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Kulturfenster Nr. 03|2021 - Juni 2021

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BLASMUSIK<br />

CHORWESEN<br />

HEIMATPFLEGE<br />

in Südtirol<br />

<strong>Nr</strong>. 3<br />

JUNI<br />

<strong>2021</strong><br />

Traminer Freskenzyklus neu interpretiert<br />

Ausblick und Vorfreude auf das Jugendfestival 2022<br />

Wie die Chormusik auf Krisen reagiert<br />

Poste Italiane SpA – Sped. in a.p. | -70% – NE BOLZANO – 71. Jahrgang – Zweimonatszeitschrift<br />

Poste Italiane SpA – Sped. in a.p. | -70% – NE BOLZANO – 73. Jahrgang – Zweimonatszeitschrift


vorausgeschickt<br />

Aus der Geschichte lernen<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

der Heimatpflegeverband widmet seine<br />

Titelgeschichte der neuen, sehr aufschlussreichen<br />

Interpretation des Freskenzyklus<br />

von Bartlme Dill Riemenschneider<br />

in der so genannten „Trinkstube“ des Ansitzes<br />

Langenmantel in Tramin. Dementsprechend<br />

ziert auch der zweigesichtige<br />

römische Gott Janus das Titelbild dieser<br />

Ausgabe. Er ist der Gott des Anfangs und<br />

des Endes, der Gott allen Ursprungs, nach<br />

dem auch der Monat „Januar“ benannt<br />

ist. Wie kaum ein anderer kann er wohl<br />

auch als aktuelles Symbol für das (nahende)<br />

Ende der Corona-Pandemie und<br />

den gemeinsamen Neubeginn stehen.<br />

Gleichermaßen zuversichtlich schaut der<br />

Verband Südtiroler Musikkapellen mit Vorfreude<br />

auf das Jugendfestival 2022, das<br />

Leidenschaft für Musik, Bewegung, Tanz<br />

und Schauspiel vereinen will. Die gleiche<br />

Zuversicht war auch in der Mitgliedervollversammlung<br />

des Verbandes zu spüren,<br />

denn im Rückblick auf dieses besondere<br />

Jahr habe sich vor allem gezeigt, dass<br />

die Blasmusik die Menschen gerade in<br />

schwierigen Zeiten bewegt.<br />

Die Kunst wird diejenige sein, die nach<br />

überstandender Krise die Corona-Zeit aufund<br />

verarbeiten wird, damit wir aus der Geschichte<br />

lernen können. So hat auch die<br />

Chormusik immer schon auf Katastrophen<br />

und Krisen reagiert. Der Akustiker und<br />

Musikwissenschaftler Karsten Blüthgen<br />

gibt dazu im Hauptthema des Chorverbandes<br />

einen interessanten historischen<br />

Überblick, wie die Komponisten dem Unfassbaren<br />

Ausdruck verliehen und dadurch<br />

Trost gespendet haben.<br />

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen wiederum<br />

eine unterhaltsame, aber auch informative<br />

Lektüre und einen aufschlussreichen<br />

Blick durch unser „KulturFenster“.<br />

Stephan Niederegger<br />

„<br />

Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich<br />

das. Wenn ich zwei Tage nicht übe, hört<br />

es mein Orchester. Wenn ich drei Tage<br />

nicht übe, hört es mein Publikum.<br />

„<br />

Yehudi Menuhin<br />

„<br />

Die Musik hat von allen Künsten den<br />

tiefsten Einfluss auf das Gemüt. Ein<br />

Gesetzgeber sollte sie deshalb am meisten<br />

unterstützen.<br />

„<br />

Napoleon Bonaparte<br />

KulturFenster<br />

2 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Inhalt<br />

In dieser Ausgabe<br />

Heimatpege<br />

Riemenschneider-Fresken neu interpretiert ......................... 4<br />

Nicht nur Beruf, sondern Berufung<br />

Josef Oberhofer geht in Pension........................................ 10<br />

„Wir sind am Puls der Zeit“<br />

Josef Oberhofer im Gespräch ............................................ 12<br />

Espan und Mult<br />

Flurnamen aus der Agrargeschichte, Teil 2........................ 15<br />

Dorferneuerung mit Bürgerbeteiligung<br />

Die Geschäftsstelle des Landes Tirol .................................. 16<br />

Wir sollen authentisch bleiben<br />

Den Tourismus nachhaltig und resilient gestalten............... 18<br />

Dinge des Alltags: Schnapshund und Schnapsschwein...... 19<br />

50 Jahre Einsatz für Natur- und Heimatschutz<br />

„Lia per Natura y Usanzes“ feiert Jubiläum ....................... 20<br />

Die Bergmannstracht<br />

„Glück auf!“ in festlichem Gewand .................................... 22<br />

Großer Einsatz für die Kulturlandschaften Tirols<br />

Im Gedenken an Dipl. Ing. Josef Menardi (1925–2020)..... 23<br />

Chorwesen<br />

Auf Krisen antworten – Chormusik hat schon immer<br />

auf Katastophen und Krisen reagiert.................................. 48<br />

Chorporträt „lautstark“ ...................................................... 52<br />

Eigene Emotonen ausdrücken<br />

Die jugen Rapper Duzzy & LA ........................................... 54<br />

Veranstaltungen und Kurse <strong>2021</strong> ...................................... 55<br />

Unser Lieblingslied<br />

Erfoglreiches Online-Konzert ............................................. 56<br />

Sichere Chorproben in der Pandemie<br />

Webinar mit Bernd Gänsbacher ........................................ 57<br />

Harmonie und Einfachheit<br />

Die Komponistin Annelies Oberschmied im Gespräch........ 58<br />

Blasmusik<br />

Leidenschaft für Musik, Bewegung, Tanz, Schauspiel<br />

Ausblick und Vorfreude auf das Jugendfestival 2022 ......... 24<br />

„Blasmusik bewegt – wieder!“<br />

73. VSM-Mitgliedervollversammlung.................................. 29<br />

Es war einmal … eine Musikkapelle<br />

Bitte um Mitarbeit bei der Suche nach<br />

verschollenen Musikkapellen............................................. 31<br />

50 Jahre Leistungsabzeichen im VSM<br />

Eine Erfolgsgeschichte mit Fortsetzung.............................. 32<br />

70 Jahre Österreichischer Blasmusikverband<br />

Eine umfassende Chronik zum Geburtstag ........................ 33<br />

Jung, rhythmisch, „GiGantisch“<br />

Das „GiGa Percussion Duo“ im Porträt .............................. 34<br />

Brennerwind<br />

Die Jugendkapelle von Pflersch und Gossensass............... 36<br />

„Ohne Musik wird es leise“<br />

Die Musikkapelle und die Pandemie.................................. 38<br />

Sepp Thaler, der große (Blas-)Musikpionier Südtirols<br />

Persönliche Erinnerungen von Gottfried Veit ...................... 39<br />

Vivat Athesis! – von Johann Finatzer<br />

Eine Hommage an das Land an der Etsch ......................... 42<br />

Üben mit Video- und Tonaufnahme<br />

Das Smartphone als nützlicher Übungspartner.................. 44<br />

Einspielhilfen für Blasorchester ......................................... 45<br />

Die Konzertmeister-App – Clevere Terminplanung für<br />

Musikvereine, Orchester und Chöre................................... 46<br />

kurz notiert<br />

Neues von den Musikkapellen........................................... 47<br />

Impressum<br />

Mitteilungsblatt<br />

- des Verbandes Südtiroler Musikkapellen<br />

Redaktion: Stephan Niederegger, kulturfenster@vsm.bz.it<br />

- des Südtiroler Chorverbandes<br />

Redaktion: Paul Bertagnolli, info@scv.bz.it<br />

- des Heimatpflegeverbandes Südtirol<br />

Redaktion: Florian Trojer, florian@hpv.bz.it<br />

Anschrift:<br />

Schlernstraße <strong>Nr</strong>. 1 (Waltherhaus), I-39100 Bozen<br />

Tel. +39 0471 976 387 – info@vsm.bz.it<br />

Raiffeisen-Landesbank Bozen<br />

IBAN = IT 60 S 03493 11600 000300011771<br />

SWIFT-BIC = RZSBIT2B<br />

Jahresabonnement = 20,00 Euro<br />

Ermächtigung Landesgericht Bozen <strong>Nr</strong>. 27/1948<br />

presserechtlich verantwortlich: Stephan Niederegger<br />

Druck: Ferrari-Auer, Bozen<br />

Das Blatt erscheint zweimonatlich am 15. Februar, April, <strong>Juni</strong>, August, Oktober und<br />

Dezember. Redaktionsschluss ist der 15. des jeweiligen Vormonats.<br />

Eingesandte Bilder und Texte verbleiben im Eigentum der Redaktion und werden nicht<br />

zurückerstattet. Die Rechte an Texten und Bildern müssen beim Absender liegen bzw.<br />

genau deklariert sein. Die Verantwortung für die Inhalte des Artikels liegt beim Verfasser.<br />

Die Wahrung der Menschenwürde und die wahrheitsgetreue Information der Öffentlichkeit<br />

sind oberstes Gebot. Der Inhalt der einzelnen Beiträge muss sich nicht mit<br />

der Meinung der Redaktion decken. Nachdruck oder Reproduktion, Vervielfältigung jeder<br />

Art, auch auszugsweise, sind nur mit vorheriger Genehmigung der Redaktion erlaubt.<br />

Sämtliche Formulierungen gelten völlig gleichrangig für Personen beiderlei Geschlechts.<br />

gefördert von der Kulturabteilung<br />

der Südtiroler Landesregierung<br />

KulturFenster<br />

3 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Venus „Cythare“ mit blindem Amor<br />

Die Liebe (Venus, Erato) stellt gemeinsam mit der Kunst (Apollo) und<br />

der Welt des Geistes (Vergil) im Traminer Freskenzyklus von Bartlme<br />

Dill Riemenscheider die lebenspendenden Mächte dar.<br />

KulturFenster<br />

4 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


erforscht<br />

Riemenschneider-Fresken<br />

neu interpretiert<br />

Neuerscheinung von Wolfgang Strobl über die Trinkstube im<br />

Langenmantel-Haus in Tramin<br />

Der renommierte Altphilologe und Historiker<br />

Wolfgang Strobl aus Toblach hat in<br />

der „Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte“<br />

2019 eine höchst interessante<br />

und aufschlussreiche Neuinterpretation des<br />

Freskenzyklus in der sogenannten Trinkstube<br />

des Ansitzes Langenmantel in Tramin vorgelegt.<br />

Unter dem Titel „Ianus Bifrons – ein<br />

Künstlerleben in Widerspruch und Einheit“<br />

liefert der Autor eine faszinierend schlüssige<br />

Deutung der Fresken als Ausdruck einer<br />

subversiv täuferischen Haltung des berühmten<br />

Würzburger Renaissance-Künstlers<br />

Bartlme Dill Riemenschneider.<br />

Forschungsgeschichtliches<br />

„Die intendierte Aussage und Botschaft<br />

dieses singulären, ausgeklügelt und gleichzeitig<br />

mysteriös wirkenden Bildprogramms<br />

konnte bisher weder entschlüsselt noch hinreichend<br />

erklärt werden“, stellt Autor Wolfgang<br />

Strobl in der Einleitung fest. 1 In seinen<br />

Ausführungen zur Forschungsgeschichte<br />

erläutert er, dass zwar im Jahr 1928 eine<br />

erste ausführliche und bis heute grundlegende<br />

Studie, verfasst vom Tiroler Landeskonservator<br />

Josef Garber, erschienen ist,<br />

dass aber erst der Innsbrucker Kunsthistoriker<br />

und Volkskundler Josef Ringler in den<br />

frühen 1950er-Jahren die Fresken dem bis<br />

dahin nahezu unbekannten Bartlme Dill<br />

Riemenschneider zuschreiben konnte. Bis<br />

in die 1960er-Jahre war das Bildprogramm<br />

inhaltlich identifiziert. Und in jüngster Zeit<br />

haben die Kunsthistoriker Helmut Stampfer<br />

und Hanns Paul Ties maßgebliche wissenschaftliche<br />

Beiträge zur Bedeutung der<br />

Malereien für die Tiroler Kunstgeschichte<br />

geliefert: Stampfer schätzt die Qualität und<br />

Originalität als „sehr hoch“ ein. Ties betont,<br />

dass „sich innerhalb des erhaltenen Bestandes<br />

an profanen Wandmalereien aus<br />

der europäischen Renaissance“ dem Zyklus<br />

„nichts auch nur annähernd Vergleichbares<br />

zur Seite stellen“ lasse. 2<br />

Gesamtansicht der äußerst interessanten, aber renovierungsbedürftigen Trinkstube<br />

Der Künstler und das Täufertum in Tirol<br />

Bartlme Dill Riemenschneider, Sohn des<br />

weitaus bekannteren Würzburger Bildhauers<br />

und Holzschnitzers Tilman Riemenschneider,<br />

war ein dem Täufertum<br />

zugeneigter Künstler. Über sein Leben ist<br />

recht wenig bekannt. Sowohl in der Werkstatt<br />

seines Vaters als wahrscheinlich auch<br />

in der Nürnberger Werkstatt von Albrecht<br />

Dürer eignete sich Bartlme Dill Techniken<br />

und Ausdrucksformen des künstlerischen<br />

Schaffens an.<br />

1525 verließ Bartlme Dill seine Heimatstadt,<br />

die auch in den Sog der Bauernkriege geraten<br />

war und den Vater seine Ämter und<br />

einen großen Teil seines Vermögens gekostet<br />

hatte. Der junge Bartlme Dill fasste im<br />

südlichen Tirol Fuß. Seine religiöse Einstellung<br />

wurde bald bekannt, hatte er doch in<br />

Tirol die Möglichkeit eines Anschlusses an<br />

täuferische Gruppen, die hier ab 1520 entstanden<br />

waren und sogar für bestimmte Zeit<br />

Fotos: Heimatpflegeverband Südtirol<br />

die Dimension einer Volksbewegung annahmen.<br />

„Die schwerwiegenden Missstände<br />

in der katholischen Kirche, aber auch die<br />

Verwaltung in Verwaltung und Justiz sowie<br />

die tiefe Sehnsucht nach Heil und Erlösung<br />

trieben viele Menschen in die Arme<br />

der neuen reformatorischen Glaubenslehre.“<br />

3 Landesherr Ferdinand I. verfolgte<br />

die Täufer mit großer Härte, und die zahlreichen<br />

Hinrichtungen zwangen die Täufergemeinde<br />

in den Untergrund.<br />

1528 wurde Bartlme Dill Riemenschneider<br />

gemeinsam mit seiner Ehefrau Katharina<br />

Wolff verhaftet, zum Widerruf gezwungen<br />

und dann begnadigt. Riemenschneider<br />

wurde aber in den darauffolgenden Jahren<br />

„rückfällig“ und riskierte in Bozen sogar<br />

die Todesstrafe. Er kam schließlich davon,<br />

sodass man annehmen kann, dass<br />

höchste kirchliche Kreise (Fürstbischof<br />

Bernhard von Cles) die schützende Hand<br />

über ihn gehalten hatten.<br />

➤<br />

KulturFenster<br />

5 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


erforscht<br />

Das Bildprogramm<br />

Das 1547 geschaffene Bildprogramm mit<br />

den elf Fresken und den 13 Figuren im<br />

Loggia-Dachgeschoss, das dem adeligen<br />

Besitzer und dessen Freunden ein geselliges<br />

Zusammensein in einer besonderen<br />

Atmosphäre bot, orientiert sich gänzlich an<br />

der griechischen und römischen Antike:<br />

Es werden die Gottheiten Ianus, Phoebus<br />

Apollo, Pan, Venus (als Venus Cytherea in<br />

Begleitung des blinden Amor) und die Zauberin<br />

Kirke dargestellt. Ebenso sieht man<br />

die vier Musen Erato, Kalliope, Urania und<br />

Terpsichore als Einzelfiguren und den römischen<br />

Dichter Vergil neben Madina sowie<br />

König Midas neben dem schweinsköpfigen<br />

Gryllus als Paare.<br />

Diese Figuren „dienten sehr wahrscheinlich<br />

der Verschlüsselung einer Botschaft, die<br />

wegen ihrer Brisanz und Subversivität nicht<br />

offen und direkt ausgesprochen bzw. dargestellt<br />

werden konnte. Die mythologische<br />

bzw. allegorische Codierung eröffnete dem<br />

Künstler die Möglichkeit, das Unaussprechliche<br />

und Unsagbare zu verhüllen und damit<br />

die eigentliche Bildaussage allein einem<br />

sehr kleinen Kreis Eingeweihter lesbar und<br />

verständlich zu machen.“ 4 Strobl geht davon<br />

aus, dass Riemenschneider damit der<br />

Nachwelt eine geistige Hinterlassenschaft<br />

über prägende Momente seines täuferischen<br />

Lebens hinterlassen wollte, und belegt das<br />

auch sehr genau (siehe Beschreibungen).<br />

Die Laute spielende Muse Kalliope<br />

Hans Langenmantel als bekennender Täufer?<br />

Hans Langenmantel, Angehöriger eines ursprünglich aus Augsburg stammenden Adelsgeschlechts, das sich<br />

im frühen 15. Jahrhundert auch in Tramin niedergelassen hatte, verfügte hier über Land- und Gutsbesitz und<br />

ließ seinen Traminer Ansitz um 1545 umbauen und restaurieren. In diesem Zusammenhang engagierte er<br />

auch Bartlme Dill Riemenschneider, der seinem Auftraggeber 1546 einen Fayence-Ofen mit der Geschichte<br />

von Jason und Medea dekorierte. Bei dieser Gelegenheit dürfte auch die Idee zur Gestaltung des obersten<br />

Geschosses mit dem Freskenzyklus geboren worden sein.<br />

„Sehr wahrscheinlich entstand der kirchen- und obrigkeitskritische Freskenzyklus nicht ohne das Wissen und<br />

Einverständnis des Auftraggebers“ 11 , so Autor Strobl und mutmaßt, dass die begüterten Traminer Langenmantel,<br />

die „nicht durch besondere äußere Frömmigkeit und Akte der Werkheiligkeit“ 12 aufgefallen seien, „selbst<br />

dem Täufertum anhing oder mit dem täuferischen Bekenntnis zumindest in hohem Maße sympathisierte“. 13<br />

KulturFenster<br />

6 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Heimatpege<br />

Zweigesichtiger Ianus<br />

Dem altrömischen Gott der Anfänge, Aus-,<br />

Ein- und Durchgänge, kommt in der Trinkstube<br />

eine besondere Bedeutung zu, hervorgehoben<br />

durch die zentrale Stelle an<br />

der Südseite des Raumes, durch die nur<br />

hier verwendete grüne Farbe und den Löwenkopf<br />

und durch die gekonnt in den Bildinhalt<br />

integrierte Jahreszahl „15 – 47“,<br />

die den gesamten Freskenzyklus datiert.<br />

Strobl deutet den zweigesichtigen Janus<br />

als doppeltes Selbstporträt des Künstlers,<br />

der sich linksseitig als efeubekränzter und<br />

an Gott Dionysos erinnernder Jüngling mit<br />

einer Traube in der Rechten im Alter von<br />

15 Jahren und rechtsseitig als gereifter<br />

bärtiger Mann mit stechendem Blick und<br />

mit Trinkbecher in der Linken im Alter von<br />

47 Jahren darstellt.<br />

In übertragener Bedeutung steht Ianus<br />

auch für die Ambivalenz, und so erzählt<br />

Riemenschneiders Figur „in komprimierter<br />

Form von einem Künstlerleben, von der<br />

Entwicklung und Reifung eines unerfahrenen<br />

Jünglings zu einem abgeklärten und<br />

scharfblickenden Mann. Sie erzählt aber<br />

auch von dem Leben eines Künstlers im<br />

Widerspruch, von einem Leben mit zwei<br />

Gesichtern, einem offen-öffentlichen, angepassten,<br />

systemkonformen und einem<br />

verborgen-getarnten, subversiven und rebellierenden.<br />

Von einem Künstler, der sich<br />

aufgrund seiner religiösen Überzeugung<br />

zeitlebens genötigt sah, das eine zu denken,<br />

das andere zu sagen und die daraus<br />

resultierende Spannung zu ertragen.“ 5<br />

Vergil und Madina<br />

„Madina“ und „Virgillius Mago“<br />

Dieses anscheinend nicht ganz in den<br />

Freskenzyklus passende Bild – alle anderen<br />

Fresken nehmen auf die die griechische<br />

Mythologie Bezug – verweist auf<br />

die seit dem 13. Jahrhundert weit verbreitete<br />

Vergil-Legende. Demnach hat sich<br />

der römische Dichter Vergil in die Tochter<br />

eines Kaisers verliebt – bei Riemenschneider<br />

heißt sie Madina. Er rächte sich dann,<br />

von ihr schmählich öffentlich bloßgestellt,<br />

kraft seiner zauberischen Fähigkeiten, indem<br />

er in Rom sämtliche Feuer zum Erlöschen<br />

brachte und sich daher alle Römer<br />

an die Kaisertochter wenden mussten, um<br />

sich das Feuer mit einer Kerze in ihrem<br />

Schoß neu zu entzünden.<br />

Die Decodierung dieses Bildes durch<br />

den Autor Strobl besagt, dass die gänzlich<br />

nackt dargestellte schamlose Madina<br />

als „Hure Babylon“ die Kirche verkörpert<br />

und Vergil den Künstler Riemenschneider,<br />

der an dieser gerechte Rache nimmt. Riemenschneider<br />

hat, wie viele andere Wiedertäufer<br />

auch, am eigenen Leib erfahren<br />

müssen, was es heißt, verfolgt, verhört, öffentlich<br />

vorgeführt zu werden und seinen<br />

religiösen Überzeugungen abschwören<br />

zu müssen. Am Ende aber, so Riemenschneider,<br />

siegt der Künstler, der geistbegabte<br />

Mensch über brachiale Gewalt und<br />

dumpfe Einfältigkeit.<br />

Midas und Gryllus, Apollo<br />

und Pan<br />

Mit König Midas aus der griechischen Mythologie<br />

ist auch die Brücke zu Apollo und<br />

Pan geschlagen. Midas, dem aufgrund<br />

seines verhängnisvollen Wunsches alles,<br />

was er berührte, zu Gold wurde, trennte<br />

sich nach dem befreienden Bad im Fluss<br />

Paktolos von all seinen Reichtümern und<br />

schloss sich dem Hirtengott Pan an. Als<br />

Richter in einem Musikerstreit zwischen<br />

Apollon und Pan sprach Midas seinem<br />

„Midas“ und „Grillus“<br />

KulturFenster<br />

7 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


erforscht<br />

Die Muse Erato mit Flöte und Trommel Die Zauberin Kirke Gott Pan: halb Mensch, halb Ziege mit Dudelsack<br />

Herrn Pan den Siegespreis zu, was Apollon<br />

schwer kränkte und dazu veranlasste,<br />

Midas Eselsohren wachsen zu lassen.<br />

Der in den Traminer Fresken neben dem<br />

mit Eselsohren ausgestatteten Midas dargestellte<br />

eberköpfige Gryllus ist laut Sage<br />

ein Gefährte des Odysseus, der nach seiner<br />

Umwandlung in ein Schwein durch<br />

die Zauberin Kirke seine in Aussicht gestellte<br />

Rückverwandlung ablehnte und<br />

seine tierische Existenz beibehalten wollte.<br />

Strobl interpretiert diese Figuren so, dass<br />

Riemenschneider mit König Midas den<br />

Tiroler Landesfürsten Ferdinand I. in all<br />

seiner Maßlosigkeit, Geldgier, Torheit und<br />

mit seinem fehlenden Kunstsinn darstellen<br />

wollte. Der ihm zur Seite gestellte<br />

Gryllus mit dem Zylinder als Abzeichen<br />

eines höheren Standes lässt auf Ratgeber<br />

des Landesfürsten, speziell auf den<br />

in Tirol so verhassten leitenden Finanzbeamten<br />

Gabriel Salamanca, schließen.<br />

Die täuferische Kritik an den weltlichen<br />

Machtinstitutionen und an der fehlenden<br />

Trennung zwischen Kirche und Staat lässt<br />

sich laut Strobl anhand dieses Freskos<br />

belegen.<br />

Die Zauberin Kirke<br />

Laut griechischer Mythologie ist sie diejenige,<br />

die durch einen Zaubertrank die<br />

Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt<br />

hatte und Odysseus an sich binden<br />

wollte. Die Riemenschneider Kirke ist<br />

als schöne junge Frau mit wallenden Haaren<br />

dargestellt, die in ihrer Rechten einen<br />

großen goldenen Trinkbecher hält und mit<br />

der Linken mit einem langstieligen gefiederten<br />

Löffel in einem Topf rührt, dem eine<br />

Kröte und ein Maulwurf entspringen. „Man<br />

kann davon ausgehen, dass Riemenschneider<br />

mit der Darstellung Kirkes in chiffrierter<br />

Form auf die römische Kirche anspielen<br />

wollte“ und „die eigenwillige Namensgebung<br />

CIRES“ dürfte laut Strobl eine weitere<br />

„Verschleierungsstrategie“ sein. 6 Der<br />

Autor geht auf die symbolträchtige kulturhistorische<br />

Bedeutung der Kröte als Verkörperung<br />

des Bösen, Sündhaften und<br />

Häretischen ein: Die vom wahren Glauben<br />

abgefallenen Kirche („Kirke“-„Kirche“)<br />

verbreitet falsche, die Seele schädigende<br />

Lehren, bringt die Menschen um den Verstand<br />

und macht sie zu willigen Helfern<br />

eines repressiven Systems.<br />

Die Trinkbecher in den<br />

Händen von Kirke und Ianus<br />

Wolfgang Strobl richtet noch gesondert den<br />

Blick auf zwei in den Fresken dargestellte<br />

Trinkgefäße: Kirke stellt einen großen goldenen<br />

Becher ostentativ zur Schau, was<br />

auch auf die täuferische Kritik an dem<br />

zur Schau getragenen Prunk der Kirche<br />

und an der Verbreitung der bösen Tranks,<br />

also der falschen Lehren durch die Kirche,<br />

schließen lässt. Ianus hält einen kleineren,<br />

einfachen, allein mit einem schmalen<br />

Goldrand verzierten und mit gutem Wein<br />

gefüllten Becher. Das am Tisch liegende<br />

Brot und die Traube in der Rechten machen<br />

die Anspielung auf das Abendmahl<br />

noch evidenter: Die Täufer glaubten zwar<br />

nicht an die reale Präsenz Christi in Form<br />

von Fleisch und Blut, waren aber überzeugt,<br />

dass das Abendmahl als gemeinsames<br />

Gedächtnismahl in Form von Wein<br />

und Brot für alle in Christus Getauften seinen<br />

Ausdruck finden soll.<br />

Strobl deutet den runden Tisch, an dem<br />

sich Ianus befindet, auf die Gleichberechtigung<br />

aller am Mahle Beteiligten, denn<br />

die Täufer unterscheiden nicht zwischen<br />

Priestern und Laien. Durch einen weiteren<br />

ikonografischen Vergleich an zwei anderen<br />

Selbstporträts Riemenschneiders leitet<br />

Strobl für den Traminer Ianus ab, dass<br />

„sich Riemenschneider in der zentral positionierten<br />

Ianus-Figur auch als täuferischer<br />

,Priester' und Gemeindevorsteher<br />

darstellen wollte“. 7<br />

Einige ikonograsche<br />

Notizen<br />

Das Porträt – und als Sonderformen das<br />

Selbst- und Kryptoporträt – erlebte in der<br />

Renaissance eine Blütezeit. Strobl stellt<br />

Hinweise zur Selbstportätierung Riemenschneiders<br />

in anderen Werken und zu an-<br />

KulturFenster<br />

8 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Heimatpege<br />

Die Muse Terpsichore mit Orgelpositiv<br />

Gesangsbuch in der Hand des Gottes Apollo mit Text „O, alle foll alle//foll//Kannen leer-Kannen leer“<br />

deren künstlerischen Ianus-Darstellungen<br />

her, an denen sich Riemenschneider inspiriert<br />

haben dürfte.<br />

„O, alle foll alle// foll// Kannen leer-Kannen<br />

leer“ kann man nebst einer Notation<br />

im Gesangsbuch, das der Traminer Apollon<br />

aufgeschlagen in seiner Linken hält,<br />

ablesen – ein im 16. Jahrhundert weit<br />

verbreitetes Trinklied, wie Strobl beweist.<br />

Den Musikinstrumenten als Attributen<br />

der Musen und Götter kommt auch symbolhafte<br />

Bedeutung zu. Apollo spielt die<br />

klassische Doppelflöte, eine Harfe ist im<br />

Hintergrund zu erkennen. Pan bläst den<br />

Dudelsack, Erato spielt die Flöte und zugleich<br />

die Handtrommel, Kalliope die Laute,<br />

Urania die Posaune und Terpsichore das<br />

Orgelpositiv. Da die vier Musen nicht mit<br />

den ihnen gewöhnlich zugeschriebenen<br />

Instrumenten ausgestattet sind, nimmt<br />

Strobl an, dass der Zuteilung eine „codierte<br />

Bedeutung“ 8 zugrunde liegt und belegt<br />

diese durch ikonografische Verweise<br />

sowie durch den Hinweis auf die Teilung<br />

des Raumes in eine profan dominierte,<br />

positiv konnotierte und in eine mehr sakral<br />

bestimmte negativ geprägte Sphäre.<br />

Zur Komposition und<br />

Anordnung der Bilder<br />

„Der Blick auf die Anordnung der Fresken<br />

suggeriert, dass Riemenschneider<br />

den an sich profanen Raum einer vermeintlichen<br />

,Trinkstube' wie einen Sakralraum<br />

gestaltet, indem er Ianus in den Mittelpunkt<br />

rückt und zu seiner Rechten die<br />

lebensspendenden, zu seiner Linken die<br />

lebensbedrohenden Mächte darstellt.“ 9<br />

Es dürfte sich laut Strobl bei der Traminer<br />

„Trinkstube“ um ein „geschickt und<br />

raffiniert getarntes Konventikel, also einen<br />

Versammlungs- bzw. Kultraum einer<br />

Täufergemeinschaft gehandelt haben“. 10<br />

Claudia Plaikner<br />

1<br />

Strobl Wolfgang, „Ianus Bifrons“ – Ein Künstlerleben<br />

in Widerspruch und Einheit, Sonderdruck aus:<br />

Zeitschrift für bayerischen Landesgeschichte 2019,<br />

Bd. 82, [Heft 2], S. 381<br />

2<br />

Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 385f.<br />

3<br />

Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 393<br />

4<br />

Strobl, „Ianus Bifrons“, S 394<br />

5<br />

Strobl, „Ianus Bifrons“, S.398f.<br />

6<br />

Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 404<br />

7<br />

Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 411<br />

8<br />

Strobl, „Ianus bifrons“, S. 426<br />

9<br />

Strobl, „Ianus Bifrons, S.430 f.<br />

10<br />

Strobl, „Ianus Bifrons, S. 433<br />

11<br />

Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 416<br />

12<br />

Strobl, „Ianus Bifrons”, S. 417<br />

13<br />

Ebenda<br />

Aus der Redaktion<br />

Ihre Beiträge (Texte und Bilder) für die Heimatpflegeseiten<br />

senden Sie bitte an: florian@hpv.bz.it<br />

Für etwaige Vorschläge und Fragen erreichen Sie uns unter<br />

folgender Nummer: +39 0471 973 693 (Heimatpflegeverband)<br />

Redaktionsschluss für<br />

die nächste Ausgabe des<br />

KulturFensters ist<br />

Donnerstag, 15. Juli <strong>2021</strong><br />

KulturFenster<br />

9 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


informiert & reektiert<br />

Nicht nur Beruf, sondern Berufung<br />

Josef Oberhofer geht nach 30 Jahren Tätigkeit im<br />

Heimatpflegeverband in Pension<br />

Er hat einige Landesobleute, viele Vorstandsmitglieder,<br />

Sachbearbeiter, Fachberater,<br />

Bezirks- und Vereinsobleute im<br />

Heimatpflegeverband kommen und gehen<br />

gesehen: Der gebürtige Traminer Josef<br />

Oberhofer hat 30 Jahre lang vom vierten<br />

Stock des Waltherhauses in Bozen aus<br />

die Geschäftsführung des Heimatpflegeverbandes<br />

innegehabt. Nun tritt er in den<br />

wohlverdienten Ruhestand.<br />

Es scheint so, als ob Tramin geradezu<br />

prädestiniert sei, um wichtige Akteure<br />

für die Heimatpflege in Tirol hervorzubringen,<br />

war es doch auch ein Traminer,<br />

Kunibert Zimmeter, der im Jahr 1908 den<br />

ersten Heimatpflegeverein Tirols gegründet<br />

hat. Josef Oberhofer hat am 8. November<br />

1990 unter der Obmannschaft<br />

von Ludwig Walther Regele die Geschäftsführung<br />

übernommen. Jetzt, wenn er am<br />

30. <strong>Juni</strong> <strong>2021</strong> in den Ruhestand tritt, ist<br />

es ein Wahltraminer, Florian Trojer, der<br />

seine Agenden übernimmt.<br />

In diesen drei Dezennien hat Josef Oberhofer<br />

ganz wesentlich die Geschichte und<br />

Geschicke des HPV mitgeprägt. Er war für<br />

die allermeisten Heimatpfleger*innen im<br />

Land die Ansprechperson schlechthin.<br />

Abgesehen von der vielen täglichen bürokratischen<br />

Arbeit, der Mitgliederbetreuung,<br />

der Kontaktpflege mit den verschiedenen<br />

Ämtern hat Josef auch inhaltlich Akzente<br />

gesetzt. Dadurch dass er diesen Beruf nie<br />

nur als Brotberuf angesehen hat, sondern<br />

für den Verband „brannte“ und von den<br />

Zielsetzungen begeistert war, hat er vieles<br />

mitgestaltet. Er war und ist Garant für Qualität,<br />

Kontinuität und Innovation gleichermaßen.<br />

Einige seiner maßgeblichen Aktivitäten<br />

sind nebenstehend aufgelistet.<br />

Der Netzwerker Josef Oberhofer war in<br />

den vergangenen Jahren bei vielen Veranstaltungen<br />

von „Bund Heimat und Umwelt/Bonn“<br />

in Berlin, Aschaffenburg, Freiburg,<br />

Bonn und Leipzig als Referent tätig.<br />

Auch die Aufnahme des HPV als Mitglied<br />

im Landschaftsschutznetzwerk Civilscape<br />

(2011) und in das europäische Verzeichnis<br />

der „Landschaftsobservatorien“ (2012)<br />

sowie die Gründung des „Netzwerk Kulturerbe“<br />

(2019) ist unter maßgeblichem<br />

Einsatz des weitsichtigen Geschäftsführers<br />

gelungen.<br />

Josef Oberhofer hat auch die Ausbildung<br />

zum „kommunalen Klimaschutzbeauftragten“<br />

durchlaufen.<br />

Viele festliche Höhepunkte wurden auch<br />

aufgrund der umsichtigen und professionellen<br />

Vorbereitung und Durchführung<br />

durch den Verbandsgeschäftsführer<br />

zu bleibenden Erlebnissen, etwa die<br />

Heimatpflegefeste auf Schloss Prösels<br />

(1995, 2005, 2015), die Heimatpreisverleihungen<br />

(1992, 1994, 2000, 2008) sowie<br />

die Feiern anlässlich „90 Jahre Heimatschutz<br />

in Tirol“ 1998 in Tramin, „50<br />

Jahre Landesverband für Heimatpflege in<br />

Südtirol“ 1998 auf Schloss Sigmundskron,<br />

„100 Jahre Heimatschutz in Tirol“ 2008<br />

auf Schloss Tirol und „70 Jahre Heimatpflege“<br />

2019 in Matschatsch.<br />

„<br />

„<br />

Josef Oberhofer war und ist Garant<br />

für Qualität, Kontinuität und Innovation<br />

gleichermaßen.<br />

Claudia Plaikner<br />

Und wo wurden alle diese Tätigkeiten<br />

geplant? An einem geordneten Schreibtisch<br />

im Büro des HPV, der ein Musterbeispiel<br />

für alles im Blick haltendes Arbeiten<br />

war. Die Buchhaltung und generell<br />

die Finanzen verwaltete Josef mit großer<br />

Sorgfalt. Er verstand es immer, den Verband<br />

möglichst unbeschadet durch alle<br />

Untiefen der finanziellen und personellen<br />

Herausforderungen zu führen. Mit seiner<br />

Freundlichkeit, seinem Charme und seiner<br />

entwaffnenden Ehrlichkeit erreichte<br />

er vieles. Josef konnte aber auch durchaus<br />

leidenschaftlich sein: Wenn evidente<br />

Gemeinsamer Einsatz für<br />

den Schutz des Natur- und<br />

Kulturerbes: Karl Obwegs<br />

(langjähriger Heimatpflege-<br />

Ortsbeauftragter des Gadertales),<br />

Ehrenobmann Peter<br />

Ortner (damals noch Obmann),<br />

die jetzige Obfrau<br />

Claudia Plaikner und Josef<br />

Oberhofer (v. l.).<br />

KulturFenster<br />

10 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Heimatpege<br />

Schieflagen in Gesellschaft und Politik aufzuzeigen<br />

waren, so argumentierte er mit<br />

Verstand und auch viel Impetus.<br />

Großes Verantwortungsbewusstsein zeigte<br />

Josef auch bei den Übergängen des Verbandes<br />

in neue Phasen. Ich kenne Josef<br />

seit 1996, als ich in den Vorstand des<br />

HPV gewählt wurde. Seit 2008 war ich<br />

Obmannstellvertreterin von Peter Ortner,<br />

und 2017 haben mich die Südtiroler<br />

Heimatpfleger*innen zu ihrer Obfrau gewählt.<br />

Zu wissen, dass ich auf die absolute<br />

Loyalität des Geschäftsführers Oberhofer<br />

setzen kann, und ermutigt durch<br />

seinen Zuspruch konnte ich dieses Amt<br />

beruhigt annehmen. Ich habe ganz viel<br />

von dem, was die Entwicklung des Verbandes<br />

und die Tätigkeit des Verbandsgeschäftsführers<br />

anbelangt, hautnah miterlebt<br />

und viel gelernt – auch von Josef.<br />

Ich danke dir, lieber Josef, für deinen unermüdlichen<br />

Einsatz zum Wohle unserer<br />

Heimat und unseres Verbandes und ich<br />

wünsche dir viele erlebnisreiche, glückliche<br />

und etwas ruhigere Jahre! Als Heimatpfleger<br />

aus Berufung wirst du uns sicherlich<br />

auch weiterhin verbunden bleiben.<br />

Claudia Plaikner, Verbandsobfrau<br />

Maßgebliche Aktivitäten<br />

➤ 1990 gründete Josef Oberhofer mit einigen Persönlichkeiten aus Politik und<br />

Wirtschaft das Komitee gegen den Ausbau des Bozner Flughafens.<br />

➤ Richtungsweisend war die Betreuung der bäuerlichen Kleindenkmäler, wobei<br />

er die bis heute geltenden Richtlinien für die Vergabe von Beiträgen im Bereich<br />

der Landschaftspflege ausarbeitete. Ganz besonders setzte er sich hierbei für<br />

die Erhaltung der inzwischen rar gewordenen Strohdächer ein.<br />

➤ Josef Oberhofer organisierte zwischen 1991 und 2012 zehn Naturschutzwochen<br />

für Heimatpfleger*innen und Lehrpersonen.<br />

➤ Das Ehrengrab von Max Valier am Münchner Westfriedhof wird auf Initiative<br />

von Josef Oberhofer seit 30 Jahren vom Heimatpflegeverband Südtirol gepflegt.<br />

➤ Gemeinsam mit dem damaligen Obmann Peter Ortner gelang ihm 1997 die<br />

Einführung des Ensembleschutzgesetzes, und er organisierte mehrere internationale<br />

Tagungen zum Thema Ensembleschutz (1993, 2003).<br />

➤ Auch die Einrichtung des Landschaftsfonds wurde auf seine und Peter Ortners<br />

Initiative hin umgesetzt.<br />

➤ Er betätigte sich beratend als Mitglied der I. Landeskommission für Landschaftsschutz,<br />

des UVP-Beirates und des Landschaftsfonds.<br />

➤ Josef Oberhofer betrieb aktiv die Gründung des Welschtiroler Heimatpflegevereines<br />

(2007).<br />

➤ In der Informationsbroschüre „Landschaftspflege in Südtirol“ (1994), in der<br />

Festschrift anlässlich der 100-Jahr-Feier auf Schloss Tirol (2008) und beim<br />

Drehbuch für den Film H€IMAT (2003) trat Josef als Co-Autor in Erscheinung.<br />

➤ Im Tiroler Gedenkjahr 2009 konzipierte er für die Jugend das Online-Gewinnspiel<br />

„syndrome09“.<br />

Die Kulturlandschaft liegt ihm am Herzen:<br />

Von Hans Rottensteiner übernahm<br />

Josef Oberhofer die Initiativen<br />

zur „Rettung“ der letzten Strohdächer<br />

Südtirols.<br />

Für das überdimensionierte Fahrsicherheitszentrum in Pfatten musste eine der letzten Auen<br />

in Südtirol weichen. Josef Oberhofer wollte das Ausmaß der Zerstörung im Bild festhalten,<br />

organisierte sich einen Rundflug über das Gelände und machte eine Luftaufnahme.<br />

KulturFenster<br />

11 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


informiert & reektiert<br />

„Wir sind am Puls der Zeit“<br />

Josef Oberhofer über Flughafenproteste und Bremstests,<br />

den Klimaschutz und die Zukunft des HPV<br />

Er liebt und lebt seinen Beruf. Gerade deswegen<br />

will der Geschäftsführer des Heimatpflegeverbandes<br />

Südtirol seine Verantwortung<br />

nun „in jüngere Hände legen“,<br />

wie er es ausdrückt. Warum das so ist, mit<br />

welchem Blick auf die Vergangenheit und<br />

die Zukunft er Ende <strong>Juni</strong> in Pension geht<br />

und was er als „Rentner“ vorhat, das erzählt<br />

Josef Oberhofer im Interview.<br />

KulturFenster: Mit welchen Gedanken und<br />

Gefühlen räumen Sie am 30. <strong>Juni</strong> Ihren<br />

Schreibtisch?<br />

Josef Oberhofer: Mit dem guten Gefühl,<br />

den Verband in seinen Anliegen und Interessen<br />

ein Stück weit vorangebracht<br />

zu haben. Auch gehe ich mit dem beruhigenden<br />

Wissen, dass ich genügend<br />

Zeit hatte, meine Nachfolge vorzubereiten.<br />

Allerdings begleitet mich auch der<br />

beunruhigende Gedanke in die Rente,<br />

dass die Heimatpflege in Zukunft einen<br />

noch schwierigeren Stand haben könnte<br />

als es bisher schon der Fall war.<br />

KF: Inwiefern?<br />

Oberhofer: Insofern, dass ich in den über<br />

30 Jahren meiner Tätigkeit große Veränderungen<br />

miterlebt habe. Der technische<br />

Fortschritt und ein zunehmender Wohlstand<br />

haben in Wirtschaft und Gesellschaft<br />

zum blinden Glauben geführt, dass alles<br />

machbar sei – losgelöst vom historisch<br />

Gewachsenen. Dieser Prozess, der schleichend<br />

vor sich geht, führt in meinen Augen<br />

immer mehr zu einer Verwilderung<br />

des Geschmacks und geht leider nicht<br />

mit einem tiefgreifenden Diskurs über die<br />

gesellschaftliche und landschaftliche<br />

Entwicklung unserer Heimat einher.<br />

Vielen Menschen ist das Gespür<br />

für das richtige Maß verlorengegangen.<br />

Um es mit den Worten<br />

von Silvius Magnago zu sagen:<br />

„Zuviel Wohlstand tut den Leuten<br />

nicht gut und führt zu einer geistigen<br />

Verfettung.“ Diesem<br />

gefährlichen Prozess Einhalt<br />

zu gebieten, wird<br />

noch eine große Herausforderung.<br />

KF: Apropos Herausforderung. Dieser haben<br />

Sie sich gestellt, als Sie 1990 einen<br />

damals nicht ganz harmonischen Verband<br />

übernommen haben. Wie kam es dazu?<br />

Oberhofer: Ich habe mich nach meinem<br />

Studienaufenthalt in Venedig und nach<br />

einigen Arbeitserfahrungen im In- und<br />

Ausland auf eine Stellenanzeige in der<br />

Zeitung – „Geschäftsführer für Heimatpflegeverband<br />

Südtirol gesucht“ – beworben,<br />

weil mich das Anforderungsprofil sehr<br />

angesprochen hat. Außer mir bewarben<br />

sich noch einige, zum Teil<br />

recht prominente Südtiroler,<br />

die weit mehr<br />

Einblick in die Materie<br />

hatten …<br />

„<br />

Der technische Fortschritt und ein zunehmender<br />

Wohlstand haben in Wirtschaft<br />

und Gesellschaft zum blinden<br />

Glauben geführt, dass alles machbar<br />

sei – losgelöst vom historisch Ge-<br />

„<br />

wachsenen.<br />

Josef Oberhofer<br />

Foto: Florian Trojer<br />

KulturFenster<br />

12 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Heimatpege<br />

KF: … aber man entschied sich für Sie.<br />

Oberhofer: Ja, der damalige Vorstand entschied<br />

sich vermutlich wohl bewusst für<br />

einen Quereinsteiger, der den Verband –<br />

abseits von persönlichen Interessen – sowohl<br />

nach innen als auch nach außen wieder<br />

ins Lot bringt.<br />

KF: Ist Ihnen das gelungen?<br />

Oberhofer: Ich denke schon. Ich habe von<br />

Beginn an versucht, über jegliche Konflikte<br />

hinweg die Ziele des Verbandes in den<br />

Mittelpunkt zu stellen. Schon eine Woche<br />

nach meinem Arbeitsbeginn habe ich zusammen<br />

mit einigen namhaften Persönlichkeiten<br />

das Komitee gegen den Ausbau<br />

des Bozner Flughafens gegründet. Nach<br />

und nach kamen viele neue Themen aufs<br />

Tapet. Ich wuchs mit den Aufgaben, und<br />

damit wuchs auch meine Begeisterung für<br />

die Heimatpflege.<br />

Bei der letzten Naturschutzwoche 2012 verabschiedet sich Josef Oberhofer von Prof. Franz<br />

Wolkinger aus Graz, der seit 1970 alle Naturschutzwochen geleitet hatte.<br />

KF: Welche Aktionen oder Themen des<br />

Heimatpflegeverbandes werden Ihnen in<br />

besonderer Erinnerung bleiben?<br />

Oberhofer: In Erinnerung bleiben naturgemäß<br />

Themen, die immer wiederkehren.<br />

Der Flughafen begleitet mich, wie gesagt,<br />

seit den ersten Arbeitstagen. Wegweisend<br />

war für mich auch der Ensembleschutz,<br />

der 1997 unter Obmann Peter Ortner in<br />

einem Gesetz festgelegt wurde und für<br />

den Heimatpflegeverband nach wie vor<br />

Anlass ist, ihn mit viel mehr Konsequenz<br />

und Ernsthaftigkeit einzufordern und umzusetzen.<br />

Ebenso werde ich mich an die<br />

vielen Bauern erinnern, für die ich zur Erhaltung<br />

von bäuerlichen Kleindenkmälern,<br />

Holzzäunen sowie Stroh- und Schindeldächern<br />

jährlich eine finanzielle Unterstützung<br />

seitens der Landesregierung erwirken<br />

konnte. Die vielen Anträge, mit denen<br />

ich mich als Mitglied der I. Landschaftsschutzkommission<br />

und des Landesumweltbeirat<br />

beschäftigt habe, wie die Skigebietserweiterungen<br />

und der Druck seitens der<br />

Wirtschaft, des Tourismus und der Landwirtschaft,<br />

sich immer mehr unberührte<br />

Landschaft zu eigen zu machen, gehören<br />

ebenso dazu. Meine ständige Aufmerksamkeit<br />

erfordert hat zudem der bedenkenlose<br />

und von unseren gewählten Politikern<br />

vielfach geduldete – wenn nicht gar<br />

lobbygesteuerte – Umgang mit unserem<br />

materiellen und immateriellen Kulturerbe.<br />

In Erinnerung bleiben auch kleinere Projekte,<br />

wie etwa der vom damaligen Landeshauptmann<br />

partout gewollte Bergzoo<br />

in Tisens, gegen den wir uns erfolgreich<br />

gewehrt haben, oder das Biotop Krebsbach<br />

in Lana, welches wir im Einvernehmen<br />

mit den Betreibern eines Golfplatzes<br />

erhalten konnten. Leider war unser Einsatz<br />

nicht immer von Erfolg gekrönt. Ich<br />

denke an die Zerstörung zahlreicher kleiner<br />

und größerer Naturschönheiten und<br />

an den Bau des völlig überflüssigen und<br />

viel zu großen Fahrsicherheitszentrums in<br />

Pfatten, dem eine der letzten Auen in Südtirol<br />

weichen musste. Es gäbe noch unzählige<br />

Beispiele.<br />

KF: Bleiben wir beim Positiven. Was hat<br />

Ihnen bei Ihrer Arbeit besondere Freude<br />

bereitet?<br />

Oberhofer: Ich bin vor allem in den ersten<br />

Jahren häufig zu den Menschen hinausgegangen,<br />

habe versucht, sie für das kulturelle<br />

Erbe, das sie besitzen, zu sensibilisieren,<br />

habe sie beraten und ihnen<br />

Unterstützung durch den Verband angeboten.<br />

Dieser Kontakt war sehr bereichernd<br />

für mich. Mit den Jahren hat sich die Arbeit<br />

leider immer mehr ins Büro verlagert.<br />

Auch draußen auf den Höfen ist mehr Hektik<br />

eingekehrt. Es bleibt keine Zeit mehr<br />

für den „Ratscher“ danach, der oft ganz<br />

wichtig ist. Aber zurück zum Positiven: Viel<br />

Freude haben mir auch die Naturschutzwochen<br />

bereitet, die ich von 1991 bis 2012<br />

organisiert habe, um vor allem die Lehrpersonen<br />

als Multiplikatoren in den Schulen<br />

für den Schutz unseres Natur- und Kulturerbes<br />

zu gewinnen.<br />

KF: Eine dieser Naturschutzwochen war ein<br />

ungewöhnliches Erlebnis, wie der Blick ins<br />

Heimatpflegearchiv zutage gebracht hat …<br />

Oberhofer: Stimmt. Das war 2004 in Stilfs.<br />

Auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft<br />

für die rund 60 Teilnehmer des<br />

Lehrganges bin ich dahintergekommen,<br />

„<br />

Ich gehe in Pension, weil ich überzeugt<br />

davon bin, dass der Verband<br />

„<br />

in jüngere Hände gehört.<br />

Josef Oberhofer<br />

KulturFenster<br />

13 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


informiert & reektiert<br />

„<br />

Meine ständige Aufmerksamkeit erfordert<br />

hat der bedenkenlose und von<br />

unseren gewählten Politikern vielfach<br />

geduldete – wenn nicht gar lobbygesteuerte<br />

– Umgang mit unserem materiellen<br />

und immateriellen<br />

„<br />

Kulturerbe.<br />

Josef Oberhofer<br />

dass die meisten Hotels genau in dieser<br />

Woche, in der wir den Lehrgang abhalten<br />

wollten, ausgebucht waren, weil der Autohersteller<br />

BMW in dieser Zeit auf der Stilfser-Joch-Straße<br />

Bremstests für die Fahrzeuge<br />

durchführen wollte. Bremstests<br />

mitten im Nationalpark! Ich musste diesen<br />

Naturfrevel verhindern, habe die Verantwortlichen<br />

in Bayern angeschrieben<br />

und bin mit dieser Geschichte an sämtliche<br />

Medien im In- und Ausland gegangen.<br />

BMW stellte die Tests daraufhin ein,<br />

aber die betroffenen Hoteliers im Vinschgau<br />

sahen sich um ihr Geschäft gebracht<br />

und traten mit einer Sammelklage gegen<br />

den Verband auf den Plan. Diese Reaktion<br />

hat mich sehr belastet. Der Fall wurde<br />

zum Glück eingestellt, weil ich mich für<br />

die Gesundheit aller eingesetzt und in<br />

sämtlichen Stellungnahmen ausschließlich<br />

auf den Schutz der Natur und Umwelt<br />

gepocht hatte.<br />

KF: Sie haben im Verband zahlreiche Obleute<br />

und Vorstandsmitglieder kommen<br />

und gehen gesehen. Wie sehr haben diese<br />

Wechsel die Ausrichtung des Verbandes<br />

beeinflusst, und welche Rolle haben Sie<br />

als Geschäftsführer da gespielt?<br />

Oberhofer: Natürlich sind es der Vorstand<br />

und der Obmann bzw. die Obfrau, die die<br />

Richtung vorgeben und Themen einbringen.<br />

Da waren dann auch die Schwerpunkte<br />

manchmal unterschiedlich. Als<br />

Geschäftsführer hatte ich die Aufgabe,<br />

gemeinsam mit dem Vorstand Strategien<br />

auszuarbeiten und diese dann gewissenhaft<br />

umzusetzen. Dass ich dem Verband<br />

auch meinen Stempel aufgedrückt habe,<br />

ist der Tatsache geschuldet, dass ich täglich<br />

mit den aktuellen Themen konfrontiert<br />

war und viele auch ganz persönlich<br />

als wichtig empfand. Die Arbeit war für<br />

mich ja nicht nur Job, sondern ich habe<br />

den Beruf gelebt.<br />

KF: Sich auf unterschiedliche Obleute und<br />

Vorstände einzustellen, dürfte nicht immer<br />

leicht sein …<br />

Oberhofer: Für mich war das nie ein Problem,<br />

denn das Wichtigste in der Zusammenarbeit<br />

ist das gegenseitige Vertrauen.<br />

Ich habe die Meinungen der Vorstandsmitglieder<br />

immer ernstgenommen und<br />

gewissenhaft gearbeitet. Das hat im Gegenzug<br />

auch mir Vertrauen eingebracht.<br />

KF: Glauben Sie, dass die Struktur des Heimatpflegeverbandes<br />

noch zeitgemäß ist?<br />

Oberhofer: Ich denke, ja. Der Verband ist<br />

kapillar vertreten und dementsprechend<br />

kann bei wichtigen Angelegenheiten auch<br />

rasch vor Ort reagiert werden. Das Problem<br />

ist eher, dass immer weniger Leute<br />

vor Ort die „Schneid“ aufbringen, sich für<br />

oder gegen etwas im eigenen Dorf einzusetzen,<br />

weil sie Gefahr laufen, abgestraft<br />

und benachteilig zu werden. Es handelt<br />

sich ausschließlich um Ehrenämter, die<br />

weder Geld noch Ruhm einbringen. Mit<br />

dem neuen Raumordnungsgesetz, das<br />

den Gemeindevertretern noch mehr Spielraum<br />

für Entscheidungen gibt, wird sich<br />

dieser Umstand eher weiter verschärfen.<br />

KF: Woran hätten Sie gern noch gearbeitet,<br />

wären Sie nicht bald im Ruhestand?<br />

Oberhofer: Am Thema „Klimaschutz“. Ich<br />

habe vor einigen Jahren eine Ausbildung<br />

zum kommunalen Klimaschutzbeauftragten<br />

absolviert, aber schon bald gespürt,<br />

dass hierzulande in der Bevölkerung noch<br />

sehr wenig Sensibilität für das Thema vorhanden<br />

ist. Es gibt zwar diverse und im<br />

Prinzip gute Initiativen zum Schutz des<br />

Klimas, aber kein großes Netzwerk, das<br />

auch Einfluss auf die Entscheidungen der<br />

Politik hat. Letztendlich überwiegen immer<br />

noch die Interessen der Wirtschaft.<br />

Dem entgegenzuwirken, wäre mir noch<br />

ein großes Anliegen. Aber ich weiß den<br />

Heimatpflegeverband in guten Händen.<br />

Vor allem Obfrau Claudia Plaikner denkt<br />

und arbeitet sehr breitgefächert, ist offen<br />

für Neues und scheut sich auch nicht,<br />

die Position des Heimatpflegeverbandes<br />

klar darzulegen.<br />

KF: Trotz Motivation und Ideen gehen Sie<br />

jetzt in Pension. Warum?<br />

Oberhofer: Weil ich überzeugt davon bin,<br />

dass der Verband in jüngere Hände gehört.<br />

Ich merke seit einiger Zeit, dass die Routine,<br />

die sich naturgemäß eingestellt hat,<br />

manchmal hemmend wirkt. Zwar brenne<br />

ich nach wie vor für meinen Beruf und für<br />

die Themen des Heimatpflegeverbandes,<br />

aber ich spüre, dass mir ein wenig die zeitgemäße<br />

Herangehensweise vor allem an<br />

die neueren Themen, die den Verband<br />

beschäftigen, fehlt. Mein Anliegen ist es<br />

aber, dass der Verband zunehmend jüngere<br />

Menschen anspricht, sie für unsere<br />

Interessen gewinnt. Deshalb finde ich es<br />

wichtig, die Jugend über deren Kanäle anzusprechen<br />

und mitzuziehen.<br />

KF: Ist der Verband „altmodisch“?<br />

Oberhofer: Nein, er ist sogar sehr modern.<br />

Wir sind mit unseren Themen stets<br />

am Puls der Zeit, in einigen Bereichen<br />

manchmal auch der Zeit voraus. Unser<br />

Handicap ist vielleicht, dass im Hinblick<br />

auf die Zerstörung des Natur- und Kulturerbes<br />

die allgemeine Wahrnehmung fehlt<br />

– ähnlich wie beim Klimawandel. Da ist es<br />

immer schwierig, die Menschen zu überzeugen<br />

und mitzunehmen. Wir werden<br />

oft als Neinsager oder Verhinderer abgestempelt,<br />

ohne unsere zukunftsweisende<br />

Haltung zu sehen. Andererseits habe ich<br />

schon öfter erlebt, dass junge Leute begeistert<br />

und aufgeschlossen sind, wenn<br />

sie Einblick in die Verbandsarbeit bekommen.<br />

Daran müssen wir anknüpfen – auf<br />

junge Art und Weise.<br />

„<br />

Ich bin überzeugt, dass der Verband<br />

„<br />

in jüngere Hände gehört.<br />

Josef Oberhofer<br />

KF: Werden Sie dem Verband in irgendeiner<br />

Weise treu bleiben?<br />

Oberhofer: Wenn ich um Rat oder Hilfe gefragt<br />

werde, bringe ich mich gerne ein. Ich<br />

werde die Entwicklung des Landes weiterhin<br />

beobachten und mich für die Belange<br />

der Heimatpflege einsetzen.<br />

KF: Und was werden Sie sonst noch im<br />

Ruhestand tun?<br />

Oberhofer: Ich möchte mir noch gerne viele<br />

schöne Flecken dieser wunderbaren Welt<br />

ansehen, und sie auf gemütliche und umweltfreundliche<br />

Art bereisen. Als leidenschaftlicher<br />

Bahnfahrer wird mir das hoffentlich<br />

gelingen.<br />

Interview: Edith Runer<br />

KulturFenster<br />

14 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Heimatpege<br />

Espan und Mult<br />

Serie: Flurnamen aus der Agrargeschichte (2)<br />

ObereMultenamLangkreuz.<br />

Das Langkreuz<br />

(Bildmitte oben) ist uralte<br />

Gerichtsgrenze<br />

zwischen Nauders<br />

(Oberland, Oberes<br />

Gericht) und Glurns<br />

(Vinschgau), heute<br />

noch Grenze zwischen<br />

Haid und Burgeis. Die<br />

große Weide ist die<br />

Burgeiser Marein.<br />

aus: Franziszeische<br />

Katastermappe 1858<br />

Nach den in der Ausgabe 2/<strong>2021</strong> des „KulturFensters“<br />

besprochenen Namen Egert,<br />

Trate und Zelge, die der mittelalterlichen<br />

Dreifelderwirtschaft zugeordnet werden können,<br />

stellt der Kulturanthropologe Johannes<br />

Ortner in dieser Ausgabe weitere zwei Flurnamen<br />

aus der Agrargeschichte vor.<br />

Espan<br />

Espan ist ein auffallender und häufiger<br />

Flurname landauf landab, der in den verschiedenen<br />

Mundarten Südtirols „Erschpam“,<br />

„Easchpam“, „Eschpann“ u. ä.<br />

lautet. In Unterinn gibt es den Hofnamen<br />

„Erschbaumer“ (Ritten), daneben den Familiennamen<br />

Erschbaumer oder Erschbamer.<br />

In all diese Namenformen wird<br />

oft ein „Baum“, speziell ein „Eschbaum“<br />

(Esche), eingeblendet. Damit hat der Name<br />

aber nichts zu tun.<br />

Espan bezeichnet den freien Platz in einer<br />

Flur, der zur Viehweide genutzt wird,<br />

also eine Art Gemeinweide. Bereits in althochdeutschen<br />

Glossaren ist von espan<br />

compascuum die Rede. 1320 ist der Begriff<br />

als ospan, im 14. und 15. Jahrhundert<br />

als espan oder espaum und in Penser<br />

Weistümern – das sind Gewohnheitsrechte<br />

– des 16. Jahrhunderts als das gmain eschpam<br />

belegt.<br />

Der Name „Espan“ leitet sich von „Esch-<br />

Bann“ ab, das ist der Bann- oder Weidezaun,<br />

der die Viehweide von der Ackerflur<br />

trennte. Ein früheres Wort für die Ackeroder<br />

Saatflur lautete nämlich „Esch“ (zu<br />

althochdeutsch ezzisk „Saat, Anpflanzung,<br />

Flur“). Durch das Eschtor oder Eschtürl<br />

wurde das Vieh auf die Weide getrieben.<br />

Die Bezeichnung für den Zaun hat sich im<br />

Laufe der Zeit auf die Weide ausgedehnt.<br />

Vom „Eschtürl“ nahmen die Familiennamen<br />

Tirler und Dirler ihren Ausgang – diese<br />

wohnten also am Eschtürl.<br />

Beispiele aus Südtirol: Lahna-Easchpånn<br />

in Sexten, Easchpina in Pfunders (Hof),<br />

mehrere Eschpam in Pens, die Weide<br />

Ferschpam in Entholz/Ridnaun (wörtlich<br />

’f Erschpam) und der Graben Erschpam<br />

in Verdins/Schenna.<br />

Mult<br />

Bekannt sind die Multen auf der Malser<br />

Haide, deren Bewirtschaftung einst streng<br />

reglementiert war. Am besten ließe sich<br />

„Multen“ mit „Flurzwang“ übersetzen.<br />

Das Wort Mult stammt aus dem Alpenromanischen<br />

*multa „Zwang, Strafe“.<br />

Der Flurzwang schrieb den Bauern vor,<br />

was in einem bestimmten Flurblock angebaut<br />

werden musste, wann und in welcher<br />

zeitlichen Abfolge die Heumahd<br />

vonstatten zu gehen hatte und wie diese<br />

einzufahren war. Diese Vorschrift war<br />

aufgrund der Anlage der Grundstücke<br />

notwendig, vor allem wegen der Durchfahrtsrechte,<br />

die viel Grund beanspruchten<br />

– teilweise bis zu einem Drittel der<br />

Grundfläche. Eine gemischte Nutzung<br />

als Kornacker, Viehweide und Mahd wäre<br />

von der „Logistik“ her schwierig zu bewältigen<br />

gewesen.<br />

Große Multwälder (Bannwälder) finden<br />

sich am Vinschger Nörderberg, in Kastelbell,<br />

Schlanders oder in Laas. Aber<br />

auch unterhalb von Vellau dehnt sich<br />

ein Multwald aus.<br />

Ein Bannwald ist bekanntlich ein Wald,<br />

dessen Nutzung durch die Allgemeinheit<br />

geregelt war, also das Gegenteil eines Privatwaldes.<br />

Bannwälder boten Schutz vor<br />

Muren und Lawinen.<br />

Johannes Ortner<br />

KulturFenster<br />

15 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


informiert & reektiert<br />

Dorferneuerung mit<br />

Bürgerbeteiligung<br />

In Tirol unterstützt eine Geschäftsstelle<br />

Gemeinden beim Veränderungsprozess<br />

Beispiel einer Dorferneuerung mit Bürger- und Expertenbeteiligung: das Ortszentrum von Mils bei Hall in Tirol. Fotos: Land Tirol/Abteilung Bodenordnung<br />

Wo in der Gemeinde soll die neue Schule<br />

gebaut werden? Wie setzt man Verkehrsberuhigung<br />

konkret um? Was tun mit dem viel<br />

zu alten Vereinshaus? Im Nachbarland Tirol<br />

können sich Gemeinden an die Geschäftsstelle<br />

für Dorferneuerung des Landes Tirol<br />

wenden. Sie werden beim Entscheidungsprozess,<br />

der mit Bürgerbeteiligung erfolgt,<br />

auch finanziell unterstützt. Ein Interview mit<br />

Nikolaus Juen, dem Leiter der Geschäftsstelle<br />

für Dorferneuerung.<br />

KulturFenster: Wann und warum wurde die<br />

Geschäftsstelle für Dorferneuerung in Tirol<br />

eingerichtet?<br />

Nikolaus Juen: Sie wurde bereits 1986 mit<br />

dem Ziel eingerichtet, Gemeinden in ihren<br />

Veränderungsprozessen zu unterstützen.<br />

Die Zusammenarbeit von Anfang an hat<br />

den Vorteil, dass Bauprojekte oder andere<br />

Vorhaben schon in der Ideenentwicklung<br />

und Planungsphase dahingehend begleitet<br />

werden, dass sie von Bürgern oder potenziellen<br />

Nutzern mitgetragen werden und<br />

dass möglichen Fehlentwicklungen vorgebeugt<br />

wird. Heißt konkret: Es soll verhindert<br />

werden, dass ein Projekt zum Beispiel an<br />

den Kosten oder an mangelnder Umsetzbarkeit<br />

scheitert.<br />

„<br />

Die Kombination von Bürger und Expertenbeteiligung<br />

ist essenziell, weil<br />

dadurch das Projekt einerseits nutzerfreundlicher<br />

wird, andererseits die<br />

„<br />

Bereitschaft wächst, es mitzutragen.<br />

Nikolaus Juen<br />

KF: Wer kommt mit welchen Anliegen in Ihre<br />

Geschäftsstelle?<br />

Juen: In der Regel sind es die Gemeinden,<br />

die sich an uns wenden. Es geht<br />

meistens um den Bau oder Umbau von<br />

öffentlichen Einrichtungen – Schulen, Kindergärten,<br />

Friedhöfen, Dorfplätzen, Vereins-<br />

oder Gemeindehäusern. In anderen<br />

Fällen steht die Frage im Raum, was mit<br />

historischer Bausubstanz oder generell alten<br />

Infrastrukturen passieren soll. In kleineren<br />

Gemeinden kann zum Beispiel auch<br />

die Nahversorgung zu einer Herausforderung<br />

werden, da geht es dann um Themen<br />

wie die Direktvermarktung oder die Ansiedelung<br />

eines Supermarktes am Ortsrand.<br />

Wir als Geschäftsstelle werden auch deshalb<br />

zu Rate gezogen, weil die Gemeinden<br />

die Anliegen im Rahmen der Lokalen<br />

Agenda 21 umsetzen.<br />

KulturFenster<br />

16 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Heimatpege<br />

KF: Was ist die Lokale Agenda 21?<br />

Juen: Das ist die kommunale Umsetzung<br />

des 1992 beschlossenen UN-Aktionsprogrammes<br />

zur nachhaltigen Entwicklung.<br />

Dieses Programm sieht auf kommunaler<br />

Ebene u. a. eine stärkere Bürgerbeteiligung<br />

vor, mit dem Ziel, eine höhere Lebensqualität<br />

für die Bewohner von Gemeinden<br />

in einem ökologisch vertretbaren<br />

Umfeld zu schaffen.<br />

KF: Können sich somit auch einzelne<br />

Bürger an Sie wenden?<br />

Juen: Es kommen auch Ideen von Bürgern<br />

auf unsere Schreibtische, aber wir<br />

gehen keinen Einzelinteressen oder oppositionellen<br />

Gruppen nach. Unsere Aufgabe<br />

ist es, die Interessen der Gemeindeverwaltungen<br />

und jene der Bürger<br />

zusammenführen.<br />

KF: Wie läuft der Prozess der Dorferneuerung<br />

konkret ab?<br />

Juen: Sehr unterschiedlich. Meistens steigen<br />

wir als Geschäftsstelle für Dorferneuerung<br />

mit einer Gemeindeklausur in den<br />

Prozess ein. Will heißen: Unsere Mitarbeiter<br />

treffen sich mit Gemeindevertretern,<br />

die ihrerseits eventuell bereits einzelne<br />

Experten von außen einladen. Gemeinsam<br />

wird abgesteckt, worum es geht,<br />

in welcher Form man arbeiten möchte,<br />

welche Gruppen es geben soll u. ä.. In<br />

einem zweiten Moment werden Interessensgruppen,<br />

wie beispielsweise Vereinsvertreter<br />

eingeladen. Danach könnte<br />

eine erste Bürgerversammlung stattfinden,<br />

auf der Ideen gesammelt und konkretere<br />

Ziele abgesteckt werden. Bis zum<br />

fertigen Plan dauert es oft mehrere Monate,<br />

selten aber über ein Jahr. Denn es<br />

geht schon darum, eine rasche Umsetzung<br />

herbeizuführen.<br />

KF: Warum ist die Bürger- und Expertenbeteiligung<br />

so wichtig?<br />

Juen: Die Kombination von Bürger und<br />

Expertenbeteiligung ist essenziell, weil<br />

dadurch das Projekt einerseits nutzerfreundlicher<br />

wird, andererseits die Bereitschaft<br />

wächst, es mitzutragen. Für<br />

Zur Person<br />

Nikolaus Juen ist seit 1988 Leiter der Geschäftsstelle<br />

für Dorferneuerung & Lokale Agenda 21<br />

in der Abteilung Bodenordnung des Landes<br />

Tirol. Er ist von Beruf Architekt.<br />

die Umsetzung wichtig ist aber, dass die<br />

Bürger und Experten in ihren Ideen begleitet<br />

werden. Dazu beauftragt die Geschäftsstelle<br />

für Dorferneuerung professionelle<br />

Prozessbegleiter, die Erfahrung<br />

sowohl in der Thematik als auch in der<br />

Moderation haben. Sie haben die Aufgabe,<br />

die verschiedenen Anregungen zu<br />

einer weitgehend gemeinsamen Lösung<br />

zu führen und dabei auch die entsprechende<br />

Gesprächskultur und den Respekt<br />

der Beteiligten zu bewahren. Am<br />

Ende sollte ein von allen gut akzeptiertes<br />

Projekt stehen.<br />

KF: Wer sind die Prozessbegleiter?<br />

Juen: Je nach Aufgabenstellung handelt<br />

es sich um Moderatoren aus verschiedenen<br />

Bereichen. Das können Erwachsenenbildner,<br />

aber auch Fachleute aus<br />

der Wirtschaft sein. Wer sich konkret eignet,<br />

entscheidet die Gemeinde aufgrund<br />

der Vorschläge der Geschäftsstelle. Das<br />

ist dann oft einfach Vertrauenssache.<br />

KF: Das Land Tirol fördert diese Prozessbegleitung<br />

bei der Dorferneuerung. Wie<br />

hoch sind die Förderungen?<br />

Juen: Je nach Finanzkraft der Gemeinde<br />

werden die Kosten, die durch das Hinzuziehen<br />

externer Fachleute entstehen,<br />

zu 50 bis 75 Prozent vom Land Tirol<br />

übernommen.<br />

KF: In Südtirol legen die Gemeinden ihre<br />

Projekte oft wie selbstverständlich in die<br />

Hände der lokalen Planer und Architekten.<br />

Sie plädieren eher für Wettbewerbe.<br />

Warum?<br />

Juen: Es müssen nicht zwangsläufig<br />

Wettbewerbe sein, aber die Erfahrung<br />

zeigt, dass es sich lohnt, für etwas, auf<br />

das man lange hinarbeitet und das viel<br />

kostet, mehrere Ideen und Meinungen<br />

einzuholen, um sich dann für das beste<br />

Projekt zu entscheiden. Die Erfahrung<br />

zeigt jedoch auch, dass Wettbewerbe –<br />

vor allem im Baubereich – kostensparend<br />

sind. Denn sehr oft sind die intelligenten<br />

Projekte auch die kleineren Projekte.<br />

Interview: Edith Runer<br />

Summer<br />

Dr Summer lócht ins iaz ins Lond,<br />

mit an farbign, sunnign Giwond,<br />

a kluager Wind wiag Grous und Klea,<br />

Kinder loun sich treibm in Sea.<br />

Die Baidn fliagn und suachn ummr,<br />

brauchn an stilln, wormen Summr,<br />

ols wos bliahnt schtrebm sie un,<br />

mit gêila Sackler fliagn sie drfun.<br />

Dr wilda Mougn leichtet weit,<br />

in dear hoachn Summerzeit,<br />

und in schpotn Sunnenliacht,<br />

dr Mischtköfr sich verkriacht.<br />

Die Schwolbm treibm in dr Luft,<br />

die Roasnschtaudn verbroatn Duft,<br />

die Grilln mian die Geign schtimmen,<br />

af Nocht heart man sie lauthols singen.<br />

Des isch dr Summer mit oldr Procht,<br />

der ins iaz ins Landl innerlócht,<br />

es tauert nicht nor isch der goldina Summer,<br />

viel zu schnell schun wieder ummer.<br />

Anna Steinacher, Verdings<br />

KulturFenster<br />

17 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


informiert & reektiert<br />

Wir sollen authentisch bleiben<br />

Landestourismusentwicklungskonzept muss Weichen für<br />

nachhaltige Entwicklung setzen<br />

Prunkbauten wie dieses Hotel stehen für<br />

alles andere als für nachhaltigen Tourismus.<br />

Foto: HPV<br />

Der Tourismusbereich ist von der Coronakrise<br />

auch in Südtirol stark betroffen. Umso<br />

wichtiger ist es, jetzt Maßnahmen zu treffen,<br />

um den Tourismus im Land nach der Krise<br />

nachhaltig und resilient zu gestalten. Genau<br />

das soll mit dem geplanten Landestourismuskonzept<br />

geschehen, betonte Landesrat<br />

Arnold Schuler bei einem Treffen mit dem<br />

Heimatpflegeverband Südtirol.<br />

Seit Jahrzehnten weist der Heimatpflegeverband<br />

darauf hin, dass die wichtigste<br />

Ressource für den Tourismus in Südtirol<br />

die einzigartige und authentische Naturund<br />

Kulturlandschaft ist. Mit dem überhitzten<br />

Ausbau des Tourismussektors und<br />

den bekannten Auswüchsen werden diese<br />

Qualitäten Südtirols sowohl für Einheimische<br />

als auch für Touristen bedroht. „Wir<br />

sollen und müssen authentisch bleiben“,<br />

ist deshalb auch Landesrat Arnold Schuler<br />

überzeugt und plant mit dem neuen<br />

Landestourismusentwicklungskonzept die<br />

Weichen für eine nachhaltigere Entwicklung<br />

zu setzen.<br />

Bettenobergrenze und mehr<br />

Ein wichtiger Schritt ist der geplante Abgleich<br />

zwischen genehmigter Bettenanzahl<br />

und tatsächlichen Übernachtungen und<br />

vor allem auch die Miteinberechnung der<br />

nichtgewerblichen Betten aus Privatzimmern,<br />

Urlaub auf dem Bauernhof und<br />

Airbnb, um einen tatsächlichen Überblick<br />

über die Kapazitäten im Südtiroler Tourismus<br />

zu bekommen. Allzu oft wurden in der<br />

Vergangenheit beispielsweise Gästebetten<br />

als Personalbetten deklariert. Sehr zu begrüßen<br />

ist aus Sicht des Heimatpflegeverbandes<br />

die Abschaffung der Möglichkeit<br />

der quantitativen Erweiterung, während das<br />

Problem der qualitativen Erweiterung aber<br />

bestehen bleibt. Der Heimatpflegeverband<br />

appelliert an die Landesregierung, auch<br />

hier Richtlinien vorzugeben.<br />

Schlupöcher für<br />

Tourismuszonen<br />

Mit dem geplanten Landestourismuskonzept<br />

nicht gelöst werden kann das<br />

Problem der bereits zugewiesenen, aber<br />

noch nicht verbauten Betten und Tourismuszonen.<br />

Die Folge: In den nächsten<br />

Jahren sind mehrere touristische Großbauten<br />

zu erwarten, was den Druck auf<br />

die familiengeführten kleinen und mittelgroßen<br />

Betriebe erhöht. Zwar sehen<br />

die neuen Tourismusleitlinien der Lan-<br />

desregierung die verstärkte Unterstützung<br />

der Klein- und Mittelbetriebe vor.<br />

Dazu muss, so der HPV, allerdings den<br />

großen Tourismusscheinwelten ein Riegel<br />

vorgeschoben werden. Der Heimatpflegeverband<br />

verurteilt auch die noch bestehenden<br />

Schlupflöcher für Tourismuszonen<br />

sowie die oft ungleiche gesetzliche<br />

Behandlung von touristischen Projekten<br />

und Wohnbauprojekten.<br />

Der Heimatpflegeverband betont: Die<br />

Sommer- und Wintersaisonen vor der<br />

Coronakrise haben gezeigt, dass das<br />

Phänomen des „Overtourism“ auch auf<br />

Südtirol zutrifft. Gerade jetzt wäre es<br />

notwendig, die Weichen für eine nachhaltige<br />

Entwicklung zu setzen. Mit den<br />

neuen Tourismusleitlinien hat man eine<br />

gute Grundlage geschaffen. Nun bleibt zu<br />

hoffen, dass die Leitlinien im geplanten<br />

Landestourismuskonzept auch umgesetzt<br />

werden.<br />

Heimatpflegeverband Südtirol<br />

KulturFenster<br />

18 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Dinge des Alltags<br />

aus Geschichte und<br />

Gegenwart<br />

Schnapshund und<br />

Schnapsschwein<br />

Man sollte gar nicht meinen,<br />

dass man aus diesem<br />

Schnapsschweinchen<br />

trinken kann.<br />

Der Schnaps galt in der Vergangenheit als<br />

Heilmittel. Damit wurden müde Knochen<br />

eingerieben, wunde Stellen desinfiziert<br />

oder Verdauungsschwierigkeiten kuriert.<br />

Die Liste der Heilmittel, in denen das<br />

hochprozentige Getränk vorkommt,<br />

ist lang. Wohl nicht umsonst wurde<br />

er „Aqua vitae“, Lebenselixier, genannt.<br />

Er galt aber auch als Liebesgabe<br />

und man trank ihn beim Abschluss<br />

eines Vertrages. In Tirol ist<br />

natürlich auch das „Gipfl-Schnapsl“<br />

bekannt.<br />

In Privatsammlungen und in Museen<br />

ist eine Vielzahl an Schnapsflaschen<br />

mit den dazugehörigen Gläsern erhalten<br />

geblieben. Die Schnapsgläser<br />

tragen im Dialekt die Bezeichnungen<br />

Stamperle, Fraggele oder<br />

Pudel. Die Flaschen waren zum Teil<br />

reich verziert mit Trink- oder Liebessprüchen,<br />

wie zum Beispiel „Mein<br />

Herz soll dir allein, bis auf den Tod<br />

verbunden sein“ oder „Wie treu ich<br />

dir, sei du zu mir.“<br />

Bekannt sind die Nabelflaschenaschen aus Waldglas,<br />

die in den Glashütten von Kramsach<br />

entstanden sind. Sie trugen einen Zinnverschluss<br />

und am Bauch eine Einbuchtung,<br />

woher der Name Nabelflaschea<br />

her-<br />

rührt. Daneben sind auch Gefäße erhalten<br />

geblieben, die sich unter der Bezeichnung<br />

„Scherzgefäße“ verbreitet haben. Ab dem<br />

16. Jahrhundert waren sie besonders bei<br />

Der Schnapshund war eines der beliebtesten<br />

Scherzgefäße.<br />

Fotos: Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde<br />

den Zünften sehr beliebt. Doch die Anfänge<br />

dieser Gefäßgattungen gehen bereits auf<br />

die Antike zurück, als man sich bei ausgelassenen<br />

Trinkgelagen damit amüsierte.<br />

Die Gefäße konnten die Form eines<br />

Tieres, zum Beispiel eines Hundes,<br />

Schweines oder Affen haben, oder<br />

eines Gegenstandes wie etwa eines<br />

Stiefels. Manchmal hatten sie auch<br />

die Form eines Musikinstrumentes<br />

wie eines Jagdhorns oder einer Trompete.<br />

Zu den beliebtesten Motiven,<br />

die bis in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

in Gebrauch waren, zählen die<br />

Schnapshunde, die es in verschiedenen<br />

Formen und Farben gab.<br />

Warum ein Scherzgefäß? Die Bezeichnung<br />

ist wohl nicht nur auf die<br />

ungewöhnlichen Formen zurückzuführen.<br />

Es war anscheinend nicht<br />

ganz leicht, aus diesen Gefäßen zu<br />

trinken, ohne sich dabei zu bekleckern,<br />

was zur allgemeinen Belustigung<br />

in fröhlicher Runde beitrug.<br />

Barbara M. Stocker<br />

KulturFenster<br />

19 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


angegangenen Jahrzehnte für das Tal von<br />

einem rasanten Wandel gekennzeichnet gewesen,<br />

der sowohl die Gesellschaft als auch<br />

das Landschafts- und Siedlungsbild ergriffen<br />

hatte: Wie die Pilze waren Hotels und<br />

Liftanlagen aus dem Boden geschossen.<br />

Verschwunden waren die Getreidefelder,<br />

und dasselbe Schicksal drohte auch den<br />

typischen Grödner Bauernhöfen.<br />

Der große Fortschrittsoptimismus, das Immer-Mehr<br />

auf der einen Seite führte aber<br />

dazu, dass auf der anderen Seite kritische<br />

Gegenstimmen immer lauter wurden. In<br />

diesem Sinne ist es seit Jahrzehnten Aufgabe<br />

der Lia, das reine wirtschaftliche Kalkül,<br />

den „Homo oeconomicus“, der gerade<br />

in Gröden sehr häufig vorkommt, in seine<br />

Schranken zu weisen.<br />

Sicher handelte es sich dabei nicht imhinausgeblickt<br />

50 Jahre Einsatz für<br />

Natur- und Heimatschutz<br />

„Lia per Natura y Usanzes“ feiert Jubiläum – Rückblick auf<br />

eine umfangreiche Tätigkeit<br />

Seit 50 Jahren setzt sich die „Lia per Natura y Usanzes“ ein für den Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft, für den Schutz von<br />

Luft, Gewässern und Böden, für Flora und Fauna.<br />

Foto: Walter Perathoner<br />

Seit ihrer Gründung vor 50 Jahren setzt sich<br />

die „Lia per Natura y Usanzes“ (Naturschutzund<br />

Heimatpflegeverein) für den Schutz der<br />

Grödner Natur- und Kulturlandschaft ein. Der<br />

Verein leistete damit auf vielen Fronten Pionierarbeit<br />

– und das zu einer Zeit, als Naturschutz<br />

noch lange nicht zum Bewusstsein<br />

der Allgemeinheit gehörte.<br />

Wahrscheinlich bereits 1969 wurde in<br />

St. Ulrich, auf Initiative von Florian Peter<br />

Schrott (allseits als „Flëur“ bekannt), die<br />

Naturschutzgruppe „Lia per Natura y Usanzes“<br />

gegründet. Ursprünglich handelte es<br />

sich dabei um eine Arbeitsgruppe innerhalb<br />

des Trachten- und Heimatvereines. Dieser<br />

konnte in Gröden bereits auf eine lange Tradition<br />

zurückblicken: Kurz nach 1900 gegründet,<br />

wirkte er bis in die 1920er-Jahre,<br />

als seine Tätigkeit von den faschistischen<br />

Machthabern unterbunden wurde. Nach<br />

seiner Wiedergründung 1949 entfaltete er<br />

rasch eine breitgefächerte Tätigkeit, wobei<br />

sich der Volkstanz und der Naturschutz<br />

immer deutlicher als wichtige Arbeitsbereiche<br />

etablierten. So kam es, dass 1963<br />

zunächst eine eigene Volkstanzgruppe ins<br />

Leben gerufen wurde und schließlich (zwischen<br />

1969 und 1971) der Naturschutzverein<br />

„Lia per Natura y Usanzes“.<br />

Getreidefelder weichen<br />

Hotels<br />

Damals stand Gröden mitten in den Vorbereitungen<br />

zu einem Großereignis, der Ski-<br />

WM 1970. Und überhaupt waren die vo-<br />

KulturFenster<br />

20 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Heimatpege<br />

„<br />

Nicht zuletzt wegen des tatkräftigen<br />

Einsatzes der „Lia“ konnten einige<br />

einzigartige Naturgebiete bis heute<br />

„<br />

von irreversiblen Eingriffen geschützt<br />

werden.<br />

Engelbert Mauroner<br />

mer um ein einfaches Unterfangen, das<br />

mitunter auch dazu führte, dass die Vereinsmitglieder<br />

als „Ökofaschisten“ beschimpft<br />

wurden. Trotz allem waren und<br />

sind zahlreiche Bemühungen der „Lia“<br />

von Erfolg gekrönt.<br />

Natur vor Eingriffen<br />

bewahrt<br />

Seit mittlerweile 50 Jahren setzt sie sich<br />

für den Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft,<br />

für den Schutz von Luft, Gewässern<br />

und Böden, für Flora und Fauna<br />

ein. Nicht zuletzt wegen dieses tatkräftigen<br />

Einsatzes konnten einige einzigartige<br />

Naturgebiete bis heute von irreversiblen<br />

Eingriffen geschützt werden, wie die Almen<br />

von Innerraschötz oder das Gebiet<br />

von „Cunfin“ unterhalb des Langkofels.<br />

Um die sogenannten „Confinböden“, ein<br />

wichtiges Quellgebiet und Rückzugsgebiet<br />

zahlreicher Tiere und Pflanzen, vor Eingriffen<br />

zu schützen, bemüht sich die Lia<br />

bereits seit mehr als zehn Jahren um den<br />

Einschluss von Langkofel und Sellastock<br />

ins UNESCO-Weltnaturerbe.<br />

Den Wintertourismus<br />

im Auge<br />

In den 1990er-Jahren standen hingegen<br />

Initiativen gegen eine neuerliche Ski-WM<br />

1995 bzw. 1997 sowie gegen den Bau einer<br />

Müllverbrennungsanlage in Gröden<br />

ganz oben auf der Vereinsagenda. Außerdem<br />

setzte man sich für den Abbau<br />

von Schneekanonen im Sommer und gegen<br />

den schädlichen Einsatz von Streusalz<br />

zur Räumung der schneebedeckten Straßen<br />

im Winter ein – oder man wies auf die<br />

verschwenderische und unnütze nächtliche<br />

Beleuchtung der Bergstationen hin.<br />

Damit hat der Verein in zahlreichen Anliegen<br />

eine äußerst wertvolle Sensibilisierungsarbeit<br />

geleistet.<br />

Der Vorstand der „Lia per Natura y Usanzes“: Livio Senoner, Inge Perathoner, Präsident<br />

Engelbert Mauroner, Heidi Stufer und Manuela Piazza (v. l.)<br />

Für Klima und Kultur<br />

Informationsabende, Vorträge und Ausstellungen<br />

trugen dazu bei, ein größeres<br />

Bewusstsein in Sachen Umweltschutz<br />

zu schaffen. Man vergesse dabei nicht,<br />

dass gerade der Schutz der Umwelt auf<br />

lokaler Ebene, wenn nicht gar beim „Ich“<br />

beginnt. Wenn nicht ich damit beginne,<br />

Strom, Wasser oder Müll zu sparen – wer<br />

bitte dann? Lange vor der Fridays-for-<br />

Future-Bewegung wurden Klimaschutz<br />

und alternative Energiequellen thematisiert.<br />

Regelmäßig veranstaltete Biomärkte,<br />

Besichtigungen von Höfen mit<br />

naturnaher Landwirtschaft und Kräuterwanderungen<br />

trugen dazu bei, das Bewusstsein<br />

für gesunde Ernährung und<br />

nachhaltige bzw. solidarische Wirtschaftskreisläufe<br />

zu stärken.<br />

Neben ökologischen verfolgte die „Lia“<br />

immer auch historisch-kulturelle Anliegen.<br />

Dank ihres Einsatzes konnten zahlreiche<br />

Bauten von historischer Bedeutung<br />

Die Feier<br />

Foto: Lia per Natura y Usanzes<br />

restauriert und vor dem sicheren Verfall<br />

bewahrt werden (wie die Burgruine Wolkenstein,<br />

die Kalköfen in Pontives oder<br />

die Getreidemühlen von Pufels). Bereits<br />

1985 gab die Lia außerdem eine Karte<br />

der alten Flur-und Wiesennamen von St.<br />

Ulrich heraus, um zu verhindern, dass<br />

diese allmählich aus dem kollektiven Gedächtnis<br />

verschwinden. 2001 folgte die<br />

toponomastische Karte der Seiser Alm.<br />

Einen wertvollen Beitrag zur Grödner Geschichtsforschung<br />

leisteten außerdem die<br />

Publikationen zur „Grödner Bahn“ (zusammengestellt<br />

von der Historikerin Elfriede<br />

Perathoner).<br />

Nicht zu vergessen sind letztendlich die<br />

Lehrfahrten, zu denen Mitglieder und Interessierte<br />

im Herbst eines jeden Jahres<br />

eingeladen wurden. In diesem Sinne bleibt<br />

nur zu hoffen, dass auch die „Reise“ der<br />

„Lia per Natura y Usanzes“ noch eine<br />

recht lange und erfolgreiche sein möge.<br />

Engelbert Mauroner<br />

Obmann „Lia per Natura y Usanzes“<br />

Am 12. <strong>Juni</strong> und damit nach Redaktionsschluss war die Feier zum 50-Jahr-Jubiläum<br />

der „Lia per Natura y Usanzes“ geplant. Sie fand gemeinsam mit der Vollversammlung<br />

des Heimatpflegeverbandes Südtirol in St. Ulrich in Gröden statt.<br />

Dabei wurde auch eine Festschrift vorgestellt und ein Film gezeigt. Den Bericht<br />

über die Feier lesen Sie in der nächsten Ausgabe des „KulturFensters“.<br />

KulturFenster<br />

21 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


getragen<br />

Die Bergmannstracht<br />

„Glück auf!“ in festlichem Gewand<br />

Tracht voller Symbolik<br />

Den Verein Bergknappen Silberbergwerk Terlan gibt es seit 2005.<br />

Tirol war im 15. und 16. Jahrhundert das bedeutendste<br />

Erzabbaugebiet Europas, und das<br />

heutige Südtirol spielte dabei eine gewichtige<br />

Rolle. Egal ob in Prettau, am Schneeberg<br />

zwischen Ridnaun und Passeier, in Villanders<br />

oder in Terlan – in all diesen Gebieten<br />

ist man stolz auf seine Bergbau-Vergangenheit<br />

und zeigt das auch durch das Tragen<br />

der typischen Bergmannstracht.<br />

Wirklich eine Tracht?<br />

Im Begriff „Tracht“ steckt das Wort „tragen“.<br />

Die zwei gehören zusammen. Man<br />

bezeichnet damit eine typische Kleidung,<br />

die von einer bestimmten Gruppe in einer<br />

bestimmten Gegend zu bestimmten Zwecken<br />

getragen wird. Es gibt wohl kaum<br />

eine Tracht, die auf eine so lange Tradition<br />

zurückgreifen kann, wie die Bergmannstracht<br />

in ihrem Ursprung. So wie die heutigen<br />

Südtiroler Trachten das Feiertagsgewand<br />

der bäuerlichen Bevölkerung waren,<br />

so war die Bergmannstracht eben das gemeinsame<br />

Gewand der bergbautreibenden<br />

Knappen. In diesem Sinne hat der Begriff<br />

Tracht seine Berechtigung.<br />

Europaweiter Austausch<br />

Im Mittelalter war die maximilianische Bergmannstracht<br />

aus grobem, hellem Wollstoff<br />

Foto: Verein Bergknappen<br />

mit Kapuze üblich. Ältestes und typischstes<br />

Element war dabei das sogenannte<br />

Berg- oder Arschleder, das niemals fehlen<br />

durfte. Natürlich hat auch bei uns die<br />

Bergmannstracht vom Mittelalter bis herauf<br />

ins 19. Jahrhundert eine vielfältige<br />

Entwicklung durchgemacht. Sie war auch<br />

stets von der Bergmannstracht anderer europäischer<br />

Bergbaugebiete beeinflusst, da<br />

die Bergknappen gerne dorthin zogen, wo<br />

sie Arbeit fanden. So kam es zu einem regen<br />

Austausch untereinander, auch was<br />

die Kleidung anbelangte.<br />

Bergknappen<br />

Silberbergwerk Terlan<br />

Die heute zu festlichen Anlässen getragene<br />

Bergmannstracht hat nichts mit der<br />

Arbeit im Untertagebau zu tun, sondern<br />

geht auf eine Verordnung des Ackerbauministeriums<br />

in Wien von 1890 zurück.<br />

Sie wird von Knappenkapellen, Chören<br />

oder Knappenvereinen getragen und hat<br />

im Brauchtum der ehemaligen Bergbaugebiete<br />

ihren festen Platz. In Terlan zum<br />

Beispiel bemüht sich seit 2005 der Bergknappenverein,<br />

die Erinnerung an den<br />

jahrhundertelangen Silber- und Bleiglanzabbau<br />

wach zu halten. Auch ein ehemaliger<br />

Stollen kann mit Führung wieder betreten<br />

werden.<br />

Die schwarze Bergmannstracht hängt eng<br />

mit der Schutzpatronin der Bergknappen,<br />

der heiligen Barbara, zusammen. Ihr Festtag<br />

ist der 4. Dezember. Auf dem Bergkittel<br />

müssen 29 vergoldete Knöpfe sein, die<br />

das Licht der Sonne symbolisieren, aber<br />

auch auf das Lebensalter der heiligen<br />

Barbara hinweisen, welche der Legende<br />

nach mit 29 Jahren hingerichtet wurde.<br />

Die schwarze Farbe symbolisiert die Dunkelheit<br />

in den Stollen. Die Seidenfransen<br />

an den Ärmeln erinnern an die Reservedochte<br />

für die Öllampen. Am Berghut und<br />

am Oberarm erinnert das Gezähe mit gekreuztem<br />

Bergeisen und Schlägel an die<br />

Erzabbaumethode des Mittelalters.<br />

Agnes Andergassen<br />

Arbeitsgemeinschaft Lebendige Tracht<br />

Bergmannstracht heute - aus: „Schneeberg<br />

in Südtirol“, Hrsg: Südtiroler Bergbaumuseum,<br />

2000<br />

KulturFenster<br />

22 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


gedenken<br />

Großer Einsatz für die<br />

Kulturlandschaften Tirols<br />

Im Gedenken an Dipl. Ing. Josef Menardi (1925–2020)<br />

Josef Menardi (†)<br />

Foto: Archiv Bundesdenkmalamt Tirol<br />

Ein lebenswertes Tirol, in dem die Spuren<br />

der Vergangenheit lebendig sind, war sein<br />

Ziel, sein Lebensinhalt. Am 1. Oktober 2020<br />

ist mit Hofrat Dipl. Ing. Josef Menardi eine<br />

prägende Persönlichkeit der Tiroler Denkmalpflege<br />

und ein engagierter Heimatpfleger<br />

95-jährig verstorben.<br />

Als Landeskonservator wachte der ausgebildete<br />

Architekt Josef Menardi 15 Jahre<br />

lang über den Denkmalschutz in Tirol.<br />

In dieser Funktion war er nicht nur zuständig<br />

für sämtliche Restaurierungen an<br />

denkmalgeschützten Sakral- und Profanbauten<br />

im Bundesland Tirol und die fachliche<br />

Betreuung der Fassadenaktionen in<br />

Hall, Schwaz, Rattenberg, Pfunds und<br />

Grins. Er leistete auch wertvolle Grundlagenarbeit,<br />

auf die nachfolgende Generationen<br />

von Denkmalpfleger*innen in der<br />

täglichen Arbeit zurückgreifen konnten.<br />

So veranlasste er die Erfassung sämtlicher<br />

denkmalwürdiger Objekte im<br />

Rahmen der Erstellung der Flächenwidmungspläne<br />

aller 279 Tiroler Gemeinden,<br />

initiierte Aktionen zur Erhaltung<br />

alter Holzbrücken, zur Sicherung<br />

von Burgruinen und bäuerlicher Nebengebäude<br />

wie Kornkästen oder Mühlen<br />

und wirkte bei der Kapellenaktion des<br />

Landes mit.<br />

Ab 1963 engagierte sich Josef Menardi<br />

im Verein für Heimatschutz und Heimatpflege<br />

in Nord- und Osttirol, fast 30<br />

Jahre davon (1971–2000) als Obmannstellvertreter.<br />

Ein besonderes Anliegen<br />

war ihm hier die Zusammenarbeit mit<br />

Südtirol, so zum Beispiel als Mitbegründer<br />

des Dachverbandes mit den Nord-,<br />

Ost- und Süd- und Welschtiroler Heimatpflegern.<br />

Beim jährlichen gemeinsamen<br />

Gesamttiroler Heimatpflegetreffen<br />

war Josef Menardi bis ins hohe Alter<br />

stets dabei. Sein großes Fach- und Detailwissen<br />

brachte Josef Menardi auch<br />

bei vielen Gutachten und Themen der<br />

Südtiroler Heimatpfleger ein.<br />

Josef Menardis Bemühungen um die Kulturlandschaften<br />

Tirols und um das baukulturelle<br />

Erbe unseres Landes werden<br />

uns auch in Zukunft ein Vorbild bleiben.<br />

Josef Oberhofer<br />

5‰fürdieNatur-undKulturlandschaft<br />

5‰fürdenHeimatpflegeverband<br />

Seit 2020 ist der Heimatpflegeverband in die Liste der 5-Promille-Empfänger eingetragen. Damit hat man die Möglichkeit, die<br />

Heimatpflege auch über die Steuererklärung zu fördern.<br />

Der Heimatpflegeverband setzt sich für den Erhalt unserer Natur- und Kulturlandschaft und der historischen Baukultur, für eine<br />

offene und traditionsbewusste Gesellschaft, für die Förderung der Volkskultur, der Tracht und der Mundart, für die Heimat ein.<br />

Unterstützen auch Sie die Tätigkeit des Heimatpflegeverbandes, indem Sie bei der Steuererklärung (CU, Mod 730 oder Mod.<br />

UNICO) ganz einfach und unkompliziert im entsprechenden Feld die Steuernummer 80006000212 des Heimatpflegeverbandes<br />

Südtirol eintragen und Ihre Unterschrift daruntersetzen.<br />

Vielen Dank für die Unterstützung!<br />

KulturFenster<br />

23 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Wenn Musik so richtig in Bewegung<br />

kommt, wird aus Spaß Begeisterung.<br />

KulturFenster<br />

24 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


angekündigt<br />

Leidenschaft für Musik,<br />

Bewegung, Tanz, Schauspiel<br />

Ausblick und Vorfreude auf das Jugendfestival 2022<br />

Es ist nicht lange her, dass ich eines Abends<br />

vor meinem Computer saß und unvermittelt<br />

eine kleine Zeitreise unternahm, die mich<br />

wieder einmal an einen roten Faden meiner<br />

beruflichen Laufbahn erinnerte. Ich schaute<br />

mir ein altes Video einer Musicalaufführung<br />

mit Schülern an, die ich im Jahr 2004<br />

während meiner Ausbildungszeit als Musiklehrerin<br />

betreute. Und der rote Faden, von<br />

dem ich spreche, der sogar noch viel früher<br />

begann und sich bis heute durchzieht,<br />

ist meine Leidenschaft für Musik – Bewegung<br />

– Tanz – Schauspiel, am liebsten alles<br />

auf einmal, angetrieben von viel Kreativität<br />

und Fantasie.<br />

Gleich darauf führten mich die Gedanken<br />

noch auf eine zweite Zeitreise – diesmal<br />

aber in die Zukunft, zu einem mit Vorfreude<br />

und Spannung erwarteten Ereignis,<br />

das voraussichtlich im nächsten Jahr<br />

in dieser Form zum ersten Mal in Südtirol<br />

stattfinden kann: ein landesweites Jugendfestival<br />

unter dem Motto Musik und<br />

Bewegung.<br />

Doch zurück zum Ausgangspunkt. Schon<br />

als Kind war ich einerseits begeistert von<br />

allem, was Musik war, andererseits hatte<br />

ich eine Leidenschaft für Bewegung, vor<br />

allem für die ästhetischen Sportarten wie<br />

Turnen, Tanzen… und ebenso begeisterte<br />

mich das Theater, sodass ich bei jeder<br />

Schultheatergruppe dabei war und<br />

auch später viele Gelegenheiten nutzte,<br />

mich in diesem Bereich weiterzubilden.<br />

Genau diese Leidenschaften sollten sich<br />

als der besagte rote Faden durch mein<br />

Berufsleben ziehen.<br />

„<br />

Die Leidenschaft für Bewegung<br />

zieht sich ebenso wie die für Musik<br />

wie ein roter Faden durch mein<br />

„<br />

Berufsleben.<br />

Caroline Hempel<br />

Durch Musikprojekte werden Kinder und Jugendliche ermutigt, sich ihrer kreativen Fähigkeiten<br />

bewusst zu werden und sie auch zum Ausdruck zu bringen.<br />

Der Anfang des „Roten<br />

Fadens“ in Norddeutschland …<br />

Bereits während der Ausbildung fing ich<br />

an, mit Schülern Musicals und Tanzprojekte<br />

einzustudieren und aufzuführen – und dies<br />

begleitete mich durch all die Jahre meiner<br />

bisherigen Berufstätigkeit. Die Projekte waren<br />

vielseitig – kleine Klassenaufführungen,<br />

teilweise auch größere Produktionen, und<br />

darüber hinaus hatte ich Gelegenheit, in<br />

der norddeutschen Stadt Göttingen das<br />

Kindermusicalprojekt „Kids on Stage“ zu<br />

gründen und mit den Kindern und Jugendlichen<br />

zahlreiche Aufführungen zu gestalten.<br />

Ebenso begleitete ich über vier Jahre<br />

lang die Gruppe „Four plus One“ aus vier<br />

gesangs- und theaterbegeisterten Mädchen.<br />

In unserer gemeinsamen Arbeit stand neben<br />

dem Gesangsunterricht auch die Inszenierung<br />

selbst konzipierter Musicals<br />

im Mittelpunkt, kombiniert mit Tanz-Performance<br />

und Instrumenten.<br />

… und die Fortsetzung<br />

in Südtirol<br />

Im Jahre 2017 war schließlich ein Entschluss<br />

in mir gereift, der mein Leben in<br />

mancher Hinsicht sehr verändert hat – der<br />

Umzug nach Südtirol. Es waren das Interesse<br />

am Land und an den Menschen,<br />

die Faszination der Berge, ebenso wie die<br />

Neugier und der Wunsch, etwas Neues<br />

zu beginnen, meinen Horizont zu erweitern<br />

und neue Erfahrungen zu machen,<br />

die mich hierher zogen an diesen Ort, der<br />

sich heute schon nach einer „neuen Heimat“<br />

anfühlt.<br />

Es dauerte nicht lange, da tauchte wieder<br />

der rote Faden in meinem beruflichen Leben<br />

auf. Bereits mehrfach hatte ich Gelegenheit,<br />

ein Musicalprojekt im Rahmen<br />

eines Sommercamps zu begleiten, und<br />

im Rahmen meiner Tätigkeit als Lehrerin<br />

führten wir mit einer Schulklasse am<br />

Ende meines ersten Südtiroler Schuljahrs<br />

KulturFenster<br />

25 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


angekündigt<br />

Kapellmeisterin – eine neue<br />

Herausforderung<br />

Musik bewegt … die Ausführenden ebenso wie die, die zuhören und zuschauen.<br />

ebenfalls ein Musical auf. Und ich glaube,<br />

mit Gewissheit sagen zu können, dass es<br />

nicht das letzte Projekt dieser Art war, sobald<br />

die Bedingungen es erst einmal wieder<br />

zulassen. Einstweilen hat zumindest<br />

die Bewegung zur Musik in meinem Musikunterricht<br />

immer wieder ihren Raum<br />

und wichtigen Stellenwert.<br />

Was mich immer am meisten fasziniert<br />

hat, war, in der Arbeit mit den verschiedenen<br />

Gruppen zu erleben, wie tief sich<br />

die Erlebnisse den Kindern und Jugendlichen<br />

einprägten und wie sie Jahre später<br />

noch von Proben, Aufführungen und<br />

auch ihren persönlichen Erfahrungen erzählten.<br />

Wie sie strahlten und immer wieder<br />

über sich hinauswuchsen. Wie sie<br />

die Gelegenheit ergriffen, sich weiterzuentwickeln<br />

und persönlich zu wachsen.<br />

Dieses Erleben bedeutete für mich eine<br />

Kraft, die mich selbst immer wieder antrieb<br />

und mir einen Überfluss an Energie<br />

und Begeisterung für diese Projekte<br />

schenkte.<br />

Nun beschränkt sich mein musikalischer<br />

Horizont natürlich keineswegs auf den Bereich<br />

des Musiktheaters, vielmehr liebe<br />

ich gerade die Vielseitigkeit. Nach jahrelanger<br />

Tätigkeit als Chorleiterin bei verschiedenen<br />

Chören bin ich derzeit unter<br />

anderem als Workshopleiterin für den<br />

„Pop-up-Chor“ bei der MURX-Academy<br />

in Eppan tätig. Darüber hinaus traf ich<br />

gleich nach meiner Ankunft in Südtirol<br />

auf eine ganz neue musikalische Herausforderung:<br />

die Leitung einer Musikkapelle<br />

und die Tätigkeit als Kapellmeisterin. Es<br />

war erst zu diesem Zeitpunkt, dass ich<br />

intensiver mit der Blasmusik in Kontakt<br />

kam, da mich diese neue Herausforderung<br />

reizte und ich gerne ausprobieren<br />

wollte, ob ich dieser Aufgabe gewachsen<br />

war – und vor allem, was ich daran lernen<br />

und mir neu aneignen konnte.<br />

So übernahm ich im September 2017 die<br />

musikalische Leitung der Musikkapelle<br />

Pufels, was mir seither immer viel Freude<br />

bereitet und mir ebenso die große Chance<br />

gegeben hat, meine musikalische Tätigkeit,<br />

mein Repertoire und meinen Erfahrungshorizont<br />

zu erweitern. Die Gestaltung<br />

zahlreicher Konzerte und Umzüge<br />

ließ mich auch einen besonderen Einblick<br />

in die Kultur und Tradition des Landes gewinnen<br />

– ein Eindruck, den ich sonst sicherlich<br />

nicht so schnell und intensiv bekommen<br />

hätte.<br />

Beim traditionellen Cäcilienkonzert der<br />

Musikkapelle im Spätherbst 2019 – das<br />

erste Konzert im gerade fertig gestellten<br />

neuen Vereinslokal in Pufels – hatte ich<br />

schließlich die Gelegenheit, persönlich<br />

mit dem Verband Südtiroler Musikkapellen<br />

(VSM) in Kontakt zu kommen.<br />

Die neue Idee war geboren:<br />

Musical und Filmmusik<br />

Das Musical vereint Musik, Gesang, Bewegung, Theater.<br />

Klaus Fischnaller, der Verbandsstabführer,<br />

sprach mich mit großem Enthusiasmus<br />

an, um mich für eine Projektidee<br />

zu gewinnen – eine wunderbare Gelegenheit,<br />

meinen „Roten Faden“ noch etwas<br />

weiter zu spinnen und ihn durch einige<br />

neue „Verknüpfungen“ zu erweitern.<br />

Klaus hatte die Idee, ein großes Festival<br />

für Jugendkapellen aus ganz Südtirol zu<br />

veranstalten, das unter dem Motto „Musik<br />

in Bewegung“ stehen soll. Dabei sollen<br />

auch neue, kreative Wege erkundet<br />

KulturFenster<br />

26 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Blasmusik<br />

KF: Wieso genau Musik in Bewegung?<br />

Klaus Fischnaller: Beobachten wir doch<br />

mal Kinder und Jugendliche, wenn sie<br />

Musik hören. Sie tanzen und bewegen<br />

sich dazu, ohne dass wir sie dazu auffordern.<br />

Musik und Bewegung gehören einfach<br />

zusammen. Die Idee dazu ist gebowerden,<br />

Musik, Bewegung und Szene zu<br />

verbinden – weit über das hinaus, was das<br />

reine Spielen und Marschieren in Formationen<br />

bedeutet.<br />

Die neue Idee war geboren und entwickelte<br />

sich weiter. Bei einem ersten Planungstreffen<br />

des Organisationsteams einigten<br />

wir uns schnell auf ein Thema: Das Festival<br />

soll unter dem Motto „Musical und<br />

Filmmusik“ stehen und die Türen öffnen<br />

für verschiedene kreative Arten, Musik,<br />

Bewegung und Szene zu verbinden, immer<br />

in Verbindung zur Blasmusik und<br />

zum Spiel der Kapellen. Mit ein wenig<br />

Fantasie ist da so viel mehr möglich!<br />

Da stehen wir nun, mit der Idee, mit<br />

der Begeisterung und mit der Entschlossenheit,<br />

trotz aller Widrigkeiten<br />

am Ball zu bleiben und<br />

das Projekt in Zukunft Wirklichkeit<br />

werden zu lassen.<br />

Nachdem uns die Entwicklung<br />

der Dinge etwas „ausgebremst“<br />

hat und das Jugendfestival<br />

nicht wie geplant im April <strong>2021</strong> stattfinden<br />

konnte, sind wir indessen nun von<br />

der Möglichkeit einer Realisierung im Jahr<br />

2022 überzeugt und werden weiter mit<br />

Begeisterung darauf hinarbeiten.<br />

Und natürlich hoffen wir, möglichst viele<br />

Zur Person<br />

Die Musikerin, Musikpädagogin, Chorleiterin und Kapellmeisterin<br />

Caroline Hempel (Jahrgang 1974) lebt seit dem Sommer<br />

2017 in Südtirol. Sie absolvierte ihre Ausbildung an<br />

der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover<br />

und erwarb zusätzliche Qualifikationen in den Bereichen<br />

Darstellendes Spiel, Musical, Chorleitung und<br />

Populärmusik. Neben ihrer langjährigen Berufserfahrung<br />

in Deutschland lebte und arbeitete sie zeitweilig in England,<br />

Frankreich und Bosnien-Herzegowina. Sie initiierte<br />

zahlreiche Kinder- und Jugendmusicalprojekte<br />

sowie verschiedene Gesangsformationen und leitete<br />

mehrere Chöre. Ihre Schwerpunkte und Leidenschaften<br />

sind unter anderem Klavier, Gesang,<br />

Musical, Chorleitung und Theater. In<br />

ihrer beruflichen Tätigkeit ist sie bestrebt,<br />

diese Bereiche immer wieder zu kombinieren,<br />

sich selbst damit auszudrücken und<br />

andere auf diesem Weg voranzubringen.<br />

Jugendliche, Jugendleiter, Kapellmeister<br />

und andere Interessierte ebenso begeistern<br />

und motivieren zu können, etwas<br />

beizutragen und mitzumachen!<br />

Wir alle warten nun darauf, endlich wieder<br />

loslegen zu können mit der musikalischen<br />

Arbeit – und dann wird auch unsere<br />

Planung wieder Fahrt aufnehmen. Wir<br />

werden euch auf dem Laufenden halten!<br />

Caroline Hempel<br />

„Die Zukunft gehört der Jugend!“<br />

Einladung zum Jugendfestival 2022<br />

Verbandsstabführer Klaus Fischnaller<br />

und Verbandsjugendleiter-Stellvertreterin<br />

Uta Praxmarer planen für 2022<br />

ein Festival für alle Jugendkapellen.<br />

„Die Freude und der Spaß für die Musik<br />

sollen dabei ganz oben stehen“, unterstreichen<br />

der VSM-Verbandsstabführer<br />

Klaus Fischnaller und die VSM-Verbandsjugendleiter-Stellvertreterin<br />

Uta Praxmarer.<br />

Sie planen und arbeiten schon seit<br />

einiger Zeit an einem Festival mit Musik<br />

Tanz und Bewegung, für und mit unserer<br />

Jugend – ganz nach dem Motto: Die Zukunft<br />

gehört der Jugend!<br />

Es soll ein Festival sein, das es in dieser<br />

Form wahrscheinlich noch nie gegeben<br />

hat und wozu alle Jugendkapellen, egal<br />

ob groß oder klein, erst neu gegründet<br />

oder lange bestehend, eingeladen sind<br />

dabei zu sein.<br />

KulturFenster: Was war dein erster Gedanke,<br />

als du von der Idee des Jugendfestivals<br />

erfahren hast?<br />

Uta Praxmarer: Das hört sich total spannend<br />

an und muss umgesetzt werden.<br />

Musik in Bewegung mit allen Sinnen –<br />

das klingt vielversprechend. Ich würde<br />

meine Jugendkapelle sofort animieren<br />

mitzumachen.<br />

KulturFenster<br />

27 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


angekündigt<br />

Musik in Bewegung ist viel mehr als „nur<br />

marschieren“; sie bringt Körper, Geist<br />

und Sinne in Bewegung.<br />

ren, als ich anlässlich eines Maturaballs<br />

eine selbst gestaltete Mitternachtseinlage<br />

von Jugendlichen miterleben durfte. Es<br />

war einfach toll zu sehen, wie einfallsreich,<br />

kreativ und mit welcher Freude sie<br />

sich zur Musik bewegt haben.<br />

KF: Zur Musik tanzen ist eins, aber dazu<br />

zu spielen ist doch nochmal anders?<br />

Fischnaller: Ja das stimmt! Es soll auch<br />

kein klassisches Marschieren sein wie<br />

wir es alle kennen. Wir möchten vielmehr<br />

dazu einladen, sich passend zur Musik<br />

zu bewegen. Wo beispielsweise die Musik<br />

im Stand, unterstützend im Hintergrund<br />

oder auch solistisch gespielt wird<br />

und diese mit einfachen Figuren, kreativen<br />

Bewegungsformen, Bühnenbild und<br />

Kostümen unterstützt werden.<br />

Praxmarer: Es gibt ein gutes Konzept,<br />

der Rest ist Raum lassen für Kreativität,<br />

Ideen, Austausch, Begegnungen. Kinder<br />

sind wahre Meister in Sachen Spontanität,<br />

Ausprobieren und Spaß haben.<br />

KF: Welche Hilfestellungen sind geplant?<br />

Fischnaller: Wir werden eigens einen<br />

Workshop anbieten, wo das Projekt an alle<br />

Jugendleiter*innen und Stabführer*innen<br />

im Detail vorgestellt wird. In verschiedenen<br />

Gruppen sollen praktische Beispiele und<br />

Ideen erarbeiten werden, welche als Hilfestellung<br />

und Ideenanstoß dienen sollen.<br />

Weiteres werden wir ständig in Kontakt<br />

mit den Teilnehmenden sein, und wenn<br />

gewünscht, sie auch bei der Vorbereitung<br />

unterstützen.<br />

Blasmusik ist „cool“ und eröffnet zudem eine Menge kreativer Gestaltungsräume.<br />

KF: Was erwartet ihr euch von den<br />

Jugendleiter*innen?<br />

Praxmarer: Neugier, Interesse und Freude,<br />

bei diesem Jugendfestival dabei zu sein.<br />

Dass alle diese tolle Idee mittragen, damit<br />

dieser Tag ein unvergessliches Erlebnis<br />

wird, das noch lange nachwirkt und<br />

Lust auf mehr macht.<br />

Fischnaller: Dass wir gemeinsam an diesem<br />

tollen Projekt arbeiten und es so zu<br />

einem besonderen Erlebnis werden lassen,<br />

das lange in Erinnerung bleiben wird.<br />

Gespräch:<br />

Stephan Niederegger<br />

KulturFenster<br />

28 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


VSM intern<br />

„Blasmusik bewegt – wieder!“<br />

73. VSM-Mitgliedervollversammlung<br />

Mit der „Intrada“<br />

von Johann Pezel<br />

eröffnete die MK<br />

Naturns die diesjährige<br />

Online-<br />

Mitgliedervollversammlung<br />

des VSM.<br />

Am 24. April hielt der Verband Südtiroler<br />

Musikkapellen seine traditionelle Jahresversammlung<br />

ab. Traditionell waren aber nur<br />

die Inhalte, denn – wie schon im Vorjahr –<br />

wurde die Versammlung coronabedingt per<br />

Videokonferenz organisiert.<br />

Beim letzten Mal saß das Verbandspräsidium<br />

im Raiffeisensaal in Bozen und<br />

die Versammlung wurde übers Internet<br />

ausgestrahlt. Diesmal war es eine reine<br />

Videokonferenz, bei der sowohl die Mitglieder<br />

des Verbandsvorstandes als auch<br />

die Vertreter der Musikkapellen einzeln<br />

über ihren PC zugeschaltet waren. Tonund<br />

Videoeinspielungen der Musikkapellen<br />

Naturns, Vahrn, Mals und Toblach<br />

sowie der Bürgerkapelle Gries und eines<br />

Blechbläserquintetts sorgten für die musikalische<br />

Note.<br />

Wie schon im Vorjahr wurde die heurige VSM Mitgliedervollversammlung coronabedingt<br />

wiederum online abgehalten.<br />

Optimismus nach einem<br />

schwierigen Jahr<br />

Nach mehr als einem Jahr Corona war die<br />

Pandemie auch das alles überragende<br />

Thema. Verbandsobmann Pepi Fauster und<br />

Verbandsgeschäftsführer Andreas Bonell<br />

blickten gemeinsam mit Verbandskapellmeister<br />

Meinhard Windisch, Verbandsjugendleiter<br />

Hans Finatzer und Verbandsstabführer<br />

Klaus Fischnaller auf das vergangene Tätigkeitsjahr<br />

zurück: vom Virus überrumpelt<br />

und gestoppt, Absagen, neue Hoffnung, Öffnungen<br />

und Schließungen, rechtliche Unsicherheit,<br />

fehlende Perspektiven – das waren<br />

die alles bestimmenden Schlagworte.<br />

Man habe versucht, die Gremien auf Verbands-<br />

und Bezirksebene, aber auch die<br />

breite Basis in den Musikkapellen in die<br />

jeweiligen Entscheidungen einzubinden,<br />

damit diese von allen mitgetragen werden<br />

konnten. Dadurch sei es gelungen, „diese<br />

schwere Zeit gemeinsam zu überbrücken“<br />

und dem Dreijahresmotto des Verbandes<br />

„Blasmusik bewegt“ einmal mehr gerecht<br />

zu werden: „Auch wenn wir nicht aktiv musizieren<br />

können, so hat sich gezeigt, dass<br />

die Blasmusik die Menschen gerade auch<br />

in dieser Zeit bewegt.“ Daher blicke man optimistisch<br />

auf die bevorstehenden Monate.<br />

KulturFenster<br />

29 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


VSM intern<br />

Rund 280 Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

wurden bei der Versammlung gezählt, freute<br />

sich VSM-Obmann Pepi Fauster.<br />

Werner Mair, der Jugendleiter und EDV-Referent<br />

des VSM-Bezirks Bozen sorgte im Hintergrund<br />

für den reibungslosen technischen<br />

Ablauf der Versammlung.<br />

(Präsident des Tiroler Blasmusikverbandes),<br />

Rudi Pascher (Tiroler Landeskapellmeister,<br />

Renzo Braus (Präsidenten des Trentiner<br />

Blasmusikverbandes), Erich Deltedesco<br />

(Obmann des Südtiroler Chorverbandes),<br />

Claudia Plaikner (Obfrau des Südtiroler Heimatpflegeverbandes),<br />

Hans Christoph von<br />

Hohenbühel (Vorsitzender des Südtiroler<br />

Kulturinstitutes), Monika Rottensteiner (Vorsitzende<br />

der ArGe Volkstanz), Gernot Niederfriniger<br />

(Obmann des Südtiroler Volksmusikkreises),<br />

Klaus Runer (Obmann des<br />

Südtiroler Theaterverbandes) sowie Paul<br />

Peter Niederwolfsgruber (Redaktion KulturFenster)<br />

und Alfons Gruber (ehemaliger<br />

Schriftleiter des KulturFensters).<br />

Man wolle das heurige Jahresprogramm<br />

ständig an die Situation anpassen und möglichst<br />

kreativ die vorgesehenen Projekte umsetzen,<br />

hoben die Verantwortlichen hervor.<br />

Grußworte<br />

Landeshauptmann Arno Kompatscher und<br />

Landesrat Philipp Achammer bedankten<br />

sich in ihren Grußworten beim Verband und<br />

allen Musikkapellen, für „die Geduld, die<br />

Disziplin, den Verzicht und die Kreativität,<br />

mit der dieses enorm schwierige Jahr gemeistert<br />

wurde.“ Sie sicherten weitere Lockerungen<br />

zu und versprachen, dass die<br />

bereits zugesicherten Unterstützungen aus<br />

dem Kulturfonds so schnell wie möglich und<br />

unbürokratisch ausbezahlt werden. Zudem<br />

werden sie weitere Anläufe machen, damit<br />

die neuen „Regeln des römischen Zentralismus“<br />

zum Ehrenamt abgeändert und die<br />

Eigenheit des Vereinswesens in Südtirol berücksichtigt<br />

werden.<br />

Erich Riegler, der Präsident des Österreichischen<br />

Blasmusikverbandes, bedankte<br />

sich einmal mehr für die hervorragende<br />

Zusammenarbeit. Auch wenn die gesetzlichen<br />

Rahmenbedingungen unterschiedlich<br />

sind, so seien die Bedürfnisse der Blasmusik<br />

diesseits und jenseits des Brenners<br />

die gleichen, hob er hervor: „Die Blasmusik<br />

darf nicht hinten bleiben und unverhältnismäßig<br />

behandelt werden.“<br />

Die Ehrengäste<br />

Vertreter von 179 Musikkapellen nahmen<br />

an der Online-Versammlung teil. Weiters<br />

konnte VSM-Obmann Pepi Fauster zahlreiche<br />

Ehrengäste begrüßen, die ebenfalls<br />

virtuell der Versammlung beiwohnten und<br />

damit ihre Wertschätzung dem Verband gegenüber<br />

zum Ausdruck brachten: Gottfried<br />

Furgler (VSM-Ehrenobmann), Gottfried Veit<br />

(VSM-Ehrenkapellmeister, die VSM-Ehrenmitglieder<br />

Klaus Bragagna, Toni Profanter<br />

und Bruno Hosp, Landeshauptmann Arno<br />

Kompatscher, Bildungslandesrat Philipp Achammer,<br />

Landesmusikschuldirektor Felix<br />

Resch, Giacomo Fornari (Direktor des Bozner<br />

Musikkonservatoriums), Erich Riegler<br />

(ÖBV-Präsident), Friedrich Weyermüller<br />

(ÖBV-Ehrenpräsident), Helmut Schmid<br />

(ÖBV-Bundesjugendreferent), Elmar Juen<br />

Landeshauptmann Arno Kompatscher, Bildungslandesrat Philipp Achammer und ÖBV-Präsident<br />

Erich Riegler bedankten sich in ihren Grußworten für die hervorragende Zusammenarbeit<br />

„in diesem äußerst schwierigen Jahr“.<br />

„Fesch in Tracht“: Die neue Informationsbroschüre<br />

gibt im Detail Tipps zum Tragen<br />

und Pflegen der Frauen- und Männertracht.<br />

„Fesch in Tracht“<br />

Unter der Leitung von Stefan Sinn, seines<br />

Zeichens Obmann des VSM-Bezirks Bozen,<br />

wurde in Zusammenarbeit mit der<br />

ArGe „Lebendige Tracht“ und der ArGe<br />

„Volkstanz“ eine handliche Broschüre mit<br />

Tipps zum Tragen und Pflegen der Tracht<br />

erstellt. „Eine Tracht anzuziehen sollte niemals<br />

eine Last sein, vielmehr eine Ehre“,<br />

hob Agnes Andergassen hervor. Sie ist die<br />

Vorsitzende der ArGe „Lebendige Tracht“,<br />

hat maßgeblich an der Broschüre mitgearbeitet<br />

und diese bei der VSM-Mitgliedervollversammlung<br />

vorgestellt. Das Informationsbüchlein<br />

wurde in einer Auflage von 10.000<br />

Stück gedruckt und wird an alle Mitgliedsvereine<br />

verteilt.<br />

Stephan Niederegger<br />

VSM-Medienreferent<br />

KulturFenster<br />

30 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Blasmusik<br />

Es war einmal …<br />

eine Musikkapelle<br />

Bitte um Mitarbeit bei der Suche nach verschollenen Musikkapellen<br />

Es hat in der Vergangenheit in unserm Land gar einige<br />

Musikkapellen gegeben, die im Laufe der Zeit<br />

von der Bildfläche verschwunden sind und vielfach<br />

erinnern nur mehr lückenhafte Notizen von deren<br />

vormaliger Existenz.<br />

GESUCHT!<br />

Erinnerungen, Dokumente,<br />

Fotos, Zeitungsmeldungen etc.<br />

Nun soll der Versuch gemacht werden, ein vom Vergessen<br />

bedrohtes Kapitel Südtiroler Blasmusikgeschichte<br />

zu dokumentieren und für die Zukunft zu sichern.<br />

Deshalb ersuchen wir alle, die vom Bestand ehemals<br />

existierender und heute verschwundener Musikkapellen<br />

oder selbstständiger Bläserformationen Kenntnis<br />

haben, dies mitzuteilen. Vor allem bitten wir, auch ältere<br />

Musikanten oder ältere Menschen aus der Dorfgemeinschaft<br />

anzusprechen und sie nach ihren diesbezüglichen<br />

Erinnerungen zu befragen.<br />

Wenn es neben den bloßen Erinnerungen auch noch<br />

konkrete Unterlagen (Dokumente, Fotos, Zeitungsmeldungen<br />

etc.) zu den verschwundenen Musikkapellen<br />

geben sollte, so wären wir für deren leihweise Überlassung<br />

natürlich sehr dankbar. Jeder noch so kleine<br />

Hinweis ist bei der Recherche hilfreich!<br />

Hinweise und Infos bitte direkt an den Verband Südtiroler<br />

Musikkapellen, Schlernstraße 1, 39100 Bozen<br />

oder info@vsm.bz.it<br />

Stephan Niederegger<br />

Aus der Redaktion<br />

Ihre Beiträge (Texte und Bilder) für die Blasmusikseiten<br />

senden Sie bitte an: kulturfenster@vsm.bz.it<br />

Redaktionsschluss für<br />

die nächste Ausgabe des<br />

KulturFensters ist<br />

Donnerstag, 15. Juli <strong>2021</strong><br />

KulturFenster<br />

31 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


VSM intern<br />

50 Jahre Leistungsabzeichen<br />

im VSM<br />

Eine Erfolgsgeschichte mit Fortsetzung<br />

Die „alten“ Jungmusikerleistungsabzeichen<br />

(im Bild das Abzeichen in Bronze).<br />

So sahen die Jungmusikerleistungsabzeichen<br />

ab dem Jahr 2006 aus (im Bild das<br />

Abzeichen in Silber).<br />

2018 erhielten die Leistungsabzeichen ein<br />

völlig neues Design.<br />

Mit den Prüfungen am vergangenen 2. und<br />

5. <strong>Juni</strong> endete eine Ära: Nach 50 Jahren<br />

wechselvoller und spannender Geschichte<br />

wurden die Prüfungen zum Leistungsabzeichen<br />

zum letzten Mal vom Verband Südtiroler<br />

Musikkapellen (VSM) ausgetragen.<br />

Ein historisches Datum, das an die vielen<br />

Musikant*innen erinnert, welche sich im<br />

Laufe der Jahre für diesen besonderen Moment<br />

angestrengt hatten. Viele von ihnen<br />

sind die heutigen Eckpfeiler der Musikkapellen,<br />

Leistungsträger, Funktionäre oder<br />

Berufsmusiker.<br />

Vor 50 Jahren auch in<br />

Südtirol eingeführt<br />

Bereits 1969 führte der Österreichische<br />

Blasmusikverband (ÖBV) die Jungmusikerleistungsabzeichen<br />

„zur Hebung des<br />

musikalischen Niveaus“ ein. Die Ausbildung<br />

der Jungmusiker fand damals hauptsächlich<br />

in den Kapellen und kaum in den<br />

(teilweise noch zu gründenden) Musikschulen<br />

statt. Die Leistungsabzeichen waren<br />

also ein kluger Schachzug und gleichzeitig<br />

bahnbrechend. Somit gab es jetzt drei<br />

Leistungsstufen in Bronze, Silber und Gold<br />

– ähnlich den olympischen Disziplinen –<br />

als Motivation für die Jugend. Schon zwei<br />

Jahre später, 1971, wurde diese Idee vom<br />

Verband Südtiroler Musikkapellen (VSM)<br />

übernommen und über die Bezirke landesweit<br />

organisiert.<br />

Diese Kurse mit integriertem Theorie- und<br />

Praxisunterricht erstreckten sich in der Regel<br />

über mehrere Sonntagvormittage, wobei<br />

die eigentliche Prüfung von externen Juroren<br />

abgenommen wurde. Vielfach lernten<br />

die allermeisten Musikanten aufgrund der<br />

damals mangelnden Ausbildung bei diesen<br />

Kursen grundlegende Spieltechniken<br />

und wurden zum ersten Mal von geschulten<br />

Fachleuten unterrichtet.<br />

Steigende Ansprüche<br />

Mit steigenden Ansprüchen an Literatur und<br />

Ausbildung wurden die Theorieprüfungen<br />

Anfang der 2000-er Jahre Musikschulen<br />

ausgelagert. Die bisherige einheitliche Prüfungsliteratur<br />

wurde durch individuelle, moderne<br />

Literaturlisten abgelöst.<br />

Die Leistungsabzeichen erfreuen sich nach<br />

wie vor großer Beliebtheit: in den vergangenen<br />

fünf Jahrzehnten haben ca. 15.000<br />

Musikant*innen eines der Leistungsabzeichen<br />

erlangt. Jährlich stellen sich an die<br />

750 Musikant*innen der Herausforderung,<br />

dabei entfallen etwa 70% auf Bronze, 25%<br />

aus Silber und 5% auf Gold.<br />

Musikschulen übernehmen<br />

die Prüfungen<br />

Seit Herbst 2020 verfügt der VSM über<br />

eine von Verbandsjugendleiter Johann Finatzer<br />

konzipierte Anmeldeseite, über die<br />

die Lehrpersonen ihre Schüler bequem<br />

und unbürokratisch zu den Prüfungen anmelden<br />

können.<br />

Der nächste und letzte Baustein dieser<br />

50-jährigen Geschichte ist der Übergang<br />

der Prüfungen zum Leistungsabzeichen ab<br />

dem Schuljahr <strong>2021</strong>/22 an die Musikschulen,<br />

wobei gewährleistet bleibt, dass weiterhin<br />

die Richtlinien des österreichischen<br />

Blasmusikverbandes eingehalten werden.<br />

Wir blicken nun nach vorne und wünschen<br />

den Leistungsabzeichen eine gute<br />

Reise. Mögen sie für weitere 50 Jahre ein<br />

begehrtes Ziel und zudem ein Garant bleiben<br />

für das musikalische Niveau unserer<br />

Kapellen und weit darüber hinaus.<br />

Johann Finatzer<br />

VSM-Verbandsjugendleiter<br />

KulturFenster<br />

32 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


hinausgeblickt<br />

70 Jahre Österreichischer<br />

Blasmusikverband<br />

Eine umfassende Chronik zum Geburtstag<br />

Friedrich Anzenberger (v.l.) mit seiner Frau<br />

Elisabeth und VSM-Obmann Pepi Fauster auf<br />

Recherche im VSM-Archiv in Bozen<br />

Am 4. März hat Friedrich Anzenberger die<br />

Chronikkurzfassung im Online-Blasmusikstudio<br />

des ÖBV vorgestellt.<br />

Friedrich Anzenberger mit der Kurzfassung<br />

als Vorgeschmack zur Jubiläums-Chronik<br />

des ÖBV<br />

In der Aprilausgabe haben wir bereits auf<br />

den runden Geburtstag des Österreichischen<br />

Blasmusikverbandes „hinausgeblickt“<br />

(siehe S.63). Im Oktober wird die<br />

Jubiläums-Chronik erscheinen. Der ÖBV-<br />

Bundesschriftführer Friedrich Anzenberger<br />

hat zum „Geburtstag“ am 4. März dazu<br />

vorab eine Kurzfassung des historischen<br />

Teils vorgestellt.<br />

KulturFenster: Warum ist es von Bedeutung,<br />

dass eine Chronik über die letzten sieben<br />

Jahrzehnte des ÖBV veröffentlicht wird?<br />

Friedrich Anzenberger: Bis jetzt gab es leider<br />

noch nie eine umfassende Darstellung<br />

der Verbandsgeschichte. Daher glaube ich,<br />

dass es wichtig ist, dass heuer im Oktober<br />

eine Chronik zum 70-Jahr-Jubiläum erscheint,<br />

die auch die Biografien der mehr<br />

als 100 bisher im Präsidium tätigen Funktionäre<br />

einschließt. Zum „Geburtstag“ am<br />

4. März gab es eine Kurzfassung des historischen<br />

Teils als erste Information.<br />

KF: Welchen Aufwand hattest du beim Verfassen<br />

der Chronik?<br />

Anzenberger: Ich durfte bereits Anfang der<br />

1990-er Jahre die erste Festschrift für den<br />

Niederösterreichischen Blasmusikverband<br />

(NÖBV) schreiben und beschäftige mich<br />

seither mit der Blasmusikgeschichte, besonders<br />

intensiv seit der Schaffung des ÖBV-<br />

Dokumentationszentrums in Oberwölz im<br />

Jahr 2008. Die Vorbereitungsarbeiten gingen<br />

also über mehrere Jahre. Neben tausenden<br />

Protokollseiten waren auch mehr als<br />

30.000 Seiten der Österreichischen Blasmusikzeitung<br />

(seit 1953) zu lesen. Aus der<br />

letzten Zeit gab es rund 100 Foto-CDs bzw.<br />

DVDs durchzusehen, auf manchen befinden<br />

sich mehr als 1.000 Bilder.<br />

KF: Was gab es, das dich beim Recherchieren<br />

und beim Verfassen überrascht hat?<br />

Anzenberger: Besonders aufschlussreich<br />

war, dass es immer wieder Funktionäre<br />

gegeben hat, die weit in die Zukunft gedacht<br />

haben, auch wenn diese Vorschläge<br />

nicht immer gleich in die Praxis umgesetzt<br />

werden konnten. Dazu ein Beispiel: Schon<br />

1963 schlug der spätere steirische Landesobmann<br />

und ÖBV-Bundesschriftführer<br />

Willi Konrad ein Abzeichen „Für Leistung“<br />

mit theoretischer und praktischer<br />

Prüfung vor. Beschlossen wurde das damalige<br />

Jungmusiker-Leistungsabzeichen<br />

nach längerer Diskussion erst 1969.<br />

KF: Was wünscht du dir für das Jubiläumsjahr<br />

<strong>2021</strong>?<br />

Anzenberger: Es sind großartige Veranstaltungen<br />

zum 70-Jahr-Jubiläum geplant,<br />

auf die ich mich – so wie viele<br />

andere – sehr freue. Es bleibt zu hoffen,<br />

dass sie trotz Pandemie auch alle<br />

durchgeführt werden können. Die Chronik<br />

soll dazu beitragen, dass Musiker<br />

und Funktionäre – und ganz besonders<br />

die Jugend – besser über die Leistungen<br />

des Verbandes in der Vergangenheit<br />

informiert sind.<br />

KF: Warum sollen wir die Chronik unbedingt<br />

lesen?<br />

Anzenberger:Wenn man mit Zeitzeugen<br />

der vierziger und fünfziger Jahre<br />

spricht, wird immer wieder betont, aus<br />

welch bescheidenen Anfängen sich alles<br />

entwickelt hat. Die Chronik zeigt uns<br />

– in aller Kürze – die bemerkenswerte<br />

Aufwärtsentwicklung unserer Blasmusik<br />

durch die sieben Jahrzehnte, das beeindruckende<br />

Engagement von Musikern<br />

und Funktionären, ohne die es<br />

unser heutiges Qualitätsniveau nicht<br />

geben würde.<br />

Stephan Niederegger<br />

KulturFenster<br />

33 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


jung musiziert<br />

jung musiziert<br />

Jung, rhythmisch, “GiGantisch”<br />

Das „GiGa Percussion Duo“ wurde ihm Jahr<br />

2019 von den beiden Schlagzeugern Loris<br />

Gitterle (20) und Mathias Gamper (19)<br />

gegründet. Auf Initiative ihrer beiden Instrumentallehrer<br />

Martin Knoll und Hannes<br />

Reiterer nahmen sie damals am VSM-Wettbewerb<br />

„Musik in kleinen Gruppen“ teil und<br />

holten sich mit 97/100 Punkten den Tagessieg.<br />

Da sich die beiden Jungmusiker in der<br />

Vorbereitungsphase von Anfang an gut miteinander<br />

verstanden hatten, wollten sie dieses<br />

Projekt weiterführen und somit war das<br />

Duo gegründet.<br />

Ihr Ziel: Anspruchsvolle, perkussive Livemusik,<br />

gespielt auf den verschiedensten<br />

Klangkörpern. Zu ihrem Hauptinventar<br />

gehören Marimbaphon, Vibraphon, Pauken,<br />

Bongos, Drum-Set und die klassische<br />

kleine Trommel. Zum weiteren Set-Up gehören<br />

aber auch andere Instrumente wie<br />

Pipedrums, Töpfe, Woodblocks und mehr.<br />

In den letzten Monaten gestaltete es sich<br />

natürlich als sehr schwierig, zusammen zu<br />

üben. Deshalb konzentrieren sich beide<br />

Schlagzeuger momentan auf ihre jeweilige<br />

Ausbildung. Loris studiert Schlagwerk<br />

im Konzertfach am Tiroler Landeskonservatorium<br />

in Innsbruck. Mathias bereitet<br />

sich auf die Matura vor und möchte Loris<br />

im nächsten Jahr nach Innsbruck folgen.<br />

In der Zwischenzeit wird aber fleißig arrangiert<br />

und Neues ausprobiert: YouTube<br />

dient dabei als wichtige Inspirationsquelle<br />

für neue Literatur und Showelemente, die<br />

später in ihre Auftritte eingebaut werden<br />

können. Dabei fixieren sie sich nicht auf<br />

ein bestimmtes Genre, sondern versuchen<br />

alle Stilrichtungen bestmöglich abzudecken.<br />

Bei ihren Konzerten wollen sie<br />

ihre Zuhörer nicht nur musikalisch begeistern,<br />

sondern auch die Vielseitigkeit der<br />

Perkussionsinstrumente aufzeigen.<br />

<strong>Kulturfenster</strong>: Mathias, warum hast du dich<br />

entschieden, das Schlagzeug zu erlernen?<br />

Mathias Gamper: Mein Vater spielt Horn im<br />

Musikverein. Als ich ein kleines Kind war,<br />

hat er mich immer wieder zu den örtlichen<br />

Konzerten der Musikkapelle mitgenommen,<br />

somit hatte ich bereits einen starken Bezug<br />

zur Musik. Besonders das Schlagzeug hat<br />

mir aber immer schon imponiert – sei es<br />

beim Marschieren als auch bei den Konzerten.<br />

Es klingt vielleicht ein bisschen kitschig,<br />

aber man kann von „Liebe auf den<br />

ersten Blick“ sprechen!<br />

KF: Loris, du studierst ja schon Schlagwerk<br />

in Innsbruck. Ab welchem Zeitpunkt wolltest<br />

du die Musik zu deinem Beruf machen?<br />

Loris Gitterle: Meine Leidenschaft zum<br />

Schlagzeug kam erst später, denn in meinen<br />

jungen Jahren habe ich mir ehrlich<br />

gesagt nicht viel dabei gedacht. Ich hatte<br />

zwischenzeitlich sogar die Musikschule<br />

abgebrochen und bin damals dann eher<br />

dem Sport verfallen. Als ich dann der Musikkapelle<br />

beigetreten bin, kehrte die Motivation<br />

zurück und ich besuchte fortan wieder<br />

die Musikschule. Durch die Teilnahme<br />

an landesweiten Jungmusikerwettbewerben<br />

wie zum Beispiel „Prima la Musica“<br />

erkannte ich wie reizvoll es ist, anspruchsvolle<br />

Musikstücke zu üben, den Fortschritt<br />

mitzuerleben und später dann mit einem<br />

Erfolgserlebnis zu krönen.<br />

KF: Mathias, welche Eigenschaft schätzt<br />

du an deinem Ensemble-Partner Loris<br />

besonders?<br />

KulturFenster<br />

34 03 <strong>Juni</strong><strong>2021</strong>


Gamper: (lacht) Einmal abgesehen von seiner<br />

Musikalität wäre es dann<br />

wohl sein Durchhaltevermögen.<br />

Ich erinnere mich an<br />

unsere erste gemeinsame<br />

Probe als Duo. Nach eineinhalb<br />

Stunden des Übens<br />

dachte ich, wir hätten uns<br />

eine Pause mehr als verdient,<br />

doch Loris wollte noch unbedingt<br />

eine Passage im Musikstück<br />

genauer ausarbeiten. In<br />

diesem Moment motivierte er<br />

mich dann umso mehr!<br />

KF: Loris, was zeichnet euch als<br />

Percussion-Duo aus?<br />

Gitterle: Wir beide lieben es einfach,<br />

gern aufzuspielen und die<br />

Zuschauer mit unserer Show zu<br />

fesseln. ... (lacht) „Wenn die<br />

Stimmung passt, donn lossmer<br />

so richtig die Goas gean!“<br />

Bericht: Alexander Mayr<br />

LorisGitterle<br />

Alter: 20 Jahre<br />

Wohnort: Naturns<br />

Beruf: Student am Tiroler<br />

Landeskonservatorium<br />

Hobbies: Laufen, Grafik-Design<br />

Lieblingsinstrument: Kleine Trommel<br />

MathiasGamper<br />

Alter: 19 Jahre<br />

Wohnort: Marling<br />

Beruf: Schüler an der OFL-Auer<br />

Hobbies: Fotografie, Film, Freunde<br />

Lieblingsinstrument: Marimba<br />

Instagram – Profil:<br />

https://www.instagram.com/giga.percussion/?hl=de<br />

..<br />

Literaturtipp fur Jugendkapellen<br />

von MagdalenaKeim,Jugendkapelle Brennerwind<br />

Counting Stars ein Hit von One Republic aus der Feder von Ryan Tedder –<br />

Arrangement von Robert Longfield<br />

Dieser von One Republic aufgenommene Hit ist für Spieler ab dem zweiten Lernjahr arrangiert.<br />

Das Stück beginnt mit einer kurzen, langsamen Einführung und enthält ein optionales<br />

Solo für Altsaxophon oder Trompete.<br />

Es folgt ein moderates Tanztempo mit einem treibenden Puls und interessante Teile für<br />

alle Register. Unseren JungmusikantInnen hat es großen Spaß gemacht dieses Stück zu<br />

spielen, weshalb wir es gerne weiterempfehlen.<br />

Hier der Link zum Orginalvideo von<br />

One Republic zum Probehören:<br />

https://www.youtube.com/watch?v=hT_nvWreIhg<br />

Und der Link direkt zum Arrangement<br />

von R. Longfield<br />

https://www.youtube.com/watch?v=GSox18xt6Aw<br />

KulturFenster<br />

35 03 <strong>Juni</strong><strong>2021</strong>


DerBrennerwind<br />

dieJugendkapelle von<br />

Pflersch undGossensass<br />

„Ausgefratschelt“ bei Jugendleiterin Magdalena Keim<br />

Mit viel Begeisterung unterwegs – die Jugendkapelle Brennerwind<br />

Steckbrief<br />

Name: Brennerwind<br />

Musikkapelle: Pflersch und Gossensaß<br />

Jugendleiterteam: Magdalena Keim, Verena<br />

Röck, Viktoria Obkircher (Pflersch), Christian<br />

Festini (Gossensaß)<br />

Jungmusikanten: ca. 20 Mitglieder<br />

KulturFenster: Sag mal Magdalena, du bist<br />

Bezirksjugendleiterin von Sterzing, im Jugendteam<br />

der MK Pflersch und Mitverantwortliche<br />

der Jugendkapelle Brennerwind.<br />

Wer sind Brennerwind eigentlich und woher<br />

habt ihr diesen genialen Namen?<br />

Magdalena Keim: Die Jugendkapelle Brennerwind<br />

vereinigt Jungmusikant*innen<br />

aus der Gemeinde Brenner (Musikkapelle<br />

Pflersch und Vereinskapelle Gossensaß).<br />

Unter der Leitung der damaligen Jugendleiterin<br />

von Pflersch, Marianne Mair Leitner,<br />

hatte Brennerwind beim Cäcilienkonzert<br />

in Pflersch im Jahre 2012 seinen ersten<br />

Auftritt. Durch den unermüdlichen Einsatz<br />

der engagierten Jugendleiterin konnten<br />

die jungen Musikant*innen viele Konzerte<br />

diesseits und jenseits des Brenners<br />

abliefern. Auch für den treffenden Namen<br />

ist Marianne verantwortlich. Wie genau es<br />

dazu gekommen ist, kann ich nur mutmaßen.<br />

Wahrscheinlich, weil auf dem Brenner<br />

tatsächlich hie und da der Wind bläst<br />

und Gossensaß und Pflersch die größten<br />

Ortschaften der Gemeinde Brenner sind.<br />

Leider hat im Herbst 2019 unsere liebe<br />

Marianne durch ein tragisches Ereignis ihr<br />

Leben verloren und somit stand Brennerwind<br />

plötzlich ohne Leitung da. Mit vereinten<br />

Kräften konnten wir ein Jahr bis zu den<br />

Neuwahlen überbrücken und versuchten<br />

für Marianne, ihre Familie und für den<br />

Verein die Musik weiterleben zu lassen.<br />

Ihr Verlust ist immer und überall spürbar,<br />

doch im Herzen und in Gedanken wird sie<br />

immer bei uns bleiben.<br />

<strong>Kulturfenster</strong>: Und wie sieht die Leitung<br />

von Brennerwind heute aus?<br />

Keim: Ende des Jahres 2020 wurde in<br />

der Musikkapelle Pflersch ein neuer Ausschuss<br />

gewählt und dabei wurde auch ein<br />

Jugendleiterteam zusammengestellt, das<br />

aus Verena Röck, Viktoria Obkircher und<br />

mir besteht. Zusammen mit unserem Kollegen<br />

aus Gossensaß, Christian Festini, leiten<br />

wir nun den Brennerwind.<br />

KF: Im letzten Jahr ist es sicherlich auch<br />

ruhiger um euren Brennerwind geworden,<br />

aber erzähl uns doch ein bisschen von euren<br />

regelmäßigen musikalischen Tätigkeiten<br />

in einem Nicht-Pandemie-Jahr!<br />

Keim: Neben musikalischen Gestaltungen<br />

von hl. Messen in der Kirche<br />

nimmt der Brennerwind auch an Landesjugendkapellentreffen,<br />

Faschingsumzügen<br />

und verschiedenen Projekten<br />

im Bezirk Wipptal (z.B. Bezirksjugendkapelltreffen,<br />

Adventskonzert) teil. Der<br />

Brennerwind leitet jährlich das Cäcilienkonzert<br />

der Musikkapelle Pflersch und<br />

das Pfingskonzert der Vereinskapelle Gossensaß<br />

mit mehreren Stücken ein, welche<br />

von den Jungmusikant*innen selbst<br />

anmoderiert werden. Stolz werden die<br />

Jungmusikant*innen und deren Familien,<br />

wenn sie auf der Bühne vor Freunden,<br />

Nachbarn und Musikkolleg*innen für<br />

das erfolgreich bestandene Leistungsabzeichen<br />

geehrt werden. Außerdem nehmen<br />

viele unserer Jungmusikant*innen<br />

mit Begeisterung bei den alljährlichen Bezirksbläsertagen<br />

teil, bei denen es möglich<br />

ist, sich untereinander auszutauschen<br />

und in Praxis und Musiktheorie<br />

weiterzubilden.<br />

KF: Und eure außermusikalischen Tätigkeiten?<br />

Keim: Um den Zusammenhalt der Jugendlichen<br />

zu stärken, werden hin und wieder<br />

verschiedene Ausflüge organisiert. Es<br />

wurde bereits geklettert, gerodelt oder gemeinsam<br />

eine Pizza oder ein Eis genossen.<br />

KF: Was ist so das Highlight eures Brennerwind-Jahres?<br />

Keim: Das Probenwochenende im Herbst<br />

auf einer Hütte in Ladurns ist für die Jugendlichen<br />

der Höhepunkt des gesamten<br />

Probenjahres. Dort proben wir vor allem<br />

für das Cäcilienkonzert und eine Familienmesse.<br />

Die musikalische Weiterentwicklung,<br />

die Pflege vieler Freundschaften<br />

und auch Spaß und Action kommen<br />

dabei nicht zu kurz.<br />

KulturFenster<br />

36 03 <strong>Juni</strong><strong>2021</strong>


KF: Innovativ seid ihr auch noch! Instrumentenvorstellung<br />

<strong>2021</strong>?<br />

Keim: Ja, aufgrund der momentanen Situation<br />

musste im Februar <strong>2021</strong> die traditionelle<br />

Instrumentenvorstellung für<br />

die Grundschüler von Pflersch auf einen<br />

alternativen Weg erfolgen. Einige<br />

aktive Musikant*innen sowie erfahrene<br />

Jungmusikant*innen erstellten je einzeln<br />

ein Video, in welchem alle Instrumente<br />

vorgestellt wurden. Den zusammengestellten<br />

Film und einen kleinen<br />

Rätselspaß mit allgemeinen Fragen zum<br />

Musikverein durften wir den Lehrern der<br />

Grundschule übergeben. In dieser Form<br />

hoffen wir auch in diesen Zeiten auf einen<br />

Zuwachs von jungen und motivierten<br />

Musikant*innen, damit die nicht wegzudenkende<br />

Tradition auch in Zukunft weitergeführt<br />

werden kann.<br />

KF: Plant ihr auch schon Projekte für den<br />

heurigen Sommer?<br />

Keim: Nein noch nichts Konkretes (Stand<br />

Anfang Mai), aber hoffentlich können wir<br />

heuer wieder unsere traditionellen Veranstaltungen<br />

abhalten und bald wieder mit<br />

den Proben beginnen.<br />

Brennerwind – Koordination<br />

Anna Vonmetz<br />

SaraHofer<br />

Name: Sara Hofer<br />

Alter: 13 Jahre<br />

Ich spiele: Querflöte<br />

Ich lerne dieses Instrument, weil meine Mutter auch Querflöte spielt und es<br />

mir schon immer sehr gut gefallen hat, besonders wenn sie in der Kirche die<br />

Jungscharmessen musikalisch begleitet hat.<br />

Mir gefällt an der Jugendkapelle, dass wir alle zusammen sehr coole und moderne<br />

Stücke spielen. Mir haben auch die Bezirksbläsertage immer sehr gut gefallen.<br />

Ein lustiges Ereignis mit dem Brennerwind war, als bei einer Probe im Probelokal<br />

ein ziemlich übler Geruch zu vernehmen war. Das kam daher, dass vor<br />

der Eingangstür ein Hundehäufchen lag. Der Geruch war dermaßen stark,<br />

dass wir uns während des Spielens öfters die Nase zuhalten mussten und<br />

natürlich wurde deswegen auch viel gelacht. Zum Schluss musste unser Ju-<br />

gendleiter den Haufen entfernen, da es sonst logisch niemand machen wollte.<br />

NELLY<br />

GabrielGherbaz<br />

Mein Name: Gabriel Gherbaz<br />

Alter: 12 Jahre<br />

Ich spiele: Trompete<br />

Ich lerne dieses Instrument, weil ich immer meinen Vater Trompete spielen<br />

gesehen habe, und es hat mir so gut gefallen.<br />

Bei der Jungendkapelle gefällt mir das Musizieren mit Anderen.<br />

Ein typischer Spruch unserer ehemaligen Kapellmeisterin Marianne war „Leitler,<br />

reißt‘s enk zom“ - um uns alle bei Proben und Konzerten aufmerksam zu<br />

machen. Das habe ich in guter Erinnerung.<br />

David Windisch<br />

Name: David Windisch<br />

Alter: 15 Jahre<br />

Ich spiele: Tenorhorn<br />

Ich lerne dieses Instrument, weil mir das Instrument gefällt und weil es mir<br />

Spaß bereitet.<br />

An der Jugendkapelle gefällt mir der Zusammenhalt, Treffen mit Freunden<br />

und der Spaß während der Proben.<br />

Wenn wir mit der Jugendkapelle unterwegs sind, finden wir immer etwas zum<br />

Lachen. Wir als Gruppe sind stets nett zueinander und zeigen Respekt, auch<br />

wenn jemandem mal ein Fehler passiert.<br />

KulturFenster<br />

37 03 <strong>Juni</strong><strong>2021</strong>


“OhneMusikwird es leise“<br />

Die Musikkapelle und die Pandemie –<br />

eine Projektarbeit von Maren Mittelberger<br />

Die 19-jährige Klarinettistin Maren Mittelberger<br />

aus Vöran besucht die Landeshotelfachschule<br />

Kaiserhof in Meran. Im Rahmen<br />

des Unterrichtsfaches „Eventmanagement“<br />

hat sie sich in einer Projektarbeit kritisch<br />

und sehr persönlich mit der Situation ihrer<br />

Heimatkapelle in der Corona-Pandemie<br />

auseinandergesetzt. Gerade weil oft vergessen<br />

werde, dass „nicht nur systemrelevante<br />

Dinge wichtig sind“ und man „als<br />

Außenstehender oft nicht sieht, wie viel<br />

Arbeits- und Zeitaufwand hinter manchen<br />

Sachen steht“, hat sie sich diesem Themas<br />

gewidmet.<br />

Sie zeigt die dauernd sich geänderten Situationen<br />

im Laufe des Jahres auf und veranschaulicht,<br />

wie die Kapelle darauf reagiert<br />

hat: „Der Verein hat versucht, sich so<br />

gut wie möglich der Situation anzupassen<br />

und das Beste herauszuholen. Natürlich<br />

war man oft deprimiert, wenn wieder einmal<br />

etwas nicht stattfinden konnte. Aber<br />

auf die nächste gute Nachricht freute man<br />

sich dann umso mehr.“ In ihrer Arbeit zitiert<br />

sie abschließend auch den Beitrag<br />

„Tacet“ ihres Musikkollegen Hubert Reiterer,<br />

den wir bereits in der <strong>Juni</strong>ausgabe<br />

2020 des KulturFensters“ (S. 8/9) veröffentlicht<br />

haben.<br />

Für Kolleg*innen in den Reihen der Musikkapelle<br />

Vöran, wie auch für Außenstehende<br />

dokumentiert diese Arbeit sehr<br />

anschaulich, wie Corona die „Eventszene<br />

Blasmusikkapelle" beeinflusst hat.<br />

Trotz aller Rückschläge bleibt die junge<br />

Musikantin optimistisch: „Eines ist aber<br />

sicher. Wir werden, sobald es möglich ist,<br />

wieder unsere Instrumente in die Hand<br />

nehmen und gemeinsam proben, auftreten<br />

und feiern. Unsere Musikkapelle ist<br />

nicht nur ein Verein, um zu musizieren.<br />

Sie ist viel mehr wie eine große Familie.“<br />

Stephan Niederegger<br />

Untern diesem QR-Code kann die gesamte<br />

Projektarbeit eingesehen werden.<br />

Die Musikantin Maren Mittelberger<br />

hat sich intensiv<br />

mit der Situation ihrer<br />

Musikkapelle in<br />

der Zeit der Coronapandemie<br />

auseinandergesetzt.<br />

Daraus entstanden ist eine ausführliche<br />

Projektarbeit, die Interessierten zugänglich<br />

gemacht werden soll.<br />

KulturFenster<br />

38<br />

03 <strong>Juni</strong><strong>2021</strong>


persönlich<br />

Sepp Thaler, der große<br />

(Blas-)Musikpionier Südtirols<br />

Persönliche Erinnerungen von VSM-Ehrenkapellmeister Gottfried Veit<br />

AAm heurigen 9. <strong>Juni</strong> wäre der ehemalige<br />

VSM-Ehrenkapellmeister, Komponist, Chorleiter<br />

und Organist Sepp Thaler 120 Jahre alt<br />

geworden. Da sowohl sein Leben als auch<br />

sein Werk gegenwärtig nahezu lückenlos<br />

dokumentiert sind (siehe Verzeichnis am<br />

Ende dieses Beitrages), möchte ich hier<br />

und heute nur einige ganz persönliche Begegnungen<br />

mit Sepp Thaler kurz aufleuchten<br />

lassen.<br />

Erstes Kennenlernen<br />

Den Namen Sepp<br />

Thaler kannte ich bereits<br />

als Kind, war er<br />

doch schon damals<br />

„Landeskapellmeister“<br />

und formte zudem<br />

die Musikkapelle<br />

Auer zu einem der<br />

besten Klangkörper<br />

Südtirols.<br />

Mit den Kompositionen<br />

aus der Feder<br />

von Sepp Thaler<br />

machte ich als ganz<br />

junger Klarinettist der<br />

Bürgerkapelle Gries<br />

schon im Jahre 1956<br />

Bekanntschaft. Als<br />

Dirigent erlebte ich<br />

Thaler erstmals bei<br />

einem sogenannten<br />

„Monsterkonzert“,<br />

das die Bürgerkapelle<br />

Gries mit der<br />

Musikkapelle Auer<br />

zur Einweihung des<br />

„Kanonikus-Michael-<br />

Gamper-Heimes“ im<br />

Jahre 1961 bei einem<br />

gemeinsamen konzertanten<br />

Auftritt in Gries<br />

zusammenführte.<br />

Als ich mit sechzehn Jahren meine ersten<br />

Kompositionsversuche machte, pilgerte<br />

ich mit einer meiner soeben fertiggestellten<br />

Partitur (es konnte natürlich nichts anderes<br />

sein als ein „Marsch“) nach Auer,<br />

um sie dem verehrten Meister Thaler zur<br />

Begutachtung vorzulegen. Es erfüllte mich<br />

damals natürlich mit großer Freude aus<br />

seinem Munde zu hören, ich solle unbedingt<br />

weitere Stücke für Blasmusik zu Papier<br />

bringen.<br />

Noch vor meinem Musikstudium, als noch<br />

recht junger Klarinettist, hatte ich die Ehre<br />

in der Funktion einer „Aushilfe“, bei der<br />

Musikkapelle Auer unter der Leitung Sepp<br />

Thalers mitspielen zu dürfen. Was mich<br />

Sepp Thaler wäre heuer 120 Jahre<br />

alt geworden.<br />

dabei besonders beeindruckte war, dass<br />

Thaler mit seinem starken Einfühlungsvermögen<br />

hochmusikalisch gestaltete und<br />

ohne Ausnahme immer das Gesamte - also<br />

„die Musik“ - haarscharf im Auge behielt.<br />

Als Jugendlicher besuchte ich natürlich<br />

die zehntägigen Kapellmeisterlehrgänge<br />

des Verbandes Südtiroler Musikkapellen.<br />

Bei diesen Lehrveranstaltungen, bei denen<br />

Sepp Thaler neben Otto Ulf, Sepp Tanzer,<br />

Leo Ertl, Hans Haas u.a.m. unterrichtete,<br />

wurde ich zu den Lehrproben mit der Musikkapelle<br />

Wiesen bei ihm<br />

zugeteilt. Ich erinnere<br />

mich noch lebhaft: Seine<br />

Probenarbeit mit der<br />

Lehrgangskapelle und<br />

den Lehrgangsteilnehmern<br />

war allemal konsequent<br />

und herausfordernd,<br />

aber immer auch<br />

mit Humor gespickt. Einer<br />

seiner Lieblingsaussprüche<br />

lautete nämlich:<br />

„Der Humor ist der<br />

Schwimmgürtel des Lebens“.<br />

Zusammenarbeit<br />

im VSM und<br />

darüber hinaus<br />

Einige Jahre später<br />

wurde ich bei der Generalversammlung<br />

des<br />

VSM zu Thalers Stellvertreter<br />

als VSM-Kapellmeister<br />

gewählt. Und<br />

es dauerte nicht lange,<br />

bis mich Sepp Thaler<br />

als Wertungsrichter bei<br />

Konzertwertungsspielen<br />

auf Bezirksebene einsetzte,<br />

bespielsweise in<br />

Stezring, Bruneck und<br />

Schlanders. Natürlich war ich damals besonders<br />

stolz, an seiner Seite dieses verantwortungsvolle<br />

Amt ausüben zu dürfen.<br />

Bei solchen und ähnlichen Gelegenheiten<br />

KulturFenster<br />

39 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


persönlich<br />

Der spätere Verbandskapellmeister Gottfried Veit besuchte im Jahre 1959 einen Kapellmeisterlehrgang mit Sepp Thaler (links im Bild)<br />

in Sterzing.<br />

„<br />

Es gelang ihm wie kaum einem anderen<br />

nicht nur mit seinen Fachkollegen,<br />

sondern auch mit vollkommen<br />

unbekannten Menschen urplötzlich<br />

„<br />

ein angeregtes Gespräch zu führen.<br />

Gottfried Veit<br />

kam seine „Vaterfigur“ besonders deutlich<br />

zum Tragen, denn er war den Musikkapellen<br />

und ihren Dirigenten gegenüber immer<br />

äußerst entgegenkommend. Man könnte<br />

sagen: Seine Kritik war nie verletzend, sondern<br />

ausnahmslos aufbauender Natur!<br />

In den frühen Siebzigerjahren hatte ich<br />

einmal die Ehre, im Auftrag des VSM gemeinsam<br />

mit Sepp Thaler, einen Dirigentenkongress<br />

des Schweizerischen Blasmusikverbandes<br />

zu besuchen. Besonders<br />

interessant war für uns dabei, dass namhafte<br />

Schweizer Komponisten, wie beispielsweise<br />

Paul Huber, Robert Blum, Jean Daetwyler,<br />

Albert Benz, Jean Balissat u.a.m.<br />

eigene Werke mit hervorragenden Blasorchestern<br />

öffentlich einstudierten. Wie so oft,<br />

kam bei dieser Gelegenheit Sepp Thalers<br />

Kontaktfreudigkeit besonders zum Leuchten.<br />

Es gelang ihm z. B. wie kaum einem<br />

anderen nicht nur mit seinen Fachkollegen,<br />

sondern auch mit vollkommen unbekannten<br />

Menschen urplötzlich ein angeregtes Gespräch<br />

zu führen. Seine Redefreudigkeit<br />

ging daher nicht selten so weit, dass er<br />

eine große Tischgemeinschaft mit seinen<br />

kurzweiligen Geschichten nicht nur köstlich<br />

unterhalten, sondern sogar vollkommen<br />

in den Bann ziehen konnte.<br />

Seine Redebegabung kam Sepp Thaler natürlich<br />

auch als VSM-Kapellmeister immer<br />

wieder zugute. Als Vorsitzender der Musikkommission,<br />

in der auch ich jahrzehntelang<br />

mitarbeitete, sorgte er beispielsweise stets<br />

für ein „hervorragendes Betriebsklima“.<br />

Es gelang ihm z. B. kinderleicht, bei etwas<br />

angespannteren Themen den sogenannten<br />

„Gordischen Knoten“ fast spielend<br />

zu lösen.<br />

In den 15 Jahren, in denen ich Leiter der<br />

Musikschule Auer war, habe ich mich unzählige<br />

Male mit Sepp Thaler getroffen.<br />

Dieser Gedankenaustausch fand nicht selten<br />

bei einem guten Glas Rotwein beim<br />

nahegelegenen „Turmwirt“ statt. In dieser<br />

lockeren Atmosphäre ist mir wiederholte<br />

Male aufgefallen, dass Sepp Thaler trotz<br />

seiner überaus starken Heimatverbundenheit<br />

ein in jeder Hinsicht aufgeschlossener<br />

und weltoffener Mensch war.<br />

Dem Dorf Auer in vielfacher<br />

Weise verbunden<br />

Sepp Thaler übte Zeit seines Lebens den<br />

Beruf eines Kaufmannes aus. Aufrichtig<br />

wie er war, verbarg er aber niemals, dass<br />

dies nur sein „Broterwerb“ sei. Seine geradezu<br />

ansteckende Lebensfreude schöpfte<br />

er eindeutig aus zwei besonderen Leidenschaften:<br />

da war zum einen die alles<br />

überstrahlende Leidenschaft zur Musik,<br />

aber zum anderen auch die spezielle<br />

Leidenschaft zum Kartenspiel. Das Kartenspiel<br />

begleitete Sepp Thaler von seiner<br />

Jugend an bis ins hohe Alter. Jahrzehntelang<br />

traf er - pünktlich um 17.00<br />

Uhr - sein „Quartett“ von Kartenspielern<br />

im Gasthaus „Zur Rose“. Dort entstand<br />

auch sein gleichermaßen bekanntes wie<br />

beliebtes „Perlågger-Lied“ für Männerchor,<br />

das mit folgendem Text beginnt:<br />

„Im Wirtshaus zur Rosn, ganz gleim bei<br />

der Stråß“.<br />

Für die Gemeinde Auer, seinem Geburtsort,<br />

war Sepp Thaler ohne Zweifel ein Segen.<br />

Nahezu sein ganzes Leben lang dirigierte<br />

er die Musikkapelle von Auer und<br />

ebenso lange leitete er den dortigen Kirchenchor,<br />

war rund um die Uhr als Organist<br />

im Einsatz und erreichte u. a. die<br />

Errichtung einer eigenen Musikschule in<br />

KulturFenster<br />

40 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Blasmusik<br />

seinem Heimatort. Als langjähriger Leiter<br />

der Musikschule Auer konnte ich bei vielfältigsten<br />

Gelegenheiten feststellen, welch<br />

hohen Stellenwert die Musikschule Auer<br />

im Herzen Sepp Thalers besaß. Er fehlte<br />

bei keiner Veranstaltung dieser Institution<br />

und zeigte seine Begeisterung über<br />

elementarste Musikerziehung in gleicher<br />

Weise wie über künstlerische Hochleistungen.<br />

Auszeichnungen<br />

Die Gemeindeverwaltung von Auer bedankte<br />

sich bei Sepp Thaler für seinen<br />

uneigennützigen Einsatz in mehrfacher<br />

Weise: Zu Lebzeiten wurde er zum Ehrenbürger<br />

der Gemeinde Auer ernannt.<br />

Nach seinem Tode wurde in Auer einerseits<br />

eine Gedenktafel an seinem Wohnhaus<br />

angebracht, andererseits ein Weg<br />

im Dorfzentrum nach ihm benannt. Nicht<br />

zuletzt erhielt die dortige Musikschule die<br />

Bezeichnung „Musikschule Sepp Thaler“.<br />

Natürlich hat das Wirken Sepp Thalers<br />

die Grenzen seiner Heimatgemeinde unendlich<br />

weit überschritten. Seine Wertschätzung<br />

im eigenen Land und darüber<br />

hinaus dokumentieren eindeutig<br />

seine zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen.<br />

Sepp Thaler gratuliert Gottfried Veit, der mit der Musikkapelle Zwölfmalgreien sein Hauptwerk<br />

„Die Etsch“ im Meraner Kursaal (vermutlich in den 70er Jahren im Rahmen eines<br />

Landesmusikfestes) zur Aufführung brachte.<br />

Von diesen nennen wir hier nur Folgende:<br />

➤ Walther-von-der-Vogelweide-Preis<br />

➤ Verdienstkreuz des Landes Tirol<br />

➤ Verdienststern des Verbandes Südtiroler<br />

Musikkapellen<br />

➤ Goldenes Verdienstkreuz des Österreichischen<br />

Blasmusikverbandes<br />

➤ Goldene Fördermedaille des Allgäu-<br />

Schwäbischen Musikbundes<br />

➤ Bundesverdienstmedaille in Gold des<br />

Blasmusikverbandes Baden-Württemberg<br />

➤ Ernennung zum Ehrenkapellmeister des<br />

Verbandes Südtiroler Musikkapellen<br />

Bibliographie: Literatur über Leben und Werk Sepp Thalers<br />

- „Sepp Thaler“ von Fritz Thelen in „Der deutsche Volksmusiker“ 11 (1959)<br />

- „Kurzes Lebensbild des Komponisten und Kapellmeisters der Südtiroler Musikkapellen Sepp Thaler“ von Hermann Freybott, in „Allgemeine Volksmusikzeitung“<br />

15 (1965)<br />

- „Der Preisträger Sepp Thaler“ von Otto Ulf, Laudatio zur Verleihung des Walther-von-der-Vogelweide-Preises in „Der Schlern“ 43 (1969)<br />

- „Sepp Thaler – seine Bedeutung als Verbandskapellmeister“ von Gottfried Veit in „Tiroler Volkskultur“ 34 (1982)<br />

- „Sepp Thalers Rang in der Südtiroler Musikszene“ von Karl H. Vigl in Tageszeitung „Dolomiten“ <strong>Nr</strong>. 131 (1982)<br />

- „Dem Musiker Sepp Thaler zum Gedenken“ von Heinrich Lona in Tageszeitung „Dolomiten“ <strong>Nr</strong>. 132 (1982)<br />

- Sepp Thaler „Humor im Unterland“ von Josef Fontana und Gottfried Veit, Verlagsanstalt Athesia-Bozen (1984)<br />

- „Sepp Thaler“ in „Blasmusik aus Tirol“, Verzeichnis der Komponisten und ihrer Werke, zusammengestellt von Gottfried Veit, Florian Pedarnig und Klaus Bragagna,<br />

FF-Verlag Bozen (1985)<br />

- „Sepp Thaler: Leben und Werk eines Blasmusikpioniers“ von Gottfried Veit in Mitteilungen der IGEB <strong>Nr</strong>. 17 (1985)<br />

- „Leben und Werk Sepp Thalers“ Laudatio von Gottfried Veit in „Tiroler Volkskultur“ (November 1992)<br />

- Sepp Thaler (1901-1982) „Ein Leben für Musik und Heimat“, Sonderdruck „Der Schlern“ 66. Jahrgang, Heft 10, Verlagsanstalt Athesia-Bozen. Darin: A) Heinrich<br />

Lona: „Sepp Thalers Leben – ein Rückblick“, B) Gottfried Veit: „Das Werk Sepp Thalers“, C) Klaus Bragagna: „Sepp Thaler – Verbandskapellmeister zwischen<br />

Tradition und Erneuerung“, D) Wolfgang Suppan: „Sepp Thaler – und die Blasmusik“, E) Siegfried Tappeiner: „Sepp Thaler und das Chorwesen“ (1992)<br />

- „Sepp Thaler“ in „Das Neue Lexikon des Blasmusikwesens“ von Wolfgang und Armin Suppan (4. Auflage des „Lexikon des Blasmusikwesens“), Blasmusikverlag<br />

Schulz GMBH (1994)<br />

- „Sepp Thaler“ in „Blasmusik im Überblick“ von Georg Ried, Druck und Verlag Hans Obermayer GmbH (DVO) (1998)<br />

- „Sepp Thaler, Leben und Werk eines Südtiroler Komponisten“, Monographie: Diplomarbeit mit Werkverzeichnis von Wolfgang Kostner, Innsbruck (1999)<br />

- „Sepp Thaler“ Artikel in „Dizionario della musica italiana per banda“ von Mario Anese, Stampa: Grafital-Torre Boldone (BG) (2004)<br />

- „Die Männerchorlieder von Sepp Thaler“ von Gottfried Veit, Artikel in der Festschrift „100 Jahre Männergesangsverein Kurtatsch“, Druck: Athesia-Bozen (2006)<br />

- „Sepp Thaler“ Artikel in „Blasmusik in Tirol“ Verzeichnis der Komponisten und ihrer Werke von Gottfried Veit und Friedrich Weyermüller. Hutter-Druck, St.<br />

Johann i. T. (2007)<br />

- „Sieben Stationen im Leben Sepp Thalers – Ein Bilderbuch, aufgeschlagen von Gottfried Veit“ in „Der Schlern“ 81, Heft 9, Verlagsanstalt Athesia-Bozen (2007)<br />

- „Die Kirchenmusik und die Kirchenmusiker Südtirols“, Sepp Thaler in „Musikgeschichte Tirols III. 20. Jahrhundert“ herausgegeben von Kurt Drexel und Monika<br />

Fink, Schlern-Schriften - 344, Wagner, Innsbruck (2008)<br />

KulturFenster<br />

41 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


komponiert<br />

Manche Komponisten haben faszinierende<br />

Werke geschaffen, bei deren Hören ich mich<br />

immer noch frage, woher sie ihre Schaffenskraft<br />

und ihre Einfälle beziehen. Beschäftigt<br />

man sich mit dieser Materie, wird<br />

klar, dass man neben guten Ideen auch das<br />

Handwerk dazu beherrschen muss. Beides<br />

ist für das Komponieren notwendig, damit<br />

man auch das ausdrücken kann, was man<br />

sagen möchte, ähnlich der Sprache.<br />

Komponieren ist für mich ein sehr spannendes<br />

Feld, welches ständige Herausforderungen<br />

in allen Bereichen mit sich<br />

bringt und vor allem<br />

eins zum Ziel hat:<br />

Musik zu schreiben,<br />

die berührt.<br />

Vivat Athesis!<br />

Eine Hommage an das Land an der Etsch<br />

„<br />

„<br />

Musik höre ich, seit ich denken<br />

kann – sie begleitet mich seit frühester<br />

Kindheit.<br />

Hans Finatzer<br />

Die Musikgeschichte brachte ein Füllhorn<br />

an mehr oder weniger genialen Komponisten<br />

und entsprechende Werke hervor,<br />

als dass man überhaupt selbst zur Feder<br />

greifen müsste. So dachte ich mir das bei<br />

meinen kleineren Werken auch immer, bis<br />

ich 2010 zur Musikkapelle St. Pauls kam.<br />

Die Paulsner sind voller Lebenslust, voller<br />

Feierlaune, aber auch streng traditionsbewusst.<br />

Musikanten – und von ihnen kenne<br />

ich durch meinen Beruf wahrlich viele –<br />

haben mehr oder weniger überall diese<br />

noblen Eigenschaften, doch bewog mich<br />

der Umstand, der damals für mich neuen<br />

Kapelle eine kleine Hommage zu schreiben.<br />

Bis dahin nichts Ungewöhnliches, jedoch<br />

änderte sich 2010 einiges in meinem Leben<br />

als Komponist. Da ich selbstbewusst<br />

verheißen hatte, einen Konzertmarsch zu<br />

schreiben, blieb mir nichts anderes übrig,<br />

als dies auch zu tun. Gesagt, getan: Aber<br />

wie soll man bitte einen Konzertmarsch<br />

schreiben – von denen gibt es viele und<br />

schöne auch – der nicht klingt wie schon<br />

unzählige andere vorher, der innovativ<br />

klingt, ohne die Grenzen zu sprengen, und<br />

dabei noch gut ankommt? Einige Skizzen,<br />

die bereits bis zum Trio reichten,<br />

verwarf ich nach vielen Stunden Arbeit<br />

aus Verzweiflung wieder. Dann<br />

kam der entscheidende Moment: An<br />

einem langen Winterabend fielen mir<br />

nach und nach die schönsten Melodien<br />

ein, die auch zueinander passten;<br />

unwirklich, fast aus Geisterhand, schrieb<br />

ich die Phrasen nieder.<br />

Von der Etsch inspiriert<br />

Dabei inspirierte mich nicht etwa<br />

ein bestimmtes Thema, wie in<br />

der Programmmusik üblich, sondern<br />

vielmehr ist es der Lauf<br />

der Etsch, der unser schönes<br />

Land vom Reschen bis<br />

zur Salurner Klause über<br />

Jahrtausende formte und<br />

der mich beeindruckte.<br />

Freilich kann man in eine<br />

4-minütige Marschform<br />

nicht all das hineinpacken.<br />

Aber der Grundgedanke war<br />

es eben, der neuen Kapelle zum musikalischen<br />

Einstand einen schönen Konzertmarsch<br />

auf den Leib zu schneidern – äh,<br />

zu komponieren.<br />

Der Erfolg und die Rückmeldung des Publikums<br />

waren groß, so groß, dass ich – ermutigt<br />

von einigen Kollegen – mehrere Verlage<br />

für die Veröffentlichung anschrieb. Nach kurzer<br />

Zeit meldete sich der „Rundel“-Verlag<br />

und nahm mich kurzerhand unter Vertrag.<br />

Das ehrte mich sehr und verwunderte mich<br />

gleichzeitig, umso mehr, als Frau Rundel mir<br />

bei einem Kaffee zuflüsterte: „Wir bekommen<br />

dutzende Anfragen in der Woche…“<br />

Ob dieser Aussage war meine Freude natürlich<br />

noch größer. Seitdem der Marsch in<br />

Druck ging, wird „Vivat Athesis“ in vielen<br />

Ländern mit Erfolg vertrieben.<br />

„<br />

„<br />

Eigentlich wollte ich nicht auch noch<br />

komponieren<br />

Hans Finatzer<br />

Nach einigen kammermusikalischen Werken,<br />

welche etwa im „Köbl“-Verlag in München<br />

publiziert wurden, schrieb ich wiederum<br />

Konzertmärsche, so zum Beispiel für<br />

die 200-Jahr-Jubiläen der Musikkapellen<br />

Lengmoos und Partschins – beides Auftragskompositionen.<br />

Auch die Brassband<br />

„Überetsch“ spielte 2018 zu ihrem zehnjährigen<br />

Bestandsjubiläum eine Uraufführung<br />

aus meiner Feder. 2019 folgte eine<br />

Konzertpolka mit dem Namen „Platzlpolka“<br />

für großes Blasorchester, welche<br />

demnächst beim neugegründeten Musikverlag<br />

„Südtirol MVS“ erscheinen wird.<br />

Aktuell arbeite ich an mehreren blasmusikalischen<br />

Werken. Neuerdings wende ich<br />

mich vermehrt auch der konzertanten Literatur<br />

zu, welche ein neues, sehr interessantes<br />

Feld für mich ist.<br />

Nur so komme ich zu dem Punkt, an dem<br />

ich ein Gefühl oder eine musikalische Idee<br />

in Musik kleide, welche gut klingt, gut<br />

spielbar ist, und welche vor allem berührt.<br />

Hans Finatzer<br />

www.finatzer.it<br />

„<br />

„<br />

Ich arbeite ohne Zeitdruck und versuche<br />

den richtigen Augenblick für<br />

die passende Melodie zu finden.<br />

Hans Finatzer<br />

KulturFenster<br />

42 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Blasmusik<br />

Zur Person<br />

Partitur<br />

(Full Score)<br />

Piccolo<br />

Flöte<br />

Oboe<br />

Fagott<br />

(Bassoon)<br />

E Klarinette<br />

B Klarinette 1<br />

B Klarinette 2<br />

B Klarinette 3<br />

B Bassklarinette<br />

E Altsax.<br />

B Tenorsax.<br />

E Baritonsax.<br />

F Horn<br />

F Horn<br />

1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

B Trompete 1<br />

VIVAT ATHESIS<br />

Gewidmet der Musikkapelle St. Pauls, Südtirol / Dedicated to the St. Pauls Concert Band, South Tyrol<br />

Konzertmarsch•Concert March<br />

2<br />

3 4 5<br />

à2<br />

à2<br />

à2<br />

à2<br />

Musik: Hans Finatzer<br />

Arr.: Franz Gerstbrein<br />

6<br />

➤ 1973 in Bozen geboren, aufgewachsen in Truden im Naturpark<br />

➤ 1985–1988 Mittelschulzeit mit Besuch des Konservatoriums „C. Monteverdi“ in Bozen<br />

➤ 1986 Eintritt in die Musikkapelle Truden<br />

➤ 1988–1991 Lehre mit Abschluss als Maschinenschlosser<br />

➤ 1995 Konzertdiplom im Fach Posaune<br />

➤ 1997–1999 Weiterbildung bei internationalen Meisterkursen<br />

➤ 1995 Konzertreihe als Soloposaunist mit dem Haydnorchester von Bozen & Trient<br />

➤ Fester Substitut des Haydnorchesters von 1995 bis 2008<br />

➤ Mitglied verschiedener Orchester und Ensembles wie der Streicherakademie, Orchestra<br />

Arturo Toscanini Parma, Brass Connection Tirol, Kapelle für neue Musik<br />

„Windkraft“, Südtiroler Bläserensemble, Ensemble Clavituba<br />

➤ Gründer und Dirigent der Brassband Überetsch, Südtiroler Jugendbrassband, Sonoro<br />

Posaunenquartett, Young Brass Quintet, Cinquino Brass Quintett.<br />

➤ Kapellmeistertätigkeiten seit 1993 in Kurtinig, Margreid, Auer, Truden, St. Pauls,<br />

Terlan und bei der Stadtkapelle Bozen<br />

➤ 2008–2009 Musikpädagogiklehrgang an der Fakultät für Bildungswissenschaften<br />

Bozen/Brixen<br />

➤ Tätigkeiten in der Landesmusikschuldirektion: Instrumentalpädagoge für Posaune/<br />

Euphonium seit 1993, Landesfachgruppenleiter Blechblasinstrumente seit 2009,<br />

Beauftragter der Leistungsabzeichen seit 2020, Direktorstellvertreter der Musikschule<br />

Überetsch/Mittleres Etschtal, Mitglied des Landesfachbeirates „Prima la<br />

Musica“ von 2010 bis 2015<br />

➤ Jurorentätigkeit: Seit 2009 regelmäßiges Engagement als Juror und Koordinator in<br />

diversen Bundesländern Österreichs, Leistungsabzeichen des VSM<br />

➤ Verbandsjugendleiter im VSM seit 2019<br />

➤ Kompositionen und Arrangements für Bläser, Brassband und Blasorchester<br />

Werksverzeichnis:<br />

B Trompete 2<br />

B Trompete 3<br />

C Posaune<br />

(Trombone) 2<br />

C Posaune<br />

(Trombone)<br />

B Flügelhorn<br />

(B Cornet)<br />

B Flügelhorn<br />

(B Cornet)<br />

B Tenorhorn<br />

(Baritone)<br />

C Bariton<br />

(Euphonium)<br />

1<br />

3<br />

4<br />

1<br />

2<br />

1<br />

C Bass<br />

2<br />

Schlagzeug<br />

❋ Pauken und Mallets aus Platzgründen nicht in Partitur (separate Stimmen)<br />

© Copyright 2013 by Musikverlag RUNDEL GmbH • D-88430 Rot an der Rot No. 2960<br />

➤ 2006 Hymne der Südtiroler Weinbruderschaft<br />

➤ 2007 „Jazzetüde“ für Bassposaune<br />

➤ 2010 „Euphonium-Tenorhorn-Bariton“ Etüde/Pflichtstück Leistungsabzeichen<br />

➤ 2011 Überetscher Adventsweise<br />

➤ 2013 Konzertmarsch „Vivat Athesis“<br />

(Musikverlag Rundel)<br />

➤ 2014„AstateWeis“–Adventweise<br />

➤ 2017 Eine kleine Weltreise – Suite<br />

in 3 Sätzen für Posaunenquartett<br />

(Verlag Köbl, München)<br />

➤ 2018 Jubilate! - Jubiläumskonzertmarsch<br />

für das 10-jährige Bestehen<br />

der Brassband Überetsch<br />

➤ 2018 Auftragskomposition „Altissimus“<br />

anlässlich der 200-Jahr-<br />

Feier der Musikkapelle Lengmoos<br />

➤ 2018Auftragskomposition„Partschinser<br />

Jubiläumsmarsch“ anlässlich<br />

der 200-Jahr-Feier der<br />

Musikkapelle Partschins<br />

➤ 2019 „Platzlpolka“ – Konzertpolka<br />

für großes Blasorchester<br />

➤ <strong>2021</strong> „Florianis“ – Straßenmarsch<br />

für Blasorchester<br />

KulturFenster<br />

43 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


hinausgeblickt<br />

Blasmusik<br />

ONline<br />

Seminare-Webinare-<br />

Workshops<br />

https://wiki.blasmusik.at/display/LS/<br />

BlasmusikOnline<br />

entdeckt<br />

Üben mit Video- und<br />

Tonaufnahme<br />

Das Smartphone als nützlicher Übungspartner<br />

Der Musiker Jürgen K. Groh empfiehlt,<br />

beim Üben das Smartphone als „akustischen<br />

Spiegel“ zu nutzen.<br />

Niemand spricht so offen, direkt und schonungslos<br />

mit uns wie der [akustische] Spiegel.<br />

Brigitte Fuchs<br />

(*1951, Schweizer Autorin und Lyrikerin)<br />

Dieses, durch den Einschub des Adjektivs<br />

„akustische” geänderte Zitat, soll Ihre Aufmerksamkeit<br />

auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten<br />

von Video- oder Tonaufnahmen<br />

für zielgerichtetes Üben deutlich<br />

machen. Denn heute legt uns die technologische<br />

Welt etwas zu Füßen, wonach sich<br />

früher professionelle Kamera- und Tonleute<br />

alle zehn Finger geleckt hätten: unser<br />

Smartphone. Stellen Sie es einfach vor<br />

sich, vielleicht sogar mit einem preisgünstigen<br />

flexiblen dreibeinigen Stativ, schauen<br />

Sie, dass Sie im Bild sind und drücken Sie<br />

auf den Aufnahmeknopf.<br />

Die Aufnahme serviert Ihnen alle guten<br />

Klänge und eventuell noch vorhandene<br />

Schwachstellen auf einem Silbertablett<br />

und Sie können sich sofort in einen feuilletonerfahrenen<br />

Musikkritiker verwandeln,<br />

der das Ganze als aufmerksamer und kritischer<br />

Zuhörer „von außen” wahrnimmt.<br />

Die Wahrnehmung spielt<br />

oft Streiche<br />

Denn im Moment des Spielens spielt Ihnen<br />

Ihre Wahrnehmung oft Streiche: Abschnitte,<br />

wo sie dachten, es würde schräg<br />

klingen, stellen sich als ganz passabel oder<br />

sogar gut heraus, genauso wie das eben<br />

auch umgekehrt der Fall sein kann.<br />

Ähnlich einer guten Köchin, die kein Gericht<br />

hinausschickt, ohne es vorher gekostet<br />

und abgeschmeckt zu haben, sollten<br />

wir unser Spiel durchaus mehrmals in diesem<br />

akustischen Spiegel betrachten, bevor<br />

wir den Schritt auf die Bühne wagen.<br />

Sehr erhellend ist oft, wenn wir einen zeitlichen<br />

und emotionalen Abstand zu einer<br />

Aufnahme haben und sie erst einige Tage<br />

später anhören. Das kann zu neuen Erkenntnissen<br />

führen und unter Umständen<br />

sogar unser Selbstwertgefühl heben.<br />

Musik ist eine sehr<br />

persönliche Beschäftigung<br />

mit uns selbst<br />

Musik ist schließlich auch eine sehr persönliche<br />

Beschäftigung mit uns selbst. Zu<br />

wissen, wie man klingt und eine Vorstellung<br />

zu entwickeln, wie man klingen will,<br />

ist ein wichtiger Schritt in unserer musikalischen<br />

Entwicklung. Und regelmäßiges<br />

Aufnehmen stellt ein mächtiges Werkzeug<br />

dafür da.<br />

Eine solche Aufnahme bringt neben gut gelungen<br />

Passagen zum Beispiel auch heikle<br />

Übergänge, knifflige Rhythmen, klangliche<br />

Ungenauigkeiten sowie ein noch zu<br />

verbesserndes Ausschöpfen des musikalischen<br />

Spektrums zutage. Im Schutz des<br />

Übezimmers können wir durch die Aufnahme<br />

unser Spiel unter die akustische<br />

Lupe nehmen, auf Herz und Nieren prüfen<br />

und dann verbessern.<br />

Betrachten wir diese vielfältigen technischen<br />

Aufnahmemöglichkeiten ruhig<br />

als unser „Helferlein”, das dem Ingenieur<br />

Daniel Düsentrieb in den Disney-Comics<br />

des Zeichners Carl Barks immer treu zur<br />

Seite stand und dem ungestümen Erfinder<br />

oft aus der Patsche half. Und erinnern wir<br />

uns an ein wiederum leicht abgewandeltes<br />

Zitat des Komponisten George Bizet, dessen<br />

Oper Carmen zu einem der größten<br />

Erfolge der Operngeschichte wurde: „Die<br />

zuverlässigsten Freunde sind die [akustischen]<br />

Spiegel. Sie sehen alles und reden<br />

nicht darüber.”<br />

Jürgen K. Groh<br />

Master of Arts, Dirigent, Moderator<br />

und<br />

Vizepräsident der WASBE-Sektion Deutschland<br />

www. juergenkgroh.de<br />

Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag wurde im<br />

Fachmagazin für Blasmusik „brawoo“ veröffentlicht<br />

(siehe Ausgabe Jänner/Februar <strong>2021</strong>, S.38).<br />

Wir bedanken uns beim Redakteur Klaus Härtel<br />

und beim Autor Jürgen K. Groh für die freundliche<br />

Genehmigung zum Nachdruck.<br />

KulturFenster<br />

44 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Blasmusik<br />

7 Minuten Warm-up für<br />

Blasorchester<br />

Kostenlose Starthilfe für den Restart<br />

von Kapellmeister Dietmar Rainer<br />

„Es gibt ja eigentlich schon genügend<br />

Einspielstücke auf dem Markt“, weiß<br />

auch der Kapellmeister und Musikpädagoge<br />

Dietmar Rainer. Mit seinen neuen<br />

„7 Minuten Warm-ups für Blasorchester“<br />

will er den Kapellmeister*innen und<br />

Musiker*innen ein einfaches Arbeitsbuch<br />

in die Hand geben. Auch weniger versierten<br />

Musiker*innen können die relativ einfachen<br />

Einheiten wiederholen und parallel<br />

dazu werden die „Profis“ mehr gefordert.<br />

Auch die Intonationsübung bietet neue<br />

Möglichkeiten.<br />

Die Partitur samt Einzelstimmen<br />

ist kostenlos per Email erhältlich:<br />

dietmar@toccata.info<br />

Stephan Niederegger<br />

Damit die Musik richtig „läuft“, gibt<br />

es nützliche Tipps zum Warm-up von<br />

Kapellmeister Dietmar Rainer.<br />

Aus der Praxis – für die Praxis:<br />

Das Einspielen im Blasorchester<br />

Neues Einspielheft von Gottfried Veit<br />

Der Anfang und die Einspielphase einer<br />

Probe sind oft entscheidend für den weiteren<br />

Verlauf und den Erfolg der Probe. Je<br />

zielgerichteter der Probenbeginn gestaltet<br />

wird, umso besser kann die Probenarbeit<br />

gelingen.<br />

Beim kürzlich stattgefundenen Online-<br />

Treffpunkt „Musik“ hat Verbandskapellmeister<br />

Meinhard Windisch den Verbandsobmann<br />

Pepi Fauster und den<br />

Musikprofessor Thomas Ludescher zu<br />

einem Gespräch eingeladen. Dabei hat<br />

Ludescher einmal mehr darauf hingewiesen,<br />

dass sich ein einfacher Marsch<br />

sehr gut zu Rhythmusübungen eignet,<br />

sich Prozessionsmärsche für Phrasierungsübungen<br />

anbieten und anhand von<br />

Chorälen detailliert am Klang, Intonation,<br />

Balance und Tonbildung gearbeitet werden<br />

kann – ganz nach dem Motto: „Blasorchester,<br />

die einen Choral gut spielen<br />

können, beherrschen auch alle anderen<br />

Musikstücke!“<br />

Für Abwechslung beim Einspielen sorgt das<br />

neue Einspielheft von Gottfried Veit.<br />

Wesentlich dabei ist sicherlich, dass der<br />

Probenbeginn abwechslungsreich bleibt<br />

und nicht immer nach dem gleichen<br />

Schema F abläuft. Wer spezielle Literatur<br />

dazu sucht, wird schnell fündig – wohl<br />

auch im eigenen Notenschrank.<br />

Für die nötige Abwechslung sorgt nun<br />

auch Gottfried Veit mit seiner neuesten<br />

Publikation und gibt damit den<br />

Kapellmeister*innen ein weiteres Arbeitsheft<br />

in die Hand: „Das Einspielen<br />

im Blasorchester“<br />

In fünf B-Dur-Tonleitern (F bis DES) sowie<br />

in C- und G-Dur und den jeweiligen parallelen<br />

Moll-Tonarten werden rhythmische<br />

und dynamische Übungen, Akkordzerlegungen<br />

und Kadenzen angeboten, um<br />

dieses musikalische Grundmaterial zu<br />

festigen. Zu jeder Tonart folgt ein dazu<br />

passender vierstimmiger Choral. Diese<br />

14 Choräle sind sowohl im gesamten Orchester<br />

als auch in verschiedenen Quartett-Besetzungen<br />

spielbar und eignen sich<br />

daher auch als Gebrauchsmusik zu feierlichen<br />

und kirchlichen Anlässen.<br />

Der vollständige Notensatz samt Partitur<br />

und Direktionsstimme ist im TIROL Musikverlag<br />

erschienen und im einschlägigen<br />

Fachhandel erhältlich.<br />

Stephan Niederegger<br />

KulturFenster<br />

45 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


entdeckt<br />

Die Konzertmeister-App<br />

Clevere Terminplanung für Musikvereine,<br />

Orchester und Chöre – Den Wildwuchs<br />

an Kommunikationskanälen bändigen<br />

WhatsApp oder Facebook-<br />

Messenger und natürlich<br />

E-Mails, um Nachrichten<br />

zu versenden.<br />

Genau diese Vielfalt ist es,<br />

die sich dann auch in der<br />

Terminkommunikation in<br />

den Vereinen widerspiegelt.<br />

Mit der steigenden Anzahl<br />

an Kommunikationspartnern<br />

wird dies aber zunehmend<br />

mühsam und als Vereinsverantwortlicher<br />

gerät<br />

man schnell in eine unüberschaubare<br />

Situation.<br />

Um diesen Wildwuchs an<br />

Kommunikationskanälen<br />

zu bändigen und eine maßgeschneiderte<br />

Lösung für<br />

Blasorchester zur Verfügung<br />

zu stellen, wurde<br />

Konzertmeister entwickelt.<br />

Sobald ein Termin erstellt wurde, werden<br />

die eingeladenen Mitglieder über den neuen<br />

Termin informiert. Mit nur einem Klick kann<br />

ein Mitglied seine Rückmeldung abgeben.<br />

„Was ist die größte organisatorische Herausforderung,<br />

die man sich vorstellen kann? Einen<br />

Termin mit mehr als zwei Musiker*nnen<br />

zu koordinieren.“<br />

Dieser weit verbreitete Scherz ist natürlich<br />

überspitzt, hat aber durchaus einen wahren<br />

Kern. Wo liegen aber die Probleme der<br />

Terminkommunikation in einem Blasorchester?<br />

In unserem digitalisierten Alltag stehen<br />

uns sehr viele Kommunikationsmittel<br />

zur Verfügung: Wir telefonieren, verwenden<br />

SMS, verschiedene Dienste wie z.B.<br />

Kommunikation<br />

und gelungene<br />

Terminplanung<br />

im Blasorchester<br />

Um zu veranschaulichen,<br />

wie Konzertmeister die<br />

Abstimmung von Terminen<br />

und Anwesenheiten<br />

in einem Verein einfach<br />

und flexibel unterstützen<br />

kann, wollen wir eine „Standardsituation“<br />

betrachten, wie sie oftmals im Vereinsalltag<br />

vorkommt:<br />

Auftrittsanfrage und Spielfähigkeit:<br />

Neben fixen, wiederkehrenden Auftritten<br />

spielen auch individuelle Anfragen zu Auftritten<br />

eine wichtige Rolle. Trifft eine Terminanfrage<br />

ein, sollte natürlich im Idealfall<br />

so bald wie möglich eine verlässliche<br />

Rückmeldung möglich sein. Mit Konzertmeister<br />

können Auftrittsanfragen schnell,<br />

einfach und zielgerichtet gestellt werden:<br />

In Echtzeit kann ein Überblick über die<br />

Rückmeldungen im System gewonnen werden.<br />

Um eine Antwort bis zu einem gewissen<br />

Zeitpunkt sicherzustellen, kann eine<br />

Rückmeldefrist hinterlegt werden:<br />

KulturFenster<br />

46 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


Blasmusik<br />

Proben und Anwesenheiten<br />

Zur Auftrittsvorbereitung zählen natürlich<br />

Proben, die geplant und durchgeführt werden<br />

müssen. Hier ist es wichtig, genau<br />

Bescheid zu wissen, wer wann anwesend<br />

ist, um eine optimale Probenvorbereitung<br />

sicherzustellen. Folgende Fragen spielen<br />

dabei eine wichtige Rolle:<br />

• Sind alle Register gut besetzt? Welche<br />

Stücke oder Passagen kann ich sinnvoll<br />

proben?<br />

• Kommt ein wichtiger Musiker zu spät?<br />

Sollte ich an der Reihenfolge der Stücke<br />

in der Probe etwas anpassen?<br />

Eltern an Bord<br />

Um im Jugendorchester auch Kinder ohne<br />

E-Mail-Adresse einbinden zu können, werden<br />

sogenannte Unterkonten angeboten.<br />

Das Elternteil kann mit seiner E-Mail-<br />

Adresse ein Konto erstellen und dann für<br />

die Kinder Unterkonten anlegen.<br />

Einführung im Verein -<br />

Registrierung und<br />

Vereinserstellung<br />

Besuche unsere Website https://konzertmeister.app<br />

und klicke auf die Registrierungsschaltfläche.<br />

Anschließend kannst<br />

du kostenfrei ein Konzertmeister-Konto erstellen<br />

und mit wenigen Klicks einen Verein<br />

anlegen. In unserem Hilfe-Bereich auf<br />

der Webseite findest du alle wichtigen Informationen.<br />

Stefan Stift<br />

Rabattcode einlösen!<br />

REGISTRIERUNG<br />

konzertmeister.app<br />

HILFESEITE<br />

konzertmeister.app<br />

Als besonderes Angebot für alle Kapellen und Chöre in Südtirol gibt es bis Ende<br />

<strong>2021</strong> mit dem Rabattcode kmsuedtirol21 eine Ermäßigung von 20% bei der ersten<br />

Abo-Bestellung. Dazu einfach in der Abo-Verwaltung beim Bestellvorgang den Rabattcode<br />

eingeben und alle Vorteile genießen.<br />

kurz notiert<br />

Mit „Adagio“ zum Neubeginn<br />

Sanfter Start der MK St. Lorenzen in die Proben- und Konzertsaison<br />

Seit mehr als einem Jahr ist der Kulturbetrieb<br />

fast lahmgelegt und damit stehen<br />

auch seither die Musikkapellen in Südtirol<br />

still. Mit den jüngsten Corona-Lockerungen<br />

auf Staats- und Landesebene ist<br />

ein sanfter Neubeginn der musikalischen<br />

Tätigkeiten möglich. Dieses kleine Fenster<br />

in Richtung Normalität will auch Kapellmeister<br />

Jakob Augschöll mit der Musikkapelle<br />

St. Lorenzen nützen. Einzelne<br />

Musikant*innen und kleine Ensembles haben<br />

immer wieder bei Gottesdiensten und<br />

kirchlichen Feiern mitgewirkt. Der Kontakt<br />

zur gesamten Kapelle konnte dank Online-<br />

Medien trotzdem aufrechterhalten werden.<br />

Nun waren die Musikant*innen zu einer<br />

Übe-Herausforderung eingeladen, bei der<br />

sie mit täglichen Proben zuhause Punkte<br />

sammeln konnten. Gleichzeitig hat Kapellmeister<br />

Augschöll das Konzertprogramm<br />

für die bevorstehende Sommersaison zusammengestellt<br />

und die einzelnen Noten<br />

In drei Online-Treffen hat Kapellmeister Jakob Augschöll den Grundstein zum sanften Neubeginn<br />

mit der Musikkapelle St. Lorenzen gelegt.<br />

ausgeteilt. In drei Online-Treffen hat er<br />

Tipps zum Üben gegeben und die einzelnen<br />

Stücke mit Hörbeispielen und Hintergrundinformationen<br />

vorgestellt. Mit Anfang<br />

<strong>Juni</strong> soll nun die Probentätigkeit – vorerst<br />

in Instrumentengruppen und Registern –<br />

wieder aufgenommen werden: „Wir freuen<br />

uns, bald wieder gemeinsam musizieren<br />

und vor Publikum auftreten zu können!“<br />

Stephan Niederegger<br />

KulturFenster<br />

47 03/<strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>


„Wie liegt die Stadt so wüst“<br />

1945 schrieb der Dresdner Kreuzkantor Rudolf Mauersberger die ergreifende<br />

Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“ unter dem Eindruck der gerade<br />

zerstörten Stadt und dem Verlust einiger Chorknaben.<br />

Im Bild: Die zerstörte Altstadt von Dresden nach den verheerenden Bombenangriffen<br />

im Februar 1945.<br />

KulturFenster<br />

48 02/April <strong>2021</strong>


hervorgehoben<br />

Auf Krisen antworten<br />

Katastrophen und Krisen prägen die Menschheitsgeschichte.<br />

Chormusik hat schon immer darauf reagiert, dem Unfassbaren Ausdruck<br />

verliehen oder Trost gespendet – ein historischer Überblick<br />

Wie kann ein Mensch Situationen überstehen,<br />

die schon in der Vorstellung kaum<br />

aushaltbar sind? „Sie mussten sich bäuchlings<br />

auf die Leichen der Ermordeten legen<br />

und auf die Schüsse warten, die von oben<br />

kamen. Dann kam die nächste Gruppe. 36<br />

Stunden lang kamen Juden und starben“, erinnert<br />

sich Dina Pronitschewa. Wie durch<br />

ein Wunder hatte sie das Massaker vor 80<br />

Jahren in der Schlucht Babi Jar bei Kiew<br />

überlebt.<br />

Zwei Jahrzehnte nach der Massenexekution<br />

von 33.771 jüdischen Menschen im<br />

September 1941 durch die Wehrmacht<br />

und SS bezieht kann sich Dmitri Schostakowitsch<br />

in seiner 13. Sinfonie auf dieses<br />

Ereignis. In diesem düster-beklemmenden<br />

Opus kommen Singstimmen – ein Bass<br />

und ein meist einstimmiger Männerchor<br />

– zum Einsatz. Anlass gaben Schostakowitsch<br />

das 1961 veröffentlichte Gedicht<br />

„Babi Jar“ und weitere Werke von Jewgeni<br />

Jewtuschenko. Dieser stellte das Massaker<br />

in den Kontext jahrtausendealter Judenfeindschaft,<br />

spannte einen Bogen vom<br />

Auszug aus Ägypten über Anne Frank bis<br />

zum aktuell gelebten Antisemitismus in der<br />

Sowjetunion. Über alle fünf Sätze hinweg<br />

lässt sich Schostakowitschs Sinfonie als<br />

ein Trauma hören. Gleichzeitig will diese<br />

Musik trösten und Kraft geben, mit dem<br />

Unfassbaren zu leben.<br />

Schicksale im<br />

gesellschaftlichen<br />

Ausnahmezustand<br />

Seit jeher prägen Kriege, Konflikte, Pandemien,<br />

klimatische Veränderungen und<br />

andere Nöte die Menschheitsgeschichte.<br />

Einerseits geht es um Ausnahmezustände<br />

von gesellschaftlicher Tragweite, andererseits<br />

stets um persönliche Schicksale. In<br />

Krisen und Katastrophen wächst die Bedeutung<br />

von Geben und Nehmen. Dies schließt<br />

Jan Brueghel d. Ä. (1568–1625): „Triumph des Todes“ (Ausschnitt), 1597.<br />

Kunst und Musik ein und führt immer wieder<br />

zu der Frage, inwieweit deren Autonomie<br />

und Zweckfreiheit aufrechtzuerhalten<br />

sind. Komponisten reagieren, unmittelbar<br />

oder mit Abstand, mit ihren Werken verschiedenster<br />

Gattungen auf konkrete Ereignisse.<br />

Damit geben sie der Gesellschaft und<br />

jedem Betroffenen etwas zurück.<br />

Der „schwarze Tod“ durch die Pest war<br />

im Mittelalter gegenwärtig. Allein im<br />

14. Jahrhundert forderten Pestwellen<br />

schätzungsweise 25 Millionen Menschenleben,<br />

ca. 7 Prozent der Weltbevölkerung.<br />

Guillaume de Machaut, einer der größten<br />

Dichter und Komponisten jener Zeit, hat<br />

mit der „Messe de nostre dame“ wohl das<br />

älteste Werk der Musikgeschichte hinterlassen,<br />

dessen Autorschaft gesichert ist:<br />

eine Vertonung des Ordinarium Missae,<br />

die den Beginn der Mehrstimmigkeit markiert<br />

und deren Dissonanzen damalige Ohren<br />

tief verstört haben dürften. Womöglich<br />

wollte der Franzose Machaut, der die<br />

Pest selbst erlebt hatte, den Zustand von<br />

Körper und Seele musikalisch zum Ausdruck<br />

bringen.<br />

Heutige Umstände machen<br />

alte Werke wieder aktuell<br />

Die Corona-Pandemie führt erneut bei<br />

vielen Menschen zu Verunsicherung und<br />

Angst. Alte Werke und die Umstände ihrer<br />

einstigen Darbietung werden aktuell.<br />

Ein Beispiel ist Orazio Benevolis „Missa<br />

in Angustia Restilentiae“ für vier vierstimmige<br />

Chöre und Basso continuo – eine eindringlich<br />

formulierte Bitte um die Gnade<br />

Gottes. Bei ihrer Uraufführung 1656, als in<br />

Rom wieder die Pest grassierte, wurde die<br />

Missa hinter verschlossenen Türen nur für<br />

den Papst und einige Begleiter gesungen.<br />

Im 19. Jahrhundert wütete vielerorts in<br />

Deutschland die Cholera. Fanny Hensel<br />

geb. Mendelssohn Bartholdy verlor in Berlin<br />

1831 Freunde und Bekannte. Im Alter<br />

von 26 Jahren schrieb sie das halbstündige<br />

chorsinfonische Werk „Cantate für<br />

die Toten der Cholera-Epidemie 1831“.<br />

Der Chor ist bis 8-stimmig aufgefächert,<br />

dem Instrumentalapparat gehören 3 Posaunen<br />

an. Klassische Vokalpolyphonie<br />

umgibt biblisches Wort mit einer archai-<br />

KulturFenster<br />

49<br />

02/April <strong>2021</strong>


hervorgehoben<br />

Fresko in St. Prokulus – Naturns (ca. um 1490) im Chorraum mit Darstellung von Christus und Maria als Beschützer vor den Pfeilen<br />

der Pest.<br />

schen Aura. Als Frau, zudem Schwester<br />

des ehrgeizigen Felix und Tochter eines<br />

konservativen Vaters, war Fanny Hensel<br />

ein Durchbruch als Komponistin zu Lebzeiten<br />

nicht vergönnt. Ihre „Cholera-Kantate“<br />

erlebte erst 1984 ihre Uraufführung.<br />

Auch die Spanische Grippe, die Ende des<br />

Ersten Weltkriegs 1918 ausbrach und weltweit<br />

zig Millionen Menschen das Leben<br />

kostete, hinterließ Spuren in der Musikgeschichte,<br />

so Karol Szymanowskis Oper<br />

„König Roger“ – uraufgeführt 1926. Die<br />

Musik ist ein einziger Rausch, greifbare<br />

Ekstase, Ausnahmezustand – etwa in Gestalt<br />

eines riesigen Chores. Das Drama, das<br />

von Erleuchtung handelt und wo eine geordnete<br />

Welt aus den Fugen gerät, „stand<br />

mir in einer schlaflosen Spanische-Grippe-<br />

Nacht plötzlich vor Augen“, so der polnische<br />

Komponist, der selbst erkrankt war.<br />

Das verheerende Erdbeben von Lissabon<br />

1755 veranlasste Georg Philipp Telemann,<br />

ein geistliches Oratorium zu schreiben, das<br />

als „Donnerode“ bekannt und eine seiner<br />

zu Lebzeiten meistaufgeführten Musiken<br />

wurde. Naturgewalt und Gottes Macht prallen<br />

in diesem empfindsamen Opus aufeinander.<br />

Harsche Kontraste, schmetternde<br />

Trompeten, Paukensoli und Arien, die ohne<br />

Da-capo-Teil auskommen, drücken das<br />

fluchtartige, dramatische Geschehen aus.<br />

Ein „Trotz allem“ nach<br />

Verheerungen des Krieges<br />

Neben solchen Naturkatastrophen, Epidemien<br />

und Pandemien waren es immer<br />

wieder bewaffnete Konflikte, unter deren<br />

Einfluss oder in deren Folge Komponisten<br />

Großes leisteten. Das imposanteste Beispiel<br />

aus frühbarocker Zeit ist die „Geistliche<br />

Chor-Music 1648“. Heinrich Schütz<br />

hatte diese dank ihrer meisterhaften Verschmelzung<br />

von Wort und Ton bedeutendste<br />

Motettensammlung des Jahrhunderts<br />

Ende des Dreißigjährigen Krieges<br />

veröffentlicht. Es mag Koinzidenz sein,<br />

immerhin reicht die Entstehungszeit mancher<br />

der 29 Motetten Jahrzehnte zurück,<br />

doch wohnt dem Erscheinen der Sammlung<br />

ausgerechnet im ersehnten Friedensjahr<br />

1648 eine starke Symbolik inne: Es<br />

war ein „Trotz alldem“, eine Demonstration<br />

der tröstenden, aufbauenden Wirkung<br />

von Musik – nicht zuletzt für Schütz persönlich,<br />

dessen Leben früh von Schicksalsschlägen<br />

getroffen wurde.<br />

Arnold Schönbergs achtstimmige Motette<br />

„Friede auf Erden“ vermochte sich 1907<br />

nicht als Verheißung zu offenbaren – 40<br />

Jahre später sollte sich Schönberg mit dem<br />

Melodram „Ein Überlebender aus Warschau“<br />

zum Völkermord an den Juden positionieren.<br />

Beide Weltkriege sorgten mit<br />

dem unfassbaren Leid, das sie auslösten,<br />

für musikhistorische Zäsuren, Sinnkrisen,<br />

grundlegende Stilwandel und brachten eine<br />

Vielzahl an Werken hervor. Diese entstanden<br />

entweder in unmittelbarer Folge oder<br />

mit zeitlicher Verzögerung, um dann anhaltende<br />

Konflikte aufzugreifen wie den<br />

Antisemitismus in Schostakowitschs 13.<br />

Sinfonie.<br />

Es gibt ein umfangreiches Verzeichnis an<br />

Kompositionen von 1914 bis in die frühen<br />

1930er-Jahre, in denen ein Bezug zum<br />

Ersten Weltkrieg erkennbar ist. Die Liste<br />

der Werke, die sich auf den Zweiten Weltkrieg<br />

beziehen, dürfte noch umfangreicher<br />

sein. Hier nur drei weitere Beispiele: Kar-<br />

KulturFenster<br />

50 02/April <strong>2021</strong>


Chorwesen<br />

freitag 1945 schrieb der Dresdner Kreuzkantor<br />

Rudolf Mauersberger die ergreifende<br />

Trauermotette „Wie liegt die Stadt<br />

so wüst“ unter dem Eindruck der gerade<br />

zerstörten Stadt und dem Verlust einiger<br />

Chorknaben. Der betagte Richard Strauss<br />

schuf in jenen Tagen die Metamorphosen<br />

für 23 Solostreicher – ein Spätwerk, das<br />

symbolisch für Vernichtung, Vereinzelung<br />

und Abschluss einer Epoche steht. Karl<br />

Amadeus Hartmann verfasste die mit Zitaten<br />

aus klassischer Musik und jüdischem<br />

Leben gespickte Klaviersonate „27. April<br />

1945“ – „die wohl rascheste Antwort … für<br />

humanistisches, engagiertes und expressives<br />

Komponieren“ (Hans-Werner Heister).<br />

Die erinnernde und verarbeitende Beschäftigung<br />

mit dem Zweiten Weltkrieg und Holocaust<br />

schlägt sich in zahlreichen Partituren<br />

nieder. Exemplarisch steht dafür das<br />

gesamte Schaffen des gebürtigen Leipzigers<br />

Herman Berlinski, das sich mit jüdischer<br />

Identität auseinandersetzt. Benjamin<br />

Brittens „War Requiem“ wurde 1962<br />

in der wiederaufgebauten Kathedrale von<br />

Coventry uraufgeführt. Der Japaner Toshio<br />

Hosokawa komponierte 1989 das Oratorium<br />

„Voiceless Voice in Hiroshima“; überarbeitet<br />

kam es 2001 in München zur Uraufführung.<br />

Auch Luigi Nono („Ricorda<br />

cosa ti hanno fatto in Auschwitz“, 1966)<br />

und Krzysztof Penderecki („Kadisz“, 2009)<br />

hielten die Erinnerung wach.<br />

Menschengemachte<br />

Katastrophen und<br />

private Tragödien<br />

Der Atombombenabwurf in Hiroshima. Der Japaner Toshio Hosokawa komponierte 1989<br />

das Oratorium „Voiceless Voice in Hiroshima“; überarbeitet kam es 2001 in München<br />

zur Uraufführung.<br />

Andere menschengemachte Katastrophen<br />

bewegten Komponisten, darunter<br />

das Reaktorunglück von Tschernobyl oder<br />

die Migrationen der Gegenwart. Der Franzose<br />

Philippe Manoury mischte in seinem<br />

„Lab.Oratorium“ Solisten- und Chorstimmen,<br />

Live-Elektronik, Orchesterklänge und<br />

Schauspielpartien, um den Flüchtlingen<br />

dieser Welt eine Stimme zu geben. Damit<br />

entwarf er „ein gesellschaftliches Ideal, in<br />

dem niemand ausgegrenzt, aber auch keine<br />

heile Welt vorgegaukelt wird“, schrieb Kritiker<br />

Reinhard J. Brembeck nach der Uraufführung<br />

durch das Gürzenich-Orchester<br />

in Köln im Mai 2019.<br />

Neben den unzähligen traurigen Anlässen<br />

und Zuständen von gesellschaftlicher<br />

Tragweite gibt es stillere, privatere. Johann<br />

Sebastian Bach war davon geprägt. Seine<br />

Stücke haben bis heute nichts von ihrer<br />

geradezu universellen Ausstrahlung eingebüßt.<br />

Die Psychoanalytikerin und Trauma-<br />

Expertin Luise Reddemann hat Bachs Leben<br />

und Wirken intensiver untersucht und<br />

erfahren: „Ich habe mit einer Gruppe von<br />

Therapeut*innen einen Tag mit der Kantate<br />

‚Ich hatte viel Bekümmernis‘ verbracht. Für<br />

einige war es ungewohnt, sich mit der Musik<br />

von Bach zu beschäftigen. Aber nach<br />

und nach waren doch alle von der Tiefe des<br />

Ausdrucks von Kummer und Freude, Verzweiflung<br />

und Trost ergriffen. … Bei einem<br />

Seminar über Resilienz mit in der Palliativmedizin<br />

tätigen KollegInnen waren wir manchmal<br />

erschöpft und bekümmert. Einige Teile<br />

Zur Person<br />

der Kantate haben uns geholfen, uns wieder<br />

als getragen und aufgehoben zu erleben.“<br />

Bach – ein Universalhelfer in Krisensituationen?<br />

Dem könnte so sein. Auf jeden<br />

Fall ergänzt seine Musik den Kanon all der<br />

Werke, die geschrieben wurden, um Menschen<br />

auch in größter Not und Verzweiflung<br />

aufzufangen, ihnen zu helfen, sie zu<br />

trösten, zu kräftigen und hoffen zu lassen.<br />

Freilich nur ein Bruchteil konnte hier zur<br />

Sprache kommen.<br />

Karsten Blüthgen<br />

Der Beitrag erschien in „Chorzeit.<br />

Das Vokalmagazin“, Ausgabe April <strong>2021</strong><br />

Autor Karsten Blüthgen studierte zunächst Akustik, später Musikwissenschaft.<br />

Nach beruflichen Anfängen als Ingenieur wandte er sich der Musik zu und ist<br />

heute hauptsächlich auf diesem weiten Feld aktiv. Er übernahm Lehraufträge im<br />

Bereich der Systematischen Musikwissenschaft in Leipzig<br />

und Dresden, verfasst Texte für Konzertprogramme und<br />

CD-Booklets.<br />

Er verantwortet die Dramaturgie beim Festival Sandstein<br />

und Musik und wirkt dramaturgisch bei den Internationalen<br />

Schostakowitsch Tagen Gohrisch mit. Seine<br />

Leidenschaft für Musikjournalismus offenbarte sich<br />

1998 bei einem Konzert des Thomanerchors Leipzig<br />

gemeinsam mit dem Jazzpianisten Joachim Kühn.<br />

Heute schreibt Karsten Blüthgen für verschiedene Tageszeitungen,<br />

Magazine und Fachzeitschriften. Neben<br />

der Musik liebt der Lausitzer die Natur und den<br />

Ausdauersport.<br />

Foto-Copyright: Thomas Lehmann<br />

KulturFenster 51<br />

02/April <strong>2021</strong>


Jung+<br />

Stimmgewaltig<br />

Foto vom Jahr 2019 bei der Veranstaltung<br />

„Advent im Jugenddienst“<br />

Sänger*innen:<br />

27 junge und junggebliebene Sänger*innen<br />

im Alter von 17 bis 39 Jahren<br />

Unser Motto lautet:<br />

Musik – neu – anders – jung – modern<br />

– religiös<br />

Wer sind wir, was macht uns aus? Was ist<br />

unsere Motivation?<br />

Wir sind eine motivierte Gruppe von Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen im<br />

Unterland. Unsere Gemeinsamkeit: wir alle<br />

glauben, singen oder musizieren gerne und<br />

möchten unseren Glauben offen in die<br />

Pfarrgemeinden bringen um weitere Menschen<br />

damit anzustecken. Dabei sind Offenheit,<br />

Gemeinschaft, Freude, Spaß und<br />

Respekt grundlegende Werte, die bei uns<br />

gelebt und nach außen getragen werden.<br />

Begleitet<br />

werden<br />

wir als Chor<br />

vom Jugenddienst<br />

Unterland,<br />

finanziell unterstützt von<br />

der Bezirksgemeinschaft Überetsch<br />

Unterland.<br />

Wie kam es zur Gründung? Seit wann besteht<br />

der Chor?<br />

Gegründet wurde unser Chor „LautStork“<br />

im Jahr 2016 als musikalisches Projekt vom<br />

Verein Jugenddienst Unterland. Hintergrundgedanke<br />

war und ist es heute noch,<br />

jungen Menschen die Möglichkeit zu geben,<br />

ihren Glauben zu leben, zu zeigen<br />

und durch Musik und neuem Schwung<br />

Gottesdienste und andere religiöse Feiern<br />

mitzugestalten.<br />

Was waren<br />

unsere Highlights<br />

in der Vergangenheit?<br />

In den letzten fünf<br />

Jahren gab es viele Highlights<br />

bei unseren Proben und<br />

Auftritten. Ein besonderes Highlight war sicherlich<br />

die vom Jugenddienst Unterland<br />

organisierte Jugendmesse „Rise up“ im<br />

Jahr 2019 mit Lichtershow in der Pfarrkirche<br />

von Branzoll. Aber auch der Auftritt<br />

beim Festival „Cyrill Chill“ in Brixen sowie<br />

die jeweiligen Abschlusskonzerte unseres<br />

Chores gehören zu den Highlights der vergangenen<br />

Jahre.<br />

Was sind die Pläne für die Zukunft?<br />

Auch in den nächsten Jahren möchten wir<br />

unsere Motivation und unseren Schwung<br />

beibehalten und besonders ab Herbst<br />

KulturFenster<br />

52 02April <strong>2021</strong>


<strong>2021</strong> wieder mit regelmäßigen Proben und<br />

Auftritten starten. Einer unserer größeren<br />

Auftritte wird wieder bei der zweiten Veranstaltung<br />

der Jugendmesse mit Lichtershow<br />

„Rise up“ im Jahr 2022 sein.<br />

Wer kann bei uns mitmachen? Wie kann<br />

man bei uns mitmachen?<br />

Wir als Chor „LautStork“ sind offen für<br />

alle, die sich gerne daran beteiligen möchten.<br />

Mitmachen können bei uns alle Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen ab<br />

14 Jahren, die gerne singen oder selbst<br />

ein Instrument spielen. Die Teilnahme<br />

ist freiwillig und ehrenamtlich, natürlich<br />

sind wir aber froh, wenn Sänger*innen<br />

regelmäßig beim Chor mitmachen. Uns<br />

ist es sehr wichtig, als Gruppe gemeinsam<br />

zu (zusammen)wachsen und voneinander<br />

zu lernen.<br />

SoniaKalser<br />

Portrait der Chorleiterin<br />

Ich bin Sonia Kalser, Grundschullehrerin<br />

aus Aldein. Seit zwei Jahren<br />

darf ich den Chor LautStork begleiten.<br />

Musik ist meine Leidenschaft,<br />

seit ich mit sechs Jahren zum ersten<br />

Mal die Musikschule besuchte, und<br />

ist bis heute mein täglicher Begleiter,<br />

aus dem ich Kraft und Freude<br />

schöpfen darf.<br />

Aktuell wirke ich in verschiedenen<br />

kleinen Ensembles, sowie einer<br />

Band mit. Das Projekt Lautstork ist<br />

eine besondere, aufregende Aufgabe<br />

für mich.<br />

Hiernoch zwei<br />

Youtube-Links<br />

zumProbehoren<br />

:<br />

Weihnachtsspecial 2020:<br />

Der Landesjugenchor<br />

https://www.youtube.com/<br />

watch?v=hZ8L25dyi4I<br />

Alles wird gut – ein Lied<br />

geschrieben von den Mitgliedern<br />

des Chores - <strong>2021</strong><br />

https://www.youtube.com/<br />

watch?v=VIrVd9Yg88E<br />

KulturFenster<br />

53 02April <strong>2021</strong>


EigeneEmotionen ausdrucken<br />

:<br />

Die jungen Rapper Duzzq & LA<br />

HipHop und Chorgesang schließen<br />

sich nicht aus. Ivan Huber<br />

und Johannes Aschbacher,<br />

21 bzw. 18 Jahre alt, sind die<br />

Rapper Duzzq und L.A und machen<br />

HipHop Musik, singen<br />

aber auch im Landesjugendchor<br />

Südtirol.<br />

Duzzq, der eigentlich Ivan<br />

Huber heißt, macht seit seinem<br />

8. Lebensjahr Musik:<br />

„Mich hat immer schon die<br />

Rhythmik an Songs fasziniert.<br />

Also war das erste Instrument,<br />

das ich gelernt habe,<br />

Schlagzeug. Danach kamen<br />

Gitarre und Klavier hinzu“,<br />

sagt er. Duzzq studiert am Tiroler<br />

Landeskonservatorium<br />

in Innsbruck Gesang. Nebenbei<br />

macht er mit seinem<br />

Rap- und Produktionspartner<br />

Johannes Aschbacher alias L.A Songs.<br />

Ivan Huber erzählt, wie die beiden zum<br />

HipHop gekommen sind: „HipHop/Rap<br />

ist das Musikgenre, das uns beide seit<br />

Jahren beschäftigt und auch beeinflusst.<br />

Johannes und ich haben uns im Landesjugendchor<br />

Südtirol kennengelernt, und so<br />

kam das Thema HipHop/Rap rasch ins Gespräch.<br />

Das Große Rap-Idol von Johannes<br />

ist Travis Scott und mein Idol ist die Rap-<br />

Legende Eminem. Da wir uns beide ausgehend<br />

von unsren Rap-Idolen hauptsächlich<br />

für die amerikanische Rapszene<br />

interessieren, sind wir zum Entschluss gekommen,<br />

selbst Musik zu produzieren.“<br />

Dabei orientierten sich die Songs am amerikanischen<br />

HipHop und Rap, sind aber<br />

von Anfang bis Ende selbst erdacht und<br />

komponiert. Das gilt für die Texte, Melodie,<br />

Harmonie und die strukturierte Verbindung<br />

der einzelnen musikalischen sowie<br />

lyrischen Elemente. Hilfreich war da<br />

auch, dass die beiden sich von Anfang an<br />

gut verstanden und gut zusammenarbeiteten<br />

und sich kreativ ergänzten – nicht nur<br />

Leidenschaft in der Musik hat sich so entwickelt,<br />

sondern eine „markante Freundschaft“,<br />

wie Ivan Huber sagt.<br />

Was HipHop und Rap<br />

so toll macht…<br />

„Das Schöne an der HipHop/Rap Musik ist<br />

sicher die Umsetzung der selbstgeschriebenen<br />

Texte. Wir schreiben unsere Texte<br />

selbst und da wir MC‘s sind, werden unsere<br />

Emotionen in Verbindung mit der Musik<br />

verdeutlicht.“ MC bedeutet, dass „jedes<br />

einzelne Wort auch wirklich so gemeint ist<br />

und aus unserem Bauch frei und ehrlich<br />

herausgeschrieben wird“, erklärt Ivan Huber.<br />

„Was HipHop/Rap uns gibt, ist diese<br />

Sicherheit und Leidenschaft auf einem<br />

selbstproduzierten Beat unsere Gedanken<br />

mit verschiedenen Gefühlen zu präsentieren.“<br />

Die beiden Musiker haben bereits viel<br />

Erfahrung in der Klassischen Musik und<br />

sind von ihr sehr beeindruckt. Ivan Huber<br />

betont, dass die Auseinandersetzung mit<br />

musikalischen Themen aus der Klassik,<br />

vor allem im Gesang, für ihn eine große Bereicherung<br />

sei. „Wir probieren stets neue<br />

Ideen aus für unsere Produktionen, so haben<br />

wir auch Themen verarbeitet, die wir<br />

aus der klassischen Stilrichtung entnommen<br />

haben. Dazu gehören etwa auch Passagen<br />

mit klassischem Gesang oder auch<br />

kleine abgekupferte Melodien,<br />

die wir ohne Probleme verarbeiten<br />

konnten. Klassische<br />

Musik und HipHop/Rap unterscheiden<br />

sich sehr voneinander,<br />

aber uns gelingt es<br />

durch Kreativität eine Verbindung<br />

herzustellen, die durchaus<br />

Sinn ergibt.“<br />

Den eigenen<br />

Gefühlen Ausdruck<br />

geben…<br />

Evil Butteries<br />

Dabei liegt die Faszination<br />

des Raps wohl vor allem in<br />

der Verbindung von Text und<br />

Musik, was diese Musik so<br />

geeignet macht für den Ausdruck<br />

von eigenen Gedanken<br />

und Gefühlen. Auch die Themen<br />

von Duzzq & LA basieren<br />

hauptsächlich auf selbsterlebten Situationen<br />

und sind ihre ganz eigenen Gedanken.<br />

Ihre neuste Produktion, die noch unveröffentlicht<br />

ist, heißt „Evil Butterflies“. In<br />

diesem Song geht es um Situationen von<br />

früher und auch heute, die für die beiden<br />

schwer zu verkraften waren, wie zum Beispiel<br />

Mobbing. „Vor allem möchten wir mit<br />

diesem Song vermitteln, dass man nicht<br />

jedem Menschen sofort Vertrauen schenken<br />

soll, da er dich hintergehen könnte<br />

(Evil) – auch wie sympathisch, klug oder<br />

schön er dir vorkommt (Butterfly)“, erklärt<br />

Duzzq. Duzzq & LA bekommen oft Rückmeldungen<br />

zu ihrer Musik und „Ein positives<br />

Feedback zu erhalten fühlt sich sehr<br />

gut an. Wir bekommen aber auch manchmal<br />

nicht so gute Meinungen gegenüber<br />

unseren Produktionen, aber das hält uns<br />

in keinster Weise ab weiter Musik zu produzieren.“<br />

Ihr größtes Ziel sei es, mit ihren<br />

Songs national und international bekannt<br />

zu werden, auch wenn es sehr schwierig<br />

sei, im heutigen Music Business aufmerskamkeit<br />

zu erlangen.<br />

https://www.youtube.com/<br />

watch?v=Y9R7gJpzm3Y<br />

KulturFenster<br />

54<br />

02April <strong>2021</strong>


SCV-intern<br />

Musikalische Aktionswoche für Grundschüler<br />

der 2. bis 5. Klasse (Stand Schuljahr 2020/21)<br />

Montag bis Freitag von 8.30 bis 12.30 Uhr<br />

Musikschule Bruneck<br />

12. - 16. Juli und 26. - 30. Juli<br />

mit Franzisca Seiwald und<br />

Sabrina Fraternali<br />

Musikschule Seis<br />

19. - 23. Juli<br />

mit Renate Unterthiner und<br />

Viktoria Erlacher<br />

Kulturhaus Villnöß<br />

19. - 23. Juli<br />

mit Sonja Profanter und<br />

Hanna Portner<br />

Musikschule Vintl<br />

9. - 13. August<br />

mit Renate Unterthiner und Ingrid Wieser<br />

Musikschule Meran<br />

16. - 20. August<br />

mit Isabella Stricker und Elisa Vieider<br />

Weitere Informationen unter:<br />

info@scv.bz.it<br />

t. 0471/971833<br />

f. 0471/303862<br />

Kursprogramm <strong>2021</strong><br />

Fr. 2. – So. 4. Juli<br />

Workshop für Chorleiter*innen im Kolpinghaus Bozen<br />

Zielgruppe: Neueinsteiger*innen und<br />

erfahrene Chorleiter*innen<br />

Leitung: Jan Scheerer<br />

So. 1. – Fr. 6. August<br />

Seminar für ChorleiterInnen in Dietenheim<br />

Zielgruppe: Neueinsteiger*innen und erfahrene<br />

Chorleiter*innen<br />

Leitung: Nataliya Lukina<br />

Sa. 28. August – Sa. 4. September<br />

Musical Fever Plus im Priesterseminar Brixen<br />

Zielgruppe: Jugendliche von 16 bis 25 Jahren<br />

Leitung: Stephen Lloyd<br />

Fr. 1. Oktober<br />

Seminar „Wie man Stimmen zum Klingen bringt!“<br />

im Kolpinghaus Bozen<br />

Zielgruppe: Pädagogen*innen und Chorleiter*innen<br />

Leitung: Veronica Bertsch<br />

Sa. 2. Oktober<br />

„Let‘s sing – let‘s swing – let‘s groove” Pop & Chor<br />

im Kolpinghaus Bozen<br />

Zielgruppe: Chorsänger*innen und Chorleiter*innen<br />

Leitung: Veronica Bertsch<br />

Sa. 9. Oktober<br />

Seminar für Kinderchorleiter/innen im Kolpinghaus Bozen<br />

Zielgruppe: Chorleiter*innen und Lehrer*innen für Kinder im<br />

Grund- und Mittelschulalter<br />

Leitung: Yoshihisha Matthias Kinoshita<br />

Sa. 16. Oktober<br />

Singtag für Chorsänger*innen 50+ im Kolpinghaus Bozen<br />

Zielgruppe: Chorsänger*innen 50+<br />

Leitung: Edgar Wolf<br />

info@scv.bz.it<br />

t. 0471/971833<br />

KulturFenster<br />

55 02/April <strong>2021</strong>


SCV-Intern<br />

Unser Lieblingslied<br />

Erfolgreiches Online-Konzert<br />

Konzertfeeling in Corona-Zeiten: Bei einem<br />

YouTube-Konzert unter dem Motto „Mein<br />

Lieblingslied“ konnten sich am Abend des<br />

24. April rund 720 Zuhörer und Zuhörerinnen<br />

wieder an die Zeiten vor Corona erinnern.<br />

Die Idee zum Online-Konzert auf YouTube<br />

ist sehr gut bei den Chören im Lande angekommen.<br />

Über 40 Chöre nahmen an diesem<br />

Online-Konzertabend teil und haben<br />

einen Betrag eingesandt. Die Aufnahmen<br />

sind mehrheitlich vor der Corona-Pandemie<br />

entstanden. Die „Lieblingslieder“ erinnerten<br />

an wundervolle Konzerte, an gemeinsame<br />

Erlebnisse, an Chorreisen, an<br />

Messgestaltungen oder einfach an inspirierende<br />

Chorproben in einer schönen Gemeinschaft.<br />

Die Idee zu diesem Konzert hatte der Bezirksausschuss<br />

Bozen. Bezirksobmann<br />

Josef Vieider: „Wir haben uns lange ohnmächtig<br />

gefühlt, weil wir nicht so recht wussten,<br />

wie wir unsere Chöre „bei Laune“ halten<br />

könnten. Dann ist die Idee zu einem Online-<br />

Konzert geboren mit Liedern, die aus der<br />

Zeit stammten, wo das gemeinsame Singen<br />

noch möglich war. Damit sollte die Erinne-<br />

„<br />

Niemals zuvor gab es bei uns ein<br />

Chorkonzert mit so vielen beteiligten<br />

Chören und niemals gab es bei unseren<br />

Konzerten so viele Zuhörer“,<br />

„<br />

betont Josef Vieider<br />

Josef Vieider<br />

rung an angenehme Stunden wachgerufen<br />

werden. Daraus haben wir schnell den Titel<br />

„Unser Lieblingslied“ abgeleitet.“ Zunächst<br />

wollte der Bezirksausschuss das Konzert auf<br />

Bezirksebene organisieren. SCV-Geschäftsführer<br />

Dietmar Thanei war von der Initiative<br />

sofort begeistert und hat den Vorschlag gemacht,<br />

alle Chöre des Landes zum Mitmachen<br />

einzuladen. „Im Nachhinein war das<br />

eine goldrichtige Entscheidung. Niemals zu-<br />

KulturFenster<br />

56 02/April <strong>2021</strong>


Chorwesen<br />

vor gab es bei uns ein Chorkonzert mit so vielen beteiligten<br />

Chören und niemals gab es bei unseren Konzerten<br />

so viele Zuhörer“, betont Josef Vieider. Dietmar Thanei<br />

unterlegte das Konzert mit passenden Aufnahmen von<br />

den Chören. Die Bilder beim Konzert gaben einen interessanten<br />

Einblick in das Chor-Geschehen, in die Umgebung<br />

und in die Kirchen der teilnehmenden Chöre.<br />

„Ich habe viele positive Rückmeldungen bekommen.<br />

Ich persönlich habe das Konzert so richtig genossen.<br />

Auch der Zeitpunkt scheint gut angekommen zu sein.<br />

Das ist als Motivationsschub kurz vor Beginn unserer<br />

(zwar eingeschränkten) Tätigkeit gerade recht gekommen“,<br />

freut sich Josef Vieider. Das Video wurde auch<br />

mehrere tausend Male angeklickt und zahlreich positiv<br />

kommentiert<br />

Paul Bertagnolli<br />

Sichere Chorproben in der Pandemie<br />

Webinar mit Bernd Gänsbacher<br />

Bei einem vom Südtiroler Chorverband organisierten<br />

Webinar mit dem bekannten<br />

Immunologen Bernd Gänsbacher konnten<br />

die zahlreichen Interessierten Fragen<br />

zum Thema Corona und Singen stellen.<br />

Verbandsobmann Erich Deltedesco freute<br />

sich in seinen Grußworten über die Möglichkeit,<br />

dass sich die Sänger und Sängerinnen<br />

mit ihren Fragen direkt an den<br />

Experten wenden können. Verbandschorleiterin<br />

Renate Unterthiner moderierte das<br />

Seminar und verlas die bereits vorher eingeschickten<br />

Fragen, auf die der Wissenschaftler<br />

detailliert einging. Aber auch während<br />

des Seminars gab es die Möglichkeit, Fragen<br />

im Chat zu deponieren. Bernd Gänsbacher<br />

zeigte sich als guter Wissensver-<br />

mittler und erklärte den Teilnehmern und<br />

Teilnehmerinnen auf interessante Weise,<br />

wie das Coronavirus und die Impfung wirken.<br />

Er betonte, dass die beste Möglichkeit<br />

für ein sicheres Proben das regelmäßige<br />

und wiederholte Testen sei. Nur vor<br />

der Probe zu testen, sei zu wenig, da der<br />

Antigentest nicht absolut sicher sei und<br />

deshalb mindestens zweimal im Vorfeld<br />

gemacht werden muss. Er betonte außerdem,<br />

wie wichtig es sei, gut zu lüften. Jeder<br />

Sänger und jede Sängerin müsse sich<br />

im Klaren sein, dass das Singen auch im<br />

Freien ein höheres Ansteckungsrisiko bedeute<br />

als bloßes Sprechen. Umso mehr sei<br />

es wichtig, dass jedes Chormitglied das Risiko<br />

durch sicheres Verhalten minimiere.<br />

Prof. Bernd Gänsbacher<br />

KulturFenster<br />

57 02/April <strong>2021</strong>


komponiert<br />

Harmonie und<br />

Einfachheit<br />

Die Komponistin<br />

Annelies Oberschmied<br />

Sie ist Sängerin, Stimmbildnerin, Musikschullehrerin, Komponistin, Organistin, Chorleiterin,<br />

Begleiterin, Referentin, Autorin, Körpertherapeutin, Mutter: Annelies Oberschmied<br />

aus Reischach, die heute in Telfs lebt, kennen viele Südtiroler Sänger und Sängerinnen<br />

als Stimmbildnerin, vor allem aber auch haben viele schon ihre Lieder gesungen. Die<br />

Liebe zum Singen und zur Musik entdeckte die Musikerin in der frühen Kindheit durch<br />

das gemeinsame Singen zu Hause, erzählt die Komponistin.<br />

<strong>Kulturfenster</strong>: Die Musik spielt in Ihrem<br />

Leben eine zentrale Rolle, wie ist es dazu<br />

gekommen?<br />

Annelies Oberschmied: Mein Leben ist<br />

schon seit der frühen Kindheit von Musik<br />

umgeben. Die einfache Mehrstimmigkeit<br />

der Volkslieder, gemeinsam gesungen<br />

im familiären Umfeld, verbinde<br />

ich mit Heimatgefühl. Heimatgefühle<br />

habe ich in Nord- und Südtirol, dort wo<br />

ich lebe und dort wo meine Wurzeln und<br />

mein Arbeitsplatz sind. Die Orgel mit all<br />

ihren Möglichkeiten und Klängen faszinierte<br />

mich schon als 5-jähriges Mädchen<br />

so stark, dass ich unbedingt dieses Instrument<br />

erlernen wollte. Mit 12 Jahren<br />

reichten zwar die Füße kaum an die Pedale,<br />

aber das Können für die Begleitung<br />

der Gemeindelieder im Gottesdienst. Dadurch<br />

kam ich in Kontakt mit Chormusik,<br />

mit Chorproben, wo ich auch schon<br />

bald erste Erfahrungen als Korrepetitorin<br />

und den Umgang mit gesungenen Harmonien<br />

sammeln konnte.<br />

KF: Wo lagen die Schwerpunkte in Ihrer<br />

musikalischen Ausbildung?<br />

Oberschmied: Die Leidenschaft zur Musik<br />

hat mich zum Orgelstudium in Bozen<br />

und später auch in Wien bewogen. Als Teil<br />

des Kirchenmusikstudiums habe ich mich<br />

unzählige Stunden mit dem Fach „kirchliche<br />

Komposition“ beschäftigt. Ein neuer<br />

Schwerpunkt in Wien wurde die Arbeit mit<br />

der eigenen Stimme, zum einen im solistischen<br />

Gesang und zum anderen in Verbindung<br />

mit dem Chorleitungsstudium.<br />

Die Faszination, Chorklang zu modellieren<br />

oder selber Teil eines Chorklangkörpers<br />

zu sein und die musikalischen und<br />

emotionalen Sternstunden als Sopranistin<br />

im Arnold Schönberg-Chor haben meine<br />

Vorstellung von Klangidealen geprägt.<br />

KF: Was bedeutet Ihnen Ihre Aufgabe als<br />

Lehrerin an der Musikschule?<br />

Oberschmied: Die Freude an der Musik<br />

weiterzugeben ist mein Beruf geworden.<br />

Stimmen entdecken, begleiten und pflegen<br />

ist für mich immer wieder spannend.<br />

In der Musikschule Bruneck darf ich Kinder,<br />

Jugendliche und Erwachsene auf ihrem<br />

Weg von der Einstimmigkeit bis zum<br />

großen Chorklang, vom einfachen Liedchen<br />

bis zur Opernarie begleiten. Für<br />

meine Schüler und die Arbeit als Referen-<br />

KulturFenster<br />

58 02/April <strong>2021</strong>


Chorwesen<br />

„<br />

Meine Lieder entstehen spontan, inspiriert<br />

von besonderen Ereignissen,<br />

Eindrücken oder Emotionen.<br />

„<br />

Annelies Oberschmied<br />

tin für Vokalangelegenheiten bei Kursen<br />

ist die Sammlung „Stimm-übungen à la<br />

carte“ erschienen. Hier habe ich meine<br />

kreativen Ideen zum „Training der Stimme“<br />

gesammelt.<br />

KF: Sie sind auch als Sängerin bekannt.<br />

Oberschmied: Selber singend war ich in<br />

den letzten 15 Jahren als Solistin und Ensemblesängerin<br />

in der „Capella Wilthinensis“<br />

in Innsbruck tätig. Den großen Schatz<br />

an geistlicher Vokalmusik, allen voran die<br />

Bach-Motetten, aber auch die Sopranarien<br />

aus Passionen und Kantaten oder manchen<br />

Mozart- und Haydn-Messen, sowie<br />

das Erlebnis des professionellen Ensemblesingens<br />

möchte ich nicht missen.<br />

Genauso, wie ich auch das Singen von<br />

Jodlern und Volksliedern nicht missen<br />

möchte. Es ist die Einfachheit der Harmonien<br />

und des Textes, die immer wieder neu<br />

bewegen. Auch ein Grund, warum diese<br />

Lieder meist mündlich überliefert wurden<br />

und immer noch durch das gemeinsame<br />

Singen weiterverbreitet werden.<br />

KF: Kommen wir zu Ihrer Tätigkeit als<br />

Komponistin. Wie entstehen Ihre Lieder?<br />

Oberschmied: Meine Lieder entstehen<br />

spontan, inspiriert von besonderen Er-<br />

eignissen, Eindrücken oder Emotionen.<br />

Dann mache ich Text und Melodie selber.<br />

Es ist nämlich nicht so leicht, Texte<br />

für neue Volkslieder zu finden, die dann<br />

durch das passende Versmaß in Rhythmus<br />

und Melodieführung eins werden.<br />

Meinem relativ langen Arbeitsweg, aus<br />

dem Zugfenster schauend, habe ich viele<br />

Texte, Melodien und Ideen zu verdanken.<br />

Es braucht diese gewisse Langeweile, damit<br />

im Kopf neue Ideen entstehen können.<br />

Das gilt fürs Komponieren fast genauso<br />

wie für die Kreativität bei Kindern.<br />

In meinem Repertoire finden sich manche<br />

kirchliche Kompositionen im modernen<br />

Stil (wenn man das so nennen will),<br />

Kindermessen, Kinderlieder, ein Singspiel,<br />

neue geistliche Lieder und Volkslieder.<br />

Darunter finden sich auch Auftragswerke<br />

oder Stücke, die aus einer Not<br />

heraus entstanden sind. Einige schöne<br />

Volkslied-Aufträge habe ich vom Männerchor<br />

„Brummnet“ erhalten. Wenn man ein<br />

Ensemble oder einen Chor kennt, kann<br />

man sozusagen „auf den Leib geschneidert“<br />

schreiben. Dann ist das Ganze am<br />

stimmigsten. Ein besonderer Moment ist<br />

immer wieder jener, in welchem man das<br />

eigene Lied zum ersten Mal von anderen<br />

musiziert hört. Es ist ein bisschen zu vergleichen<br />

mit dem Gefühl, wenn man sein<br />

Kind zum ersten Mal in den Kindergarten<br />

bringt – ein großes Stück Vertrauen im<br />

Umgang mit etwas, das einem ans Herz<br />

gewachsen ist.<br />

KF: Wie war es beim Lied „Mitanond singen“,<br />

das wir hier abdrucken?<br />

Oberschmied: Das Lied „Mitanond singen“,<br />

welches in der nächsten Ausgabe abgedruckt<br />

wird, ist vor genau einem Jahr, genauer<br />

gesagt bei einem Spaziergang durch<br />

die Telfer Felder und der Sehnsucht nach<br />

einem Heimatbesuch – zu dem natürlich<br />

auch ein gemeinsames Lied gehört –<br />

entstanden. Bei der erstbesten Möglichkeit<br />

(Ende Mai 2020, zu Fuß (!) über die<br />

Brennergrenze) habe ich es mit InsoDrei<br />

- das sind neben mir Clara Sattler und<br />

meine Schwester Patrizia - dann ausprobiert.<br />

Darum ist auch der Bass eine ad<br />

libitum-Stimme und nicht zwingend notwendig.<br />

Das Lied soll in einfacher Weise<br />

das Glücksgefühl des gemeinsamen Singens<br />

beschreiben.<br />

KF: Wie würden Sie die Tonsprache Ihrer<br />

Lieder beschreiben?<br />

Oberschmied: Viele meiner Lieder gibt es<br />

im Nachhinein oder auf Anfrage für diverse<br />

Besetzungen. Die Tonsprache der<br />

Oberschmied-Lieder ist im Sinne der alten<br />

Volkslieder einfach gehalten. Bei der<br />

Harmonisierung erlaube ich mir allerdings<br />

auch kleine Spaziergänge außerhalb der<br />

Grundstufen, weil wir ja als Menschen<br />

auch immer wieder „neue Wege“ suchen.<br />

KF: Wo finden wir Ihre Lieder?<br />

Oberschmied: Mein Wunsch, ein Liederbuch<br />

herauszugeben, in dem alle meiner<br />

bisher erschienenen Volkslieder gesammelt<br />

sind, wird vielleicht irgendwann wahr<br />

und sucht noch einen Sponsor.<br />

Int.: Paul Bertagnolli<br />

Richtigstellung:<br />

Kirchenmusiker Prof. Josef Knapp<br />

Heuer wäre der Kirchenmusiker Josef<br />

Knapp 100 Jahre alt geworden. Knapp<br />

wurde 1921 in St. Lorenzen geboren und<br />

verstarb im Jahr 2014 und nicht, wie im<br />

Text fälschlicherweise geschrieben wurde,<br />

1914. Wir bitten die Leser und Leserinnen<br />

diesen Fehler zu entschuldigen.<br />

Aus der Redaktion<br />

Ihre Beiträge (Texte und Bilder) für die Chorwesen<br />

senden Sie bitte an: info@scv.bz.it (Südtiroler Chorverband)<br />

Für etwaige Vorschläge und Fragen erreichen Sie uns unter<br />

folgender Nummer: +39 0471 971 833 (SCV)<br />

Redaktionsschluss für<br />

die nächste Ausgabe des<br />

KulturFensters ist<br />

Donnerstag, 15. Juli <strong>2021</strong><br />

KulturFenster<br />

59 02/April <strong>2021</strong>


30.07.<strong>2021</strong><br />

Anmeldeschluss für interessierte Chöre<br />

zum „Tag der Chöre“<br />

in den Gärten von Schloss Trauttmansdorff<br />

am 19. September <strong>2021</strong>.<br />

Termine<br />

Infos unter: https://scv.bz.it/tag-der-choere<br />

31.07.<strong>2021</strong><br />

Konzert: Euregio-Jugendblasorchester<br />

Kulturzentrum Gustav Mahler Toblach, Beginn: 18.00 Uhr<br />

Infos unter: https://vsm.bz.it/<br />

17.09.<strong>2021</strong> und<br />

15.10.<strong>2021</strong><br />

Tagung:<br />

„Identitätsstiftende Orte“<br />

Infos unter: hpv.bz.it

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