sicherzustellen, kann eine<br />
Rückmeldefrist hinterlegt werden:<br />
KulturFenster<br />
46 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
Blasmusik<br />
Proben und Anwesenheiten<br />
Zur Auftrittsvorbereitung zählen natürlich<br />
Proben, die geplant und durchgeführt werden<br />
müssen. Hier ist es wichtig, genau<br />
Bescheid zu wissen, wer wann anwesend<br />
ist, um eine optimale Probenvorbereitung<br />
sicherzustellen. Folgende Fragen spielen<br />
dabei eine wichtige Rolle:<br />
• Sind alle Register gut besetzt? Welche<br />
Stücke oder Passagen kann ich sinnvoll<br />
proben?<br />
• Kommt ein wichtiger Musiker zu spät?<br />
Sollte ich an der Reihenfolge der Stücke<br />
in der Probe etwas anpassen?<br />
Eltern an Bord<br />
Um im Jugendorchester auch Kinder ohne<br />
E-Mail-Adresse einbinden zu können, werden<br />
sogenannte Unterkonten angeboten.<br />
Das Elternteil kann mit seiner E-Mail-<br />
Adresse ein Konto erstellen und dann für<br />
die Kinder Unterkonten anlegen.<br />
Einführung im Verein -<br />
Registrierung und<br />
Vereinserstellung<br />
Besuche unsere Website https://konzertmeister.app<br />
und klicke auf die Registrierungsschaltfläche.<br />
Anschließend kannst<br />
du kostenfrei ein Konzertmeister-Konto erstellen<br />
und mit wenigen Klicks einen Verein<br />
anlegen. In unserem Hilfe-Bereich auf<br />
der Webseite findest du alle wichtigen Informationen.<br />
Stefan Stift<br />
Rabattcode einlösen!<br />
REGISTRIERUNG<br />
konzertmeister.app<br />
HILFESEITE<br />
konzertmeister.app<br />
Als besonderes Angebot für alle Kapellen und Chöre in Südtirol gibt es bis Ende<br />
<strong>2021</strong> mit dem Rabattcode kmsuedtirol21 eine Ermäßigung von 20% bei der ersten<br />
Abo-Bestellung. Dazu einfach in der Abo-Verwaltung beim Bestellvorgang den Rabattcode<br />
eingeben und alle Vorteile genießen.<br />
kurz notiert<br />
Mit „Adagio“ zum Neubeginn<br />
Sanfter Start der MK St. Lorenzen in die Proben- und Konzertsaison<br />
Seit mehr als einem Jahr ist der Kulturbetrieb<br />
fast lahmgelegt und damit stehen<br />
auch seither die Musikkapellen in Südtirol<br />
still. Mit den jüngsten Corona-Lockerungen<br />
auf Staats- und Landesebene ist<br />
ein sanfter Neubeginn der musikalischen<br />
Tätigkeiten möglich. Dieses kleine Fenster<br />
in Richtung Normalität will auch Kapellmeister<br />
Jakob Augschöll mit der Musikkapelle<br />
St. Lorenzen nützen. Einzelne<br />
Musikant*innen und kleine Ensembles haben<br />
immer wieder bei Gottesdiensten und<br />
kirchlichen Feiern mitgewirkt. Der Kontakt<br />
zur gesamten Kapelle konnte dank Online-<br />
Medien trotzdem aufrechterhalten werden.<br />
Nun waren die Musikant*innen zu einer<br />
Übe-Herausforderung eingeladen, bei der<br />
sie mit täglichen Proben zuhause Punkte<br />
sammeln konnten. Gleichzeitig hat Kapellmeister<br />
Augschöll das Konzertprogramm<br />
für die bevorstehende Sommersaison zusammengestellt<br />
und die einzelnen Noten<br />
In drei Online-Treffen hat Kapellmeister Jakob Augschöll den Grundstein zum sanften Neubeginn<br />
mit der Musikkapelle St. Lorenzen gelegt.<br />
ausgeteilt. In drei Online-Treffen hat er<br />
Tipps zum Üben gegeben und die einzelnen<br />
Stücke mit Hörbeispielen und Hintergrundinformationen<br />
vorgestellt. Mit Anfang<br />
<strong>Juni</strong> soll nun die Probentätigkeit – vorerst<br />
in Instrumentengruppen und Registern –<br />
wieder aufgenommen werden: „Wir freuen<br />
uns, bald wieder gemeinsam musizieren<br />
und vor Publikum auftreten zu können!“<br />
Stephan Niederegger<br />
KulturFenster<br />
47 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>
„Wie liegt die Stadt so wüst“<br />
1945 schrieb der Dresdner Kreuzkantor Rudolf Mauersberger die ergreifende<br />
Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“ unter dem Eindruck der gerade<br />
zerstörten Stadt und dem Verlust einiger Chorknaben.<br />
Im Bild: Die zerstörte Altstadt von Dresden nach den verheerenden Bombenangriffen<br />
im Februar 1945.<br />
KulturFenster<br />
48 02/April <strong>2021</strong>
hervorgehoben<br />
Auf Krisen antworten<br />
Katastrophen und Krisen prägen die Menschheitsgeschichte.<br />
Chormusik hat schon immer darauf reagiert, dem Unfassbaren Ausdruck<br />
verliehen oder Trost gespendet – ein historischer Überblick<br />
Wie kann ein Mensch Situationen überstehen,<br />
die schon in der Vorstellung kaum<br />
aushaltbar sind? „Sie mussten sich bäuchlings<br />
auf die Leichen der Ermordeten legen<br />
und auf die Schüsse warten, die von oben<br />
kamen. Dann kam die nächste Gruppe. 36<br />
Stunden lang kamen Juden und starben“, erinnert<br />
sich Dina Pronitschewa. Wie durch<br />
ein Wunder hatte sie das Massaker vor 80<br />
Jahren in der Schlucht Babi Jar bei Kiew<br />
überlebt.<br />
Zwei Jahrzehnte nach der Massenexekution<br />
von 33.771 jüdischen Menschen im<br />
September 1941 durch die Wehrmacht<br />
und SS bezieht kann sich Dmitri Schostakowitsch<br />
in seiner 13. Sinfonie auf dieses<br />
Ereignis. In diesem düster-beklemmenden<br />
Opus kommen Singstimmen – ein Bass<br />
und ein meist einstimmiger Männerchor<br />
– zum Einsatz. Anlass gaben Schostakowitsch<br />
das 1961 veröffentlichte Gedicht<br />
„Babi Jar“ und weitere Werke von Jewgeni<br />
Jewtuschenko. Dieser stellte das Massaker<br />
in den Kontext jahrtausendealter Judenfeindschaft,<br />
spannte einen Bogen vom<br />
Auszug aus Ägypten über Anne Frank bis<br />
zum aktuell gelebten Antisemitismus in der<br />
Sowjetunion. Über alle fünf Sätze hinweg<br />
lässt sich Schostakowitschs Sinfonie als<br />
ein Trauma hören. Gleichzeitig will diese<br />
Musik trösten und Kraft geben, mit dem<br />
Unfassbaren zu leben.<br />
Schicksale im<br />
gesellschaftlichen<br />
Ausnahmezustand<br />
Seit jeher prägen Kriege, Konflikte, Pandemien,<br />
klimatische Veränderungen und<br />
andere Nöte die Menschheitsgeschichte.<br />
Einerseits geht es um Ausnahmezustände<br />
von gesellschaftlicher Tragweite, andererseits<br />
stets um persönliche Schicksale. In<br />
Krisen und Katastrophen wächst die Bedeutung<br />
von Geben und Nehmen. Dies schließt<br />
Jan Brueghel d. Ä. (1568–1625): „Triumph des Todes“ (Ausschnitt), 1597.<br />
Kunst und Musik ein und führt immer wieder<br />
zu der Frage, inwieweit deren Autonomie<br />
und Zweckfreiheit aufrechtzuerhalten<br />
sind. Komponisten reagieren, unmittelbar<br />
oder mit Abstand, mit ihren Werken verschiedenster<br />
Gattungen auf konkrete Ereignisse.<br />
Damit geben sie der Gesellschaft und<br />
jedem Betroffenen etwas zurück.<br />
Der „schwarze Tod“ durch die Pest war<br />
im Mittelalter gegenwärtig. Allein im<br />
14. Jahrhundert forderten Pestwellen<br />
schätzungsweise 25 Millionen Menschenleben,<br />
ca. 7 Prozent der Weltbevölkerung.<br />
Guillaume de Machaut, einer der größten<br />
Dichter und Komponisten jener Zeit, hat<br />
mit der „Messe de nostre dame“ wohl das<br />
älteste Werk der Musikgeschichte hinterlassen,<br />
dessen Autorschaft gesichert ist:<br />
eine Vertonung des Ordinarium Missae,<br />
die den Beginn der Mehrstimmigkeit markiert<br />
und deren Dissonanzen damalige Ohren<br />
tief verstört haben dürften. Womöglich<br />
wollte der Franzose Machaut, der die<br />
Pest selbst erlebt hatte, den Zustand von<br />
Körper und Seele musikalisch zum Ausdruck<br />
bringen.<br />
Heutige Umstände machen<br />
alte Werke wieder aktuell<br />
Die Corona-Pandemie führt erneut bei<br />
vielen Menschen zu Verunsicherung und<br />
Angst. Alte Werke und die Umstände ihrer<br />
einstigen Darbietung werden aktuell.<br />
Ein Beispiel ist Orazio Benevolis „Missa<br />
in Angustia Restilentiae“ für vier vierstimmige<br />
Chöre und Basso continuo – eine eindringlich<br />
formulierte Bitte um die Gnade<br />
Gottes. Bei ihrer Uraufführung 1656, als in<br />
Rom wieder die Pest grassierte, wurde die<br />
Missa hinter verschlossenen Türen nur für<br />
den Papst und einige Begleiter gesungen.<br />
Im 19. Jahrhundert wütete vielerorts in<br />
Deutschland die Cholera. Fanny Hensel<br />
geb. Mendelssohn Bartholdy verlor in Berlin<br />
1831 Freunde und Bekannte. Im Alter<br />
von 26 Jahren schrieb sie das halbstündige<br />
chorsinfonische Werk „Cantate für<br />
die Toten der Cholera-Epidemie 1831“.<br />
Der Chor ist bis 8-stimmig aufgefächert,<br />
dem Instrumentalapparat gehören 3 Posaunen<br />
an. Klassische Vokalpolyphonie<br />
umgibt biblisches Wort mit einer archai-<br />
KulturFenster<br />
49<br />
02/April <strong>2021</strong>
hervorgehoben<br />
Fresko in St. Prokulus – Naturns (ca. um 1490) im Chorraum mit Darstellung von Christus und Maria als Beschützer vor den Pfeilen<br />
der Pest.<br />
schen Aura. Als Frau, zudem Schwester<br />
des ehrgeizigen Felix und Tochter eines<br />
konservativen Vaters, war Fanny Hensel<br />
ein Durchbruch als Komponistin zu Lebzeiten<br />
nicht vergönnt. Ihre „Cholera-Kantate“<br />
erlebte erst 1984 ihre Uraufführung.<br />
Auch die Spanische Grippe, die Ende des<br />
Ersten Weltkriegs 1918 ausbrach und weltweit<br />
zig Millionen Menschen das Leben<br />
kostete, hinterließ Spuren in der Musikgeschichte,<br />
so Karol Szymanowskis Oper<br />
„König Roger“ – uraufgeführt 1926. Die<br />
Musik ist ein einziger Rausch, greifbare<br />
Ekstase, Ausnahmezustand – etwa in Gestalt<br />
eines riesigen Chores. Das Drama, das<br />
von Erleuchtung handelt und wo eine geordnete<br />
Welt aus den Fugen gerät, „stand<br />
mir in einer schlaflosen Spanische-Grippe-<br />
Nacht plötzlich vor Augen“, so der polnische<br />
Komponist, der selbst erkrankt war.<br />
Das verheerende Erdbeben von Lissabon<br />
1755 veranlasste Georg Philipp Telemann,<br />
ein geistliches Oratorium zu schreiben, das<br />
als „Donnerode“ bekannt und eine seiner<br />
zu Lebzeiten meistaufgeführten Musiken<br />
wurde. Naturgewalt und Gottes Macht prallen<br />
in diesem empfindsamen Opus aufeinander.<br />
Harsche Kontraste, schmetternde<br />
Trompeten, Paukensoli und Arien, die ohne<br />
Da-capo-Teil auskommen, drücken das<br />
fluchtartige, dramatische Geschehen aus.<br />
Ein „Trotz allem“ nach<br />
Verheerungen des Krieges<br />
Neben solchen Naturkatastrophen, Epidemien<br />
und Pandemien waren es immer<br />
wieder bewaffnete Konflikte, unter deren<br />
Einfluss oder in deren Folge Komponisten<br />
Großes leisteten. Das imposanteste Beispiel<br />
aus frühbarocker Zeit ist die „Geistliche<br />
Chor-Music 1648“. Heinrich Schütz<br />
hatte diese dank ihrer meisterhaften Verschmelzung<br />
von Wort und Ton bedeutendste<br />
Motettensammlung des Jahrhunderts<br />
Ende des Dreißigjährigen Krieges<br />
veröffentlicht. Es mag Koinzidenz sein,<br />
immerhin reicht die Entstehungszeit mancher<br />
der 29 Motetten Jahrzehnte zurück,<br />
doch wohnt dem Erscheinen der Sammlung<br />
ausgerechnet im ersehnten Friedensjahr<br />
1648 eine starke Symbolik inne: Es<br />
war ein „Trotz alldem“, eine Demonstration<br />
der tröstenden, aufbauenden Wirkung<br />
von Musik – nicht zuletzt für Schütz persönlich,<br />
dessen Leben früh von Schicksalsschlägen<br />
getroffen wurde.<br />
Arnold Schönbergs achtstimmige Motette<br />
„Friede auf Erden“ vermochte sich 1907<br />
nicht als Verheißung zu offenbaren – 40<br />
Jahre später sollte sich Schönberg mit dem<br />
Melodram „Ein Überlebender aus Warschau“<br />
zum Völkermord an den Juden positionieren.<br />
Beide Weltkriege sorgten mit<br />
dem unfassbaren Leid, das sie auslösten,<br />
für musikhistorische Zäsuren, Sinnkrisen,<br />
grundlegende Stilwandel und brachten eine<br />
Vielzahl an Werken hervor. Diese entstanden<br />
entweder in unmittelbarer Folge oder<br />
mit zeitlicher Verzögerung, um dann anhaltende<br />
Konflikte aufzugreifen wie den<br />
Antisemitismus in Schostakowitschs 13.<br />
Sinfonie.<br />
Es gibt ein umfangreiches Verzeichnis an<br />
Kompositionen von 1914 bis in die frühen<br />
1930er-Jahre, in denen ein Bezug zum<br />
Ersten Weltkrieg erkennbar ist. Die Liste<br />
der Werke, die sich auf den Zweiten Weltkrieg<br />
beziehen, dürfte noch umfangreicher<br />
sein. Hier nur drei weitere Beispiele: Kar-<br />
KulturFenster<br />
50 02/April <strong>2021</strong>
Chorwesen<br />
freitag 1945 schrieb der Dresdner Kreuzkantor<br />
Rudolf Mauersberger die ergreifende<br />
Trauermotette „Wie liegt die Stadt<br />
so wüst“ unter dem Eindruck der gerade<br />
zerstörten Stadt und dem Verlust einiger<br />
Chorknaben. Der betagte Richard Strauss<br />
schuf in jenen Tagen die Metamorphosen<br />
für 23 Solostreicher – ein Spätwerk, das<br />
symbolisch für Vernichtung, Vereinzelung<br />
und Abschluss einer Epoche steht. Karl<br />
Amadeus Hartmann verfasste die mit Zitaten<br />
aus klassischer Musik und jüdischem<br />
Leben gespickte Klaviersonate „27. April<br />
1945“ – „die wohl rascheste Antwort … für<br />
humanistisches, engagiertes und expressives<br />
Komponieren“ (Hans-Werner Heister).<br />
Die erinnernde und verarbeitende Beschäftigung<br />
mit dem Zweiten Weltkrieg und Holocaust<br />
schlägt sich in zahlreichen Partituren<br />
nieder. Exemplarisch steht dafür das<br />
gesamte Schaffen des gebürtigen Leipzigers<br />
Herman Berlinski, das sich mit jüdischer<br />
Identität auseinandersetzt. Benjamin<br />
Brittens „War Requiem“ wurde 1962<br />
in der wiederaufgebauten Kathedrale von<br />
Coventry uraufgeführt. Der Japaner Toshio<br />
Hosokawa komponierte 1989 das Oratorium<br />
„Voiceless Voice in Hiroshima“; überarbeitet<br />
kam es 2001 in München zur Uraufführung.<br />
Auch Luigi Nono („Ricorda<br />
cosa ti hanno fatto in Auschwitz“, 1966)<br />
und Krzysztof Penderecki („Kadisz“, 2009)<br />
hielten die Erinnerung wach.<br />
Menschengemachte<br />
Katastrophen und<br />
private Tragödien<br />
Der Atombombenabwurf in Hiroshima. Der Japaner Toshio Hosokawa komponierte 1989<br />
das Oratorium „Voiceless Voice in Hiroshima“; überarbeitet kam es 2001 in München<br />
zur Uraufführung.<br />
Andere menschengemachte Katastrophen<br />
bewegten Komponisten, darunter<br />
das Reaktorunglück von Tschernobyl oder<br />
die Migrationen der Gegenwart. Der Franzose<br />
Philippe Manoury mischte in seinem<br />
„Lab.Oratorium“ Solisten- und Chorstimmen,<br />
Live-Elektronik, Orchesterklänge und<br />
Schauspielpartien, um den Flüchtlingen<br />
dieser Welt eine Stimme zu geben. Damit<br />
entwarf er „ein gesellschaftliches Ideal, in<br />
dem niemand ausgegrenzt, aber auch keine<br />
heile Welt vorgegaukelt wird“, schrieb Kritiker<br />
Reinhard J. Brembeck nach der Uraufführung<br />
durch das Gürzenich-Orchester<br />
in Köln im Mai 2019.<br />
Neben den unzähligen traurigen Anlässen<br />
und Zuständen von gesellschaftlicher<br />
Tragweite gibt es stillere, privatere. Johann<br />
Sebastian Bach war davon geprägt. Seine<br />
Stücke haben bis heute nichts von ihrer<br />
geradezu universellen Ausstrahlung eingebüßt.<br />
Die Psychoanalytikerin und Trauma-<br />
Expertin Luise Reddemann hat Bachs Leben<br />
und Wirken intensiver untersucht und<br />
erfahren: „Ich habe mit einer Gruppe von<br />
Therapeut*innen einen Tag mit der Kantate<br />
‚Ich hatte viel Bekümmernis‘ verbracht. Für<br />
einige war es ungewohnt, sich mit der Musik<br />
von Bach zu beschäftigen. Aber nach<br />
und nach waren doch alle von der Tiefe des<br />
Ausdrucks von Kummer und Freude, Verzweiflung<br />
und Trost ergriffen. … Bei einem<br />
Seminar über Resilienz mit in der Palliativmedizin<br />
tätigen KollegInnen waren wir manchmal<br />
erschöpft und bekümmert. Einige Teile<br />
Zur Person<br />
der Kantate haben uns geholfen, uns wieder<br />
als getragen und aufgehoben zu erleben.“<br />
Bach – ein Universalhelfer in Krisensituationen?<br />
Dem könnte so sein. Auf jeden<br />
Fall ergänzt seine Musik den Kanon all der<br />
Werke, die geschrieben wurden, um Menschen<br />
auch in größter Not und Verzweiflung<br />
aufzufangen, ihnen zu helfen, sie zu<br />
trösten, zu kräftigen und hoffen zu lassen.<br />
Freilich nur ein Bruchteil konnte hier zur<br />
Sprache kommen.<br />
Karsten Blüthgen<br />
Der Beitrag erschien in „Chorzeit.<br />
Das Vokalmagazin“, Ausgabe April <strong>2021</strong><br />
Autor Karsten Blüthgen studierte zunächst Akustik, später Musikwissenschaft.<br />
Nach beruflichen Anfängen als Ingenieur wandte er sich der Musik zu und ist<br />
heute hauptsächlich auf diesem weiten Feld aktiv. Er übernahm Lehraufträge im<br />
Bereich der Systematischen Musikwissenschaft in Leipzig<br />
und Dresden, verfasst Texte für Konzertprogramme und<br />
CD-Booklets.<br />
Er verantwortet die Dramaturgie beim Festival Sandstein<br />
und Musik und wirkt dramaturgisch bei den Internationalen<br />
Schostakowitsch Tagen Gohrisch mit. Seine<br />
Leidenschaft für Musikjournalismus offenbarte sich<br />
1998 bei einem Konzert des Thomanerchors Leipzig<br />
gemeinsam mit dem Jazzpianisten Joachim Kühn.<br />
Heute schreibt Karsten Blüthgen für verschiedene Tageszeitungen,<br />
Magazine und Fachzeitschriften. Neben<br />
der Musik liebt der Lausitzer die Natur und den<br />
Ausdauersport.<br />
Foto-Copyright: Thomas Lehmann<br />
KulturFenster 51<br />
02/April <strong>2021</strong>
Jung+<br />
Stimmgewaltig<br />
Foto vom Jahr 2019 bei der Veranstaltung<br />
„Advent im Jugenddienst“<br />
Sänger*innen:<br />
27 junge und junggebliebene Sänger*innen<br />
im Alter von 17 bis 39 Jahren<br />
Unser Motto lautet:<br />
Musik – neu – anders – jung – modern<br />
– religiös<br />
Wer sind wir, was macht uns aus? Was ist<br />
unsere Motivation?<br />
Wir sind eine motivierte Gruppe von Jugendlichen<br />
und jungen Erwachsenen im<br />
Unterland. Unsere Gemeinsamkeit: wir alle<br />
glauben, singen oder musizieren gerne und<br />
möchten unseren Glauben offen in die<br />
Pfarrgemeinden bringen um weitere Menschen<br />
damit anzustecken. Dabei sind Offenheit,<br />
Gemeinschaft, Freude, Spaß und<br />
Respekt grundlegende Werte, die bei uns<br />
gelebt und nach außen getragen werden.<br />
Begleitet<br />
werden<br />
wir als Chor<br />
vom Jugenddienst<br />
Unterland,<br />
finanziell unterstützt von<br />
der Bezirksgemeinschaft Überetsch<br />
Unterland.<br />
Wie kam es zur Gründung? Seit wann besteht<br />
der Chor?<br />
Gegründet wurde unser Chor „LautStork“<br />
im Jahr 2016 als musikalisches Projekt vom<br />
Verein Jugenddienst Unterland. Hintergrundgedanke<br />
war und ist es heute noch,<br />
jungen Menschen die Möglichkeit zu geben,<br />
ihren Glauben zu leben, zu zeigen<br />
und durch Musik und neuem Schwung<br />
Gottesdienste und andere religiöse Feiern<br />
mitzugestalten.<br />
Was waren<br />
unsere Highlights<br />
in der Vergangenheit?<br />
In den letzten fünf<br />
Jahren gab es viele Highlights<br />
bei unseren Proben und<br />
Auftritten. Ein besonderes Highlight war sicherlich<br />
die vom Jugenddienst Unterland<br />
organisierte Jugendmesse „Rise up“ im<br />
Jahr 2019 mit Lichtershow in der Pfarrkirche<br />
von Branzoll. Aber auch der Auftritt<br />
beim Festival „Cyrill Chill“ in Brixen sowie<br />
die jeweiligen Abschlusskonzerte unseres<br />
Chores gehören zu den Highlights der vergangenen<br />
Jahre.<br />
Was sind die Pläne für die Zukunft?<br />
Auch in den nächsten Jahren möchten wir<br />
unsere Motivation und unseren Schwung<br />
beibehalten und besonders ab Herbst<br />
KulturFenster<br />
52 02April <strong>2021</strong>
<strong>2021</strong> wieder mit regelmäßigen Proben und<br />
Auftritten starten. Einer unserer größeren<br />
Auftritte wird wieder bei der zweiten Veranstaltung<br />
der Jugendmesse mit Lichtershow<br />
„Rise up“ im Jahr 2022 sein.<br />
Wer kann bei uns mitmachen? Wie kann<br />
man bei uns mitmachen?<br />
Wir als Chor „LautStork“ sind offen für<br />
alle, die sich gerne daran beteiligen möchten.<br />
Mitmachen können bei uns alle Jugendlichen<br />
und jungen Erwachsenen ab<br />
14 Jahren, die gerne singen oder selbst<br />
ein Instrument spielen. Die Teilnahme<br />
ist freiwillig und ehrenamtlich, natürlich<br />
sind wir aber froh, wenn Sänger*innen<br />
regelmäßig beim Chor mitmachen. Uns<br />
ist es sehr wichtig, als Gruppe gemeinsam<br />
zu (zusammen)wachsen und voneinander<br />
zu lernen.<br />
SoniaKalser<br />
Portrait der Chorleiterin<br />
Ich bin Sonia Kalser, Grundschullehrerin<br />
aus Aldein. Seit zwei Jahren<br />
darf ich den Chor LautStork begleiten.<br />
Musik ist meine Leidenschaft,<br />
seit ich mit sechs Jahren zum ersten<br />
Mal die Musikschule besuchte, und<br />
ist bis heute mein täglicher Begleiter,<br />
aus dem ich Kraft und Freude<br />
schöpfen darf.<br />
Aktuell wirke ich in verschiedenen<br />
kleinen Ensembles, sowie einer<br />
Band mit. Das Projekt Lautstork ist<br />
eine besondere, aufregende Aufgabe<br />
für mich.<br />
Hiernoch zwei<br />
Youtube-Links<br />
zumProbehoren<br />
:<br />
Weihnachtsspecial 2020:<br />
Der Landesjugenchor<br />
https://www.youtube.com/<br />
watch?v=hZ8L25dyi4I<br />
Alles wird gut – ein Lied<br />
geschrieben von den Mitgliedern<br />
des Chores - <strong>2021</strong><br />
https://www.youtube.com/<br />
watch?v=VIrVd9Yg88E<br />
KulturFenster<br />
53 02April <strong>2021</strong>
EigeneEmotionen ausdrucken<br />
:<br />
Die jungen Rapper Duzzq & LA<br />
HipHop und Chorgesang schließen<br />
sich nicht aus. Ivan Huber<br />
und Johannes Aschbacher,<br />
21 bzw. 18 Jahre alt, sind die<br />
Rapper Duzzq und L.A und machen<br />
HipHop Musik, singen<br />
aber auch im Landesjugendchor<br />
Südtirol.<br />
Duzzq, der eigentlich Ivan<br />
Huber heißt, macht seit seinem<br />
8. Lebensjahr Musik:<br />
„Mich hat immer schon die<br />
Rhythmik an Songs fasziniert.<br />
Also war das erste Instrument,<br />
das ich gelernt habe,<br />
Schlagzeug. Danach kamen<br />
Gitarre und Klavier hinzu“,<br />
sagt er. Duzzq studiert am Tiroler<br />
Landeskonservatorium<br />
in Innsbruck Gesang. Nebenbei<br />
macht er mit seinem<br />
Rap- und Produktionspartner<br />
Johannes Aschbacher alias L.A Songs.<br />
Ivan Huber erzählt, wie die beiden zum<br />
HipHop gekommen sind: „HipHop/Rap<br />
ist das Musikgenre, das uns beide seit<br />
Jahren beschäftigt und auch beeinflusst.<br />
Johannes und ich haben uns im Landesjugendchor<br />
Südtirol kennengelernt, und so<br />
kam das Thema HipHop/Rap rasch ins Gespräch.<br />
Das Große Rap-Idol von Johannes<br />
ist Travis Scott und mein Idol ist die Rap-<br />
Legende Eminem. Da wir uns beide ausgehend<br />
von unsren Rap-Idolen hauptsächlich<br />
für die amerikanische Rapszene<br />
interessieren, sind wir zum Entschluss gekommen,<br />
selbst Musik zu produzieren.“<br />
Dabei orientierten sich die Songs am amerikanischen<br />
HipHop und Rap, sind aber<br />
von Anfang bis Ende selbst erdacht und<br />
komponiert. Das gilt für die Texte, Melodie,<br />
Harmonie und die strukturierte Verbindung<br />
der einzelnen musikalischen sowie<br />
lyrischen Elemente. Hilfreich war da<br />
auch, dass die beiden sich von Anfang an<br />
gut verstanden und gut zusammenarbeiteten<br />
und sich kreativ ergänzten – nicht nur<br />
Leidenschaft in der Musik hat sich so entwickelt,<br />
sondern eine „markante Freundschaft“,<br />
wie Ivan Huber sagt.<br />
Was HipHop und Rap<br />
so toll macht…<br />
„Das Schöne an der HipHop/Rap Musik ist<br />
sicher die Umsetzung der selbstgeschriebenen<br />
Texte. Wir schreiben unsere Texte<br />
selbst und da wir MC‘s sind, werden unsere<br />
Emotionen in Verbindung mit der Musik<br />
verdeutlicht.“ MC bedeutet, dass „jedes<br />
einzelne Wort auch wirklich so gemeint ist<br />
und aus unserem Bauch frei und ehrlich<br />
herausgeschrieben wird“, erklärt Ivan Huber.<br />
„Was HipHop/Rap uns gibt, ist diese<br />
Sicherheit und Leidenschaft auf einem<br />
selbstproduzierten Beat unsere Gedanken<br />
mit verschiedenen Gefühlen zu präsentieren.“<br />
Die beiden Musiker haben bereits viel<br />
Erfahrung in der Klassischen Musik und<br />
sind von ihr sehr beeindruckt. Ivan Huber<br />
betont, dass die Auseinandersetzung mit<br />
musikalischen Themen aus der Klassik,<br />
vor allem im Gesang, für ihn eine große Bereicherung<br />
sei. „Wir probieren stets neue<br />
Ideen aus für unsere Produktionen, so haben<br />
wir auch Themen verarbeitet, die wir<br />
aus der klassischen Stilrichtung entnommen<br />
haben. Dazu gehören etwa auch Passagen<br />
mit klassischem Gesang oder auch<br />
kleine abgekupferte Melodien,<br />
die wir ohne Probleme verarbeiten<br />
konnten. Klassische<br />
Musik und HipHop/Rap unterscheiden<br />
sich sehr voneinander,<br />
aber uns gelingt es<br />
durch Kreativität eine Verbindung<br />
herzustellen, die durchaus<br />
Sinn ergibt.“<br />
Den eigenen<br />
Gefühlen Ausdruck<br />
geben…<br />
Evil Butteries<br />
Dabei liegt die Faszination<br />
des Raps wohl vor allem in<br />
der Verbindung von Text und<br />
Musik, was diese Musik so<br />
geeignet macht für den Ausdruck<br />
von eigenen Gedanken<br />
und Gefühlen. Auch die Themen<br />
von Duzzq & LA basieren<br />
hauptsächlich auf selbsterlebten Situationen<br />
und sind ihre ganz eigenen Gedanken.<br />
Ihre neuste Produktion, die noch unveröffentlicht<br />
ist, heißt „Evil Butterflies“. In<br />
diesem Song geht es um Situationen von<br />
früher und auch heute, die für die beiden<br />
schwer zu verkraften waren, wie zum Beispiel<br />
Mobbing. „Vor allem möchten wir mit<br />
diesem Song vermitteln, dass man nicht<br />
jedem Menschen sofort Vertrauen schenken<br />
soll, da er dich hintergehen könnte<br />
(Evil) – auch wie sympathisch, klug oder<br />
schön er dir vorkommt (Butterfly)“, erklärt<br />
Duzzq. Duzzq & LA bekommen oft Rückmeldungen<br />
zu ihrer Musik und „Ein positives<br />
Feedback zu erhalten fühlt sich sehr<br />
gut an. Wir bekommen aber auch manchmal<br />
nicht so gute Meinungen gegenüber<br />
unseren Produktionen, aber das hält uns<br />
in keinster Weise ab weiter Musik zu produzieren.“<br />
Ihr größtes Ziel sei es, mit ihren<br />
Songs national und international bekannt<br />
zu werden, auch wenn es sehr schwierig<br />
sei, im heutigen Music Business aufmerskamkeit<br />
zu erlangen.<br />
https://www.youtube.com/<br />
watch?v=Y9R7gJpzm3Y<br />
KulturFenster<br />
54<br />
02April <strong>2021</strong>
SCV-intern<br />
Musikalische Aktionswoche für Grundschüler<br />
der 2. bis 5. Klasse (Stand Schuljahr 2020/21)<br />
Montag bis Freitag von 8.30 bis 12.30 Uhr<br />
Musikschule Bruneck<br />
12. - 16. Juli und 26. - 30. Juli<br />
mit Franzisca Seiwald und<br />
Sabrina Fraternali<br />
Musikschule Seis<br />
19. - 23. Juli<br />
mit Renate Unterthiner und<br />
Viktoria Erlacher<br />
Kulturhaus Villnöß<br />
19. - 23. Juli<br />
mit Sonja Profanter und<br />
Hanna Portner<br />
Musikschule Vintl<br />
9. - 13. August<br />
mit Renate Unterthiner und Ingrid Wieser<br />
Musikschule Meran<br />
16. - 20. August<br />
mit Isabella Stricker und Elisa Vieider<br />
Weitere Informationen unter:<br />
info@scv.bz.it<br />
t. 0471/971833<br />
f. 0471/303862<br />
Kursprogramm <strong>2021</strong><br />
Fr. 2. – So. 4. Juli<br />
Workshop für Chorleiter*innen im Kolpinghaus Bozen<br />
Zielgruppe: Neueinsteiger*innen und<br />
erfahrene Chorleiter*innen<br />
Leitung: Jan Scheerer<br />
So. 1. – Fr. 6. August<br />
Seminar für ChorleiterInnen in Dietenheim<br />
Zielgruppe: Neueinsteiger*innen und erfahrene<br />
Chorleiter*innen<br />
Leitung: Nataliya Lukina<br />
Sa. 28. August – Sa. 4. September<br />
Musical Fever Plus im Priesterseminar Brixen<br />
Zielgruppe: Jugendliche von 16 bis 25 Jahren<br />
Leitung: Stephen Lloyd<br />
Fr. 1. Oktober<br />
Seminar „Wie man Stimmen zum Klingen bringt!“<br />
im Kolpinghaus Bozen<br />
Zielgruppe: Pädagogen*innen und Chorleiter*innen<br />
Leitung: Veronica Bertsch<br />
Sa. 2. Oktober<br />
„Let‘s sing – let‘s swing – let‘s groove” Pop & Chor<br />
im Kolpinghaus Bozen<br />
Zielgruppe: Chorsänger*innen und Chorleiter*innen<br />
Leitung: Veronica Bertsch<br />
Sa. 9. Oktober<br />
Seminar für Kinderchorleiter/innen im Kolpinghaus Bozen<br />
Zielgruppe: Chorleiter*innen und Lehrer*innen für Kinder im<br />
Grund- und Mittelschulalter<br />
Leitung: Yoshihisha Matthias Kinoshita<br />
Sa. 16. Oktober<br />
Singtag für Chorsänger*innen 50+ im Kolpinghaus Bozen<br />
Zielgruppe: Chorsänger*innen 50+<br />
Leitung: Edgar Wolf<br />
info@scv.bz.it<br />
t. 0471/971833<br />
KulturFenster<br />
55 02/April <strong>2021</strong>
SCV-Intern<br />
Unser Lieblingslied<br />
Erfolgreiches Online-Konzert<br />
Konzertfeeling in Corona-Zeiten: Bei einem<br />
YouTube-Konzert unter dem Motto „Mein<br />
Lieblingslied“ konnten sich am Abend des<br />
24. April rund 720 Zuhörer und Zuhörerinnen<br />
wieder an die Zeiten vor Corona erinnern.<br />
Die Idee zum Online-Konzert auf YouTube<br />
ist sehr gut bei den Chören im Lande angekommen.<br />
Über 40 Chöre nahmen an diesem<br />
Online-Konzertabend teil und haben<br />
einen Betrag eingesandt. Die Aufnahmen<br />
sind mehrheitlich vor der Corona-Pandemie<br />
entstanden. Die „Lieblingslieder“ erinnerten<br />
an wundervolle Konzerte, an gemeinsame<br />
Erlebnisse, an Chorreisen, an<br />
Messgestaltungen oder einfach an inspirierende<br />
Chorproben in einer schönen Gemeinschaft.<br />
Die Idee zu diesem Konzert hatte der Bezirksausschuss<br />
Bozen. Bezirksobmann<br />
Josef Vieider: „Wir haben uns lange ohnmächtig<br />
gefühlt, weil wir nicht so recht wussten,<br />
wie wir unsere Chöre „bei Laune“ halten<br />
könnten. Dann ist die Idee zu einem Online-<br />
Konzert geboren mit Liedern, die aus der<br />
Zeit stammten, wo das gemeinsame Singen<br />
noch möglich war. Damit sollte die Erinne-<br />
„<br />
Niemals zuvor gab es bei uns ein<br />
Chorkonzert mit so vielen beteiligten<br />
Chören und niemals gab es bei unseren<br />
Konzerten so viele Zuhörer“,<br />
„<br />
betont Josef Vieider<br />
Josef Vieider<br />
rung an angenehme Stunden wachgerufen<br />
werden. Daraus haben wir schnell den Titel<br />
„Unser Lieblingslied“ abgeleitet.“ Zunächst<br />
wollte der Bezirksausschuss das Konzert auf<br />
Bezirksebene organisieren. SCV-Geschäftsführer<br />
Dietmar Thanei war von der Initiative<br />
sofort begeistert und hat den Vorschlag gemacht,<br />
alle Chöre des Landes zum Mitmachen<br />
einzuladen. „Im Nachhinein war das<br />
eine goldrichtige Entscheidung. Niemals zu-<br />
KulturFenster<br />
56 02/April <strong>2021</strong>
Chorwesen<br />
vor gab es bei uns ein Chorkonzert mit so vielen beteiligten<br />
Chören und niemals gab es bei unseren Konzerten<br />
so viele Zuhörer“, betont Josef Vieider. Dietmar Thanei<br />
unterlegte das Konzert mit passenden Aufnahmen von<br />
den Chören. Die Bilder beim Konzert gaben einen interessanten<br />
Einblick in das Chor-Geschehen, in die Umgebung<br />
und in die Kirchen der teilnehmenden Chöre.<br />
„Ich habe viele positive Rückmeldungen bekommen.<br />
Ich persönlich habe das Konzert so richtig genossen.<br />
Auch der Zeitpunkt scheint gut angekommen zu sein.<br />
Das ist als Motivationsschub kurz vor Beginn unserer<br />
(zwar eingeschränkten) Tätigkeit gerade recht gekommen“,<br />
freut sich Josef Vieider. Das Video wurde auch<br />
mehrere tausend Male angeklickt und zahlreich positiv<br />
kommentiert<br />
Paul Bertagnolli<br />
Sichere Chorproben in der Pandemie<br />
Webinar mit Bernd Gänsbacher<br />
Bei einem vom Südtiroler Chorverband organisierten<br />
Webinar mit dem bekannten<br />
Immunologen Bernd Gänsbacher konnten<br />
die zahlreichen Interessierten Fragen<br />
zum Thema Corona und Singen stellen.<br />
Verbandsobmann Erich Deltedesco freute<br />
sich in seinen Grußworten über die Möglichkeit,<br />
dass sich die Sänger und Sängerinnen<br />
mit ihren Fragen direkt an den<br />
Experten wenden können. Verbandschorleiterin<br />
Renate Unterthiner moderierte das<br />
Seminar und verlas die bereits vorher eingeschickten<br />
Fragen, auf die der Wissenschaftler<br />
detailliert einging. Aber auch während<br />
des Seminars gab es die Möglichkeit, Fragen<br />
im Chat zu deponieren. Bernd Gänsbacher<br />
zeigte sich als guter Wissensver-<br />
mittler und erklärte den Teilnehmern und<br />
Teilnehmerinnen auf interessante Weise,<br />
wie das Coronavirus und die Impfung wirken.<br />
Er betonte, dass die beste Möglichkeit<br />
für ein sicheres Proben das regelmäßige<br />
und wiederholte Testen sei. Nur vor<br />
der Probe zu testen, sei zu wenig, da der<br />
Antigentest nicht absolut sicher sei und<br />
deshalb mindestens zweimal im Vorfeld<br />
gemacht werden muss. Er betonte außerdem,<br />
wie wichtig es sei, gut zu lüften. Jeder<br />
Sänger und jede Sängerin müsse sich<br />
im Klaren sein, dass das Singen auch im<br />
Freien ein höheres Ansteckungsrisiko bedeute<br />
als bloßes Sprechen. Umso mehr sei<br />
es wichtig, dass jedes Chormitglied das Risiko<br />
durch sicheres Verhalten minimiere.<br />
Prof. Bernd Gänsbacher<br />
KulturFenster<br />
57 02/April <strong>2021</strong>
komponiert<br />
Harmonie und<br />
Einfachheit<br />
Die Komponistin<br />
Annelies Oberschmied<br />
Sie ist Sängerin, Stimmbildnerin, Musikschullehrerin, Komponistin, Organistin, Chorleiterin,<br />
Begleiterin, Referentin, Autorin, Körpertherapeutin, Mutter: Annelies Oberschmied<br />
aus Reischach, die heute in Telfs lebt, kennen viele Südtiroler Sänger und Sängerinnen<br />
als Stimmbildnerin, vor allem aber auch haben viele schon ihre Lieder gesungen. Die<br />
Liebe zum Singen und zur Musik entdeckte die Musikerin in der frühen Kindheit durch<br />
das gemeinsame Singen zu Hause, erzählt die Komponistin.<br />
<strong>Kulturfenster</strong>: Die Musik spielt in Ihrem<br />
Leben eine zentrale Rolle, wie ist es dazu<br />
gekommen?<br />
Annelies Oberschmied: Mein Leben ist<br />
schon seit der frühen Kindheit von Musik<br />
umgeben. Die einfache Mehrstimmigkeit<br />
der Volkslieder, gemeinsam gesungen<br />
im familiären Umfeld, verbinde<br />
ich mit Heimatgefühl. Heimatgefühle<br />
habe ich in Nord- und Südtirol, dort wo<br />
ich lebe und dort wo meine Wurzeln und<br />
mein Arbeitsplatz sind. Die Orgel mit all<br />
ihren Möglichkeiten und Klängen faszinierte<br />
mich schon als 5-jähriges Mädchen<br />
so stark, dass ich unbedingt dieses Instrument<br />
erlernen wollte. Mit 12 Jahren<br />
reichten zwar die Füße kaum an die Pedale,<br />
aber das Können für die Begleitung<br />
der Gemeindelieder im Gottesdienst. Dadurch<br />
kam ich in Kontakt mit Chormusik,<br />
mit Chorproben, wo ich auch schon<br />
bald erste Erfahrungen als Korrepetitorin<br />
und den Umgang mit gesungenen Harmonien<br />
sammeln konnte.<br />
KF: Wo lagen die Schwerpunkte in Ihrer<br />
musikalischen Ausbildung?<br />
Oberschmied: Die Leidenschaft zur Musik<br />
hat mich zum Orgelstudium in Bozen<br />
und später auch in Wien bewogen. Als Teil<br />
des Kirchenmusikstudiums habe ich mich<br />
unzählige Stunden mit dem Fach „kirchliche<br />
Komposition“ beschäftigt. Ein neuer<br />
Schwerpunkt in Wien wurde die Arbeit mit<br />
der eigenen Stimme, zum einen im solistischen<br />
Gesang und zum anderen in Verbindung<br />
mit dem Chorleitungsstudium.<br />
Die Faszination, Chorklang zu modellieren<br />
oder selber Teil eines Chorklangkörpers<br />
zu sein und die musikalischen und<br />
emotionalen Sternstunden als Sopranistin<br />
im Arnold Schönberg-Chor haben meine<br />
Vorstellung von Klangidealen geprägt.<br />
KF: Was bedeutet Ihnen Ihre Aufgabe als<br />
Lehrerin an der Musikschule?<br />
Oberschmied: Die Freude an der Musik<br />
weiterzugeben ist mein Beruf geworden.<br />
Stimmen entdecken, begleiten und pflegen<br />
ist für mich immer wieder spannend.<br />
In der Musikschule Bruneck darf ich Kinder,<br />
Jugendliche und Erwachsene auf ihrem<br />
Weg von der Einstimmigkeit bis zum<br />
großen Chorklang, vom einfachen Liedchen<br />
bis zur Opernarie begleiten. Für<br />
meine Schüler und die Arbeit als Referen-<br />
KulturFenster<br />
58 02/April <strong>2021</strong>
Chorwesen<br />
„<br />
Meine Lieder entstehen spontan, inspiriert<br />
von besonderen Ereignissen,<br />
Eindrücken oder Emotionen.<br />
„<br />
Annelies Oberschmied<br />
tin für Vokalangelegenheiten bei Kursen<br />
ist die Sammlung „Stimm-übungen à la<br />
carte“ erschienen. Hier habe ich meine<br />
kreativen Ideen zum „Training der Stimme“<br />
gesammelt.<br />
KF: Sie sind auch als Sängerin bekannt.<br />
Oberschmied: Selber singend war ich in<br />
den letzten 15 Jahren als Solistin und Ensemblesängerin<br />
in der „Capella Wilthinensis“<br />
in Innsbruck tätig. Den großen Schatz<br />
an geistlicher Vokalmusik, allen voran die<br />
Bach-Motetten, aber auch die Sopranarien<br />
aus Passionen und Kantaten oder manchen<br />
Mozart- und Haydn-Messen, sowie<br />
das Erlebnis des professionellen Ensemblesingens<br />
möchte ich nicht missen.<br />
Genauso, wie ich auch das Singen von<br />
Jodlern und Volksliedern nicht missen<br />
möchte. Es ist die Einfachheit der Harmonien<br />
und des Textes, die immer wieder neu<br />
bewegen. Auch ein Grund, warum diese<br />
Lieder meist mündlich überliefert wurden<br />
und immer noch durch das gemeinsame<br />
Singen weiterverbreitet werden.<br />
KF: Kommen wir zu Ihrer Tätigkeit als<br />
Komponistin. Wie entstehen Ihre Lieder?<br />
Oberschmied: Meine Lieder entstehen<br />
spontan, inspiriert von besonderen Er-<br />
eignissen, Eindrücken oder Emotionen.<br />
Dann mache ich Text und Melodie selber.<br />
Es ist nämlich nicht so leicht, Texte<br />
für neue Volkslieder zu finden, die dann<br />
durch das passende Versmaß in Rhythmus<br />
und Melodieführung eins werden.<br />
Meinem relativ langen Arbeitsweg, aus<br />
dem Zugfenster schauend, habe ich viele<br />
Texte, Melodien und Ideen zu verdanken.<br />
Es braucht diese gewisse Langeweile, damit<br />
im Kopf neue Ideen entstehen können.<br />
Das gilt fürs Komponieren fast genauso<br />
wie für die Kreativität bei Kindern.<br />
In meinem Repertoire finden sich manche<br />
kirchliche Kompositionen im modernen<br />
Stil (wenn man das so nennen will),<br />
Kindermessen, Kinderlieder, ein Singspiel,<br />
neue geistliche Lieder und Volkslieder.<br />
Darunter finden sich auch Auftragswerke<br />
oder Stücke, die aus einer Not<br />
heraus entstanden sind. Einige schöne<br />
Volkslied-Aufträge habe ich vom Männerchor<br />
„Brummnet“ erhalten. Wenn man ein<br />
Ensemble oder einen Chor kennt, kann<br />
man sozusagen „auf den Leib geschneidert“<br />
schreiben. Dann ist das Ganze am<br />
stimmigsten. Ein besonderer Moment ist<br />
immer wieder jener, in welchem man das<br />
eigene Lied zum ersten Mal von anderen<br />
musiziert hört. Es ist ein bisschen zu vergleichen<br />
mit dem Gefühl, wenn man sein<br />
Kind zum ersten Mal in den Kindergarten<br />
bringt – ein großes Stück Vertrauen im<br />
Umgang mit etwas, das einem ans Herz<br />
gewachsen ist.<br />
KF: Wie war es beim Lied „Mitanond singen“,<br />
das wir hier abdrucken?<br />
Oberschmied: Das Lied „Mitanond singen“,<br />
welches in der nächsten Ausgabe abgedruckt<br />
wird, ist vor genau einem Jahr, genauer<br />
gesagt bei einem Spaziergang durch<br />
die Telfer Felder und der Sehnsucht nach<br />
einem Heimatbesuch – zu dem natürlich<br />
auch ein gemeinsames Lied gehört –<br />
entstanden. Bei der erstbesten Möglichkeit<br />
(Ende Mai 2020, zu Fuß (!) über die<br />
Brennergrenze) habe ich es mit InsoDrei<br />
- das sind neben mir Clara Sattler und<br />
meine Schwester Patrizia - dann ausprobiert.<br />
Darum ist auch der Bass eine ad<br />
libitum-Stimme und nicht zwingend notwendig.<br />
Das Lied soll in einfacher Weise<br />
das Glücksgefühl des gemeinsamen Singens<br />
beschreiben.<br />
KF: Wie würden Sie die Tonsprache Ihrer<br />
Lieder beschreiben?<br />
Oberschmied: Viele meiner Lieder gibt es<br />
im Nachhinein oder auf Anfrage für diverse<br />
Besetzungen. Die Tonsprache der<br />
Oberschmied-Lieder ist im Sinne der alten<br />
Volkslieder einfach gehalten. Bei der<br />
Harmonisierung erlaube ich mir allerdings<br />
auch kleine Spaziergänge außerhalb der<br />
Grundstufen, weil wir ja als Menschen<br />
auch immer wieder „neue Wege“ suchen.<br />
KF: Wo finden wir Ihre Lieder?<br />
Oberschmied: Mein Wunsch, ein Liederbuch<br />
herauszugeben, in dem alle meiner<br />
bisher erschienenen Volkslieder gesammelt<br />
sind, wird vielleicht irgendwann wahr<br />
und sucht noch einen Sponsor.<br />
Int.: Paul Bertagnolli<br />
Richtigstellung:<br />
Kirchenmusiker Prof. Josef Knapp<br />
Heuer wäre der Kirchenmusiker Josef<br />
Knapp 100 Jahre alt geworden. Knapp<br />
wurde 1921 in St. Lorenzen geboren und<br />
verstarb im Jahr 2014 und nicht, wie im<br />
Text fälschlicherweise geschrieben wurde,<br />
1914. Wir bitten die Leser und Leserinnen<br />
diesen Fehler zu entschuldigen.<br />
Aus der Redaktion<br />
Ihre Beiträge (Texte und Bilder) für die Chorwesen<br />
senden Sie bitte an: info@scv.bz.it (Südtiroler Chorverband)<br />
Für etwaige Vorschläge und Fragen erreichen Sie uns unter<br />
folgender Nummer: +39 0471 971 833 (SCV)<br />
Redaktionsschluss für<br />
die nächste Ausgabe des<br />
KulturFensters ist<br />
Donnerstag, 15. Juli <strong>2021</strong><br />
KulturFenster<br />
59 02/April <strong>2021</strong>
30.07.<strong>2021</strong><br />
Anmeldeschluss für interessierte Chöre<br />
zum „Tag der Chöre“<br />
in den Gärten von Schloss Trauttmansdorff<br />
am 19. September <strong>2021</strong>.<br />
Termine<br />
Infos unter: https://scv.bz.it/tag-der-choere<br />
31.07.<strong>2021</strong><br />
Konzert: Euregio-Jugendblasorchester<br />
Kulturzentrum Gustav Mahler Toblach, Beginn: 18.00 Uhr<br />
Infos unter: https://vsm.bz.it/<br />
17.09.<strong>2021</strong> und<br />
15.10.<strong>2021</strong><br />
Tagung:<br />
„Identitätsstiftende Orte“<br />
Infos unter: hpv.bz.it