19.07.2021 Aufrufe

FOCUSMONEY_2021-30_Vorschau

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FocusMoney Cover


Alle FOCUS-Titel. Digital. Jederzeit.<br />

Einfach und schnell. Im FOCUS E-Paper Shop.<br />

Jetzt<br />

E-Paper<br />

lesen!<br />

focus-shop.de


moneyeditorial<br />

EDITORIAL<br />

Corona, Sokrates<br />

und die Börse<br />

In der Schule hatte ich Altgriechisch und ich war eine ziemliche<br />

Niete darin. Mehr schlecht als recht übersetzte ich Platons „Verteidigungsrede<br />

des Sokrates“, doch eines hat sich mir bis heute<br />

eingeprägt: die Suche nach der Wahrheit. Für Sokrates war eine<br />

Aussage erst dann richtig, wenn ihr vernünftigerweise nicht widersprochen<br />

werden konnte. Bis dahin galt seine Erkenntnis: „Oîda<br />

ouk eidōs“, „Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß.“<br />

„Ich ging zu einem von den für weise Gehaltenen“, verteidigt sich<br />

Sokrates bei seiner Gerichtsverhandlung in Athen. „Er schien mir<br />

aber am meisten sich selbst weise vorzukommen. Daraufhin überführte<br />

ich ihn seines Nichtwissens, wodurch ich ihm selbst verhasst<br />

wurde und vielen Anwesenden auch. Ich dachte: Weiser als<br />

dieser Mann bin sogar ich. Denn es mag wohl eben keiner von uns<br />

beiden etwas Sonderliches wissen; allein er meint zu wissen, ich<br />

aber nicht. Ich scheine also um dieses wenige weiser zu sein, dass<br />

ich das, was ich nicht weiß, auch nicht glaube zu wissen.“ Weisheit<br />

beginnt für Sokrates also mit der Entlarvung des Scheinwissens.<br />

Warum ich Ihnen das alles erzähle? Weil es etwas mit der Börse<br />

zu tun hat, mit Corona und den Medien.<br />

Im Mai vergangenen Jahres stellte Ex-Präsident Donald Trump<br />

die These auf, das Coronavirus sei bei einem Laborunfall in Wuhan<br />

entstanden. „China soll die Warnung vor Covid-19 um sechs Tage<br />

verzögert haben“, berichtet auch der Nachrichtensender CNN.<br />

Groß war die Riege der Kritiker. „Darauf weisen die Studien, die<br />

sich damit beschäftigt haben, nicht hin“, konterte etwa SPD-Gesundheitsexperte<br />

Karl Lauterbach. Er suche nur „Sündenböcke<br />

und dazu zählen auch die Labore in China“.<br />

Ein gutes halbes Jahr später dann eine Analyse eines Nanowissenschaftlers<br />

der Universität Hamburg. Demnach würden „sowohl<br />

die Zahl als auch die Qualität der Indizien für einen Laborunfall<br />

am virologischen Institut Wuhan als Ursache der Pandemie sprechen“.<br />

Zeit, die eigene Meinung zu hinterfragen? Niemals! Von einer<br />

„kruden Studie“ spricht der „Spiegel“, von einer „Verschwörungstheorie<br />

aus der Uni“ die taz.<br />

Am 26. Mai dieses Jahres dann die Wende: die Presseerklärung<br />

von US-Präsident Joe Biden. Der US-Präsident stellte darin offen<br />

fest, dass die Geheimdienste seines Landes keine verlässlichen Erkenntnisse<br />

dazu haben, wie das Virus in die Welt gekommen ist. Es<br />

gebe dazu unterschiedliche Szenarien. Er habe die Geheimdienste<br />

angewiesen, nachzuforschen und ihm in 90 Tagen Bericht zu erstatten.<br />

Biden erwähnte ausdrücklich das Szenario, das politisch<br />

extrem heikel ist: die Theorie, dass das Virus nicht auf natürlichem<br />

Wege von einem Tier auf den Menschen übergesprungen ist, sondern<br />

bei einem Unfall in einem chinesischen Labor entstanden ist.<br />

18 internationale Biologinnen, Immunologen und andere Fachwissenschaftler<br />

untermauern im Fachmagazin „Science“ dieses<br />

Vorgehen. Die „Weisen“ in den deutschen Leitmedien, allen voran<br />

Lauterbach, „Spiegel“ und taz, hatten offenbar „Scheinwissen“ verbreitet:<br />

Ach, würde Sokrates doch noch leben.<br />

Und nun zur Börse. Was wird wohl passieren, wenn der US-Geheimdienst<br />

im August seinen Wuhan-Bericht veröffentlicht? Die<br />

chinesischen Behörden mauern in Sachen Informationspolitik,<br />

aber einen Freispruch mangels Beweisen wird es wohl kaum geben.<br />

59 Prozent der republikanischen Anhänger und 52 Prozent<br />

der demokratischen Wähler in den USA sind inzwischen von der<br />

Labor-These überzeugt. Präsident Biden steht unter Druck. China<br />

hat 2005 gegenüber der Weltgesundheitsorganisation WHO eine<br />

Verpflichtung unterzeichnet, dass es jede neue Krankheit, jedes<br />

neue Virus sofort meldet. Das „Ärzteblatt“ berichtet hingegen, dass<br />

sich „möglicherweise bereits im November, wenn nicht schon früher,<br />

die ersten Menschen infiziert haben“, und beruft sich dabei auf<br />

eine im Fachmagazin „Science“ veröffentlichte Studie der Universität<br />

von Kalifornien.<br />

Ex-Präsident Trump hat im Juni, bei einem seiner ersten größeren<br />

Auftritte seit seiner Amtszeit, China aufgefordert, zehn Billionen US-<br />

Dollar an Reparationen für den Umgang mit dem Coronavirus zu leisten.<br />

Auch sollten die Länder der Welt ihre Schulden an China nicht<br />

zurückzahlen. Biden könnte aufgrund der mehrheitlichen Skepsis<br />

in der Bevölkerung ebenfalls politisch genötigt sein, China zu verklagen.<br />

Es droht ein Wiederaufflackern des Handelskriegs.<br />

„Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß“, so viel Demut hat mich die Börse<br />

gelehrt. Aber im August könnte es an den Märkten heiß werden.<br />

Wer „Scheinwissen“ hinterfragt und stattdessen ein wenig in<br />

Deckung geht, macht sicher keinen Fehler.<br />

Ihr<br />

FRANK PÖPSEL<br />

CHEFREDAKTEUR<br />

FOCUS-MONEY<br />

Aus aktuellem Anlass!<br />

Lesen Sie FOCUS-MONEY bequem zu Hause<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

Die Bundestagswahl steht vor der Tür und nach 16 Jahren<br />

wird Angela Merkel die Kommandobrücke verlassen.<br />

Bekommen wir einen neuen Bundeskanzler oder doch wieder<br />

eine neue Kanzlerin? Und vor allem: Wie reagieren die Börsen<br />

darauf? Mein Tipp: Sie erfahren alles Wichtige in FOCUS-MONEY.<br />

Den portofreien Kombi-Bezug (Print und Digital) für 1 Jahr erhalten<br />

Sie zum Vorzugspreis von nur 185,25 €* (statt 242,25 € – Sie sparen<br />

24 %) und sichern sich einmalig eine 120-€-Prämie als Dankeschön. Wie<br />

das geht? Bestellen Sie einfach auf<br />

www.focus-abo.de/money-editorial<br />

das exklusive Angebot für FOCUS-MONEY-Leser und erhalten Sie<br />

FOCUS-MONEY innerhalb von zwei Wochen portofrei nach Hause geliefert.<br />

Die Digital ausgabe lesen Sie als einer der Ersten einen Tag früher – dienstags<br />

ab 8.00 Uhr. Wenn Sie FOCUS-MONEY nach Bezug wieder im Handel kaufen<br />

möchten: Ein Anruf genügt, und das Abo ist beendet.<br />

*inkl. MwSt. und Versand. Sie haben ein gesetzliches Widerrufsrecht<br />

FOCUS-MONEY <strong>30</strong>/<strong>2021</strong> Foto: D. Gust/FOCUS-MONEY<br />

3


moneyinhalt<br />

21. JULI <strong>2021</strong> www.money.de<br />

8<br />

Sicher im Alter<br />

Rente mit 67? Nein, danke! Wer nicht<br />

bis ins hohe Alter arbeiten, sondern<br />

früh den Ruhestand genießen<br />

möchte, kann die Strategien von<br />

FOCUS-MONEY nutzen<br />

moneykompakt<br />

6 Rohstoff-Superzyklus: Von<br />

steigenden Preisen profitieren<br />

98 Andis Börsenbarometer: Warum<br />

Strafzinsen Sparern sogar helfen<br />

könnten<br />

moneytitel<br />

8 Früher in Rente: Und das<br />

ohne finanzielle Einbußen.<br />

Die Tipps<br />

10 Renten-Berechnung: Alles,<br />

was Sie zum Planen Ihrer<br />

Altersvor sorge wissen müssen<br />

14 Renten-Strategien: Mit Kryptos,<br />

Dividenden und klugen Ansätzen<br />

fürs Alter vorsorgen<br />

moneymarkets<br />

20 Interview: Ingo Mainert über<br />

Marktentwicklung, Blasengefahr,<br />

Optimismus und Inflation<br />

24 Hermle: Ein stabiler schwäbischer<br />

Renditebringer<br />

26 MDax: Deutsche Perlen mit<br />

hohem Kurspotenzial<br />

<strong>30</strong> Fortec: Unterbewertet und mit<br />

guter Dividendenpolitik<br />

31 MS Industrie: Turnaround-Kandidat<br />

mit stillen Reserven<br />

32 Aixtron: Hochtechnologie-Kursrakete<br />

aus dem MDax<br />

34 CO 2 -Reduktion: Welche Firmen<br />

viel grüne Rendite bringen<br />

38 Deutsche Spacs: Wundertüten für<br />

Aktionäre<br />

40 Raumfahrt: Zukunftsträchtige<br />

Aktien von Weltalltourismus bis<br />

Satellitentechnik<br />

48 Gold: Alles über saisonale<br />

Schwankungen beim Edelmetall<br />

51 TomTom: Navi-Hersteller profitiert<br />

von mehr Autoverkäufen<br />

52 Edtech: Die Zukunft der Bildung<br />

ist Technologie. Welche Firmen<br />

damit Gewinne machen<br />

55 Berentzen: Turnaround beim<br />

Spirituosenhersteller<br />

56 Manz: Mit Elektromobilität in<br />

die Gewinnzone<br />

57 Piscines Desjoyaux: Pools<br />

machen Kunden glücklich<br />

58 Smart City: Die Digitalisierung<br />

der Stadt – ein neuer Mega -<br />

trend<br />

61 Musterdepots: Gewinne mitnehmen,<br />

Liquidität sichern<br />

62 Trustpilot: Vertrauenswürdige<br />

Internet-Bewertungen gibt’s hier<br />

64 Indien: Dieses Land wird die<br />

Weltwirtschaft bestimmen<br />

moneyyou<br />

44 Analyse: Zalando steht kurz vor<br />

dem Sprung in den Dax<br />

47 Chartsignal: Covestro überzeugt<br />

die Charttechniker<br />

47 Börsenwissen: Wissen, wie die<br />

Profis investieren<br />

4 Titelfoto: 123RF Inhalt: Fotos: Adobe Stock, 123RF, Depositphotos (2), M. Leissl Illustration: VectorStock Composing: FOCUS-MONEY FOCUS-MONEY <strong>30</strong>/<strong>2021</strong>


moneyanlegerschutz<br />

67 Vorstandsgehälter: Auch<br />

Manager mussten wegen Corona<br />

zurückstecken<br />

moneyservice<br />

68 Zins-Serie: Dividenden und<br />

Zinsen im Vergleich<br />

70 Gesetzliche Krankenkassen im<br />

Test: Welche Kassen die beste<br />

Finanzkraft besitzen<br />

74 Massivhaus: Die fairsten Anbieter<br />

von Massivhäusern im Test<br />

moneyanalyse<br />

81 Fonds<br />

82 Deutsche Aktien<br />

90 Internationale Aktien<br />

96 ETFs<br />

97 Zertifikate<br />

moneyrubriken<br />

3 Editorial<br />

80 Leserbriefe – Impressum<br />

98 Termine<br />

40<br />

Ab ins All<br />

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Und unendliche Möglichkeiten<br />

für Anleger: Weltalltourismus, Lasertechnik für Satelliten etc. pp.<br />

34<br />

Grün gewinnt<br />

Wer kann sich Verzicht<br />

auf Klimaschutz leisten?<br />

Wer zu lange wartet,<br />

hinkt hinterher. Mit<br />

welchen Aktien Anleger<br />

auf die grüne Rendite<br />

und den Megatrend<br />

Nachhaltigkeit setzen<br />

können<br />

58<br />

Intelligente Städte<br />

Stadtplaner entwerfen immer stärker<br />

digitalisierte Städte. Sammelinvestments<br />

und Einzelwerte, um am Trend teilzuhaben<br />

20<br />

„Die Gewinnentwicklung ist das Rückgrat für<br />

unsere noch positive Markterwartung“<br />

INGO MAINERT, VORSTANDSMITGLIED ALLIANZ GLOBAL INVESTORS<br />

FOCUS-MONEY <strong>30</strong>/<strong>2021</strong> 5


moneytitel<br />

FRÜHER IN RENTE<br />

DIE<br />

TRÄUME VERWIR<br />

Seite<br />

Inhalt<br />

10 Früher-in-Rente-Formel mit Beispielen<br />

Mit welcher Formel Sie Ihren individuellen<br />

Kapitalbedarf für den vorzeitigen Rentenbeginn<br />

berechnen samt zwei konkreten Beispielfällen<br />

13 Möglichkeiten der gesetzlichen Rente<br />

Wie sich die gesetzliche Rente zusammensetzt<br />

und ob sich Nachzahlungen an den Staat lohnen<br />

<br />

Welche Strategien Sie mit Ihrem persönlichen<br />

Chance-Risiko-Profil zum Ansparen des Kapitals<br />

für Ihren früheren Rentenbeginn nutzen können<br />

8 FOCUS-MONEY <strong>30</strong>/<strong>2021</strong>


Endlich raus aus dem Hamsterrad der täglichen Arbeit,<br />

um sich lang gehegte Wünsche zu erfüllen – wer<br />

träumt nicht schon mal davon? Ob ein längerer Urlaub<br />

auf der karibischen Lieblingsinsel, die gemeinsame Bikertour<br />

durch ganz Europa, mit dem eigenen Segelboot<br />

die Weltmeere erkunden oder Reisen zu den Städten<br />

des internationalen Jetsets – jeder Mensch hat seine ganz<br />

eigene Vorstellung davon, was er erleben möchte, wenn er den Job<br />

an den Nagel hängt. Und das wollen die meisten Bundesbürger<br />

lieber früher als später. Rund 60 Prozent bevorzugen einen schnelleren<br />

Rentenbeginn als gesetzlich vorgesehen. Im Schnitt würden<br />

sie gern bereits mit 60,2 Jahren in den Ruhestand starten.<br />

Die gute Nachricht: Auch für alle, die nicht mit einem goldenen<br />

Löffel im Mund geboren wurden, ist dies durchaus möglich. Doch<br />

der vorzeitige Rentenbeginn sollte gut geplant sein, um später keine<br />

bösen finanziellen Überraschungen zu erleben. Denn wer früher<br />

als amtlich vorgesehen aus dem Arbeitsleben ausscheidet, muss<br />

teils happige Einbußen bei seiner gesetzlichen Altersrente hinnehmen.<br />

Fehlende Einzahlungen sowie deutliche Rentenabschläge (s.<br />

Tabelle) sind finanziell aufzufangen. Und wer gar vor dem Alter von<br />

63 seinen Job aufgeben möchte, muss zudem die Jahre ohne Arbeits-<br />

KLICHEN<br />

Bis 67 arbeiten? Für viele ist das keine schöne<br />

Vorstellung. Sie wollen lieber deutlich früher<br />

Was der schnellere Ausstieg kostet<br />

und wie die Finanzierung gelingt<br />

von MARIAN KOPOCZ, WERNER MÜLLER und<br />

SASCHA ROSE<br />

Früherer Ruhestand gewünscht<br />

Die Mehrheit der Bundesbürger möchte bereits vor<br />

dem gesetzlichen Rentenalter aufhören zu arbeiten.<br />

Meistens gern ab einem Alter so um die 60 Jahre.<br />

Wunschrentenalter der Deutschen<br />

Durchschnitt in Jahren<br />

14- bis 19-Jährige 60,3 Jahre<br />

20- bis 29-Jährige 57,8<br />

<strong>30</strong>- bis 39-Jährige 59,2<br />

40- bis 49-Jährige 60,3<br />

50- bis 59-Jährige 61,4<br />

Quelle: GfK<br />

Grundlagen des Rentenbeginns<br />

Seit 2012 erhöht sich das reguläre Rentenalter schrittweise<br />

von 65 auf 67 Jahre. Wer früher aufhören will,<br />

muss teils heftige Abschläge in Kauf nehmen.<br />

Geburtsjahrgang<br />

reguläres Renten-<br />

Rentenalter eintritt 1)<br />

(Jahre +<br />

Monate)<br />

Abschlag auf vorzeitige Rente ab 45<br />

monatl. Beitragsjahren ohne<br />

Rente bei Rente<br />

mit 63 2) (Jahre +<br />

Abschläge ab ...<br />

Monate)<br />

1955 65+9 2020/21 9,90 % 63+6<br />

1956 65+10 <strong>2021</strong>/22 10,20 % 63+8<br />

1957 65+11 2022/23 10,50 % 63+10<br />

1958 66 2024 10,80 % 64<br />

1959 66+2 2025/26 11,40 % 64+2<br />

1960 66+4 2026/27 12,00 % 64+4<br />

1961 66+6 2027/28 12,60 % 64+6<br />

1962 66+8 2028/29 13,20 % 64+8<br />

1963 66+10 2029/<strong>30</strong> 13,80 % 64+10<br />

ab 1964 67 ab 2031 14,40 % 65<br />

1)<br />

abhängig vom konkreten Geburtsdatum; 2) 63 ist das frühestmögliche Rentenalter bei mindestens 35 Versicherungsjahren<br />

Quellen: BMAS, eigene Berechnungen<br />

einkommen überbrücken. Dabei machen die gesetzlichen Rentenzahlungen<br />

auch schon beim regulären Beginn nur einen Teil des<br />

Alterseinkommens aus. Ohne ergänzende Zusatzgelder würden<br />

viele Ruheständler nicht über die Runden kommen. Um den gewünschten<br />

Lebensstandard im Alter zu halten, ist daher am besten<br />

schon frühzeitig ausreichend Kapital aufzubauen.<br />

Aktiensparen statt Sparbuch heißt dabei die Devise. Denn im<br />

aktuellen Zinsumfeld ist mit festverzinslichen Anlagen kein Blumentopf<br />

mehr zu gewinnen. Gut, dass es zahlreiche Aktienstrategien<br />

gibt, mit denen die nötigen Erträge zu erwirtschaften sind. Das<br />

muss gar nicht mal besonders spekulativ sein, auch für eher defensiv<br />

orientierte Anleger gibt es zuverlässige Musterdepots. FOCUS-<br />

MONEY zeigt daher auf den folgenden Seiten, wie die persönliche<br />

Rentenlücke berechnet wird, wie man sich den früheren Ruhestand<br />

leisten kann und welche Strategien dem Kapitalaufbau dienen.<br />

So können individuelle Träume durchaus wahr werden.<br />

Quelle: BMAS, DRV<br />

Standard ist nicht Durchschnitt<br />

Die Standardrente bemisst sich am Durchschnittsverdienst<br />

und 45 Jahren Einzahlungen. Die tatsächlichen<br />

Durchschnittsrenten liegen aber weit darunter.<br />

Monatliche Standardrente der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung in Deutschland<br />

in Euro<br />

Alte Bundesländer<br />

Neue Bundesländer<br />

1500<br />

1400<br />

1<strong>30</strong>0<br />

1200<br />

1100<br />

1000<br />

900<br />

2000 05 10 15 2020<br />

FOCUS-MONEY <strong>30</strong>/<strong>2021</strong><br />

Fotos: Adobe Stock, 123RF (2), Colourbox 9


moneymarkets<br />

Konsum, Konjunktur und Kurse an den<br />

Aktienmärkten schäumen über. Ingo<br />

Mainert von Allianz Global Investors über<br />

seine Prognosen, seine Strategie und<br />

ein mulmiges Gefühl<br />

von MIKA HOFFMANN<br />

INTERVIEW<br />

DER COLA-<br />

Vita<br />

Ingo Mainert<br />

Geboren 1963<br />

Abschluss als Diplom-Kaufmann an der<br />

Universität Frankfurt<br />

1988 Berufseinstieg bei der Commerzbank<br />

als Wertpapier-Trainee<br />

2004 bis 2008 Leiter der Vermögensverwaltung,<br />

seit 2006 gleichzeitig geschäftsführender<br />

CIO der Cominvest, die 2009 in<br />

der Allianz Global Investors KAG aufging<br />

Managing Director und CIO Multi Asset<br />

Europe von Allianz Global Investors<br />

20<br />

Foto: M. Leissl FOCUS-MONEY <strong>30</strong>/<strong>2021</strong>


Dax, Dow und Nasdaq steigen von einem Rekord zum nächsten. Der<br />

Hedge-Fonds-Manager Michael Bury dagegen erwartet, dass der Höhenflug<br />

in der „Mutter aller Crashs“ endet. Wie schlimm wird es?<br />

Ingo Mainert: Wir sehen in einigen Segmenten der Kapitalmärkte<br />

Überbewertungen etwa an den amerikanischen Aktienmärkten<br />

oder bei Wachstumsaktien. Wir nennen das intern<br />

„Bubbling Up“-Szenario – Blasenbildung –, denn einige Indikatoren<br />

deuten auf eine Überhitzung und übermäßige Spekulation<br />

hin. Ich maße mir aber nicht an, eine Crash-Vorhersage<br />

in den Raum zu stellen – und das Timing ist extrem schwer.<br />

Blasen an den Finanzmärkten können sich stärker aufpumpen,<br />

als die meisten denken. Das berühmte Greenspan-Zitat<br />

von der „irrational excuberance“ stammt aus dem Dezember<br />

1996. Die Märkte stiegen danach – unter Schwankungen – aber<br />

noch mehr als drei Jahre.<br />

Die Anleger waren im ersten Halbjahr wegen des Anstiegs der Renditen<br />

bei Staatsanleihen nervös. Zu Recht?<br />

Mainert: Wir erwarten für das zweite Halbjahr einen<br />

Anstieg der Renditen am langen Ende. Die Beruhigung bei<br />

deutlich unter 1,5 Prozent für die zehnjährigen US-Bonds<br />

Auf der Jagd nach immer neuen Rekorden<br />

Sowohl der Deutsche Aktienindex Dax und der Dow Jones<br />

als auch der US-Tech-Aktienindex Nasdaq steigen<br />

von einem Rekord zum nächsten. Der Einbruch von der<br />

Corona-Krise im Frühjahr 2020 ist längst mehr als aufgeholt<br />

– in Rekordzeit. Geht der Höhenflug weiter oder<br />

droht jetzt ein heftiger Einbruch an den Aktienmärkten?<br />

Dax<br />

in Prozent<br />

1.1.2020 = 100<br />

Nasdaq<br />

2020 <strong>2021</strong><br />

JAN<br />

JAN<br />

Quelle: Bloomberg<br />

Dow Jones<br />

Dax-Performance-Index<br />

JUL<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

FLASCHEN-EFFEKT<br />

können wir nicht ganz nachvollziehen. Die Konjunktur<br />

läuft – angeschoben von den historisch einzigartig riesigen<br />

Konjunkturprogrammen und den liquiditätspolitischen<br />

Maßnahmen – im zweiten Halbjahr sehr gut und aktuell exponentiell<br />

nach oben. Ich spreche von einem Cola-Flaschen-<br />

Effekt: Wenn Sie eine geschüttelte Flasche öffnen, sprudelt<br />

erst mal alles schwallartig heraus. Zusätzlich sehen wir reale<br />

Inflationsrisiken – auf die kurze, aber auch auf die längere<br />

Sicht. Das wird unserer Meinung nach unterschätzt. Der<br />

Konsensus geht im Moment eher davon aus, dass die Inflationsspitzen<br />

vorübergehender Natur sind.<br />

Welche Gefahr stellen die Delta- und andere Corona-Varianten für<br />

Ihren Ausblick dar?<br />

Mainert: Das ist ein potenzielles Risiko. Wir sehen aber eine<br />

gute Chance, dass wir uns aus der Pandemie herausimpfen.<br />

Es werden zwar immer wieder Mutationen kommen, aber<br />

das übergeordnete positive Konjunkturszenario dürften sie<br />

nicht nachhaltig beeinflussen. Den „peak optimism“, den Höhepunkt<br />

des Optimismus, dürften wir jetzt im zweiten Halbjahr<br />

sehen – bevor es 2022 zu einer Abkühlung kommen wird.<br />

Wird uns das Thema Inflation länger begleiten, als viele Finanzmarktbeobachter<br />

wahrhaben wollen?<br />

Mainert: In den vergangenen Jahren lag die Güterpreisinflation<br />

zwischen ein und zwei Prozent. Ich sehe aber vier<br />

Gründe, warum sich dieser Inflationspfad strukturell nach<br />

oben verschieben wird: erstens die Demografie. Wenn die Babyboomer<br />

aus dem Berufsleben ausscheiden, wird der Faktor<br />

Arbeit auf mittlere und längere Sicht teurer. Zweitens haben<br />

wir eine Änderung in der geldpolitischen Reaktionsfunktion.<br />

Früher haben die Notenbanken gegen Inflation gekämpft.<br />

Heute kämpfen sie weltweit für Inflation – weil sie der Meinung<br />

sind, sie ist nicht da. Es gibt also einen Wandel von einer<br />

antizyklischen zu einer spätzyklischen Reaktionsweise. Die<br />

Punkte drei und vier kommen erst jetzt in die Diskussion: Die<br />

Transformation hin zu ökologisch-sozialen Volkswirtschaften<br />

wird die Preise nach oben treiben, vor allem die Energiekosten<br />

– Stichwort CO 2-Bepreisung. Und viertens: Derzeit gibt<br />

es pandemiebedingt massive Probleme bei den Lieferketten<br />

mit entsprechenden Auswirkungen auf die Preise. Längerfristig<br />

wird das „Re-Shoring“ eine große Rolle spielen: Unternehmen<br />

entscheiden über ihre Lieferketten nicht mehr nur auf<br />

Basis des günstigsten Preises. Vielmehr spielen Fertigungstiefe<br />

und Kontrolle eine deutlich wichtigere Rolle.<br />

Werden die Notenbanken gegensteuern, wenn die Preise beginnen,<br />

stärker zu steigen?<br />

Mainert: Davon gehen wir aus. Die US-Notenbank hat in<br />

den Raum gestellt, dass die Leitzinsen frühestens 2023 angehoben<br />

werden. Das wird die Federal Reserve aber wohl<br />

nicht ganz durchhalten können. Wir erwarten im vierten<br />

Quartal dieses Jahres eine intensive Diskussion über das Tapern,<br />

gefolgt von einer vorsichtigen Rückführung der An-<br />

FOCUS-MONEY <strong>30</strong>/<strong>2021</strong><br />

21


moneymarkets<br />

FERTIGUNGSANLAGE:<br />

Hermle profitiert stark von<br />

der Digitalisierung von<br />

Produktionsprozessen<br />

HERMLE VORZÜGE<br />

In der Ruhe liegt die Kraft<br />

Der Konjunkturdreh verschafft dem Geschäft und der Aktie des schwäbischen Maschinenbauers<br />

neue Fantasie. Für die kommenden Jahre dürften solide Renditen angesagt sein<br />

von BERND JOHANN<br />

Ein bisschen erinnert die Maschinenfabrik Berthold<br />

Hermle an die berühmte schwäbische Hausfrau: grundsolide<br />

und mit Augenmaß wirtschaften, immer noch einiges<br />

in der Reserve. Und dennoch genau wissen, wo die Musik<br />

spielt und worauf es künftig ankommt. So meisterte der<br />

Hersteller von Werkzeug- und Fräsmaschinen aus dem<br />

schwäbischen Gosheim auch relativ gut die Konjunktur- und<br />

Corona-Flaute der Jahre 2019 und 2020. Jetzt scheint das<br />

Geschäft wieder Fahrt aufzunehmen, und mit ihm die Aktie.<br />

Der Vorstand spricht von einer „zunehmenden, deutlichen<br />

Nachfrageerholung“. An der Börse erwarten die Auguren<br />

mittelfristig bereits wieder Kurse in der Nähe der früheren<br />

Höchstnotierungen um die 400 Euro bei gleichzeitig steigenden<br />

Dividenden – wenn sich die Investitionstätigkeit in der<br />

Wirtschaft weiter belebt. Und dafür spricht einiges.<br />

Substanz satt. Das muss ein Management zuerst mal hinkriegen:<br />

Trotz 36 Prozent Umsatzeinbruch schaffte Hermle<br />

im Corona-Jahr 2020 ein robustes positives Ergebnis. Zwar<br />

halbierte sich der Überschuss, er lag mit 40 Millionen Euro<br />

oder gut acht Euro je Aktie bei 297 Millionen Euro Umsatz<br />

aber immer noch weit über der Wasserlinie. Die Umsatzmarge<br />

blieb mit brutto 18 (zuvor 24,6) Prozent komfortabel hoch.<br />

Den Schwaben gelang es sogar, die ohnehin dicke Eigenkapitalquote<br />

von 72 auf 78 Prozent auszubauen und die Dividende<br />

zu halten. Möglich war das durch schnelle Anpassungen<br />

an die veränderte Umwelt. Der Vorstand spricht vom<br />

„Konzept des atmenden Unternehmens“, das bis zu einem gewissen<br />

Grad sehr flexibel reagieren könne.<br />

Nun scheint es wieder kräftig einzuatmen. Indiz dafür sind<br />

die Auftragseingänge. Seit der zweiten Hälfte des vergange-<br />

24 Foto: Hermle<br />

FOCUS-MONEY <strong>30</strong>/<strong>2021</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!