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FINDORFF GLEICH NEBENAN Nr. 20

FINDORFF GLEICH NEBENAN ist das Stadtteilmagazin für Findorff und Bremen für Handel, Dienstleistung, Kultur & Politik

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q SUPERSUSE MAG WALZER. ABER OHNE MUSETTE.<br />

Das Akkordeon auf dem Sofa<br />

WARUM <strong>20</strong>22 GUT WIRD:<br />

A<br />

ls Kind wurde ich manchmal gefragt, was<br />

mein Vater von Beruf sei. »Kaufmännischer<br />

Angestellter«, log ich fröhlich. Denn alle<br />

Väter waren irgendwie kaufmännische Angestellte<br />

und ich wollte nicht aus der Reihe<br />

fallen. Ich glaube, keiner wusste, was das<br />

eigentlich für ein Beruf ist. Ich auch nicht.<br />

Mein Vater war Musiker und das ging gar<br />

nicht. Bei jeder Gelegenheit griff er zum Klavier oder<br />

zum Akkordeon (Quetschkommode nannte er es<br />

liebevoll). Wenn er nicht auf irgendwelchen<br />

Kreuzfahrtschiffen musizierte, brachte er<br />

fröhlich singend die Familie in Schwung,<br />

egal, ob sie wollte oder nicht. Vermutlich<br />

wurde ich schon in der Wiege beschallt,<br />

egal, ob ich wollte oder nicht. Meine<br />

Schwester wollte definitiv nicht, musste<br />

aber. Schon früh wurde sie zum Klavierunterricht<br />

gezwungen, musste sogar zum<br />

Vorspiel, während ich friedlich in der Wiege<br />

schlief. Ich kannte ja diese Geräuschkulisse.<br />

Weil sich meine große Schwester mit Händen und<br />

Füßen wehrte, hielt man von mir den Musikunterricht<br />

fern. Beim zweiten Kind stellt sich<br />

manchmal eine gewisse Resignation ein.<br />

Als mein Vater starb, vererbte er mir das Akkordeon<br />

– sein Schmuckstück, perlmuttglänzend, riesig groß und<br />

schwer. Der Koffer verstaubte im Keller, aber irgendwann entdeckte<br />

ich, dass Akkordeonmusik mehr ist als Shantygeschaukel<br />

bei Familienfesten. Den Durchbruch brachten zwei Ereignisse.<br />

Erstens ein Konzert in der Hamburger Fabrik, in das mich ein<br />

musikbegeisterter Freund schleppte: Internationale Akkordeongrößen<br />

gemeinsam auf der Bühne. Hmm. Und was sollte ich<br />

da ? Einfach mal hinhören, fand dieser Freund. Und ich muss<br />

gestehen, ich war bewegt, diese Musik hat mich einfach mitgerissen,<br />

zu Tränen gerührt. Ich weinte um meinen Vater, der mit<br />

seinem Schmuckstück um die Welt reisen durfte, statt Bilanzen<br />

zu wälzen (oder was immer so ein kaufmännischer Angestellter<br />

macht) und um meine arme Schwester, die niemals freiwillig in<br />

ein Akkordeonkonzert gehen würde.<br />

Zweites Ereignis: Eine Zirkusvorstellung im Hamburger<br />

Schanzenviertel. Akrobatik, tierfrei, cool. Alle BesucherInnen<br />

durften Lose ziehen, ich zog den Hauptgewinn: Ein Akkordeonkonzert<br />

in eben diesem Zirkuszelt für mich ALLEIN. Tage später<br />

saß ich auf der Tribüne, der Akkordeonist irgendwo unter<br />

der Kuppel und er spielte nur für mich. Schon wieder war ich zu<br />

Tränen gerührt. Zuhause holte ich mein Akkordeon raus. Keine<br />

Shanties, keine Musettewalzer. Nein, schöne Musik. Musik, die<br />

zu Tränen rührt, das war mein Ziel. Ich fand einen Akkordeonlehrer,<br />

der genau das vermitteln konnte. Wunderbar !<br />

<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | 34<br />

Leider hielt das Glück nicht lange an. Ich zog nach Bremen und<br />

fand: Eine Lehrerin, die es mit Musette-Walzer und Shanties<br />

versuchte. Ich gab auf und das Akkordeon landete im Keller,<br />

wo es Jahre später durch die Folgen des Findorffer Starkregens<br />

unbrauchbar wurde. Schon wieder Tränen. Und aus.<br />

Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Eines Tages bekam unsere<br />

Tochter leihweise ein E-Piano. Ich erinnerte mich vage an ein<br />

paar Akkordeonmelodien und spielte drauf los. Schräg<br />

und laut, aber egal, ich hatte ja Kopfhörer. Und<br />

suchte nach einem Klavierlehrer. Was soll ich<br />

sagen: Shanties waren nicht dabei (dafür<br />

braucht man definitiv ein Akkordeon),<br />

dafür aber Musette-Walzer.<br />

Auch meine Karriere als Pianistin<br />

endet früh, dafür darf mein Jüngster<br />

– ganz ohne Zwang – klimpern<br />

und zwar ohne Vorspiel und Pipapo.<br />

Schööööön !<br />

Die Geschichte ist immer noch nicht<br />

zu Ende: Neulich beim Chorwochenende<br />

holte eine Freundin ihr Akkordeon hervor<br />

und spielte einfach so einen Walzer. Kein<br />

Musette, kein Shanty. Fast hätte ich wieder<br />

geweint. Im Keller suchte ich nach meinen<br />

alten Noten und tauchte ab in meine musikalische<br />

Vergangenheit. Erinnerte mich an das perlmuttglänzende<br />

Papa-Akkordeon, an meine ersten Versuche, an den traurigen<br />

Anblick in unserem überschwemmten Keller. Ich ging zu meiner<br />

Nachbarin. Ich wusste: Sie hat das Akkordeon ihres Vaters (Vielleicht<br />

war der auch kaufmännischer Angestellter ?) und lieh mir<br />

das gute Stück.<br />

SUPERSUSE<br />

Die ersten Versuche waren nicht von Erfolg gekrönt, sämtliche<br />

Erinnerungen an Bässe und Griffe waren einfach weg. Nun<br />

steht es hier auf dem Sofa und ich bin ratlos. Woher bekomme<br />

ich einen Akkordeonlehrer, der nicht Musette oder Shanties …<br />

Ich glaube, ich bring‘ es zurück.<br />

q ÜBER SUSE LÜBKER<br />

Suse »Supersuse« Lübker lebt mit Kindern und Ehemann im<br />

schönen Findorff. Die freiberufliche Texterin und Trainerin<br />

konzipiert, schreibt und redigiert Texte für Verlage, Vereine,<br />

Verbände und Soloselbstständige, online und offline. Zudem<br />

veranstaltet sie Kommunikations- und Schreibworkshops. <strong>20</strong>15<br />

erschien ihr Buch »Das Bremer Kinderlexikon. Von Achterdiek<br />

bis Ziegenmarkt« – für alle kleinen und großen BremerInnen,<br />

die Lust haben, ihre Stadt (neu) zu entdecken. In ihrem Blog<br />

berichtet sie über Alltagsabenteuer und gibt Tipps zum Thema<br />

Zeitmanagement. Der Blog auf www.suseluebker.de/blog<br />

Text: Suse Lübker, Illustration: Rainer Pleyer ▲<br />

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Text & Gestaltung: www.raetsch.de, Foto: © Roman Samborskyi, www.shutterstock.com

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