21. September 2021
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<strong>21.</strong> <strong>September</strong> <strong>2021</strong> Fokus 11<br />
75 JAHRE BAND-GENOSSENSCHAFT IN BERN<br />
«Das Wichtigste: Man muss<br />
Menschen mögen!»<br />
In der Öffentlichkeit ist die<br />
Band-Genossenschaft wenig<br />
bekannt. Dabei leistet sie einen<br />
bedeutenden Beitrag in unserer<br />
Gesellschaft. Direktor Meinrad<br />
Ender liefert konkrete Beispiele.<br />
Meinrad Ender, Maschineningenieur<br />
HTL mit Nachdiplomstudium<br />
in Unternehmensführung,<br />
leitet die Band-Genossenschaft<br />
seit 2005. Ende dieses Jahres<br />
übergibt der bald 63-Jährige das<br />
Zepter einem Nachfolger und<br />
geht in «Frühpension», um seinen<br />
zahlreichen Hobbies zu frönen,<br />
«back to the roots, weniger<br />
kopflastig, mehr handwerklich»,<br />
wie er uns verrät. In unserem Interview<br />
ist nichts von Amtsmüdigkeit<br />
zu spüren, im Gegenteil:<br />
Das Feuer der Begeisterung für<br />
seinen vielseitigen Job lodert<br />
nach wie vor.<br />
Vor 17 Jahren kamen Sie als<br />
Quereinsteiger zur Band-Genossenschaft.<br />
Wie haben Sie sich in<br />
diese komplexe Materie eingearbeitet?<br />
Die wichtigste Voraussetzung für<br />
diese Arbeit ist, dass man Menschen<br />
gern hat. Ich stiess ja in eine<br />
seit Jahrzehnten bestehende, bewährte<br />
Struktur mit verschiedensten<br />
Mitarbeitenden in verschiedensten<br />
Funktionen. Ich durfte<br />
also auf viel Know-how zählen.<br />
Das Tagesgeschäft läuft auch ohne<br />
Direktor. Ich denke an unsere<br />
Gruppenleiterinnen und -leiter,<br />
welche mit unseren Mitarbeitenden<br />
Kundenaufträge ausführen.<br />
Was haben Sie erreicht, was<br />
nicht?<br />
Ich bin froh, dass wir die Zahl der<br />
Arbeits- und Ausbildungsplätze<br />
markant erhöhen konnten. Je<br />
mehr Menschen wir integrieren<br />
und beschäftigen können, desto<br />
besser. Ich lege viel Wert darauf,<br />
dass wir mit Wertschätzung und<br />
auf Augenhöhe miteinander umgehen.<br />
So haben wir beispielsweise<br />
heute nur noch ein Personalreglement,<br />
ungeachtet des psychischen<br />
oder physischen Zustandes,<br />
der Funktion oder hierarchischen<br />
Stellung. Wir sprechen lediglich<br />
von «Mitarbeitenden», ohne Differenzierung.<br />
Seit kurzem sind<br />
unsere Mitarbeitenden auch Ge-<br />
«Viele unserer Mitarbeitenden haben psychische Beeinträchtigungen. Das ist der<br />
gesellschaftliche ‹Zeitgeist›.» Band-Genossenschaft-Direktor Meinrad Ender<br />
Foto: Peter Widmer<br />
nossenschafter. Wem sollte die<br />
Genossenschaft denn gehören<br />
wenn nicht ihnen selbst? Bei der<br />
Mitbeteiligung der Mitarbeitenden<br />
bei konkreten Projekten sind<br />
wir allerdings noch nicht ganz da,<br />
wo ich gerne sein möchte.<br />
Mit welchen häufigsten Beeinträchtigungen<br />
kommen die Menschen<br />
zu Ihnen?<br />
Früher hatten wir einen grossen<br />
Anteil an geistigen Beeinträchtigungen.<br />
Von dort hat sich das Klischee<br />
hartnäckig gehalten «von<br />
Menschen, die in einer Werkstatt<br />
Kuverts kleben». Heute haben<br />
wir es am meisten mit psychischen<br />
Beeinträchtigungen zu tun,<br />
das ist der gesellschaftliche ‹Zeitgeist›.<br />
Diese Menschen können<br />
sehr intelligent sein, durchleben<br />
aber schwankende Phasen. So bilden<br />
wir beispielsweise Informatiklernende<br />
EFZ aus. Wichtig ist<br />
das Umfeld, worin sie sich entwickeln<br />
können.<br />
Welches sind die Kerntätigkeiten<br />
der Band-Genossenschaft?<br />
Ganz klar die Arbeitsintegration,<br />
getreu unserem Motto «Wir verbinden<br />
Mensch und Arbeit». Dabei<br />
mache ich keinen Unterschied<br />
zwischen externer Integration<br />
in einem Unternehmen<br />
und interner Integration bei uns.<br />
Hauptsache ist, dass der beeinträchtigte<br />
Mensch in der Arbeitswelt<br />
integriert ist, in einem seinem<br />
Potenzial entsprechenden<br />
Umfeld, egal, ob dies ein Arbeits-,<br />
Ausbildungs- oder Abklärungsplatz<br />
ist.<br />
BAND AUF EINEN BLICK<br />
· Privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen.<br />
· Setzt sich seit 75 Jahren für die Integration von Menschen mit gesundheitlicher<br />
oder sozialer Beeinträchtigung in die Arbeitswelt ein.<br />
· Band steht für erstklassige und marktfähige Leistungen mit sozialem<br />
und ökonomischem Mehrwert.<br />
· Mehr als 800 Menschen sind an drei Standorten in verschiedenen Bereichen<br />
tätig.<br />
· 330 Mitarbeitende an einem geschützten Arbeitsplatz.<br />
· Durchschnittlich 100 Klientinnen und Klienten in einer beruflichen<br />
Abklärung oder Wiedereingliederung.<br />
· Rund 150 Lernende in Ausbildung mit 150 Fachpersonen.<br />
BAND-GENOSSENSCHAFT<br />
Riedbachstrasse 9, 3027 Bern,<br />
031 990 01 01, info@band.ch<br />
band.ch<br />
Zurzeit sind unsere Auftragsbücher<br />
gefüllt. Sorgen bereitet uns<br />
gegenwärtig die Materialbeschaffung<br />
in den verschiedenen Sparten.<br />
Damit sind wir allerdings<br />
nicht allein. Unsere Herausforderungen<br />
decken sich immer mit<br />
den Herausforderungen der Gesellschaft<br />
und Wirtschaft.<br />
Ist es schwierig, beeinträchtigte<br />
Menschen im externen Arbeitsmarkt<br />
zu platzieren?<br />
Die Invalidenversicherung hat<br />
durch Früherfassung und Integrationsbemühungen<br />
viel erreicht,<br />
Menschen, die einmal<br />
durch ein Ereignis aus dem Arbeitsleben<br />
gerissen wurden, wieder<br />
zu integrieren. Bei Band arbeiten<br />
Menschen, wo es klar ist,<br />
dass sie im freien Arbeitsmarkt<br />
kaum eine Stelle finden werden.<br />
Da sind wir die richtige Arbeitgeberin.<br />
Bei den Ausbildungen hingegen<br />
gehen wir mit fast allen<br />
Lernenden, welche die Grundbildung<br />
abgeschlossen haben, in<br />
den ersten Arbeitsmarkt. Die<br />
derzeit tiefe Arbeitslosigkeit und<br />
der Fachkräftemangel erleichtern<br />
diesen Zugang.<br />
Sie sind noch gut drei Monate im<br />
Amt. Welchen Ratschlag geben<br />
Sie Ihrem Nachfolger mit auf den<br />
Weg?<br />
(Überlegt lange) Ich hoffe, dass er<br />
Menschen gern hat. Wenn dies<br />
der Fall ist, benötigt er keinen<br />
Ratschlag, dann ist er am richtigen<br />
Ort!<br />
Peter Widmer