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Erfahrungsbericht - Akademisches Auslandsamt - Universität ...

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Name: Hannelore Demmeler<br />

Austauschjahr: 2008-09<br />

Gastuniversität: University of the Philippines<br />

Stadt: Quezon City<br />

Land: Philippinen<br />

<strong>Erfahrungsbericht</strong><br />

Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht, kann aber im<br />

Akademischen <strong>Auslandsamt</strong> erfragt werden.<br />

Mein Vorhaben<br />

Meine Neugier eine Kultur vor Ort zu erleben und neu kennenzulernen sowie meine philippinischen<br />

Wurzeln brachten mich dazu ein Auslandssemester auf den Philippinen zu verbringen. Meine<br />

Vorbereitungen begannen bereits im März 2008, als ich mich zunächst über Bewerbungsmodalitäten und<br />

<strong>Universität</strong>en im Raum Manila informierte. Meine Wahl fiel bald auf die renommierte University of the<br />

Philippines, Diliman, in Quezon City. Als die große Staatsschule in Manila folgt sie – im Gegensatz zu<br />

den teuren Privatschulen – der Philosophie: Freie Bildung für alle, die klug und fleißig sind.<br />

Unterstützung bei der Bewerbung erhielt ich besonders von Frau Colonel, selbst Absolventin der UP<br />

Diliman und gleichzeitig Studentin an der <strong>Universität</strong> Augsburg als auch von Frau Belle Nabor aus dem<br />

Office of Extension Coordination der UP Diliman selbst.<br />

Meine Ziele waren neben dem Kennenlernen einer Kultur, die sehr verschieden zu der unseren ist, meine<br />

englische Sprachpraxis zu verbessern und meine akademische Bildung durch ein neues Lehr-Lernsystem<br />

und neue Kurse zu bereichern.<br />

Die <strong>Universität</strong> und die Kommunikationsfakultät<br />

Die <strong>Universität</strong> wurde 1908 gegründet und feierte somit im letzten Jahr ihr einhundertjähriges Bestehen.<br />

Seit 2005 ist Dr. Sergio S. Cao Kanzler der UP, die in 26 Fakultäten über 23 000 Studenten beherbergt1. Die <strong>Universität</strong> gleicht mit einer Ausbreitung von 493 Hektar (also einer Fläche die etwa 700<br />

Fußballfeldern entspricht) einer kleinen Stadt und grünen Lunge im Moloch Metro Manilas. Alle<br />

ungenutzten Flächen bestehen aus Graslandschaft, die Straßen sind umgeben von Bäumen und in den<br />

äußeren Bereichen wohnen Leute, die weder <strong>Universität</strong>spersonal noch Studenten sind (oftmals aber<br />

ihren Unterhalt als Verkäufer auf dem Campus verdienen). Da die <strong>Universität</strong> im Gegensatz zu den<br />

privaten <strong>Universität</strong>en für jeden zugänglich ist, stellen manche Filipinos ihre Sicherheit in Frage. Ich habe<br />

1 Übersicht über alle Studienfächer: http://www.upd.edu.ph/acad2.htm<br />

1


mich jedoch niemals unsicher oder bedroht gefühlt vor allem, da jede Fakultät von einem Wachmann<br />

kontrolliert wird.<br />

Der komplette Campus gruppiert sich um eine Ringallee in der Mitte, dem academic oval. Dort findet<br />

man auch das Wahrzeichen, die Oblation-Statue, die wichtigsten Fakultäten sowie die meisten<br />

Verwaltungsbüros. So befindet sich das Büro von Frau Nabor in Quezon Hall, direkt hinter dem<br />

Oblation.)<br />

Außerdem befindet sich ein Shoppingcenter mit diversen Copyshops, Internetcafes, Imbissbuden und<br />

einem Supermarkt auf dem Campus. Genauso findet man zahlreiche Sportstätten, Restaurants und Cafés<br />

mit W-Lan Anbindung. Fast jede Fakultät verfügt über eine eigene Kantine deren Größe sich nach der<br />

Studentenanzahl richtet. Für den kleinen Hunger verkaufen Straßenverkäufer und Imbissbuden entlang<br />

des Ovals philippinische Spezialitäten wie frittierte Eier und Fischbällchen, gegrillte Innereien, Tofu mit<br />

Taro, Mais mit Käse, Pan de Sal und vieles mehr.<br />

Um die teilweise recht weiten Strecken zurückzulegen können die Studenten auf ein Netz aus Uni-<br />

Jeepneys zurückgreifen. Es gibt eine Route die im Kreis das ganze Unigelände abfährt, eine Route<br />

Richtung Südost und drei Routen nach Westen zu weitern Umschlagsplätzen für öffentliche<br />

Verkehrsmittel und Einkaufsmöglichkeiten.<br />

Ich selbst habe am College of Masscommunication (CMC) studiert, das sich nur wenige Meter vom<br />

<strong>Auslandsamt</strong> entfernt befindet. Dort gibt es vier Studienrichtungen (Broadcast, Journalism, Film und<br />

Media Research) für die jedes Jahr zusammen etwa 80 Studenten zugelassen werden. Zum CMC gehört<br />

auch das benachbarte UP Filminstitute in dem regelmäßig internationale und nationale Filme gezeigt<br />

werden, wie zum Beispiel die Premiere von „Kinatay“ für den Brilliante Mendoza bei den<br />

Filmfestspielen in Cannes als bester Regisseur ausgezeichnet wurde. Da die öffentliche Aufführung von<br />

der Regierung zunächst verboten wurde, bekamen wir Studenten auch gleichzeitig Einblick in die<br />

politischen Diskussionen um Zensur und Freiheit der Bildung. 2<br />

In der nächsten Zeit soll das CMC zumindest teilweise in das neugebaute Media Center umziehen. Dort<br />

gibt es größere Büros für die Professoren, mehr Seminarräume und neue Produktionsräume. Die Aula<br />

wird bereits benutzt, so habe ich mir zum Beispiel Vorträge einer der bekanntesten<br />

Nachrichtenmoderatorin, Karen Davila von TVPatrol World, und eines Dokumentarfilmers angehört.<br />

Einschreibung und Kurse<br />

Ich habe mich im akademischen Jahr 2009 für das erste Semester eingeschrieben, das bedeutete<br />

Präsenzsitzungen von Mitte Juni bis Mitte Oktober mit anschließender Examenszeit. Als ausländische<br />

Studentin und somit Cross-Registrant hatte ich die Freiheit aus allen Fächern der <strong>Universität</strong> frei zu<br />

wählen. Mein Vorhaben einige interkulturelle Kurse zu belegen musste ich leider bald aufgeben, da nicht<br />

alle Kurse aus dem Katalog der <strong>Universität</strong> jedes Semester bzw. Jahr angeboten werden. Hinzu kommt,<br />

dass der Katalog auch insgesamt veraltet, da er nur alle sieben Jahre erneuert wird.<br />

2 Artikel im Manila Bulletin: http://www.mb.com.ph/articles/215630/film‐fight<br />

2


Überrascht war ich auch, dass ausländischen Studenten nahegelegt wird nicht mehr als 12 Units zu<br />

belegen (was etwa vier Kursen entspricht). Ich konnte und wollte mich jedoch nicht auf diese 12 Units<br />

beschränken und habe insgesamt sechs Kurse und damit 18 Units belegt. Darunter zwei Masterkurse<br />

und einen Filipinokurs, um die einheimische Sprache zu lernen. Die Kurse an sich werden jedoch alle auf<br />

Englisch gelehrt, da das die offizielle Bürosprache ist.<br />

Die Einschreibung auf den Philippinen verläuft komplett analog. Das heißt man muss sich bei jedem der<br />

jeweiligen Lehrstühle anstellen um zu erfahren, ob es noch Plätze in dem gewünschten Kurs gibt und um<br />

sich dort einzuschreiben. Beim Media Research Lehrstuhl habe ich dann erfahren, dass mein<br />

Wunschkurs doch nicht mehr angeboten wird, daher bin ich am Ende zwischen sechs Lehrstühlen hin<br />

und her gewandert, um mich anzustellen, einzuschreiben und umzuschreiben.<br />

Mit den Unterschriften aller Lehrstühle geht man dann zum <strong>Auslandsamt</strong> das die Bestätigung vom<br />

Office of Registration einholt. Nun erfährt man was man an Tuition Fees bezahlen muss3 und muss diese<br />

Geld in bar zur Uni bringen. Im Nachhinein ist es verwunderlich, dass ich keinen Fall kenne, bei dem<br />

Studenten um ihre Studiengebühren erleichtert wurden und das in einer Großstadt die für Taschendiebe<br />

bekannt ist, denn die Einschreibungszeiten sind bekannt und betragen nur wenige Tage.<br />

Am Ende habe ich zwei Journalismuskurse besucht und zwar Business Communication sowie Public<br />

Relations, einen Performance and Speech Kurs am Department of Broadcast, einen Experimentalfilmkurs<br />

der zum Masterprogramm Film gehört, einen Masterkurs über Conflict Studies der als allgemeiner<br />

Medienkurs verortet ist und den Filipinokurs am College of Arts and Letters.<br />

Unterschiede im Unterricht<br />

Generell besteht wohl der größte Unterschied zwischen den Dozenten und der Lehrmethoden im<br />

Praxisanteil. Während in Deutschland universitäre Bildung gleichgesetzt ist mit akademischer Bildung<br />

sieht die UP ihren Lehrauftrag weit praxisbezogener. Viele Professoren kommen oder kamen selbst aus<br />

der Praxis, das ist also eher mit einer FH zu vergleichen. So hat meine PR-Professorin Tessa Jazmines ihre<br />

eigene PR-Agentur, Professor Rene Guioguio ist ein renommierter Berater und arbeitet u.a. für das rote<br />

Kreuz, Professor Anne de Guzman ist eine honorierte Filmemacherin, Professor Roehl Jamon war<br />

Produzent der einer der größten Nachrichtensendungen und Ms. Jane Vinculado ist freiberufliche<br />

Produzentin. Und so verstehen sich auch die Dozenten als Trainer von „Skills“ 4, damit die Studenten für<br />

ihren späteren Beruf mit den passenden Fähigkeiten ausgestattet sind. Dadurch verkürzt sich zwar die<br />

fachliche „Ausbildung“ in der späteren Firma, es wird aber auch weniger überfachliches Problemlösen<br />

und kritische Betrachtung vermittelt. Für mich als deutschen Studenten war das praxisorientierte Lehren<br />

3 In meinem Fall waren das 20 Dollar Bewerbungsgebühren, 500 Dollar Mastergebühren, jeweils 1000 Pesos pro<br />

Unit (also 18 000 Pesos Kursgebühren) und Zusatzgebühren für Kurse für die man die Ausstattung der Uni in<br />

Anspruch nimmt, wie z.B. das Fernsehstudio.<br />

4 So war der Kommentar einer meiner Dozentinnen, als wir genau über diese Unterschiede gesprochen haben:<br />

„We’re teaching skills, but I’ve heard already that you’re talking and analyzing a lot in Europe.“ Die gleiche<br />

Dozentin, die ihre Klasse ziemlich erfolgreich zum pünktlich kommen verpflichtet hat, schließlich sei das eine<br />

Produktionsklasse und wenn ihr später mal beim Fernsehen arbeiten solltet und eine halbe Stunde zu spät kämt,<br />

dann wärt ihr schon ersetzt worden.<br />

3


demnach aber eine gute Ergänzung zu meinem Medien und Kommunikationsstudium in Augsburg, das<br />

obwohl es schon lange als Bachelor und Master besteht, viel akademische Bildung beinhaltet.<br />

Ein weiterer Unterschied begleitet den ersten, er besteht in der Organisation der Lehrer. Wesentlich<br />

verschulter als in Deutschland muss man in der UP jede oder jede zweite Woche etwas produzieren, das<br />

kann in Form eines Essays, eines Projekts oder einer Klausur geschehen. Hier liegt auch wahrscheinlich<br />

der Grund für die Empfehlung nicht mehr als 12 Units zu belegen. Andere ausländische Studenten, die<br />

vor allem Klausuren schreiben und damit sehr viel auswendig lernen mussten, haben mir erzählt, dass<br />

dann sogar diese 12 Units schwer machbar sind.<br />

Weiterhin ist auch das Verhältnis von Dozenten und Studenten anders als in Deutschland, was einfach<br />

an der Mentalität und daran liegt, dass viele Projekte gemeinsam realisiert werden. Man spricht ältere<br />

und höher gestellte Personen zwar äußerst höflich an (im Fall von Professoren Sir und Ma’am), das<br />

Verhältnis ist dennoch enger. Professoren sind schon im Facebook und geben teilweise ihre<br />

Hausaufgaben dort bekannt, man spricht sie oft mit Vornamen (z.B. Ma’am Tessa) und erzählt sich<br />

persönliche Dinge. Daher ist es auch für philippinische Absolventen auch leichter in der Wirtschaft Fuß<br />

zu fassen, sie können ihre ersten Kontakte schon in der <strong>Universität</strong> knüpfen.<br />

Besonders den Business Communication Kurs und den Performance and Speech Kurs habe ich belegt<br />

um an meinem English zu feilen und wurde dabei nicht enttäuscht. Manche mögen Business<br />

Communication in Form von Bürokorrespondenz als trivial betrachten. Aber ich muss meinem<br />

philippinischen Professor zustimmen, der uns in der ersten Stunde eine Studie vorlegte, nach der die<br />

meistgeforderte Qualifikation lesen und schreiben war, die aber bei weitem nicht von allen beherrscht<br />

wird, auch wenn das viele glauben. Da ich Englisch nicht als Muttersprache gelernt habe, konnte ich<br />

zudem noch an den Feinheiten feilen. Und so schrieben wir jede Woche Briefe, Anfragen, Absagen,<br />

Memos und Berichte an Hand von Beispielen aus der Alltagswelt. Für die Zwischenprüfung sollten wir<br />

uns eine echte soziale Organisation suchen, diese interviewen und einen Bericht sowie Kurzpräsentation<br />

über diese halten mit dem Ziel die Stiftung der Metrobank davon zu überzeugen, dass sie genau diese<br />

Organisation fördert. Die Hausarbeit, wenn man so will, bestand aus einem Kommunikations- und<br />

Marketingplan für eine soziale Organisation, die er uns vorgegeben hatte.<br />

Um den Performance and Speech Kurs zu bestehen mussten wir individuell, in Gruppen und als Klasse<br />

diverse Film- und Fernsehproduktionsgenres übernehmen. Innerhalb der von vier Monaten haben wir<br />

eine englische und einen philippinische Nachrichtensendung, ein Interview und eine Varietyshow live<br />

aufgezeichnet, haben ein Musikvideo gedreht und einen abendfüllenden Spielfilm produziert. Dabei<br />

habe ich gelernt, wie belastbar ich selbst bin, wenn tags zuvor noch die ganze Show auf den Kopf gestellt<br />

wird, der Regisseur noch fehlt und ich morgens um fünf mit vier Stunden schlaf aufstehe, komplett<br />

Schminke und diesmal das Taxi anstatt des Jeepneys nehme. Oder ich beim Overnight-Shooting für den<br />

Spielfilm von Freitags sieben Uhr am Morgen bis Samstag zwei Uhr am Nachmittag vor und hinter der<br />

Kamera stehe, nur unterbrochen von drei Stunden Schlaf auf den Küchentischstühlen und einer Dusche<br />

am Morgen. Und ich aber aus voller Überzeugung den Kurs jederzeit wieder nehmen würde, weil es der<br />

Kurs ist bei dem wir als Klasse am meisten zusammen gewachsen sind und ich selten so kompetente<br />

Anleitung mit echten Szenarien erlebt habe.<br />

4


Im Public Relations Kurs habe ich einen Amerikaner getroffen, somit wurden ich noch mehr als<br />

Ausländer wahrgenommen, was sein gutes hatte, weil die Professorin öfters auf Filipino zurückgegriffen<br />

hat, um ihren Studenten etwas klar zu machen, als andere. Das kann aber auch daran liegen, dass die<br />

Studenten in diesem Kurs meine jüngsten Kommilitonen waren5. Die Professorin begann daher ihren<br />

Kurs auch bei den Grundlagen, stieg aber schon bald in aktuelle Themen und Anwendungen ein. Kann<br />

man diesen (und den Conflict Studies Kurs) noch am ehesten mit einem deutschen Seminar vergleichen.<br />

Neben dem theoretischen Input zusammen mit Kurztest, Take-Home-Quizzes, Position-Papers und<br />

journalistischen (Blog-)Artikeln, war die ehrenamtliche Tätigkeit Teil des Kurses. Sie gab uns Studenten<br />

die Möglichkeit sie bei ihrer Arbeit zu begleiten indem wir an mindestens sieben Terminen zur<br />

<strong>Universität</strong>sbasketballmeisterschaft kommen sollten. Dafür bekamen wir Mediapässe für die Arenen und<br />

kleinere Aufgaben während der Spiele. Nach der großen Flut6 hat sie unser Finalexam kurzerhand in<br />

ehrenamtliche Tätigkeit für die Flutopfer umgewandelt, was uns ein bisschen mehr Arbeit, aber ein sehr<br />

gutes Gefühl gab. Das zeigte wiederum die große Solidarität zwischen den Filipinos.<br />

An der UP Filminstitute habe ich den Masterkurs Experimental Film besucht. Wie erwartet war der Kurs<br />

wesentlich kreativer ausgelegt als „normale“ Kurse im wissenschaftlichen Bereich. Da unsere Professorin<br />

selbst Filmemacherin ist, ist sie das Thema von vorneherein künstlerisch und nicht analytisch<br />

angegangen. Sie hat uns Klassiker aus dem Bereich Experimentalfilm gezeigt, ihre Lieblingsfilme und<br />

uns ihre grundsätzlichen Anforderungen an das Genre erklärt. Danach lies sie uns komplett freie Hand<br />

um unseren eigenen Experimentalfilm zu produzieren. Sie hat uns aber im Prozess begleitet und uns<br />

immer wieder Anregungen gegeben, wie wir unsere Filme verbessern können. 7<br />

Im Masterkurs Conflict Studies haben wir uns einen Überblick über Konflikte in verschiedenen<br />

gesellschaftlichen Bereichen verschafft. Die Organisation dieses Kurses kann man am ehesten mit der<br />

klassischen Organisation eines Seminars vergleichen. Unser Professor gab uns einen groben Einblick in<br />

das Thema Konflikt, Gewalt und Frieden im Allgemeinen und lies uns dann eigene Referate zu den<br />

Überthemen Konflikt in der Geschichte, Religion, Menschenrechte sowie Medien und Journalismus<br />

erarbeiten. Dabei legte er großen Wert auf die anschließende Diskussion. Da man aber auch hier bei der<br />

Wahl der Abschlussarbeit sehr frei war, konnte man sich seinen Schwerpunkt auf ein bestimmtes<br />

Medienprodukt selbst wählen, so dass ich mich auf Ethik in der Werbung konzentriert habe. Zum<br />

klassischen Referat und Hausarbeit kamen aber Positionpapers hinzu, in denen wir unsere Meinung zu<br />

wissenschaftlichen Modellen oder aktuellen Diskussionen darlegen sollten.<br />

5 Auf den Philippinen beginnt man mit etwa 16 Jahren mit dem Studium und hat mit 19/20 Jahren seinen<br />

Bachelorabschluss. Dafür sind die Masterstudenten um die 30 Jahre, weil sie erst arbeiten und dann neben der<br />

Arbeit noch wieder zu studieren anfangen.<br />

6 http://www.typhoonondoy.org/<br />

7 Im Gegensatz zu den Filmseminaren an der Uni Augsburg, wo man im Vorfeld sehr viel Input über Geschichte<br />

und Genres, aber auch über das Handwerkszeug erhält. Dafür reicht am Ende des Semesters die Zeit nicht mehr für<br />

eine Zwischensichtung, man erhält als Feedback also nur die Note und möglicherweise eine Endbesprechung.<br />

5


Ein Kurs, denn ich aus Interesse belegt habe und der mir weniger für mein Studium direkt bringt, war<br />

der Filipino Kurs. Ich wollte unbedingt die einheimische Sprache 8 lernen, um tieferen Einblick in die<br />

Kultur zu erlangen. Während meines Aufenthaltes kam dazu noch ein viel praktischerer Nutzen, da die<br />

Studenten im Alltag und zur Diskussion untereinander Filipino reden, kann man den Geschehnissen viel<br />

besser folgen (und wenn es nur die Anweisung ist „Schieb die Kamera ein bisschen nach rechts“ oder der<br />

Plan „Wir gehen jetzt in zum Essen“). Im Kurs selbst waren wir Ausländer unter uns. Aber da es kaum<br />

Interessenten gab 9, unterschied sich das Niveau sehr. Es gab Studenten unter uns, die Filipino oder<br />

Tagalog als Hauptfach studieren genauso wie blutige Anfänger. Leider kam unsere Dozentin mit den<br />

unterschiedlichen Niveaus nicht zurecht, setzte das Niveau erst zu hoch an, hielt zuviel Frontalunterricht<br />

und hatte leider auch sonst Schwächen bei der Erklärung der Grammatik. So haben wir uns die<br />

Grammatik selbst erklären müssen oder haben befreundete Filipinos gefragt. Da die Studenten selbst<br />

leicht auf Englisch wechseln können und zudem Taglish, eine Mixtur aus Tagalog und Englisch<br />

verwenden, war das aber nicht existentiell. Also haben wir leider nicht so viel gelernt wie wir gerne<br />

hätten, es reicht aber für die öffentlichen Verkehrsmittel, Einkaufen und um einfachen Dialogen zu<br />

folgen.<br />

Wohnen<br />

Die meisten Studenten wohnen in den zahlreichen Wohnheimen auf dem Campus. Für ausländische<br />

Studenten gibt es vor allem das International Center. Die Atmosphäre dort ist sehr kameradschaftlich<br />

und hilfsbereit, jedoch ist schon seit Jahren eine Renovierung fällig und man teilt man sich das Zimmer<br />

und das Badzimmer wird per Flügel gemeinsam benutzt.<br />

Daher suchen sich die meisten Studenten aus Europa, Australien und Amerika ein privates Zimmer<br />

außerhalb der <strong>Universität</strong>. Da Wohngemeinschaften nicht üblich sind, bedeutet das europäische Preise<br />

für eine Ein-Zimmer-Wohnung (ab 230 Euro). Dafür sind die Wohnungen in sogenannten<br />

Condominiums untergebracht mit Guard vor der Tür und Rezeption.<br />

Kulturelles Leben<br />

8 Genauer muss man eigentlich sagen, die erste Amtssprache (vor Englisch). Denn Filipino ist die lockere<br />

Umsetzung von Tagalog, dem Dialekt in der Region um Manila. Daneben gibt es noch etliche weiter<br />

Hauptsprachen in den „Bundesländern“ und an die 200 daraus abgeleitete Dialekte. Das Tagalog Grundlage für die<br />

Amtssprache wurde, liegt einfach an der Nähe zur Hauptstadt und der damit verbundenen hohen Anzahl von<br />

Menschen, die es sprechen. Zusammenfassend bedeutet das auch, dass Filipinos, die in der Provinz geboren<br />

wurden dreisprachig aufwachsen (Dialekt als Muttersprache und Filipino sowie Englisch durch die Schule).<br />

http://www.robinson‐im‐netz.de/Info/Land_und_Leute‐p‐3/Philippinen/Sprache‐p‐740.html sowie<br />

http://www.auswaertiges‐amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01‐Laender/Philippinen.html<br />

9 Das liegt zum einen daran, dass Studenten sich nicht noch mehr Arbeit auferlegen möchten oder nicht noch mehr<br />

Studiengebühren aufbringen können. Zum anderen daran, dass die Mehrheit der (v.a. asiatischen)<br />

Austauschstudenten zum Englischlernen in die Philippinen gekommen waren.<br />

6


Das Leben auf den Philippinen ist sehr stark von der kolonialen Geschichte geprägt. Die Einflüsse aus<br />

Spanien und Amerika sind dabei am stärksten zu spüren. 10 Über dreihundert Jahre war Spanien<br />

Kolonialmacht auf den Philippinen, bis sich innerhalb der Aristokratie der „Ilustrados“ eine<br />

Revolutionsbewegung formte. Wichtigster Verfechter einer friedlichen Revolution war der Schriftsteller<br />

und Arzt Dr. José Rizal11, der große Teile seiner Ausbildung in Europa verbrachte. Zurück auf den<br />

Philippinen wurde er auf Grund seiner Bemühungen mehrmals verhaftet und 1986 hingerichtet, obwohl<br />

er nicht zu der gewalttätigen Revolutionsbewegung gehörte. Diese erreichte am 12. Juni 1898 schließlich<br />

mit der Unterstützung von Amerika die Unabhängigkeit von Spanien. Doch anstatt die Philippinen sich<br />

selbst regieren zu lassen, erhob sich Amerika zur nächsten Kolonialmacht. Erst am 4. Juli 1946 entließ<br />

Amerika die Philippinen in die offizielle Unabhängigkeit – blieb jedoch weiterhin politischer Berater bis<br />

mindestens 1970.<br />

Durch diese lang anhaltende Kolonialisierung sind die Philippinen kaum in der Lage sich aus<br />

Abhängigkeiten zu befreien. Seit jeher exportieren sie Rohstoffe und importieren teurere Fertigprodukte<br />

(aus Amerika). Obwohl Reis das Hauptnahrungsmittel ist, sind sie abhängig vom Weltmarkt. 12<br />

Auf politischer und kultureller Ebene herrscht seit über 500 Jahren die gleiche Schicht (Principalia). Die<br />

Clanführer, die durch die Spanier zu Bürgermeistern und Gouverneuren wurden. Im Grunde kann man<br />

die Oberschicht auf die sieben reichsten Familien zurückführen, sie besitzen über 90% des Reichtums<br />

und der Wirtschaft der Philippinen und besetzen fast ausschließlich die hohen Posten in Wirtschaft und<br />

Politik. So gut wie jede Person des öffentlichen Lebens entstammt einer bereits bekannten Familie.<br />

Dagegen leben über 30% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. 13<br />

Auf Grund dieser krassen Unterschiede regiert Korruption den Staatsapparat. Mit Magic 500 besticht<br />

man den Polizisten bei kleineren Delikten, um offizielle Dokumente zu erhalten sollte man die „Express<br />

Fee“ zahlen.<br />

Aus der Geschichte wird auch klar, warum die Philippinen das einzige Land in Asien ist, dessen<br />

Hauptreligion der Katholizismus ist, warum Spanisch Amtssprache war und Englisch es bis heute ist.<br />

Erstaunlich dabei ist jedoch, dass die Filipinos weder Groll gegen die strengen Spanier, die grausamen<br />

Japaner oder die ungerechten Amerikaner hegen. Amerika wird sogar als immerwährendes Vorbild<br />

zelebriert, man liebt amerikanisches Essen (Fastfood), trägt amerikanische Marken (als chinesisches<br />

Imitat) und himmelt amerikanische Popkultur an (Musik, Film und Fernsehen). Gleichzeitig fehlt in<br />

keinem Haushalt der Rosenkranz und das Bild vom letzten Abendmahl. Aber genau diese Mischung lies<br />

zwar eine wenig effektive, aber eine entspannte, soziale und besonders gastfreundliche Kultur entstehen.<br />

10 Es gab noch kurze Besatzungszeiten unter Großbritannien und Japan.<br />

11 Sein bekanntestes Werk „Noli me tangere“ behandelt genau den spanischen Kolonialismus.<br />

12 http://www.sueddeutsche.de/politik/392/438136/text/<br />

13 http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,312665,00.html sowie<br />

http://www.diebuntewelt.de/manila2.htm. Ein aktuelles Beispiel, die noch amtierende Präsidentin Arroyo ist<br />

Tochter des ehemaligen Präsidenten Macapagal. Der stärkste Kandidat für die Wahl 2010 Noynoy Aquino ist Sohn<br />

der ehemaligen Präsidentin Aquino, Mar Roxas sein Kandidat für den Vizepräsidenten Enkel des ehemaligen<br />

Präsidenten Roxas. Seine Schwester Kris Aquino ist eine der bekanntesten Fernsehmoderatorinnen und<br />

Schauspielerin.<br />

7


Innerhalb Metro Manilas verbringen die meisten Filipinos ihre Freizeit in den unzähligen<br />

Einkaufszentren. Es herrscht ein Reges treiben, wenn auch die wenigstens Besucher hier sind um<br />

Shoppen zu gehen, vielmehr um sich mit anderen zu treffen. Die Einkaufszentren bieten nämlich neben<br />

Abkühlung und allerhand Nützlichem auch Restaurants, Kinos und Theater.<br />

In einem philippinischen Haushalt darf dazu der Fernseher nicht fehlen. Sogar aus dem Chaos der<br />

Squatterviertel ragen unzählige TV-Antennen heraus.<br />

Nationalsport ist Basketball, auch wenn die kleinen Filipinos wohl nie zur Weltspitze gehören, wird es<br />

an jeder Ecke gespielt und angeschaut. An die Popularität kann nur noch Manny Pacquiao anknüpfen,<br />

Boxer und Weltmeister im WBO Weltergewicht.<br />

Möchten man essen gehen, gibt es in und in der Nähe der Uni einige Straßen und Stadtteile, die<br />

besonders abends gut besucht sind (Technohub innerhalb des Campus, Katipunan Avenue, Gateway<br />

Expo, Eastwood und Timog-/Tomas Morato Avenue außerhalb des Campus). Hier findet im Gegensatz<br />

zu den Ketten in den Malls auch vereinzelt sehr gute einzelne Restaurants.<br />

Reflexion<br />

Ein Fazit das ich aus meinem Aufenthalt ziehen kann ist sicher, dass ich neben viel kulturellem und<br />

fachlichem Input auch viel über mich selbst gelernt habe. In einem Land gelebt zu haben, in dem die<br />

Uhren so komplett anders laufen als in Deutschland hat mich in vielen Dingen entspannter gemacht.<br />

Wir sollten froh sein, dass es uns hier so gut geht. Die typisch deutschen Meckereien über Wetter,<br />

Regierung und Gesellschaft sind Kritik auf hohem Niveau. Das heißt natürlich nicht, dass sie unnütz<br />

sind. Die Diskussion über den Bologna-Prozess ist zum Beispiel gerechtfertigt, eine Diskussion über das<br />

schlechte Sozialsystem ist es nur in Einzelfällen.<br />

Das Lehrsystem hat mir zudem die Möglichkeiten gezeigt, wie weit man Praxis tatsächlich in die<br />

akademische Ausbildung integrieren kann und welche übergreifenden Fähigkeiten trotzdem gefördert<br />

werden müssen. Das hieße zum Beispiel für Bologna in Deutschland, unseren Hintergrund als Dichter<br />

und Denker nicht vergessen, wenn praxisorientierte Studiengänge geschaffen werden.<br />

Für mich selbst fühle ich mich nun noch mehr in der Kultur meiner Mutter zu Hause, ich habe sozusagen<br />

meine Geschichte aufgeholt und weiß über manche aktuellen Themen sogar mehr als sie. Der Aufenthalt<br />

hat mich auch meiner Familie näher und mir philippinische Freunde in meinem Alter und mit ähnlichen<br />

Interessen gebracht. Aber auch meine internationales Netz ist immer größer geworden und ich freue<br />

mich schon sowohl auf die Philippinen zurückzukehren als auch weiter Orte auf der Welt kennen<br />

zulernen, denn für mich ist die Globalisierung etwas positives.<br />

Für mein weiteres Studium und meinen späteren Berufsweg habe ich schon jetzt erlebt, dass meine<br />

Erfahrungen im Ausland zusätzliche und neue Impulse bringen. So haben wir in eine Seminar über<br />

öffentliche Wissenschaft via Web 2.0 diskutiert, etwas, dem Dozenten in Deutschland meist noch<br />

skeptisch gegenüber stehen, was auf den Philippinen aber schon Gang und Gebe ist und gut funktioniert.<br />

Außerdem sehe ich meine Fähigkeiten mittlerweile selbstbewusster. Ich habe mich in einer 12 Mio.<br />

Einwohner Region wie Metro Manila und in einem anderen Arbeitssystem zurechtgefunden. Dabei habe<br />

ich erfahren, dass ich besser mit Stress umgehen kann, als ich gedacht hätte. Der Lärm, der Smog, die<br />

8


„Morgen ist auch ein Tag“-Mentalität und die hohe Arbeitsbelastung hat mich von nichts abgehalten und<br />

ich sie haben mir Herausforderungen sogar Spaß gemacht.<br />

Um auch weiteren Studenten die Möglichkeit zu geben dieses unvergessliche Erlebnis mit mir zu teilen<br />

und ein Semester auf den Philippinen zu studieren, versuche ich gerade zwischen Ms. Belle Nabor in den<br />

Philippinen und Fr. Körschner-Dietz in Augsburg zu vermitteln. Ich denke es ist eine gute Chance um<br />

sich seine eigene Persönlichkeit formen und sein Englisch zu verbessern. Leider ist das größte Problem<br />

an einer offiziellen Kooperation die Finanzierung für philippinische Studenten. Diese können sich das<br />

tägliche Leben in Deutschland kaum leisten und bräuchten daher ein sicheres Stipendium. Daher ist es<br />

vielleicht möglich zunächst einen Kooperation zu schaffen, die es augsburger Studenten ermöglicht die<br />

UP Diliman zu besuchen und im Gegenzug philippinische Wissenschaftler für eine kurze Zeit in<br />

Augsburg forschen.<br />

Da es ohne offizielle Kooperation zwar schwierig, aber nicht unmöglich ist an der UP Diliman zu<br />

studieren, habe ich einen Leitfaden zusammengestellt, der die Vorbereitungen erleichtern soll. Dieser<br />

wird den Abschluss meiner Blogeinträge zum Auslandsstudium auf den Philippinen darstellen.<br />

Für einen informelleren Einblick in meine Erlebnisse können Sie gerne diesen Blog besuchen, der bisher<br />

dazu diente meine Familie und Freunde über meinen Aufenthalt auf dem Laufenden zu halten. Nun<br />

können aber auch Studenten, die nach mir an der UP studieren möchten sich über Einschreibung, Kurse,<br />

Möglichkeiten und Stolpersteine informieren:<br />

http://hanni-on-the-way.blogspot.com<br />

9

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