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Mitten in Bonn - 60plus - sicher mobil

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Fotos: Max Malsch<br />

Auf dieser Seite stellen wir<br />

<strong>Bonn</strong>er Senioren vor, die aus<br />

ihrem Leben viel zu erzählen<br />

haben. Wie Francoise Decker,<br />

die mal e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational<br />

gefeierte Sänger<strong>in</strong> war.<br />

Von Ebba Hagenberg-Miliu<br />

Die Kessenicher kennen die 90-jährige<br />

Francoise Decker: als gern gesehenen<br />

Gast im „L<strong>in</strong>denhof“, den ihre<br />

Tochter Didi Kern mit Ehemann Mike<br />

betreibt. Als Kulturbegeisterte, die noch<br />

immer <strong>in</strong> die Oper eilt. Bis vor e<strong>in</strong>iger<br />

Zeit packte Decker auch noch <strong>in</strong> der<br />

Begleitung Kranker mit an. Kaum E<strong>in</strong>er<br />

weiß aber, dass die Nachbar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>st<br />

umjubelter Revuestar der Pariser „Folies<br />

Bergères“ war. Dass sie den Männern<br />

den Kopf so verdrehte, dass sie<br />

sie im Triumphzug mit Kutsche durch<br />

das nächtliche London chauffierten. „Es<br />

war e<strong>in</strong>e herrliche Zeit“, sagt die alte<br />

Dame, die sich noch genauso elegant<br />

die Haare zurückstreicht wie auf den<br />

Plakaten der Nachkriegsjahre. Da wird<br />

die 1921 geborene Holländer<strong>in</strong> unter<br />

ihrem Künstlernamen Francoise Floré<br />

als Star der berühmten Pariser Revue<br />

angekündigt.<br />

EiNSt UND JEtZt<br />

E<strong>in</strong>st Star der „Folies Bergère“<br />

„Ich hatte dem Produzenten vorgesungen“,<br />

er<strong>in</strong>nert sich Decker. Dann<br />

sollte sie noch den Rock e<strong>in</strong> bisschen<br />

über das Knie hochziehen. Und dann<br />

sagte der Produzent: „Miss Floré, Sie<br />

können bei uns anfangen.“ Ne<strong>in</strong>, nicht<br />

als Nackttänzer<strong>in</strong>, macht die fröhliche<br />

Dame sofort klar. Ihre Devise sei „Never<br />

ever“, also „niemals“, gewesen. Sie war<br />

als Chansonsänger<strong>in</strong> gefragt, als blonde<br />

Schönheit, die elegant mit mächtigem<br />

Kr<strong>in</strong>ol<strong>in</strong>enkleid und riesiger Feder auf<br />

dem Kopf die Revuetreppe h<strong>in</strong>unterschritt:<br />

zweie<strong>in</strong>halb Jahre ohne Unterbrechung<br />

„twice a night“, also zweimal<br />

pro Abend, <strong>in</strong> pausenlos wechselnden<br />

Kostümen. „Pigalle“, trällert sie jetzt<br />

noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en ihrer Hits. Die 90<br />

Jahre sieht man der Diva weiß Gott<br />

nicht an. „Ich habe halt e<strong>in</strong>e glückliche<br />

Natur.“ Sie sei mit jeder Situation zurecht<br />

gekommen. „Auch jetzt damit,<br />

dass ich fast bl<strong>in</strong>d b<strong>in</strong>, aber sonst so<br />

gesund wie e<strong>in</strong> Fisch im Wasser.“<br />

Und dann holt die alte Dame Fotos<br />

und Zeitungsartikel von ihrer Karriere<br />

hervor. Da ist sie als Hauptdarsteller<strong>in</strong><br />

im holländischen Film zu sehen, als<br />

Chansonette <strong>in</strong> den Cas<strong>in</strong>os Europas.<br />

In Radio- und Fernsehstudios und bei<br />

Plattenfirmen war sie ständiger Gast.<br />

1952 waren dann jedoch die Stimmbänder<br />

kaputt. Und wieder hatte sie Glück,<br />

wie sie sagt: Sie gründete e<strong>in</strong>e Familie,<br />

zog zwei Töchter auf, von der e<strong>in</strong>e, die<br />

<strong>in</strong> den Niederlanden bekannte Chansonsänger<strong>in</strong><br />

Marjol Floré, <strong>in</strong> ihre Fußstapfen<br />

treten sollte. Ach ja, <strong>in</strong> den Sechzigern<br />

habe sie nochmal Engagements angenommen:<br />

<strong>in</strong> Stuttgart und Amsterdam.<br />

„Aber me<strong>in</strong>e Zeit war vorbei. Das muss<br />

man e<strong>in</strong>sehen, wenn das Publikum ke<strong>in</strong>e<br />

Sänger<strong>in</strong> mit Boa mehr sehen will.“<br />

Und dann erzählt sie doch noch e<strong>in</strong>mal<br />

von der gefährlichen, tiefen Treppe<br />

bei den „Folies Bergères“. „Nicht runterschauen,<br />

aber auf 13-Zentimeter-Absätzen<br />

mit schwerem Kopfschmuck an<br />

den nackten Mädchen vorbei 18 Stufen<br />

abwärts schreiten und dabei auch noch<br />

s<strong>in</strong>gen, mon Dieu“, stöhnt Miss Floré<br />

noch heute. Wie gut, dass ihr der Solo-<br />

Nackttänzer damals aus der Patsche<br />

half. „Der trat selbst nur mit e<strong>in</strong>em<br />

kle<strong>in</strong>en Stern vor dem Körper auf, war<br />

aber entzückend hilfsbereit“, lächelt<br />

Decker. Stundenlang übte sie also mit<br />

dem braungebrannten Adonis im Hotel<br />

Treppenschreiten. Davon profitiere sie<br />

letztlich noch heute. „Der Trick ist, den<br />

Fuß auf der Stufe immer e<strong>in</strong> wenig quer<br />

zu stellen. Dann fallen Sie nie.“<br />

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