Erfahrungsbericht_Bogotá, Kolumbien_Jenny Reiß - Akademisches ...
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<strong>Erfahrungsbericht</strong><br />
Name:<br />
<strong>Jenny</strong> <strong>Reiß</strong><br />
Austauschjahr: Sommersemester 2013<br />
Gastuniversität: Universidad del Rosario<br />
Stadt:<br />
<strong>Bogotá</strong><br />
Land:<br />
<strong>Kolumbien</strong><br />
Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht,<br />
kann aber im Akademischen Auslandsamt erfragt werden.<br />
¡Colombia: El riesgo es que te quieras quedar!<br />
Dies ist nicht nur der Leitspruch der kolumbianischen Tourismusorganisation, sondern sogleich<br />
auch mein persönliches Fazit der letzten Monate, welche ich im Rahmen eines Auslandssemesters<br />
an der kolumbianischen Partneruniversität Universidad del Rosario in <strong>Bogotá</strong><br />
verbrachte.<br />
Die organisatorische Vorbereitung beinhaltet mehr oder weniger die üblichen Dinge eines jeden<br />
Auslandsaufenthalts wie Buchung des Fluges, Beantragung eines Visums, Suchen der<br />
Unterkunft oder auch das Erledigen eventueller Impfungen. All dies dürfte bei ausreichender<br />
Vorlaufzeit keine Probleme mit sich bringen. Im Folgenden soll es vielmehr um einige meiner<br />
persönlichen Eindrücke während der Zeit meines Auslandsaufenthalts in <strong>Kolumbien</strong> gehen,<br />
illustriert durch vier private Fotos aus <strong>Bogotá</strong>:<br />
Meine Ankunft in <strong>Bogotá</strong> verlief unkompliziert. Per Direktverbindung<br />
ging es ab Frankfurt in die kolumbianische<br />
Hauptstadt und nach etwa zwölf Stunden Flug<br />
befand ich mich auf ca. 2.600 Höhenmetern in der<br />
Acht-Millionen-Metropole <strong>Bogotá</strong>.<br />
Da ich die vermeintlich auf mich wartende Person am<br />
Flughafen nicht ausfindig machen konnte, fuhr ich per<br />
Taxi zu meiner neuen Bleibe. Bereits im Vorfeld hatte<br />
ich mich um ein Zimmer in einer Art Studentenwohnheim<br />
gekümmert und ersparte mir auf diese Weise das<br />
Suchen vor Ort. Außerdem fühlte ich mich dadurch sogleich<br />
wohl und „zu Hause“. Als positiven Nebeneffekt<br />
erwies sich auch, dass das Wohnheim verhältnismäßig günstig war. Denn obwohl einige Dinge,<br />
wie beispielsweise auswärts Essen gehen, wesentlich weniger kosten als in Deutschland,<br />
summieren sich die Lebenshaltungskosten am Monatsende doch mindestens auf das<br />
gewohnte Niveau.<br />
Auffällig in <strong>Bogotá</strong> ist die enorme Anzahl an Universitäten. Es gibt wirklich unzählige verschiedene,<br />
wobei die meisten privat und nur einige wenige staatlich sind. Die Universidad del<br />
Rosario genießt einen guten Ruf. Die Ausstattung lässt kaum zu wünschen übrig und von<br />
ausleihbaren Laptops, über Bibliotheken und kleinen Kopiergeschäften, verschiedenen Essensangeboten<br />
und Mensa, bis zu einem unieigenem Arztservice ist alles vorhanden.
Unterschiede weist die Organisation des Unialltags auf. Die Dauer der Veranstaltungen variiert<br />
oft zwischen zwei und drei Stunden. Das Kursangebot ist sehr breit gefächert und kann<br />
im Vorfeld online eingesehen werden. Neben den Pflichtfächern eines Studiengangs, gibt es<br />
sogenannte electivas, aus diesen müssen die Studierenden während ihres Studiums eine<br />
gewisse Anzahl wählen. Auch jedem Austauschstudierenden, der dafür Zeit findet, empfehle<br />
ich eines davon auszuwählen. Wann sonst hat man schon die Gelegenheit Fächer wie Buddhismus,<br />
Fotografía documental oder Tanzkurse jeglicher Art zu belegen?<br />
Das Semester teilt sich im Wesentlichen in drei Abschnitte, die jeweils durch eine Prüfung<br />
abgegrenzt werden. So kann einen die Uni zeitlich doch sehr einspannen, bereits nach wenigen<br />
Wochen finden die ersten Zwischenprüfungen statt. Außerdem werden auch im Laufe<br />
der Veranstaltungen ab und zu kleinere Aufgaben, Tests oder Quiz abverlangt. Die Prüfungsarten<br />
variieren je nach Veranstaltung. Ich hatte sogar ein parcial online von zu Hause<br />
aus. Eine andere Prüfung wurde eine Woche vorher von einer schriftlichen in eine mündliche<br />
gewandelt. So gibt es immer mal wieder eine Überraschung, was die Uni betrifft. Dabei sollte<br />
man sich stets vergewissern und im Zweifelsfall nicht scheuen nochmal nachzufragen, ob<br />
man auch alles richtig verstanden hat, vor allem was die Prüfungsmodalitäten angeht. Die<br />
Dozenten sind größtenteils sehr nett und helfen gern, wo sie können. So bin ich immer auf<br />
Unterstützung getroffen. Besonders wichtig sich abzusprechen, ist es auch bei Gruppenarbeiten.<br />
Am besten mit ausreichend zeitlichem Vorlauf, da man sonst schnell in Zeitnot geraten<br />
kann. Denn je nach den eigenen Spanischkenntnissen ist der Zeitaufwand wesentlich höher,<br />
vor allem was das Lesen und Schreiben von Texten angeht. Dies empfiehlt sich auch<br />
bei der Zusammenstellung des eigenen Stundenplans und der Kurswahl zu beachten.<br />
Außerdem nicht zu vergessen die Entfernung der einzelnen<br />
Campus der Uni. Ich hatte alle Veranstaltungen im Zentrum.<br />
Auf nebenstehendem Foto ist der Innenhof des Claustro zu sehen.<br />
Dadurch blieb mir auch das Hin- und Herfahren zwischen<br />
den drei verschiedenen Campus erspart. Insbesondere zu den<br />
Hauptverkehrszeiten kann es doch erheblich Zeit in Anspruch<br />
nehmen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in <strong>Bogotá</strong> unterwegs<br />
zu sein.<br />
Ein weiterer Unterschied, der einem an der Uni auffällt ist das<br />
Alter der Studierenden. Je nach Veranstaltung, ob für pregrado<br />
oder posgrado Studiengänge, können die jüngeren Studierenden<br />
etwa 17 Jahre alt sein, wenn sie direkt von der Schule<br />
kommen. Die Veranstaltungen gleichen einer Mischung aus Seminar<br />
und Vorlesung und das Verhältnis zwischen Lehrenden<br />
und Lernenden kam mir zumeist freundschaftlich bzw. aufgelockert vor.<br />
Außerdem bietet die Universidad del Rosario einen Spanischkurs für Austauschstudierende<br />
an. Nach persönlicher Absprache mit dem Dozenten kann man auf diese Weise seine<br />
Sprachkenntnisse aufbessern und zugleich mehr über das Land, die Menschen und deren<br />
Kultur erfahren sowie Fragen diesbezüglich loswerden.<br />
Abgesehen davon empfiehlt es sich natürlich im Vorfeld, sich gewisse Spanischkenntnissen<br />
anzueignen. Je mehr, desto besser, da dies nicht nur die eigene Verständigung im Alltag erleichtert,<br />
sondern vor allem auch das Knüpfen sozialer Kontakte ermöglicht und so den Aufenthalt<br />
in einem anderen Land für beide Seiten bereichern kann, wobei man sich aber nicht<br />
aus der Ruhe bringen lassen darf, wenn man nicht sofort alles versteht.<br />
Wichtig ist, sich für die einzelnen Veranstaltungen immer die notwendigen Texte zu besorgen,<br />
welche meist in einem der zahlreichen Kopiergeschäften in Uninähe vorhanden sind.<br />
Auch, wenn in der ersten Woche die Programme der einzelnen Veranstaltungen vorgestellt<br />
werden, so darf man es mit diesen oft nicht zu genau nehmen und sollte über kurzfristigen<br />
Änderungen bzw. Planabweichungen nicht allzu überrascht sein.
Des Weiteren zu erwähnen ist die sehr gute Organisation des Auslandssemesters seitens<br />
der Partneruni. Die Verantwortliche steht als ständige Ansprechpartnerin vor Ort zur Verfügung<br />
und unterstützt bei Fragen und Problemen jeglicher Art.<br />
In Geduld üben konnte ich mich bei der Ausstellung meines Passwortes für den Uni-Emailaccount,<br />
da es ein Problem mit meiner Immatrikulationsnummer gab sowie mit dem Erhalt der<br />
Cédula de Extranjería, die jeder Austauschstudierende bei der kolumbianischen Migrationsbehörde<br />
beantragen muss. Für diese sind außerdem zahlreiche Dokumente, wie Kopien, Fotos<br />
und der Nachweis der Blutgruppe notwendig, über welche es sich schon im Vorfeld zu informieren<br />
lohnt. Man kann sich also auf einige organisatorische Wege einstellen, die nicht<br />
unbedingt beim ersten Mal Erfolg versprechend sein werden. Jedoch sind die bogotános<br />
sehr freundlich und bemüht zu helfen, wo sie nur können.<br />
Das Leben in <strong>Bogotá</strong> hat mir auf der Stelle sehr gut gefallen.<br />
Obwohl bzw. vielleicht gerade weil es sehr verschieden zu<br />
Deutschland ist. Die Menschen, die Musik, das Essen, die<br />
Stadt. Alles erscheint mir absolut erlebenswert, was für mich<br />
vor allem mit den Personen zusammenhängt, die ich hier kennengelernt<br />
habe. Außerdem natürlich das Land <strong>Kolumbien</strong> an<br />
sich, als eines der wohl vielfältigsten und abwechslungsreichsten<br />
Länder überhaupt mit unzähligen Sehenswürdigkeiten und<br />
Reisezielen. In jeglicher Hinsicht, bspw. Geschichte und Kultur<br />
sowie Natur bietet das Land jede Menge zu entdecken und es<br />
empfiehlt sich etwas mehr Zeit mitzubringen, um im Anschluss<br />
noch reisen zu können. Neben den größeren Städten <strong>Bogotá</strong>,<br />
Medellín und Cali ist dabei vom Amazonastiefland über Andengipfel<br />
bis hin zur Pazifik- und Karibikküste für jeden Geschmack<br />
etwas dabei.<br />
Sehr charakteristisch für <strong>Bogotá</strong> ist das Wetter. Dieses gestaltet sich äußerst wechselhaft.<br />
Im Prinzip ist jeden Tag alles möglich und man weiß nie so richtig, was einen erwartet. Das<br />
ändert sich eigentlich das ganze Jahr über nicht, nur gibt es mal mehr Sonne, mal weniger<br />
und mal mehr Regen und mal weniger. Aufgrund der Höhenlage von ca. 2.600m ist es meist<br />
angenehm, aber nicht zu warm.<br />
Doch nicht nur das Wetter in <strong>Bogotá</strong> weist große Gegensätze auf. Die Stadt bietet quasi alles,<br />
was man sich nur vorstellen kann und lässt kaum Wünsche offen, auch was die persönliche<br />
Freizeitgestaltung betrifft. So gibt es neben vielen Sehenswürdigkeiten, zahlreiche Kulturangebote<br />
wie Museen, Kirchen, Kino, Theater oder Konzerte und ebenso ein ausgeprägtes<br />
Nachtleben mit den verschiedensten Bars und Clubs. Überhaupt ist die Musik eine wesentlicher<br />
Bestandteil des täglichen Lebens.<br />
Nah beieinander liegen jedoch auch Armut und Reichtum. So prägen gleichsam schicke Geschäftsviertel<br />
mit Hochhäusern, Straßenhändler und Menschen, die auf der Straße leben das<br />
Stadtbild. Allgegenwärtig und nicht zu übersehen gehört all dies zu <strong>Bogotá</strong>. So wird einem<br />
doch immer wieder bewusst, wie privilegiert das eigene Leben ist und vor allem, wie wenig<br />
man dies mitunter zu schätzen weiß.<br />
Eine kolumbianische Freundin, die mehrere Jahre in Deutschland gelebt hat, sagte einmal zu<br />
mir, dass sie nicht versteht, warum die Deutschen das Leben nicht genießen können. Zumindest<br />
hatte sie wohl oft diesen Eindruck. Eine Erklärung konnte ich ihr darauf allerdings auch<br />
nicht geben.<br />
Für mich nie so ganz nachvollziehbar waren die Feiertage. Bis auf wenige festgelegte Ausnahmen,<br />
werden die meisten Feiertage auf den darauffolgenden Montag verschoben und die<br />
verlängerten Wochenenden zum Reisen genutzt. Des Öfteren konnte mir auch niemand so<br />
genau sagen, um was für einen Feiertag es sich eigentlich handelt, wenn mal wieder ein<br />
Montag frei war.
Die Ausflugsmöglichkeiten in das unmittelbare Umland von <strong>Bogotá</strong> sind zahlreich. Es gibt<br />
viele kleinere Dörfer, die man besuchen kann, um ein wenig zu entspannen und dem Großstadtleben<br />
zu entfliehen. Das gängigste Transportmittel ist dabei der Bus. Diese verkehren<br />
oft und regelmäßig zu allen Orten und ermöglichen außerdem unkompliziert und verhältnismäßig<br />
günstig zu Reisen.<br />
Zum Schluss noch einige Worte bezüglich des Themas Sicherheit und meiner persönlichen<br />
Erfahrung. Mir ist nichts Seltsames oder in irgendeiner Weise Lebensgefährliches passiert.<br />
Dennoch hört man immer wieder, dass anderen Personen etwas gestohlen oder sie bedroht<br />
wurden. Dies hängt nicht selten von der Gegend, den Umständen oder auch der Uhrzeit ab.<br />
In dieser Hinsicht ist es wichtig, vor allem abends bzw. nachts nicht allein unterwegs zu sein<br />
und ansonsten mit ein bisschen Vorsicht und Vernunft auf die üblichen Dinge zu achten, wie<br />
in anderen Großstädten auch.<br />
Bleiben noch meine persönlichen Tipps für jeden Auslandsaufenthalt.<br />
Wenn manchmal vielleicht auch leichter<br />
gesagt, als getan empfehle ich, sich überraschen<br />
zu lassen, keine zu konkreten bzw. falschen Erwartungen<br />
zu haben und vor allem Aufgeschlossenheit und<br />
Geduld gegenüber sich selbst und auch seiner Umgebung<br />
mitzubringen. Dies kann voreilige Schlüsse sowie<br />
unnötige Panik vermeiden, wenn es beispielsweise<br />
mal mit den den eigenen Vorstellungen oder Sprachkenntnissen<br />
nicht so klappt, wie man dies gern hätte.<br />
Des Weiteren trägt der Wille sich anzupassen und so<br />
zu leben wie es vor Ort üblich ist, wesentlich dazu bei,<br />
den Menschen und ihrer Kultur näher zu kommen und auf diese Weise nicht nur möglichst<br />
viel über <strong>Kolumbien</strong> zu erfahren, sondern auch über sich selbst sowie sein eigenes Land zu<br />
lernen. Und spätestens dann kann man wohl auch die Aussage: „Das Risiko ist, dass du bleiben<br />
willst!“ nachvollziehen.