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<strong>HR</strong> Change Management<br />

THEMA<br />

AM WENDEPUNKT<br />

ENDE 2019 SCHALTETE DER ENERGIE- UND INFRASTRUKTURBETREIBER BKW DAS KERNKRAFTWERK (KKW) MÜHLEBERG<br />

AB. NUN FOLGT DESSEN RÜCKBAU. EIN NOVUM FÜR DIE SCHWEIZ: BISHER WURDE KEIN EINZIGES ATOMKRAFTWERK<br />

STILLGELEGT. ÜBER DIE AUSWIRKUNGEN AUF DAS <strong>HR</strong>, DIE FÜ<strong>HR</strong>UNGSKRÄFTE UND DIE MITARBEITENDEN.<br />

Text: Corinne Päper<br />

«Drei, zwei, eins, null.» Es herrscht Wehmut im<br />

Kommandoraum des Kernkraftwerks Mühleberg,<br />

als dieses am 20. Dezember 2019 nach einer<br />

47-jähriger Betriebszeit endgültig abgeschaltet<br />

wird. Für das Abschiednehmen blieb kaum Zeit:<br />

Die Abbauarbeiten begannen bereits am 6.<br />

Januar 2020. Dass die Mitarbeitenden an «ihrem»<br />

Kernkraftwerk hingen, spürt auch <strong>HR</strong>-Verantwortliche<br />

Heidi Mezenen: «Unsere Mitarbeitenden<br />

haben das Kernkraftwerk über Jahre hinweg<br />

gepflegt. Für viele ist es emotional, mitzuerleben,<br />

wie dieses nun Stück für Stück auseinandergenommen<br />

wird.» Bis vom KKW nichts mehr übrig<br />

ist, wird es rund 15 Jahre dauern und 800 Millionen<br />

Franken kosten. Erst 2034 kann die freigewordene<br />

Fläche umgenutzt werden.<br />

Vom Elektrizitätserzeuger zum Abbruchprojekt<br />

Mit der Abschaltung des Kernkraftwerks veränderten<br />

sich die Rollen und Aufgaben der Mitarbeitenden.<br />

Ungewohnt für jene, die dem Betrieb treu<br />

ergeben waren: «Auch wer bis zur Pension im<br />

Kernkraftwerk Mühleberg arbeiten wollte, musste<br />

sich plötzlich mit beruflichen Veränderungen auseinandersetzen,<br />

sagt Mezenen. Diese Verunsicherung<br />

stellte Führungskräfte und <strong>HR</strong> vor grosse<br />

Herausforderungen: «Unsere Mitarbeitenden<br />

wissen, wie die verschiedenen Kernkraftwerk-Systeme<br />

zusammenarbeiten und besitzen vertiefte<br />

Betriebskenntnisse. Möglichst viele der neuen<br />

Funktionen sollten deshalb mit erfahrenen Fachkräften<br />

besetzt werden.» Dafür habe man intern<br />

die Stellenausschreibungen mehrmals kommuniziert,<br />

Mitarbeitende aufgefordert, sich zu bewerben,<br />

und ihnen bestätigt, dass sie beim Rückbau<br />

eine neue Rolle übernehmen können. Das habe<br />

aber nicht alle Ängste beseitigt: «Dafür waren<br />

wiederkehrende Gespräche notwendig», sagt<br />

Mezenen. Rund zwei Drittel der insgesamt<br />

300 Mitarbeitenden üben heute im Kernkraftwerk<br />

andere Tätigkeiten aus. «Dazu war ein enger Austausch<br />

mit der Kraftwerksleitung, den Führungskräften,<br />

den Beschäftigten und dem <strong>HR</strong> notwendig.»<br />

UNSERE MITARBEITENDEN<br />

HABEN DAS KERNKRAFT-<br />

WERK ÜBER JA<strong>HR</strong>E<br />

HINWEG GEPFLEGT.<br />

FÜR VIELE IST ES<br />

EMOTIONAL, WIE DIESES<br />

NUN STÜCK FÜR STÜCK<br />

AUSEINANDERGENOMMEN<br />

WIRD.<br />

HEIDI MEZENEN<br />

Die neuen Rollen und Aufgaben fordern den Mitarbeitenden<br />

einiges ab: «Während des Kernkraftwerkbetriebs<br />

kümmerten sie sich hauptsächlich<br />

um die Sicherheit und die Leistungsfähigkeit der<br />

Anlage», sagt Mezenen. «Sie übernahmen noch<br />

während des Betriebs mit Blick auf den Rückbau<br />

neue Aufgaben. Dabei mussten sie mehrere Tätig-<br />

keiten gleichzeitig vorantreiben und sich bei einzelnen<br />

Projektschritten mit Kollegen abstimmen,<br />

ohne die Sicherheit aus den Augen zu verlieren.»<br />

Darauf waren die KKW-Mitarbeitende vorbereitet.<br />

Häufig seien hierfür aber zusätzliche Fachkenntnisse<br />

vonnöten gewesen. «Meist genügte ein Learning<br />

on the Job.» Etwa mit dem Besuch deutscher<br />

im Rückbau befindlicher Kernkraftwerke, durch<br />

die Projektbegleitung eines erfahrenen Kollegen,<br />

das Lesen von Konzepten, die Vorbereitung von<br />

Arbeiten oder die Inbetriebnahme neuer Systeme<br />

und Anlagen. Teils wurden Mitarbeitende auch<br />

umgeschult. Beispielsweise vom Betriebswächter<br />

zur Strahlenschutz-Fachkraft. «Das war aufwendig»,<br />

sagt Mezenen.<br />

Kernkraftwerk Mühleberg<br />

Am 20. Dezember 2019 nahm der Energie- und<br />

Infrastrukturbetreiber BKW das Kernkraftwerk<br />

(KKW) Mühleberg nach 47 Jahren vom Netz.<br />

Damit ist es das erste in der Schweiz und weltweit<br />

eines von 150. Mit der Abschaltung endete die<br />

Arbeit jedoch nicht. Bis das KKW demontiert ist,<br />

dauert es rund 15 Jahre. Erst 2030 wird es frei<br />

von radioaktivem Material sein, das weniger als<br />

zwei Prozent der Gesamtmasse beträgt. Mühleberg<br />

war das grösste Kraftwerk der BKW und<br />

produzierte während seiner gesamten Laufzeit<br />

rund 120 Milliarden Kilowattstunden Strom. Das<br />

entspricht einem über hundertjährigen Stromkonsum<br />

einer Stadt wie Bern. Die Kosten für die<br />

Stilllegung und Entsorgung des Bauschutts<br />

betragen rund drei Milliarden Franken, wovon<br />

über 80 Prozent bereits gedeckt sind. 2034 soll<br />

das ehemalige Gelände in der Grösse von elf<br />

Fussballfeldern naturnah oder industriell genutzt<br />

werden.<br />

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