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Patientenkommunikation<br />

Kennen Sie, ve<strong>re</strong>hrte Leser, das einfachste, universellste und weltweit<br />

gültige Merkmal von Autorität? Es ist schlicht die Körpergröße. Dafür<br />

gibt es unzählige Belege. In der Zahnarztpraxis gilt: Anzust<strong>re</strong>ben ist<br />

meines Erachtens ein partnerschaftlich-vertrauensvolles Verhältnis zum<br />

Patienten; daher sollte man tunlichst nicht den „Halbgott in Weiß“ herauskeh<strong>re</strong>n.<br />

Also achte man durch entsp<strong>re</strong>chende Stuhlposition wortwörtlich<br />

auf „Augenhöhe“. Aber gelegentlich sträubt sich ein Patient<br />

gegen notwendige Behandlungen. Dann ist es im Sinne des unten beschriebenen<br />

Kontrastprinzips umso wirkungsvoller, wenn Zahnarzt und/<br />

oder ZMP aufstehen und so ih<strong>re</strong> fachliche Kompetenz/Autorität effektiver<br />

anbringen.<br />

Ein kurzer Abstecher ins „Anti-Agg<strong>re</strong>ssions-Seminar“: Angenommen, ein<br />

übellauniger, verärgerter Patient erscheint vor dem Rezeptionst<strong>re</strong>sen; es<br />

liegt Agg<strong>re</strong>ssion in der Luft. Dann sollte unse<strong>re</strong> Rezi-Mitarbeiterin aufstehen:<br />

Sie strahlt Selbstbewusstsein und Autorität aus, wenn sie auf<strong>re</strong>cht<br />

steht, und das dämpft im Unterbewusstsein Agg<strong>re</strong>ssionsneigungen des<br />

Gegenübers.<br />

3. Soziale Bewährtheit<br />

Es gilt das Prinzip: Ich muss nicht lange überlegen: Richtig ist, was alle<br />

ande<strong>re</strong>n oder viele ande<strong>re</strong> für richtig halten. So lautet der Werbeslogan<br />

für Lebensversicherungen: 20 Millionen Menschen können nicht ir<strong>re</strong>n.<br />

Hier haben wir ein typisches psychologisches „Shortcut“, das sogar dann<br />

wirkt, wenn es erkannt wird. (Beispiel: Eingespielte „Lachkonserven“,<br />

die jeder für stö<strong>re</strong>nd/unpassend hält und die trotzdem zum Mitlachen<br />

<strong>re</strong>izen.)<br />

Das Prinzip g<strong>re</strong>ift umso wirksamer, je unkla<strong>re</strong>r/unsiche<strong>re</strong>r/mehrdeutiger<br />

eine Situation empfunden wird: Umso eher wird jeder die ande<strong>re</strong>n<br />

„Nachmachen“. Außerdem orientie<strong>re</strong>n sich alle Menschen an ih<strong>re</strong>sgleichen,<br />

Ähnlichkeit ist daher ein weite<strong>re</strong>r Verstärker:<br />

Berufe dich also bei weiblichen Patienten auf ande<strong>re</strong> Frauen, die „akzeptiert“<br />

haben. „Eigentlich alle Frauen in unse<strong>re</strong>r Praxis lassen eine Professionelle<br />

Zahn<strong>re</strong>inigung durchfüh<strong>re</strong>n.“, „Metallkeramik wird von den<br />

allermeisten Patienten bevorzugt…“<br />

In allen Lebenslagen sollten wir uns immer möglichst „groß“ machen,<br />

wenn wir unse<strong>re</strong>n Standpunkt gegen mögliche Widerstände entschlossen<br />

durchsetzen wollen.<br />

2. Kontrastprinzip<br />

Die gleiche Intensität wird unterschiedlich wahrgenommen, wenn zuvor<br />

unterschiedliche Vergleichserfahrungen geboten wurden. 3-Eimer-Versuch:<br />

Man taucht die Hand zuerst in heißes Wasser und empfi ndet danach<br />

lauwarmes Wasser als ext<strong>re</strong>m kalt. Dasselbe lauwarme Wasser fühlt<br />

sich aber heiß an, wenn man die Hand zuvor in Eiswasser getaucht hat.<br />

Das Kontrastprinzip ist besonders wirksam in allen Verkaufssituationen,<br />

wo über einen P<strong>re</strong>is gesprochen wird: Ein bestimmter P<strong>re</strong>is wird wesentlich<br />

niedriger empfunden, wenn zuvor eine höhe<strong>re</strong> Zahl präsentiert<br />

wurde. Grund<strong>re</strong>gel der Verkaufspsychologie ist daher: Zuerst immer den<br />

teu<strong>re</strong>n Artikel vorstellen.<br />

Einen bestimmten P<strong>re</strong>is vermittelt man also viel besser, wenn er kontrastie<strong>re</strong>nd<br />

mit einem wesentlich höhe<strong>re</strong>n P<strong>re</strong>is verglichen wird: Die PZR<br />

kostet etwa 100 Euro. Was gibt eine Frau im Jahr für den Friseur aus?<br />

Oder für Kosmetika? Was bezahlt ein Mann für einen Restaurantbesuch<br />

der Familie? Für ein beliebiges Hobby? Kostspieliger Zahnersatz verliert<br />

seinen fi nanziellen Sch<strong>re</strong>cken, wenn er in Beziehung gesetzt wird zu einem<br />

neuen Auto oder zu einer neuen Wohnzimmer-Einrichtung usw.<br />

Das Kontrastprinzip eignet sich besonders für P<strong>re</strong>isverhandlungen, aber<br />

auch bei beliebigen ande<strong>re</strong>n Intensitäten, die durch Kontrast abgeschwächt<br />

oder verstärkt werden können: „Tagtäglich brauchen zahllose<br />

Menschen eine Blinddarmoperation und das ohne Probleme, da ist eine<br />

Weisheitszahnentfernung harmlos dagegen.“<br />

Das Prinzip der sozialen Bewährtheit ist ähnlich wie das Kontrastprinzip<br />

in der zahnärztlichen Beratung fast immer einsetzbar.<br />

Mit diesem Basiswissen habt ihr be<strong>re</strong>its viele wichtige Informationen für<br />

eine erfolg<strong>re</strong>iche Patientenkommunikation. Im folgenden zweiten Teil<br />

stellen wir euch die <strong>re</strong>stlichen Punkte des „Werkzeug-Koffers“ vor, mit<br />

denen ihr dann besser motovie<strong>re</strong>n/überzeugen könnt. Bleibt gespannt!<br />

Das Literaturverzeichnis kann bei der <strong>re</strong>call Redaktion angefordert werden.<br />

Dr. med. Dr. med. dent. Bert L. Karl<br />

Zahnarzt und Arzt<br />

Nach Studium der Medizin und Zahnmedizin war er 30 Jah<strong>re</strong> hauptberufl<br />

ich in eigener Zahnarztpraxis tätig, mit Schwerpunkt Zahnersatz.<br />

Nebenberufl ich betrieb er eine allgemeinärztliche Privatpraxis. Zuletzt<br />

war er meh<strong>re</strong><strong>re</strong> Jah<strong>re</strong> zahnärztlicher Leiter einer großen zahnärztlichen<br />

Tagesklinik. Von 1997 bis 2020 Tätigkeit als KZV-Gutachter für Zahnersatz<br />

und PAR. Seit 2002 leitet er als Dozent vielfältige zahnärztliche<br />

Fortbildungssemina<strong>re</strong>, hauptsächlich zu Themen der wirtschaftlichen<br />

Praxisführung und zum Generalthema „Psychologie in der Zahnarztpraxis“:<br />

unter ande<strong>re</strong>m Patientenüberzeugung, die zahnärztliche<br />

Führungsperson, Angstpatienten, Konfl ikte im Praxisteam, Agg<strong>re</strong>ssion in<br />

der Zahnarztpraxis, Kommunikation und Körpersprache.<br />

E-Mail: drbkarl@t-online.de<br />

www.facebook.com/<strong>re</strong>callmagazin

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