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Herr Dr. Benner, die Keimzelle der Platform<br />

Group ist ein Schuh-Portal gewesen,<br />

1<br />

das Sie vor neun Jahren gegründet haben.<br />

Was war die Triebfeder?<br />

Dominik Benner: Der Grundgedanke<br />

war und ist auch heute noch, dass<br />

ein stationärer, mittelständischer<br />

Händler zwar einen Onlineshop<br />

kaufen und aufsetzen, aber keine<br />

Reichweite damit erzielen kann.<br />

Er kann auch nicht die Schnittstellen<br />

und das Bildmaterial erstellen,<br />

die notwendig sind, um im Netz<br />

erfolgreich zu sein. Und genau in<br />

diesen Themen unterstützen wir die<br />

Händler.<br />

Als wir das erste Schuhgeschäft<br />

angebunden haben, hat es auf<br />

Anhieb 70 Paar Schuhe online verkauft.<br />

Das war der Urknall, denn so<br />

viel wurde nicht mal an einem Tag<br />

am POS verkauft.<br />

2<br />

Und trotzdem sind Sie auch stationärer<br />

Händler. Was steckt dahinter?<br />

Dominik Benner: In unserer Benner<br />

Familienholding ist der Einzelhandel<br />

seit 140 Jahren ein Geschäftsfeld.<br />

Und auch zu den Gründungszeiten<br />

der Platform Group sind uns einige<br />

Schuhgeschäfte in den Schoß gefallen.<br />

Allerdings trennen wir diese<br />

Vertriebswege im Management<br />

sehr strikt, denn es sind zwei völlig<br />

unterschiedliche Businesses.<br />

Es hilft uns jedoch enorm, dass<br />

wir als E-Commerce-Unternehmen<br />

den stationären Händler und<br />

seine Herausforderungen besser<br />

kennen als andere: Wir wissen,<br />

was es bedeutet, wenn die Energiekosten<br />

steigen, wenn sich morgens<br />

zwei Mitarbeiter krank melden<br />

oder wenn bei einem Wasserschaden<br />

die Versicherung nicht zahlen<br />

will. Aus diesem Grund bieten wir<br />

den Händlern auch entsprechende<br />

Dienstleistungen an. Wir haben<br />

Rahmenverträge für Gas oder Firmenwagen.<br />

Wir vergeben Kredite<br />

zu attraktiven Konditionen und<br />

vermieten sogar EC-Terminals. Die<br />

Platform Group ist nicht nur eine<br />

Vertriebsplattform, sondern auch<br />

ein B2B-Service-Portal.<br />

3<br />

Die Benner Holding ist 140 Jahre alt<br />

und in ganz vielen Investment-Feldern<br />

aktiv. Um welche Bereiche kümmern Sie<br />

sich persönlich?<br />

Dominik Benner: In der Holding kann<br />

ich mich auf gute Geschäftsführer<br />

und Prokuristen verlassen, die alle<br />

auf ihrem Gebiet Top-Manager sind.<br />

Ich kümmere mich in Vollzeit um<br />

die Platform Group. Und das reicht<br />

als Betätigungsfeld völlig aus. Denn<br />

eines müssen Sie wissen: Wenn Sie<br />

Immobilien haben, können Sie in<br />

den Urlaub fahren. Wenn Sie Einzelhandel<br />

betreiben, können Sie<br />

ebenfalls Ferien machen. Wenn Sie<br />

E-Commerce ernsthaft betreiben,<br />

geht das nicht. Da ist ständiges<br />

Trouble shooting angesagt.<br />

4<br />

Es kommt schon ein wenig der Eindruck<br />

auf, dass Sie ein Workaholic sind.<br />

Würden Sie das unterschreiben?<br />

Dominik Benner: Um es mal so zu<br />

sagen: Ich sitze nie am Pool.<br />

(Lacht.) Wir haben als Familie<br />

auch das Glück, das wir ein tolles<br />

Au-Pair-Mädchen haben, das<br />

sich um unsere zwei Kinder kümmert.<br />

Sonst würde das Ganze nicht<br />

funktionieren.<br />

5<br />

Woraus ziehen Sie Ihre Motivation?<br />

Dominik Benner: Das waren im<br />

Prinzip immer zwei Dinge. Erstens<br />

wollte ich immer etwas aufbauen,<br />

etwas gestalten – und nicht<br />

verwalten.<br />

Der zweite Punkt ist, dass ich für<br />

meine Kinder etwas schaffen wollte,<br />

sodass die einmal sagen können,<br />

sieh mal, der Papa hat da in der<br />

fünften Generation einen guten Job<br />

gemacht.<br />

6<br />

Sie sind jetzt in 14 Branchen aktiv –<br />

zuletzt sind Möbel und Apotheken dazugekommen,<br />

und zwar über Akquisitionen.<br />

Was sind Ihre Kriterien, um eine Plattform<br />

zu übernehmen?<br />

Dominik Benner: Zunächst schauen<br />

wir darauf, wie viele Händler an ein<br />

Portal angeschlossen sind. Zweites<br />

Kriterium ist, dass die Produkte<br />

nicht zu günstig sind, weshalb wir<br />

beispielsweise von Lebensmitteln<br />

oder Drogerie-Artikeln die Finger<br />

lassen. Die dritte Voraussetzung ist,<br />

dass die Händler mit einer digitalen<br />

Warenwirtschaft arbeiten, damit wir<br />

sie anbinden können. Deshalb fallen<br />

beispielsweise Friseure oder Kioske<br />

aus unserem Raster.<br />

7<br />

Wenn Sie ein Unternehmen übernehmen,<br />

belassen Sie die Geschäftsführer in der<br />

Firma. Warum ist das Ihre Strategie?<br />

Dominik Benner: Wir glauben daran,<br />

dass es der erfolgreichere Weg ist.<br />

Die Geschäftsführer kennen ihre<br />

Märkte besser als wir und haben<br />

erfolgreiche Portale aufgebaut. Sie<br />

müssen sich allerdings zu unserer<br />

Wachstumsstrategie committen,<br />

das ist die Voraussetzung. Wenn das<br />

nicht der Fall wäre, dann kämen die<br />

Verhandlungen aber auch gar nicht<br />

zustande.<br />

8<br />

Und wie stark regieren Sie rein? Kommen<br />

da auch E-Mails nachts um drei Uhr?<br />

Dominik Benner: Nein, nicht nachts<br />

um drei, höchstens um vier Uhr in<br />

der Frühe. (Lacht.) Nein,im Ernst:<br />

Wir sehen unsere Zusammenarbeit<br />

mit den Portalbetreibern als Sparring,<br />

von dem beide Seiten profitieren.<br />

Da ist nächtliches Dauerfeuer<br />

eher kontraproduktiv.<br />

9<br />

Wird sich die Strategie von Möbelfirst,<br />

das sie gerade übernommen haben, nun<br />

verändern?<br />

Dominik Benner: Ursprünglich kommt<br />

Möbelfirst von der Idee her, Ausstellungsstücke<br />

digital zu vermarkten.<br />

Doch der Neuwarenanteil ist<br />

inzwischen auf 30 Prozent gestiegen.<br />

Es gibt beispielsweise Marken<br />

wie Stressless, die sich sehr gut<br />

nachordern lassen und am Lager<br />

deshalb schnell nachbesetzt werden<br />

können. Der Anteil an Neuware bei<br />

Möbelfirst soll deshalb strategisch<br />

noch weiter ausgebaut werden,<br />

denn immer mehr Händler haben<br />

Interesse daran, ihren Online-Vertrieb<br />

auszubauen und das nicht nur<br />

wegen der Lockdowns.<br />

Darüber hinaus werden Büromöbel<br />

ein strategischer Sortimentsbereich<br />

sein, den wir neu anfassen.<br />

Dort soll der Neuwarenanteil sogar<br />

bei 90 Prozent liegen.<br />

Darüber hinaus steht die Ausweitung<br />

des Händlernetzes auf dem<br />

Programm. Denn unserer grundsätzliche<br />

Logik ist: Je mehr Händler<br />

wir angedockt haben, desto mehr<br />

Angebote können wir bieten und<br />

umso mehr Kunden können wir<br />

ansprechen.<br />

9<br />

Ist das die Schnellboot-Strategie, mit<br />

der Sie sich gegen Amazon absetzen<br />

können?<br />

Dominik Benner: Absolut. Es geht<br />

immer darum, Nischen zu durchdringen.<br />

Also zum Beispiel Schuhe<br />

für ältere Frauen oder Möbel im<br />

hochwertigen Bereich. In diesen<br />

spitzen Segmenten honorieren die<br />

Kunden dann ein breites Angebot.<br />

Stehen weitere Akquisitionen auf<br />

10dem Programm? Oder betreiben Sie<br />

nur eine Plattform pro Branche?<br />

Dominik Benner: Nein, wir können<br />

auch mit mehreren Plattformen pro<br />

Branche agieren, wenn es keine zu<br />

großen Schnittmengen gibt. Im<br />

letzten Monat haben wir deshalb<br />

Stylefy übernommen, eine Plattform<br />

für Mainstream-Möbel. Eine dritte<br />

Übernahme im Einrichtungssegment<br />

werden wir in diesem Jahr<br />

sicherlich noch vermelden können.<br />

Ist der Markt nach der Corona-Krise<br />

11nicht überhitzt?<br />

Dominik Benner: Nein, das stellen wir<br />

bisher nicht fest. Klar, bei großen<br />

Targets wie About You ist natürlich<br />

viel Geld im Spiel. Aber das überstrahlt<br />

die Bewertungen der kleineren<br />

Player in einer Größenordnung<br />

von 10 Mio. Euro Umsatz. Das ist<br />

uns auch sehr recht.<br />

Gibt es perspektivisch eine Gefahr für<br />

12Ihr Business?<br />

Dominik Benner: Ein Problem wäre<br />

es, wenn große stationäre Händler<br />

und Filialisten große Summen in das<br />

E-Business investieren würde, um<br />

es strategisch aufzumischen. Bisher<br />

sehe ich da aber keine entsprechenden<br />

Aktivitäten. Auch wenn Ikea und<br />

XXXLutz sicher Gas geben, ist da<br />

noch viel Luft nach oben. Und auf<br />

der anderen Seite sind die Online-<br />

Player längst noch nicht so groß, wie<br />

sie sein könnten.<br />

Der Ladenschwund macht mir<br />

ebenfalls keine existenziellen Sorgen,<br />

weil wir erst zwei oder drei<br />

Prozent Durchdringung haben. Das<br />

heißt, es müssten schon 90 Prozent<br />

der Händler verschwinden , bis wir<br />

an strukturelle Grenzen stoßen würden.<br />

Und von so einer Quote gehe<br />

ich auch langfristig nicht aus.<br />

Die Gruppe ist jetzt acht Jahre alt.<br />

13Wo sehen Sie die Platform Group in<br />

acht Jahren?<br />

Dominik Benner: Wir möchten der<br />

führende Plattform-Anbieter sein –<br />

dann in 30 Branchen. Wir möchten<br />

Umsätze in Höhe von 500 Mio. Euro<br />

machen – mit 8.000 bis 10.000<br />

Partnern. Aktuell liegen wir bei 200<br />

Mio. Euro Umsatz.<br />

Herr Dr. Benner, ich muss zugeben,<br />

13dass das mit 22 Minuten eines meiner<br />

kürzesten und knackigsten Interviews<br />

meiner Laufbahn als Journalist gewesen<br />

ist.<br />

Dominik Benner: Fragen Sie nur. Ich<br />

habe noch acht Minuten. (Lacht.)<br />

SASCHA TAPKEN<br />

www.the-platform-group.com<br />

7/8/20<strong>21</strong> möbel kultur <strong>21</strong>

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