E-Paper re 5+6-21
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
24<br />
Patientenkommunikation<br />
Kennen Sie, ve<strong>re</strong>hrte Leser, das einfachste, universellste und weltweit<br />
gültige Merkmal von Autorität? Es ist schlicht die Körpergröße. Dafür<br />
gibt es unzählige Belege. In der Zahnarztpraxis gilt: Anzust<strong>re</strong>ben ist<br />
meines Erachtens ein partnerschaftlich-vertrauensvolles Verhältnis zum<br />
Patienten; daher sollte man tunlichst nicht den „Halbgott in Weiß“ herauskeh<strong>re</strong>n.<br />
Also achte man durch entsp<strong>re</strong>chende Stuhlposition wortwörtlich<br />
auf „Augenhöhe“. Aber gelegentlich sträubt sich ein Patient<br />
gegen notwendige Behandlungen. Dann ist es im Sinne des unten beschriebenen<br />
Kontrastprinzips umso wirkungsvoller, wenn Zahnarzt und/<br />
oder ZMP aufstehen und so ih<strong>re</strong> fachliche Kompetenz/Autorität effektiver<br />
anbringen.<br />
Ein kurzer Abstecher ins „Anti-Agg<strong>re</strong>ssions-Seminar“: Angenommen, ein<br />
übellauniger, verärgerter Patient erscheint vor dem Rezeptionst<strong>re</strong>sen; es<br />
liegt Agg<strong>re</strong>ssion in der Luft. Dann sollte unse<strong>re</strong> Rezi-Mitarbeiterin aufstehen:<br />
Sie strahlt Selbstbewusstsein und Autorität aus, wenn sie auf<strong>re</strong>cht<br />
steht, und das dämpft im Unterbewusstsein Agg<strong>re</strong>ssionsneigungen des<br />
Gegenübers.<br />
3. Soziale Bewährtheit<br />
Es gilt das Prinzip: Ich muss nicht lange überlegen: Richtig ist, was alle<br />
ande<strong>re</strong>n oder viele ande<strong>re</strong> für richtig halten. So lautet der Werbeslogan<br />
für Lebensversicherungen: 20 Millionen Menschen können nicht ir<strong>re</strong>n.<br />
Hier haben wir ein typisches psychologisches „Shortcut“, das sogar dann<br />
wirkt, wenn es erkannt wird. (Beispiel: Eingespielte „Lachkonserven“,<br />
die jeder für stö<strong>re</strong>nd/unpassend hält und die trotzdem zum Mitlachen<br />
<strong>re</strong>izen.)<br />
Das Prinzip g<strong>re</strong>ift umso wirksamer, je unkla<strong>re</strong>r/unsiche<strong>re</strong>r/mehrdeutiger<br />
eine Situation empfunden wird: Umso eher wird jeder die ande<strong>re</strong>n<br />
„Nachmachen“. Außerdem orientie<strong>re</strong>n sich alle Menschen an ih<strong>re</strong>sgleichen,<br />
Ähnlichkeit ist daher ein weite<strong>re</strong>r Verstärker:<br />
Berufe dich also bei weiblichen Patienten auf ande<strong>re</strong> Frauen, die „akzeptiert“<br />
haben. „Eigentlich alle Frauen in unse<strong>re</strong>r Praxis lassen eine Professionelle<br />
Zahn<strong>re</strong>inigung durchfüh<strong>re</strong>n.“, „Metallkeramik wird von den<br />
allermeisten Patienten bevorzugt…“<br />
In allen Lebenslagen sollten wir uns immer möglichst „groß“ machen,<br />
wenn wir unse<strong>re</strong>n Standpunkt gegen mögliche Widerstände entschlossen<br />
durchsetzen wollen.<br />
2. Kontrastprinzip<br />
Die gleiche Intensität wird unterschiedlich wahrgenommen, wenn zuvor<br />
unterschiedliche Vergleichserfahrungen geboten wurden. 3-Eimer-Versuch:<br />
Man taucht die Hand zuerst in heißes Wasser und empfi ndet danach<br />
lauwarmes Wasser als ext<strong>re</strong>m kalt. Dasselbe lauwarme Wasser fühlt<br />
sich aber heiß an, wenn man die Hand zuvor in Eiswasser getaucht hat.<br />
Das Kontrastprinzip ist besonders wirksam in allen Verkaufssituationen,<br />
wo über einen P<strong>re</strong>is gesprochen wird: Ein bestimmter P<strong>re</strong>is wird wesentlich<br />
niedriger empfunden, wenn zuvor eine höhe<strong>re</strong> Zahl präsentiert<br />
wurde. Grund<strong>re</strong>gel der Verkaufspsychologie ist daher: Zuerst immer den<br />
teu<strong>re</strong>n Artikel vorstellen.<br />
Einen bestimmten P<strong>re</strong>is vermittelt man also viel besser, wenn er kontrastie<strong>re</strong>nd<br />
mit einem wesentlich höhe<strong>re</strong>n P<strong>re</strong>is verglichen wird: Die PZR<br />
kostet etwa 100 Euro. Was gibt eine Frau im Jahr für den Friseur aus?<br />
Oder für Kosmetika? Was bezahlt ein Mann für einen Restaurantbesuch<br />
der Familie? Für ein beliebiges Hobby? Kostspieliger Zahnersatz verliert<br />
seinen fi nanziellen Sch<strong>re</strong>cken, wenn er in Beziehung gesetzt wird zu einem<br />
neuen Auto oder zu einer neuen Wohnzimmer-Einrichtung usw.<br />
Das Kontrastprinzip eignet sich besonders für P<strong>re</strong>isverhandlungen, aber<br />
auch bei beliebigen ande<strong>re</strong>n Intensitäten, die durch Kontrast abgeschwächt<br />
oder verstärkt werden können: „Tagtäglich brauchen zahllose<br />
Menschen eine Blinddarmoperation und das ohne Probleme, da ist eine<br />
Weisheitszahnentfernung harmlos dagegen.“<br />
Das Prinzip der sozialen Bewährtheit ist ähnlich wie das Kontrastprinzip<br />
in der zahnärztlichen Beratung fast immer einsetzbar.<br />
Mit diesem Basiswissen habt ihr be<strong>re</strong>its viele wichtige Informationen für<br />
eine erfolg<strong>re</strong>iche Patientenkommunikation. Im folgenden zweiten Teil<br />
stellen wir euch die <strong>re</strong>stlichen Punkte des „Werkzeug-Koffers“ vor, mit<br />
denen ihr dann besser motovie<strong>re</strong>n/überzeugen könnt. Bleibt gespannt!<br />
Das Literaturverzeichnis kann bei der <strong>re</strong>call Redaktion angefordert werden.<br />
Dr. med. Dr. med. dent. Bert L. Karl<br />
Zahnarzt und Arzt<br />
Nach Studium der Medizin und Zahnmedizin war er 30 Jah<strong>re</strong> hauptberufl<br />
ich in eigener Zahnarztpraxis tätig, mit Schwerpunkt Zahnersatz.<br />
Nebenberufl ich betrieb er eine allgemeinärztliche Privatpraxis. Zuletzt<br />
war er meh<strong>re</strong><strong>re</strong> Jah<strong>re</strong> zahnärztlicher Leiter einer großen zahnärztlichen<br />
Tagesklinik. Von 1997 bis 2020 Tätigkeit als KZV-Gutachter für Zahnersatz<br />
und PAR. Seit 2002 leitet er als Dozent vielfältige zahnärztliche<br />
Fortbildungssemina<strong>re</strong>, hauptsächlich zu Themen der wirtschaftlichen<br />
Praxisführung und zum Generalthema „Psychologie in der Zahnarztpraxis“:<br />
unter ande<strong>re</strong>m Patientenüberzeugung, die zahnärztliche<br />
Führungsperson, Angstpatienten, Konfl ikte im Praxisteam, Agg<strong>re</strong>ssion in<br />
der Zahnarztpraxis, Kommunikation und Körpersprache.<br />
E-Mail: drbkarl@t-online.de<br />
www.facebook.com/<strong>re</strong>callmagazin