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The Red Bulletin DE

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Rallye Dakar<br />

und ich ihn auffordere, für die letzten<br />

70, 80 Kilometer besonders achtzugeben.<br />

Konzentriert zu fahren, keinen<br />

Reifenschaden zu riskieren. Ich drücke<br />

quasi auf den Reset-Knopf und signalisiere<br />

ihm, dass der Tag gerade neu<br />

begonnen hat. Dakar ist kein Rennen, es<br />

ist ein Abenteuer. Zuallererst geht es ums<br />

Durchkommen. Je weniger Probleme du<br />

unterwegs hast, desto weiter vorne wirst<br />

du sein.<br />

Bei Problemen: Wer wirft zuerst die<br />

Nerven weg?<br />

Wir hatten bei der letzten Dakar leider<br />

viele technische Probleme, die in diesem<br />

Jahr hoffentlich aussortiert sein sollten.<br />

Nach jeder schlechten Zeit kommt eine<br />

gute. Wir verlieren als Team, und wir gewinnen<br />

als Team. Nerven wegschmeißen<br />

bringt nix.<br />

Als voriges Jahr, in Führung liegend,<br />

bei euch das Getriebe eingegangen ist:<br />

Was habt ihr gemacht?<br />

Geweint (lacht). Wir hatten gerade<br />

unseren härtesten Gegner überholt, der<br />

mit einem Reifenschaden in der Wüste<br />

stand. Zehn Kilometer später gab es<br />

einen riesigen Knall im Fahrzeug, und<br />

wir standen. Der Traum war geplatzt.<br />

Nach der ersten Frustration haben wir<br />

uns daran gemacht, alles vorzubereiten,<br />

bis der Lkw kam, der uns abschleppte.<br />

Wie waren 14 Stunden hinterm Lkw?<br />

Schweigsam. Trotzdem haben wir uns<br />

auf den nächsten Tag vorbereitet und<br />

unsere Ziele neu definiert. Der Druck<br />

des Gesamtsieges war weg. In dieser<br />

Nacht hatten wir zwei Stunden Schlaf.<br />

Wir starteten dann ganz hinten, mitten<br />

in den Staubfahnen der anderen. Es war<br />

eine wunderschöne Etappe mit Steinformationen<br />

wie Pilzen. Wir konnten das<br />

wirklich genießen. Am Tag darauf haben<br />

wir beschlossen, volle Attacke zu gehen.<br />

Es war die härteste Etappe der Rallye,<br />

und wir haben sie überlegen gewonnen.<br />

„Wir haben die<br />

härteste Etappe<br />

überlegen gewon nen.<br />

Das war psychologisch<br />

wichtig.“<br />

Das war psychologisch wichtig: Wir<br />

können es, wir sind die Schnellsten,<br />

auch wenn wir in der Gesamtwertung<br />

nirgendwo liegen.<br />

Spürt man als Beifahrer, wenn der<br />

Fahrer im Flow ist?<br />

Du bist gemeinsam im Flow, als Team.<br />

Ja, das spürst du. Im Auto herrscht eine<br />

innere Ruhe. Jede Ansage von mir, jede<br />

Bewegung von Seth sitzt. Härter ist es,<br />

wenn du spürst, dass wenig zusammenpasst.<br />

An diesen Tagen wenig Fehler<br />

zu machen ist oft entscheidender, als es<br />

an den guten Tagen fliegen zu lassen.<br />

Welche Sorte von Tag es wird, spüre ich<br />

schon auf den ersten Metern.<br />

Sagen wir, dir unterläuft ein Fehler,<br />

und ihr habt euch um fünf Kilometer<br />

verirrt …<br />

Dann musst du ruhig bleiben. Schauen,<br />

wo der Fehler passiert ist und wie wir<br />

wieder auf die richtige Route zurückkommen,<br />

ohne zu viel Zeit liegen zu<br />

lassen. Panik bringt da gar nix. Positiv<br />

bleiben, weitermachen.<br />

Wie reagiert Seth da?<br />

Der bleibt ganz cool. Rallye Raid ist<br />

ein klassischer Teamsport. Mal macht<br />

der eine einen Fehler, mal der andere.<br />

Wir gewinnen und verlieren als Team.<br />

Vorwürfe wären kontraproduktiv. In der<br />

Rallye heißt es: Der Fahrer gewinnt, der<br />

Beifahrer verliert. Im Rallye Raid ist klar,<br />

dass vier Augen mehr sehen als zwei.<br />

Im Unterschied zu den Motorradfahrern,<br />

die bei der Dakar als Erste<br />

starten und sich in der unverspurten<br />

Wüste zurechtfinden müssen, ist euer<br />

Problem wohl eher die Vielzahl an<br />

Fährten. Wie unterscheidet man die<br />

guten von den weniger guten?<br />

Zu 80 Prozent stimmen die Spuren.<br />

Zu 20 Prozent musst du hart an der<br />

Navi gation bleiben und dich auf das<br />

verlassen, was im Aufschrieb steht. Gerade<br />

wenn wir hinter den Lkw starten,<br />

wird es schwierig, weil die über alles<br />

drüber fahren und der Sand völlig zerwühlt<br />

ist. Die Navigation ist eher dort<br />

ein <strong>The</strong>ma, wo es weniger Reifenspuren<br />

gibt, zum Beispiel im Geröll.<br />

ARIEL WOJCIECHOWSKI/RED BULL CONTENT POOL<br />

66 THE RED BULLETIN

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