MK-07-8-21-E-Mag
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Herr Dr. Benner, die Keimzelle der Platform<br />
Group ist ein Schuh-Portal gewesen,<br />
1<br />
das Sie vor neun Jahren gegründet haben.<br />
Was war die Triebfeder?<br />
Dominik Benner: Der Grundgedanke<br />
war und ist auch heute noch, dass<br />
ein stationärer, mittelständischer<br />
Händler zwar einen Onlineshop<br />
kaufen und aufsetzen, aber keine<br />
Reichweite damit erzielen kann.<br />
Er kann auch nicht die Schnittstellen<br />
und das Bildmaterial erstellen,<br />
die notwendig sind, um im Netz<br />
erfolgreich zu sein. Und genau in<br />
diesen Themen unterstützen wir die<br />
Händler.<br />
Als wir das erste Schuhgeschäft<br />
angebunden haben, hat es auf<br />
Anhieb 70 Paar Schuhe online verkauft.<br />
Das war der Urknall, denn so<br />
viel wurde nicht mal an einem Tag<br />
am POS verkauft.<br />
2<br />
Und trotzdem sind Sie auch stationärer<br />
Händler. Was steckt dahinter?<br />
Dominik Benner: In unserer Benner<br />
Familienholding ist der Einzelhandel<br />
seit 140 Jahren ein Geschäftsfeld.<br />
Und auch zu den Gründungszeiten<br />
der Platform Group sind uns einige<br />
Schuhgeschäfte in den Schoß gefallen.<br />
Allerdings trennen wir diese<br />
Vertriebswege im Management<br />
sehr strikt, denn es sind zwei völlig<br />
unterschiedliche Businesses.<br />
Es hilft uns jedoch enorm, dass<br />
wir als E-Commerce-Unternehmen<br />
den stationären Händler und<br />
seine Herausforderungen besser<br />
kennen als andere: Wir wissen,<br />
was es bedeutet, wenn die Energiekosten<br />
steigen, wenn sich morgens<br />
zwei Mitarbeiter krank melden<br />
oder wenn bei einem Wasserschaden<br />
die Versicherung nicht zahlen<br />
will. Aus diesem Grund bieten wir<br />
den Händlern auch entsprechende<br />
Dienstleistungen an. Wir haben<br />
Rahmenverträge für Gas oder Firmenwagen.<br />
Wir vergeben Kredite<br />
zu attraktiven Konditionen und<br />
vermieten sogar EC-Terminals. Die<br />
Platform Group ist nicht nur eine<br />
Vertriebsplattform, sondern auch<br />
ein B2B-Service-Portal.<br />
3<br />
Die Benner Holding ist 140 Jahre alt<br />
und in ganz vielen Investment-Feldern<br />
aktiv. Um welche Bereiche kümmern Sie<br />
sich persönlich?<br />
Dominik Benner: In der Holding kann<br />
ich mich auf gute Geschäftsführer<br />
und Prokuristen verlassen, die alle<br />
auf ihrem Gebiet Top-Manager sind.<br />
Ich kümmere mich in Vollzeit um<br />
die Platform Group. Und das reicht<br />
als Betätigungsfeld völlig aus. Denn<br />
eines müssen Sie wissen: Wenn Sie<br />
Immobilien haben, können Sie in<br />
den Urlaub fahren. Wenn Sie Einzelhandel<br />
betreiben, können Sie<br />
ebenfalls Ferien machen. Wenn Sie<br />
E-Commerce ernsthaft betreiben,<br />
geht das nicht. Da ist ständiges<br />
Trouble shooting angesagt.<br />
4<br />
Es kommt schon ein wenig der Eindruck<br />
auf, dass Sie ein Workaholic sind.<br />
Würden Sie das unterschreiben?<br />
Dominik Benner: Um es mal so zu<br />
sagen: Ich sitze nie am Pool.<br />
(Lacht.) Wir haben als Familie<br />
auch das Glück, das wir ein tolles<br />
Au-Pair-Mädchen haben, das<br />
sich um unsere zwei Kinder kümmert.<br />
Sonst würde das Ganze nicht<br />
funktionieren.<br />
5<br />
Woraus ziehen Sie Ihre Motivation?<br />
Dominik Benner: Das waren im<br />
Prinzip immer zwei Dinge. Erstens<br />
wollte ich immer etwas aufbauen,<br />
etwas gestalten – und nicht<br />
verwalten.<br />
Der zweite Punkt ist, dass ich für<br />
meine Kinder etwas schaffen wollte,<br />
sodass die einmal sagen können,<br />
sieh mal, der Papa hat da in der<br />
fünften Generation einen guten Job<br />
gemacht.<br />
6<br />
Sie sind jetzt in 14 Branchen aktiv –<br />
zuletzt sind Möbel und Apotheken dazugekommen,<br />
und zwar über Akquisitionen.<br />
Was sind Ihre Kriterien, um eine Plattform<br />
zu übernehmen?<br />
Dominik Benner: Zunächst schauen<br />
wir darauf, wie viele Händler an ein<br />
Portal angeschlossen sind. Zweites<br />
Kriterium ist, dass die Produkte<br />
nicht zu günstig sind, weshalb wir<br />
beispielsweise von Lebensmitteln<br />
oder Drogerie-Artikeln die Finger<br />
lassen. Die dritte Voraussetzung ist,<br />
dass die Händler mit einer digitalen<br />
Warenwirtschaft arbeiten, damit wir<br />
sie anbinden können. Deshalb fallen<br />
beispielsweise Friseure oder Kioske<br />
aus unserem Raster.<br />
7<br />
Wenn Sie ein Unternehmen übernehmen,<br />
belassen Sie die Geschäftsführer in der<br />
Firma. Warum ist das Ihre Strategie?<br />
Dominik Benner: Wir glauben daran,<br />
dass es der erfolgreichere Weg ist.<br />
Die Geschäftsführer kennen ihre<br />
Märkte besser als wir und haben<br />
erfolgreiche Portale aufgebaut. Sie<br />
müssen sich allerdings zu unserer<br />
Wachstumsstrategie committen,<br />
das ist die Voraussetzung. Wenn das<br />
nicht der Fall wäre, dann kämen die<br />
Verhandlungen aber auch gar nicht<br />
zustande.<br />
8<br />
Und wie stark regieren Sie rein? Kommen<br />
da auch E-Mails nachts um drei Uhr?<br />
Dominik Benner: Nein, nicht nachts<br />
um drei, höchstens um vier Uhr in<br />
der Frühe. (Lacht.) Nein,im Ernst:<br />
Wir sehen unsere Zusammenarbeit<br />
mit den Portalbetreibern als Sparring,<br />
von dem beide Seiten profitieren.<br />
Da ist nächtliches Dauerfeuer<br />
eher kontraproduktiv.<br />
9<br />
Wird sich die Strategie von Möbelfirst,<br />
das sie gerade übernommen haben, nun<br />
verändern?<br />
Dominik Benner: Ursprünglich kommt<br />
Möbelfirst von der Idee her, Ausstellungsstücke<br />
digital zu vermarkten.<br />
Doch der Neuwarenanteil ist<br />
inzwischen auf 30 Prozent gestiegen.<br />
Es gibt beispielsweise Marken<br />
wie Stressless, die sich sehr gut<br />
nachordern lassen und am Lager<br />
deshalb schnell nachbesetzt werden<br />
können. Der Anteil an Neuware bei<br />
Möbelfirst soll deshalb strategisch<br />
noch weiter ausgebaut werden,<br />
denn immer mehr Händler haben<br />
Interesse daran, ihren Online-Vertrieb<br />
auszubauen und das nicht nur<br />
wegen der Lockdowns.<br />
Darüber hinaus werden Büromöbel<br />
ein strategischer Sortimentsbereich<br />
sein, den wir neu anfassen.<br />
Dort soll der Neuwarenanteil sogar<br />
bei 90 Prozent liegen.<br />
Darüber hinaus steht die Ausweitung<br />
des Händlernetzes auf dem<br />
Programm. Denn unserer grundsätzliche<br />
Logik ist: Je mehr Händler<br />
wir angedockt haben, desto mehr<br />
Angebote können wir bieten und<br />
umso mehr Kunden können wir<br />
ansprechen.<br />
9<br />
Ist das die Schnellboot-Strategie, mit<br />
der Sie sich gegen Amazon absetzen<br />
können?<br />
Dominik Benner: Absolut. Es geht<br />
immer darum, Nischen zu durchdringen.<br />
Also zum Beispiel Schuhe<br />
für ältere Frauen oder Möbel im<br />
hochwertigen Bereich. In diesen<br />
spitzen Segmenten honorieren die<br />
Kunden dann ein breites Angebot.<br />
Stehen weitere Akquisitionen auf<br />
10dem Programm? Oder betreiben Sie<br />
nur eine Plattform pro Branche?<br />
Dominik Benner: Nein, wir können<br />
auch mit mehreren Plattformen pro<br />
Branche agieren, wenn es keine zu<br />
großen Schnittmengen gibt. Im<br />
letzten Monat haben wir deshalb<br />
Stylefy übernommen, eine Plattform<br />
für Mainstream-Möbel. Eine dritte<br />
Übernahme im Einrichtungssegment<br />
werden wir in diesem Jahr<br />
sicherlich noch vermelden können.<br />
Ist der Markt nach der Corona-Krise<br />
11nicht überhitzt?<br />
Dominik Benner: Nein, das stellen wir<br />
bisher nicht fest. Klar, bei großen<br />
Targets wie About You ist natürlich<br />
viel Geld im Spiel. Aber das überstrahlt<br />
die Bewertungen der kleineren<br />
Player in einer Größenordnung<br />
von 10 Mio. Euro Umsatz. Das ist<br />
uns auch sehr recht.<br />
Gibt es perspektivisch eine Gefahr für<br />
12Ihr Business?<br />
Dominik Benner: Ein Problem wäre<br />
es, wenn große stationäre Händler<br />
und Filialisten große Summen in das<br />
E-Business investieren würde, um<br />
es strategisch aufzumischen. Bisher<br />
sehe ich da aber keine entsprechenden<br />
Aktivitäten. Auch wenn Ikea und<br />
XXXLutz sicher Gas geben, ist da<br />
noch viel Luft nach oben. Und auf<br />
der anderen Seite sind die Online-<br />
Player längst noch nicht so groß, wie<br />
sie sein könnten.<br />
Der Ladenschwund macht mir<br />
ebenfalls keine existenziellen Sorgen,<br />
weil wir erst zwei oder drei<br />
Prozent Durchdringung haben. Das<br />
heißt, es müssten schon 90 Prozent<br />
der Händler verschwinden , bis wir<br />
an strukturelle Grenzen stoßen würden.<br />
Und von so einer Quote gehe<br />
ich auch langfristig nicht aus.<br />
Die Gruppe ist jetzt acht Jahre alt.<br />
13Wo sehen Sie die Platform Group in<br />
acht Jahren?<br />
Dominik Benner: Wir möchten der<br />
führende Plattform-Anbieter sein –<br />
dann in 30 Branchen. Wir möchten<br />
Umsätze in Höhe von 500 Mio. Euro<br />
machen – mit 8.000 bis 10.000<br />
Partnern. Aktuell liegen wir bei 200<br />
Mio. Euro Umsatz.<br />
Herr Dr. Benner, ich muss zugeben,<br />
13dass das mit 22 Minuten eines meiner<br />
kürzesten und knackigsten Interviews<br />
meiner Laufbahn als Journalist gewesen<br />
ist.<br />
Dominik Benner: Fragen Sie nur. Ich<br />
habe noch acht Minuten. (Lacht.)<br />
SASCHA TAPKEN<br />
www.the-platform-group.com<br />
7/8/20<strong>21</strong> möbel kultur <strong>21</strong>