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Schwachhauser I Magazin für Bremen I Ausgabe 79

Liebe Leserinnen, lieber Leser, allerorts in Bremen haben die Kulturstätten wieder geöffnet und der Hunger nach Schönem kann gestillt werden, lange genug mussten wir darauf warten. Auch finden draußen zahlreiche Konzerte und Thea- teraufführungen statt, eine Auswahl haben wir für Sie zusammengestellt, wobei wir uns auch von der „Nase“ (Smell it!) haben führen lassen. Der mehrfach ausgezeichnete Fotograf Peter Bialobrzeski entführt uns mit seinen Fotografien in die weite Welt, macht damit neugierig auf mehr und stillt nicht zuletzt unsere Sehnsucht nach fernen Ländern. Außerdem haben wir für Sie Verden an der Aller besucht, ein schönes Städtchen, das es sich zu besuchen lohnt, sei es mit der Bahn oder dem Auto, aber auch unbedingt einmal mit dem Rad. Wie wäre es mit der Liebesradtour? Für Groß und Klein gibt es dort sehr viel zu entdecken! Viel Spaß beim Genießen und Bummeln in Verden und viel Spaß beim lesen des Schwachhauser Nr. 79!

Liebe Leserinnen, lieber Leser,

allerorts in Bremen haben die Kulturstätten wieder geöffnet und der Hunger nach Schönem kann gestillt werden, lange genug mussten wir darauf warten. Auch finden draußen zahlreiche Konzerte und Thea- teraufführungen statt, eine Auswahl haben wir für Sie zusammengestellt, wobei wir uns auch von der „Nase“ (Smell it!) haben führen lassen.

Der mehrfach ausgezeichnete Fotograf Peter Bialobrzeski entführt uns mit seinen Fotografien in die weite Welt, macht damit neugierig auf mehr und stillt nicht zuletzt unsere Sehnsucht nach fernen Ländern.

Außerdem haben wir für Sie Verden an der Aller besucht, ein schönes Städtchen, das es sich zu besuchen lohnt, sei es mit der Bahn oder dem Auto, aber auch unbedingt einmal mit dem Rad. Wie wäre es mit der Liebesradtour? Für Groß und Klein gibt es dort sehr viel zu entdecken! Viel Spaß beim Genießen und Bummeln in Verden und viel Spaß beim lesen des Schwachhauser Nr. 79!

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Im Strom<br />

der Zeit<br />

FEINGESPONNENES<br />

von Anja E. Brinckmann<br />

Im Garten unserer Nachbarn thront ein alles überragender,<br />

gigantischer Tulpenbaum. In unseren Breitengraden<br />

ist er eher unbekannt, weil in Nordamerika heimisch,<br />

doch wer ihn einmal gesehen hat, wird diesen, mit seinen<br />

zartgelb und orangefarbenen Tulpenkelchen beeindruckend<br />

schönen Baum nicht wieder vergessen. Sage und<br />

schreibe 700 Jahre alt kann er im Glücksfall werden und<br />

Höhen von bis zu 60 Metern erreichen, trotzdem soll er<br />

in seinem Wuchsverhalten tolerant gegenüber anderen<br />

Bäumen sein. Kein Wunder wird er bei solch vornehmer<br />

Erscheinung und mit solch kultivierter Lebensart als der<br />

Aristokrat unter den Laubbäumen bezeichnet.<br />

Aber das allerspannendste an dem Tulpenbaum in Nachbarns<br />

Garten: Als ich nach einem festlichen Sonntag auf<br />

der Bank unter seinen mächtigen Ästen saß, hörte ich wie<br />

er knackste und knisterte, flüsterte und wisperte. Es war<br />

als hätte sich ein warmer Sommerregen in seinen Blättern<br />

verirrt oder der Wind mit ihnen gespielt. Aber es regnete<br />

nicht und es war absolut windstill. Mensch und Natur<br />

hatten ein letztes Mal nach dem leuchtenden Halbmond<br />

geblinzelt und sich dann friedlich zur Ruhe begeben. Nur<br />

ich war noch hellwach in dieser magischen Juninacht und<br />

neben mir ganz offenbar der Tulpenbaum. In seinem Flüstern<br />

und Wispern vernahm ich bei genauerem Hinhören<br />

plötzlich Wörter, die ich verstand, und sogar ganze Sätze<br />

und entdeckte, der Tulpenbaum befand sich tatsächlich<br />

mitten in der Erzählung einer Geschichte. Als sie zu Ende<br />

war, verstummte er einen Augenblick und der Garten versank<br />

in tiefes Schweigen. Dann begann der prächtige Baum<br />

mit einer neuen Geschichte und danach mit noch einer.<br />

Der Tulpenbaum erzählt sie jedem, der innehält und<br />

lauscht, ohne Punkt und Komma, ohne Raum und Zeit,<br />

mit leiser Stimme murmelt er unermüdlich und tut dies<br />

wohl bis in alle Ewigkeit.<br />

Tulpenbaum, Foto: Ferdinand Brinckmann<br />

Und irgendwann wird er vom frostigsten April seit 80<br />

Jahren flüstern, dem kältesten Mai seit 30 mit dem meisten<br />

Regen seit 55 Jahren. Er wird von Menschen erzählen,<br />

die sich, eingeschlossen in ihren Häusern, mitten in einer<br />

Pandemie nach Sonne und Wärme sehnten und davon<br />

träumten, endlich wieder frei zu sein. Im Juni dann brach<br />

die Sonne schließlich hervor und tröstete und stärkte ihre<br />

schwer gebeutelten Gemüter.<br />

Dem Tulpenbaum wird der Moment des Glücks in den<br />

Sinn kommen, als Familie und Freunde in dem märchenhaften<br />

Garten zu seinen Füßen zusammenkamen, um an<br />

einem festlichen Sonntag die Konfirmation des Jungen zu<br />

feiern, der dort zu dieser Zeit wohnte. Alles blühte und<br />

grünte und in den Zweigen seiner Kollegen, die schon<br />

junge Äpfel trugen, hingen Lampions wie riesenhafte<br />

Schmetterlingkokons. Zarte Blumen in durchsichtigen Vasen<br />

schmückten eine erlesen gedeckte Tafel, ausgelassene<br />

Menschen wandelten umher in sonnengelben, rosenroten,<br />

kornblumenblauen, in bunt geblümten und gemusterten<br />

Kleidern, ihre Gesichter leuchteten, maskenbefreit im goldenen<br />

Schein der Sommersonne. Die Luft war erfüllt von<br />

ihrem befreiten Lachen, das alle Angst der letzten Monate<br />

vertrieb, von hoffnungsvoll erregten Stimmen, klingenden<br />

Gläsern und den vielen Toasts auf das Glück des Jungen,<br />

aber auch das Glück des Wiedersehens, auf das Glück der<br />

Freundschaft und das wiedergewonnene Leben.<br />

Der Tulpenbaum beobachtete all das Geschehen und hörte<br />

aufmerksam zu, um eines fernen Tages, wenn die Pandemie<br />

längst der Vergangenheit angehören werden wird, davon<br />

zu erzählen noch bis ins kleinste blumige Detail. Und<br />

im unendlichen Strom der Zeit wird es der zutiefst ersehnte<br />

Moment gewesen sein, von dem an der Mensch wieder<br />

geselliger Mensch sein durfte, weil sich alles zum Guten<br />

wendete. Der wunderbar aristokratische Tulpenbaum<br />

schließlich kennt jede seiner Geschichten ganz genau.<br />

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