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CHARLY
Ein halbes Jahr später zogen wir um. Wir wohnten
nun in der Oppelner Straße, zwischen Schlesischem
Tor und Görlitzer Bahnhof in Berlin SO 36. Mein
Vater hatte dort eine Freibank eröffnet. Dort wurde
abgepacktes Fleisch in Konservendosen aus der
Senatsreserve verkauft. Auch Aufschnitt und heiße
Würstchen konnte man bei uns haben. Krakauer,
Breslauer, Wiener oder Knacker standen zur Auswahl.
Die Temperatur ließ sich bei unserem Wurstkessel
nur unzuverlässig einstellen, was zur Folge
hatte, dass immer wieder welche platzten. Ich bin mir
nicht ganz sicher, aber es kann gut sein, dass wir uns
in dieser Zeit zu einem großen Teil von geplatzten
Würsten ernährt haben. Doch schon bald sollten wir
dabei Unterstützung bekommen - Charly kam zu uns!
Eines Tages brachte ihn mein Vater mit. Charly war
ein schwarzweißer Spitz-Mischling mit kurzem,
struppigem Fell. Er hatte einen lustigen Gesichtsausdruck
und wache Augen. Ich mochte ihn sofort.
Es waren gerade große Ferien, die erneute Einschulung
hatte ich verpasst, weil wir uns noch vor Kurzem
als DDR-Flüchtlinge im Flüchtlingsheim Marienfelde
befanden. Auf diese scheinbar geniale Idee kam mein
Vater eines Tages. Wir räumten unsere schöne Wohnung
am Kreuzberg und zogen nur mit Koffern ins
Flüchtlingsheim. Ich habe nie erfahren, wie genau er
das gedreht hat und wie er damit durchgekommen
ist. Als anerkannter Flüchtling konnte er einen zins-
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