Haupt- und Landgestüt Marbach Zucht Die neuen Ägypter sind da! Seit 2019 wird gerätselt, wann denn nun die <strong>Pferde</strong> aus Ägypten im Haupt- und Landgestüt Marbach eintreffen werden. Nun war es so weit: Am 19. April kamen die neun <strong>Pferde</strong> aus dem Gestüt Paraskevas Arabians in Marbach an, Mitte Mai wurden sie bei einem Pressetermin der Öffentlichkeit vorgestellt. Wann sie aber von den Besuchern in den Ställen und Weiden bewundert werden können, hängt nicht zuletzt von der Corona-Lage ab. 6 © ARABISCHE PFERDE - <strong>IN</strong> <strong>THE</strong> <strong>FOCUS</strong> 2/<strong>2021</strong>
Die Kooperation zwischen Philippe Paraskevas aus Ägypten und dem Haupt- und Landgestüt Marbach hatte sich über mehrere Jahre angebahnt. Seit Paraskevas auf einer Deutschlandtour, auf der er sein Buch „Die Ägyptische Alternative“ vorstellte, auch in Marbach vorbeischaute, ist er ein großer Fan dieser Einrichtung, die sich auch dem Erhalt des Erbes von König Wilhelm I. verschrieben hat. Genau diese Tatsache, dass hier Stuten- und Hengstlinien seit über 200 Jahre erhalten werden, hat ihn überzeugt, dass Marbach der richtige Platz auch für seine <strong>Pferde</strong> sei. Im Februar 2019 flog dann Landoberstallmeisterin Astrid von Velsen-Zerweck zusammen mit dem (damaligen) Interims-Zuchtleiter des VZAP, Burchard Schröder nach Ägypten. Neben einem Besuch im Staatsgestüt El Zahraa stand auch ein Besuch bei Philippe Paraskevas auf dem Plan, wo man eine erste grobe Auswahl treffen konnte. Astrid von Velsen hat auch den einen oder anderen Hengst in der Wüste geritten und war von deren Ausdauer und Reiteignung sehr angetan. Peter Hauk, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg und Landoberstallmeisterin Astrid von Velsen-Zerweck begrüßten die neuen <strong>Pferde</strong> aus Ägypten und stellten sie der Öffentlichkeit vor. alle Fotos: G. Waiditschka Zucht Auf Besichtigungstour in Ägypten Nun wurden die Pläne konkreter. Anläßlich der Hengstparade im September 2019 verkündete der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, dass er zusammen mit der Landoberstallmeisterin im November nach Ägypten reisen werde, um sich nach geeigneten Araberhengsten umzuschauen. Im November 2019, zur internationalen Araberschau im Staatsgestüt El Zahraa, reiste dann tatsächlich eine Delegation aus dem Schwabenland nach Ägypten. Hauptanlaß aber war natürlich ein (weiterer) Besuch bei Paraskevas Arabians, um die <strong>Pferde</strong> konkret auszuwählen. Es sollte nun Corona-bedingt weitere eineinhalb Jahre dauern, bis die <strong>Pferde</strong> tatsächlich ihre Reise antreten konnten – aber seit dem 19. April sind sie im Gestüt angekommen. Zumindest „physisch“, denn für die überwiegend jungen <strong>Pferde</strong>, die bislang nur Sand und Wüste kannten, ist die Ankunft in Deutschland ein Kulturschock, und die neue Heimat auf der Schwäbischen Alb bietet eine unglaubliche Fülle von neuen Eindrücken! „Sie müssen erst noch lernen, dass man Gras direkt vom Boden fressen kann und dass man auch darauf laufen kann, nicht nur auf Sand. Selbst Asphalt kennen sie nicht, sie laufen wie auf Eiern, denn in ihrem Heimatgestüt ist alles Sand“, erklärt die Landoberstallmeisterin. Minister Hauk erläuterte ganz plastisch: „Wenn man das Tor des Gestüts öffnet, fängt dort direkt die Wüste an! Diese <strong>Pferde</strong> kennen nur Sand.“ „Wir wollen den <strong>Pferde</strong>n jetzt erst noch eine Weile Zeit zum Eingewöhnen geben. Sie mußten vor ihrem Abflug drei Monate in Quarantäne verbringen, in einer Militärkaserne, mitten in Kairo. Dort hatten sie kaum die Möglichkeit, sich zu bewegen. Daher müssen wir ihre Kondition erst wieder langsam aufbauen“, erklärt Astrid von Velsen, und erläutert weiter: „Außerdem stehen sie auch hier sicherheitshalber noch in Quarantäne, weshalb sie dem Publikum noch nicht zugänglich sind“. Insgesamt hat Philippe Paraskevas dem Gestüt neun <strong>Pferde</strong> – fünf Hengste und vier Stuten – übergeben, „zu einem symbolischen Preis“, wie Minister Hauk es ausdrückte. Philippe Paraskevas verbindet mit diesem Vermächtnis die Hoffnung, dass seine züchterische Arbeit der letzten 30 Jahre hier fortgeführt wird, denn leider haben seine Kinder kein großes Interesse an der <strong>Pferde</strong>zucht – es ist dies hier wie dort ein Problem der Privatzüchter. Deshalb sind Staatsgestüte als Garant für Kontinuität so wichtig. Philippe Paraskevas schreibt in seiner Grußbotschaft, da er selbst Corona-bedingt nicht nach Deutschland kommen konnte: „Der ägyptische <strong>Vol</strong>lblutaraber ist ein anerkanntes Kulturerbe Ägyptens und unser Vermächtnis aus der arabischen Wüste. Die E.A.O., unser Staatsgestüt, ist der Ursprung der Rasse und reinster Quell arabischen Blutes weltweit. Außerhalb Ägyptens, im Herzen Europas, ist das Haupt- und Landgestüt Marbach der älteste und beste Zufluchtsort des Wüstenarabers. Aufgrund seiner reichen Historie, seiner Mission und Zuchtphilosophie gebührt Marbach höchste Anerkennung. Es ist mir eine Ehre, diese neun <strong>Pferde</strong> aus der Paraskevas-Zucht an das Haupt- und Landgestüt Marbach zu übergeben, in Einklang mit meinem Ziel, die mir anvertrauten Blutlinien langfristig zu bewahren.“ Nasheed Al Amal Hoor (Hafez Al Ahd Hoor / Aneedah) *2010 gehört der Hengstlinie des Jamil El Kebir an, wie seinerzeit der Marbacher Hauptbeschäler Gharib. - Nasheed Al Amal Hoor belongs to the sire line of Jamil El Kebir, just like Marbachs's chief sire Gharib in the 1970ies. 2/<strong>2021</strong> - www.in-the-focus.com 7 Übrigens steht das Land Baden-Württemberg nach wie vor hinter dem Ende 2019 verkündeten Maßnahmenpaket für Marbach über 40 Millionen Euro, mit dem die Instandsetzung und Sanierung der Gebäude, viele davon denkmalgeschützt, ermöglicht werden soll. Damit können auch diverse Umbauten und Neubauten realisiert werden, um die <strong>Pferde</strong>haltung auf den neuesten Stand zu bringen. Diese Vorhaben werden sich vielleicht aufgrund der pandemie-bedingt angespannten Haushaltslage zeitlich in die Länge ziehen, aber „wir stehen voll dahinter, schließlich geht es hier um Tierschutz und Tierwohl“, so der Minister. Und um auch die letzten Unklarheiten zu beseitigen – nein, die 40 Millionen haben rein gar nichts mit den neuen <strong>Pferde</strong>n aus Ägyptern zu tun! Die „neuen Ägypter“ Und wer sind nun die „neuen Ägypter“, und was macht sie so besonders? Der Star der Gruppe ist der 11-jährige Nasheed Al Amal Hoor (Hafez Al Ahd Hoor / Aneedah) *2010. Der Schimmelhengst gehört väterlicherseits der Hengstlinie Jamil El Kebir über Anter an. Auch der Rapphengst Gharib, der 1970 durch die Initiative des damaligen Landoberstallmeisters Dr. Wenzler nach Marbach kam, gehörte dieser – heute selten gewordenen Linie – an. Nasheed ist ein Enkel von Ghallab El Ateyah, dem wichtigsten Beschäler bei Paraskevas Arabians – auf diesem Hengst ist seine Zucht aufgebaut. Nasheeds Mutter Aneeda stammt von Rashdan, einem Hengst aus El Zahraa. Mütterlicherseits geht Nasheed auf die Saklawi-Gidran-Stute Roga El Beida zurück, über die legendäre Moniet El Nefous. Nasheed ist ein würdiger Hauptbeschäler, der auch bereits fünf Fohlen im Gestüt Paraskevas vorweisen kann. Er ist trocken in der Erscheinung, mit