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IV. Berufsausbildung (§ 1 Abs. 2 BBiG) - Verlag Dr. Otto Schmidt

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<strong>§</strong>1 Berufsbildung<br />

<strong>IV</strong>. <strong>Berufsausbildung</strong> (<strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong>)<br />

1. Ziel<br />

13 <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong> legt Inhalt und Ziele der <strong>Berufsausbildung</strong> fest. Die<br />

<strong>Berufsausbildung</strong> hat danach eine breit angelegte berufliche Grundbildung<br />

und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit<br />

notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem<br />

geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den<br />

Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen.<br />

14 Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll die <strong>Berufsausbildung</strong><br />

klar gegliedert und sachlich und zeitlich in einen konkreten Rahmen<br />

gestellt werden, um auf diese Weise die Qualität zu steigern (BT-<br />

<strong>Dr</strong>ucks. V/4260, S. 4). Regelmäßig erfolgt dies in einer Ausbildungsordnung.<br />

Handelt es sich nicht um eine Ausbildung in einem anerkannten<br />

Ausbildungsberuf, ist ein betrieblicher Ausbildungsplan zu<br />

erstellen, der Gegenstand des <strong>Berufsausbildung</strong>svertrages wird (vgl.<br />

<strong>§</strong> 4 <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 1 <strong>BBiG</strong>). Nach <strong>§</strong> 28 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong> dürfen Jugendliche unter<br />

18 Jahren nur in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet<br />

werden, so dass auf diese Weise bei Minderjährigen ein geordneter<br />

Ausbildungsgang gesichert ist.<br />

2. Gesetzliche Regelung<br />

15 Der vom <strong>BBiG</strong> verwandte Begriff des „Auszubildenden“ wie der der<br />

„<strong>Berufsausbildung</strong>“ ist gesetzlich zwar nicht ausdrücklich bestimmt.<br />

Der Gesetzgeber hat aber in <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong> die maßgebliche Zielvorstellung<br />

der <strong>Berufsausbildung</strong> sowie im zweiten Teil des <strong>BBiG</strong><br />

(<strong>§</strong><strong>§</strong> 3–19) die Begründung, den Inhalt sowie die Beendigung des <strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnisses<br />

näher geregelt.<br />

16 Die in <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong> genannten 3 Kriterien bedeuten im Einzelnen:<br />

e Berufliche Grundbildung<br />

Die berufliche Grundbildung dient dem Erwerb von Grundfertigkeiten<br />

und Grundkenntnissen sowie von Verhaltensweisen, die<br />

einem möglichst weiten Bereich von Tätigkeiten zuzurechnen<br />

sind. Sie soll die Grundlage der auf ihr aufbauenden beruflichen<br />

Fachbildung darstellen und gleichzeitig den Zugang zu mehreren<br />

Berufen eröffnen und so zur horizontalen Mobilität beitragen (BT-<br />

<strong>Dr</strong>ucks. V/4260, S. 4). Sie ist deshalb genügend breit zu gestalten,<br />

ohne dass aber in diesem Stadium der <strong>Berufsausbildung</strong> auf be-<br />

10 | Stück


<strong>Berufsausbildung</strong> <strong>§</strong>1<br />

rufsspezifische Inhalte verzichtet wird1 . Daneben soll in ihrem<br />

Rahmen die allgemeine Bildung fortgeführt werden2 . Nach <strong>Abs</strong>chluss<br />

der beruflichen Grundbildung soll dem Auszubildenden<br />

damit die Möglichkeit offen stehen, in mehreren Ausbildungsberufen<br />

auf ihr aufbauende fachliche Fertigkeiten und Kenntnisse<br />

zu erwerben.<br />

Beispiele, die nach exemplarischen Lehren und Lernen didaktisch<br />

und methodisch dem Entwicklungsstand entsprechend zu vermitteln<br />

sind, sind insbesondere:<br />

– Vermitteln geistiger Beweglichkeit (Lern-, Kreativitätstechniken)<br />

– Fähigkeit, sachgemäße Fragen zu stellen<br />

– sachgemäße Entscheidungsfindung<br />

– Darstellung der Entscheidung (Kommunikations-, Visualisierungstechnik<br />

etc.)<br />

Grundsätzlich erfolgt die Berufsgrundbildung im dualen System.<br />

Daneben besteht in bestimmten Fällen die Möglichkeit, das erste<br />

Ausbildungsjahr in Form eines schulischen Berufsgrundbildungsjahres<br />

zu absolvieren, welches aufgrund der Berufsgrundbildungsjahr-Anrechnungs-Verordnungen3<br />

(vgl. <strong>§</strong> 29 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>BBiG</strong>) auf die<br />

Dauer der <strong>Berufsausbildung</strong> anzurechnen ist.<br />

e Berufliche Fachbildung<br />

Die berufliche Fachbildung baut auf einer breiten beruflichen<br />

Grundbildung auf und führt zu einem Ausbildungsabschluss. In<br />

diesem Stadium erfolgt eine Spezialisierung auf den angestrebten<br />

Ausbildungsberuf. Sie muss daher in ihrem Verlauf diejenigen<br />

Fertigkeiten und Kenntnisse vermitteln, die für die Ausübung des<br />

qualifizierten Berufs typisch und notwendig sind, berufsspezifische<br />

und soziale Verhaltensweisen fördern, die Aufnahme- und<br />

Leistungsfähigkeit des Auszubildenden steigern, die Fähigkeit<br />

und den Willen entfalten, sich auf geänderte Situationen im Berufsleben<br />

einzustellen, und das technische, wirtschaftliche und<br />

gesellschaftliche Verständnis vertiefen4 . Gegenstand der berufli-<br />

1 Götz, Berufsbildungsrecht, Rz. 3.<br />

2 Gesprächskreis für Fragen der beruflichen Bildung, BArbBl. 1969, 100.<br />

3 Vgl. gewerbliche Wirtschaft: BGBl. 1978 I, S. 1061; BGBl. 1972 I, S. 1155;<br />

Landwirtschaft: BGBl. 1979 I, S. 1142; öffentlicher Dienst: BGBl. 1980 I.,<br />

S. 738; industrielle Metall- & Elektroberufe: BGBl. 1988 I, S. 22.<br />

4 Gesprächskreis für Fragen der beruflichen Bildung, BArbBl. 1970, 123 ff.<br />

Stück | 11


<strong>§</strong>1 Berufsbildung<br />

e<br />

chen Fachbildung sind die theoretischen Grundlagen (Kenntnisse)<br />

und die praktischen Grundlagen (Fertigkeiten) des Berufes. Die<br />

Fertigkeiten werden in erster Linie in der betrieblichen Ausbildung<br />

vermittelt.<br />

Berufserfahrung<br />

Die <strong>Berufsausbildung</strong> darf sich nicht in der Vermittlung des Prüfungsstoffes,<br />

der für das Bestehen der <strong>Abs</strong>chlussprüfung erforderlich<br />

ist, erschöpfen. Sie hat den Auszubildenden darüber hinaus<br />

mit den täglichen Betriebsabläufen möglichst wirklichkeitsnah<br />

vertraut zu machen. Dies beinhaltet Gedanken wie Teilnahme an<br />

täglichen Betriebsabläufen, Wirklichkeitsnähe, Gewöhnung an<br />

reguläre Arbeitszeiten, Arbeitsleistungserwartungen, betriebliches<br />

Verhalten etc. Die geforderte Praxisnähe wird in der betrieblichen<br />

Ausbildung dadurch erreicht, dass der Auszubildende<br />

schrittweise in den realen Arbeitsprozess einbezogen wird. Eine<br />

überbetriebliche Ausbildung muss sich hier mit einer Simulation<br />

behelfen.<br />

3. Voraussetzungen und Abgrenzung<br />

17 Unter einem <strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnis i.S. des zweiten Teils des<br />

<strong>BBiG</strong> ist ein solches Vertragsverhältnis zu verstehen, in dem einem<br />

Auszubildenden erstmals in einem Betrieb oder einer Verwaltung eine<br />

breit angelegte berufliche Grundbildung und die für die Ausübung<br />

einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen<br />

Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden (<strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong>) 1 .<br />

Bei der <strong>Berufsausbildung</strong> handelt es sich um eine berufliche Erstausbildung,<br />

die sich in der Praxis meist an die Vollzeitschulpflicht anschließt<br />

2 .<br />

18 Der Arbeitsvertrag ist demgegenüber ein privatrechtlicher, gegenseitiger<br />

Austauschvertrag, durch den sich der Arbeitnehmer zur Leistung<br />

von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers und dieser in der Regel<br />

zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Arbeitnehmer<br />

ist derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen<br />

1 BAG v. 3.6.1987 – 5 AZR 285/86, AP Nr. 85 zu <strong>§</strong> 1 TVG Tarifverträge – Bau<br />

= NZA 1988, 66 = EzB <strong>BBiG</strong> <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong> 2 Nr. 23; BAG v. 7.9.1983 – 7 AZR<br />

101/82, DB 1984, 355 = EzA <strong>§</strong> 23 KSchG Nr. 6 = AP Nr. 3 zu <strong>§</strong> 23 KSchG<br />

1969; BAG v. 20.2.1975 – 5 AZR 240/74, BB 1975, 1206 = AP Nr. 2 zu <strong>§</strong> 611<br />

BGB Ausbildungsbeihilfe = EzB <strong>BBiG</strong> <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 Nr. 1.<br />

2 Wohlgemuth, <strong>§</strong> 1 <strong>BBiG</strong> Rz. 3; Leinemann/Taubert, <strong>§</strong> 1 <strong>BBiG</strong> Rz. 3; HWK/<br />

C.S. Hergenröder, <strong>§</strong> 1 <strong>BBiG</strong> Rz. 2.<br />

12 | Stück


<strong>Berufsausbildung</strong> <strong>§</strong>1<br />

einer von <strong>Dr</strong>itten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung<br />

in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere<br />

daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners<br />

(Arbeitgeber) unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit,<br />

Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann 1 . Anders als beim Arbeitsverhältnis<br />

steht der Austausch von Arbeitsleistung und Gegenleistung,<br />

also Entgeltzahlung, nicht im Vordergrund; die dem Auszubildenden<br />

im Rahmen seiner <strong>Berufsausbildung</strong> aufgetragenen<br />

Verrichtungen und erteilten Weisungen sind vielmehr auf das genannte<br />

Ziel und damit auf einen dafür notwendigen länger dauernden<br />

Bestand ausgerichtet 2 .<br />

Die Differenzierung zwischen <strong>Berufsausbildung</strong> und beruflicher Fortbildung<br />

sowie beruflicher Umschulung liegt in der Betonung der<br />

breit angelegten beruflichen Grundbildung in der <strong>Berufsausbildung</strong>,<br />

die neben der fachspezifischen Ausbildung vermittelt werden soll 3 .<br />

Diese Differenzierung ist keinesfalls akademischer Natur, da davon<br />

die praktisch wichtige Anwendung der <strong>§</strong><strong>§</strong> 3–19 <strong>BBiG</strong> abhängt.<br />

Die <strong>Berufsausbildung</strong> ist von der beruflichen Fortbildung abzugrenzen.<br />

Berufliche Fortbildung setzt vorhandene berufliche Kenntnisse<br />

voraus, auf denen aufgebaut werden soll. Die Abgrenzungskriterien<br />

hierfür sind:<br />

e Vermittelt der Ausbildungsgang eine breit angelegte berufliche<br />

Grundbildung?<br />

e Werden die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit<br />

notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt<br />

(Spezialisierung)?<br />

e Werden die erforderlichen betrieblich-praktischen Erfahrungen<br />

vermittelt?<br />

e Erfolgt die Vermittlung in einem geordneten Ausbildungsgang<br />

(<strong>§</strong> 25 <strong>BBiG</strong>)?<br />

1 BAG v. 18.11.1999 – 2 AZR 89/99, AP Nr. 11 zu <strong>§</strong> 1 KSchG 1969 Wartezeit<br />

= BB 2000, 673 = NZA 2000, 529; BAG v. 6.5.1998 – 5 AZR 612/97, AP<br />

Nr. 95 zu <strong>§</strong> 611 BGB Abhängigkeit = NZA 1998, 939 = DB 1998, 1869.<br />

2 Vgl. LAG Potsdam v. 10.10.1997 – 5 Sa 367/97, LAGE <strong>§</strong> 4 KSchG Nr. 39 =<br />

EzB <strong>§</strong> 111 ArbGG Nr. 25; LAG Frankfurt a.M. v. 3.11.1997 – 16 Sa 657/97,<br />

LAGE <strong>§</strong> 15 <strong>BBiG</strong> Nr. 12 = EzBAT <strong>§</strong> 23 MTV Auszubildende Kündigung Nr. 4<br />

= EzB <strong>BBiG</strong> <strong>§</strong> 15 <strong>Abs</strong>. 2 Nr. 82.<br />

3 LAG Kiel v. 27.2.2001 – 1 Sa 409 a/00, FA 2001, 185 (LS).<br />

Stück | 13<br />

19<br />

20


<strong>§</strong>1 Berufsbildung<br />

21 In diesem Rahmen sind insbesondere folgende Einzelgesichtspunkte<br />

zu würdigen, veranschaulicht am Beispiel einer Altenpflegerin1 :<br />

e Dauer der Ausbildung: Zwei Jahre sprechen für eine <strong>Berufsausbildung</strong>2<br />

.<br />

e Lehrstoff der Ausbildung: Ist dieser umfassend angelegt und<br />

schließt eine geistig-kulturelle Bildung, eine soziale und pädagogische<br />

Ausbildung, eine pflegerische Ausbildung sowie staatsund<br />

rechtskundlichen Unterricht ein? Falls ja spricht dies für <strong>Berufsausbildung</strong>.<br />

e Ergänzung durch eine berufspraktische Ausbildung, in der die im<br />

Unterricht erworbenen Kenntnisse in der Arbeit an und mit alten<br />

Menschen anzuwenden sind und vertieft werden. Erfolgt in der<br />

praktischen Ausbildung eine Heranziehung zu allen Tätigkeiten,<br />

die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem zu erlernenden<br />

Beruf stehen? (Hier: 35 Seminarwochen einschließlich eines Prüfungsseminars<br />

von fünf Wochen sowie in 35 Wochen jeweils kürzerer<br />

Praktika und 25 Wochen Berufspraktikum mit Einbindung<br />

in den Pflegebetrieb)<br />

22 Berufliche Umschulung geht – im Gegensatz zur <strong>Berufsausbildung</strong> –<br />

von vorhandenen beruflichen Kenntnissen und beruflicher Praxis<br />

aus, anderenfalls machte der Begriff „andere berufliche Tätigkeit“ in<br />

<strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 4 <strong>BBiG</strong> keinen Sinn. Die Zweitausbildung zu einem anerkannten<br />

Ausbildungsberuf im Anschluss an eine vorhergehende abgeschlossene<br />

<strong>Berufsausbildung</strong> kann nicht als Umschulung im Sinne<br />

des Berufsbildungsgesetzes angesehen werden, wenn es an einer erheblichen<br />

zwischenzeitlichen beruflichen Betätigung in dem zuerst<br />

erlernten Beruf fehlt. Deshalb ist eine zweite <strong>Berufsausbildung</strong> im<br />

Anschluss an eine vorhergehende <strong>Berufsausbildung</strong> in einem anderen<br />

Ausbildungsberuf eine erneute <strong>Berufsausbildung</strong> 3 .<br />

1 BAG v. 7.3.1990 – 5 AZR 217/89, AP Nr. 28 zu <strong>§</strong> 611 BGB Ausbildungsverhältnis<br />

= MDR 1991, 86 = EzA <strong>§</strong> 611 BGB Ausbildungsverhältnis Nr. 10 =<br />

EzB <strong>BBiG</strong> <strong>§</strong> 10 <strong>Abs</strong> 1 Nr. 53.<br />

2 BAG v. 24.2.1999 – 5 AZB 10/98, AP Nr. 45 zu <strong>§</strong> 5 ArbGG 1979 = DB 1999,<br />

1019 = NZA 1999, 557.<br />

3 BAG v. 3.6.1987 – 5 AZR 285/86, AP Nr. 85 zu <strong>§</strong> 1 TVG Tarifverträge – Bau<br />

= EzB <strong>BBiG</strong> <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 Nr. 23 = NZA 1988, 66; ErfK/Schlachter, <strong>§</strong> 1 <strong>BBiG</strong><br />

Rz. 3; Wohlgemuth, <strong>§</strong> 1 <strong>BBiG</strong> Rz. 3.<br />

14 | Stück


Berufliche Fortbildung <strong>§</strong>1<br />

4. Rechtsfolgen<br />

Auf die <strong>Berufsausbildung</strong> finden <strong>§</strong><strong>§</strong> 3–19 <strong>BBiG</strong> Anwendung. Über <strong>§</strong> 3<br />

<strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong> finden damit auch die arbeitsrechtlichen Rechtsvorschriften<br />

und Rechtsgrundsätze Anwendung.<br />

Ein <strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnis nach <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2, <strong>§</strong><strong>§</strong> 3 ff. <strong>BBiG</strong>, auf<br />

das nach <strong>§</strong> 3 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong> die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften<br />

anzuwenden sind, ist deshalb bei der Berechnung der<br />

Wartezeit nach <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 1 KSchG einem Arbeitsverhältnis zumindest<br />

gleichzustellen 1 . Dies bedeutet, dass ein im Betrieb oder Unternehmen<br />

übernommener Auszubildender in seinem Arbeitsverhältnis<br />

von Beginn an Kündigungsschutz nach <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 KSchG genießt.<br />

V. Berufliche Fortbildung (<strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>BBiG</strong>)<br />

1. Ziel und Bedeutung<br />

Ziel der beruflichen Fortbildung ist es zu ermöglichen, die beruflichen<br />

Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten, zu erweitern, der technischen<br />

Entwicklung anzupassen (Anpassungsfortbildung) oder beruflich<br />

aufzusteigen (Aufstiegsfortbildung). Sie soll dazu beitragen,<br />

dass Arbeitslosigkeit (vgl. <strong>§</strong> 2 SGB III) sowie qualitative oder quantitative<br />

Unterbeschäftigung verhütet werden und damit nicht nur der<br />

Entfaltung und der sozialen Sicherung des Einzelnen, sondern auch<br />

der Erhaltung der Vollbeschäftigung und dem Wirtschaftswachstum<br />

dienen 2 .<br />

Der beruflichen Fortbildung kommt wachsende personalpolitische<br />

Bedeutung zu. Die drei althergebrachten Produktionsfaktoren (Grund<br />

bzw. Boden, Kapital und Arbeitskraft) sind nämlich in modernen Industriegesellschaften<br />

um einen 4. Faktor, nämlich Wissen, Kompetenz,<br />

Know-How etc., ergänzt worden. Forciert wird dies dadurch,<br />

dass die Bedeutung des primären (Land-, Forstwirtschaft, Bodennutzung)<br />

sowie des sekundären Sektors (Produktion) tendenziell in hoch<br />

entwickelten Ländern abnehmen und die Bedeutung des tertiären<br />

Sektors (Dienstleistungen) dort wächst. Angesichts rasant fortschreitender<br />

Entwicklung in Forschung, Technologie etc. veraltert einmal<br />

1 BAG v. 18.11.1999 – 2 AZR 89/99, AP Nr. 11 zu <strong>§</strong> 1 KSchG 1969 Wartezeit<br />

= BB 2000, 673 = NZA 2000, 529 = EzB KSchG <strong>§</strong> 1 Nr. 25; KR/Etzel, <strong>§</strong>1<br />

KSchG Rz. 117.<br />

2 Vgl. Gesprächskreis für Fragen der beruflichen Bildung, BArbBl. 1970,<br />

124 ff.<br />

Stück | 15<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26


<strong>Berufsausbildung</strong>svertrag <strong>§</strong>3<br />

II. <strong>Berufsausbildung</strong>svertrag<br />

Das <strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnis wird durch <strong>Abs</strong>chluss eines <strong>Berufsausbildung</strong>svertrages<br />

zwischen dem Ausbildenden und dem Auszubildenden<br />

begründet (<strong>§</strong> 3 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>BBiG</strong>).<br />

1. Rechtsnatur<br />

Der <strong>Berufsausbildung</strong>svertrag ist ein privatrechtlicher Vertrag. Besteht<br />

das Vertragsziel in der Ausbildung in einem Ausbildungsberuf<br />

im Sinne des <strong>BBiG</strong>, müssen die Parteien einen Vertrag im Sinne des<br />

<strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> abschließen; insoweit sind sie in der Wahl der Vertragsform<br />

nicht frei 1 .<br />

Uneinheitlich wird die Frage beantwortet, ob das <strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnis<br />

als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.<br />

a) Meinungsstand<br />

Zum einen wird vertreten, der Auszubildende sei Arbeitnehmer 2 .<br />

Andererseits wird betont, von einem reinen Arbeitsverhältnis könne<br />

nicht ausgegangen werden, da auch Elemente eines Erziehungsverhältnisses<br />

enthalten seien 3 . Schließlich wird die Ansicht vertreten,<br />

dass das <strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnis kein Arbeitsverhältnis sei, der<br />

Auszubildende müsse vielmehr als Berufs- und Arbeitsschüler betrachtet<br />

werden und nicht als Arbeitnehmer 4 .<br />

Das Bundesverwaltungsgericht hat für die Frage, ob das Mutterschutzgesetz<br />

auch auf Lehrlinge anzuwenden sei, die Auffassung vertreten,<br />

das Lehrverhältnis sei ein Arbeitsverhältnis im vom Mutterschutzgesetz<br />

vorausgesetzten Sinne 5 . Zwar stehe im Lehrverhältnis<br />

der Ausbildungszweck im Vordergrund, dennoch sei es ein echtes Arbeitsverhältnis,<br />

in dem Arbeit zu leisten sei und auf das zahlreiche<br />

für ein Arbeitsverhältnis geltende Vorschriften Anwendung fänden 6 .<br />

1 Opolony, Rz. 180; s.a. Herkert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 2, der auf die Beschränkung der<br />

Inhaltsfreiheit beim <strong>Abs</strong>chluss des <strong>Berufsausbildung</strong>svertrags durch die<br />

<strong>§</strong><strong>§</strong> 3–18 hinweist.<br />

2 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, <strong>§</strong> 16 Rz. 5.<br />

3 Knopp/Kraegeloh, <strong>§</strong> 3 Rz. 3.<br />

4 MünchArbR/Natzel, <strong>§</strong> 177 Rz. 178 f.; ähnlich Herkert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 3 („Beschäftigungsverhältnis<br />

sui generis“).<br />

5 BVerwG, Urt. v. 26.8.1970 – V C 1.68, BB 1970, 1482.<br />

6 BVerwG, Urt. v. 26.8.1970 – V C 1.68, BB 1970, 1482.<br />

Munk | 55<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6


Das Bundesarbeitsgericht hat für die Anwendung des Schwerbehindertenrechts<br />

auf Auszubildende betont, dass die Frage, ob Elemente<br />

des Arbeitsverhältnisses oder des Erziehungsverhältnisses überwögen,<br />

nicht einheitlich, sondern im Hinblick auf die jeweilige<br />

Rechtsfrage und den Zweck des Gesetzes zu beantworten sei 1 .<br />

b) Bedeutsamkeit des Streits<br />

7 Die praktische Bedeutung dieses Meinungsstreites ist gering. Dies ergibt<br />

sich aus <strong>§</strong> 3 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong>:<br />

8Û<br />

<strong>§</strong>3 Vertrag<br />

Hinweis: Gemäß <strong>§</strong> 3 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong> sind auf den <strong>Berufsausbildung</strong>svertrag,<br />

soweit sich aus seinem Wesen und Zweck nichts<br />

anderes ergibt, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften<br />

und -grundsätze anzuwenden (Beispiele siehe Rz. 82 ff.).<br />

c) Wertung<br />

9 Die Regelung des <strong>§</strong> 3 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong> legt klar, dass das Ausbildungsverhältnis<br />

nach gesetzgeberischer Wertung nicht als reines Arbeitsverhältnis<br />

betrachtet werden kann, ansonsten hätte es einer solchen<br />

Vorschrift nicht bedurft. Für diese Sichtweise streitet auch, dass die<br />

synallagmatischen Hauptleistungspflichten bei Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen<br />

differieren. Die Hauptpflicht des Auszubildenden<br />

besteht im Gegensatz zu derjenigen des Arbeitnehmers nicht in der<br />

Erbringung von Arbeitsleistungen, sondern in der Ausbildung. Die<br />

Hauptpflicht des Ausbildenden besteht nicht in der Vergütung der<br />

Arbeitsleistung, sondern in der Vermittlung von Kenntnissen und<br />

Fertigkeiten zur Erreichung des Ausbildungsziels.<br />

10 Zuzustimmen ist damit einer differenzierenden Betrachtungsweise,<br />

die dem Mischcharakter des Ausbildungsverhältnisses gerecht wird 2 .<br />

Das Ausbildungsverhältnis enthält sowohl arbeitsrechtliche Momente,<br />

etwa das Direktionsrecht des Ausbildenden, als auch solche mit<br />

primär erzieherischer Intention. Für die Frage der Anwendung arbeitsrechtlicher<br />

Bestimmungen ist mithin entscheidend, ob die betroffene<br />

Regelung ihrem Sinn und Zweck nach auf das Ausbildungsverhältnis<br />

angewendet werden kann oder ob die Besonderheiten im<br />

Charakter des Ausbildungsverhältnisses einer solchen Anwendung<br />

entgegenstehen. Diese Sicht entspricht der gesetzgeberischen Wer-<br />

1 BAG, Urt. v. 10.12.1987 – 2 AZR 385/87, NZA 1988, 428.<br />

2 So auch HWK/C.S. Hergenröder, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 1; weitergehend Leinemann/<br />

Taubert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 6, wonach Ausbildungsverhältnisse weder Arbeitsnoch<br />

Mischverhältnisse darstellten.<br />

56 | Munk


<strong>Berufsausbildung</strong>svertrag <strong>§</strong>3<br />

tung des <strong>§</strong> 3 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong> und wird dem multiplen Charakter des Berufsbildungsverhältnisses<br />

am ehesten gerecht.<br />

2. Vertragsparteien<br />

Parteien des <strong>Berufsausbildung</strong>svertrages sind der Ausbildende und<br />

der Auszubildende. Dies gilt auch, wenn der Auszubildende minderjährig<br />

ist (siehe hierzu auch Rz. 37 ff.) 1 .<br />

a) Ausbildender<br />

aa) Grundsatz<br />

Ausbildender ist nach <strong>§</strong> 3 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>BBiG</strong> derjenige, der einen anderen<br />

zur <strong>Berufsausbildung</strong> einstellt. Sowohl natürliche als auch juristische<br />

Personen können Ausbildende sein 2 . Ist eine juristische Person –<br />

bspw. eine GmbH oder eine AG – Ausbildender, muss sich diese zur<br />

Durchführung der <strong>Berufsausbildung</strong> eines Ausbilders bedienen, der<br />

persönlich und fachlich für die <strong>Berufsausbildung</strong> geeignet ist, <strong>§</strong> 20<br />

<strong>Abs</strong>. 4 <strong>BBiG</strong>.<br />

Û<br />

Hinweis: „Ausbildender“ ist der Vertragspartner des Berufsbildungsvertrages.<br />

„Ausbilder“ ist diejenige natürliche Person, welche<br />

die Ausbildung tatsächlich vornimmt.<br />

Vertragspartner als „Ausbildende“ können auch sein:<br />

bb) Überbetriebliche Einrichtungen<br />

Überbetriebliche Bildungseinrichtungen, Berufsbildungswerke und<br />

Ausbildungsverbunde, d.h. Zusammenschlüsse von mehreren natürlichen<br />

oder juristischen Personen zu einer rechtsfähigen Vereinigung,<br />

die das Ziel der Berufsbildung von Auszubildenden verfolgt, vgl. <strong>§</strong> 1<br />

<strong>Abs</strong>. 5 <strong>BBiG</strong>. Hierzu bedarf es einer entsprechenden Organisationsgemeinschaft<br />

der auf Seite des Ausbildenden Beteiligten. Die Organisationsgemeinschaft<br />

kann in Form einer Gesellschaft oder eines Vereins<br />

als ein Ausbildender auftreten, der den Ausbildungsvertrag mit<br />

dem Auszubildenden schließt 3 . Freilich müssen die weiteren Voraussetzungen<br />

des <strong>BBiG</strong>, insbesondere die persönliche und fachliche Eignung<br />

sowie die Eignung der Ausbildungsstätte nach den <strong>§</strong><strong>§</strong> 20–23<br />

1 Herkert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 11.<br />

2 HWK/C.S. Hergenröder, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 4; Leinemann/Taubert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong><br />

Rz. 13.<br />

3 Herkert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 7a; Leinemann/Taubert, <strong>§</strong> <strong>BBiG</strong> 3 Rz. 16.<br />

Munk | 57<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14


<strong>§</strong>3 Vertrag<br />

<strong>BBiG</strong> sichergestellt sein. Die Bildungseinrichtung muss über einen<br />

(Ausbildungs-)Betrieb oder aber über eine überbetriebliche Ausbildungsstätte<br />

verfügen, die zur <strong>Berufsausbildung</strong> im entsprechenden<br />

Beruf geeignet ist 1 . Der Ausbildungsverlauf muss von vornherein<br />

durch entsprechende Übereinkunft zwischen den am Zusammenschluss<br />

Beteiligten geklärt sein 2 .<br />

cc) Eltern<br />

15 Auch Eltern können als Ausbildende Vertragspartner ihrer Kinder im<br />

<strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnis sein und mit ihren Kindern Ausbildungsverträge<br />

schließen. An die persönliche und fachliche Eignung<br />

sowie an die Eignung der Ausbildungsstätte gemäß den <strong>§</strong><strong>§</strong> 20–23<br />

<strong>BBiG</strong> sind dieselben Voraussetzungen zu stellen, wie in anderen Ausbildungsverhältnissen.<br />

Ist das Kind, mit dem ein Ausbildungsverhältnis<br />

begründet werden soll, minderjährig, sind die Eltern vom Verbot<br />

des Selbstkontrahierens befreit, <strong>§</strong> 3 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>BBiG</strong> (siehe Rz. 99). Dies<br />

gilt auch für den Fall, dass auf der Seite des Ausbildenden lediglich<br />

ein Elternteil den Vertrag schließt3 .<br />

16 Ein Mangel in der Berechtigung, Auszubildende einzustellen oder<br />

auszubilden, berührt gemäß <strong>§</strong> 3 <strong>Abs</strong>. 4 <strong>BBiG</strong> nicht die Wirksamkeit<br />

eines abgeschlossenen <strong>Berufsausbildung</strong>svertrages (siehe Rz. 102).<br />

b) Auszubildender<br />

17 Auszubildender im Sinne des <strong>BBiG</strong> ist derjenige, der in einer Berufsbildungseinrichtung<br />

im Sinne des <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 4 <strong>BBiG</strong> eingestellt wird,<br />

damit ihm im Rahmen einer geregelten <strong>Berufsausbildung</strong> die zur Erreichung<br />

des <strong>Berufsausbildung</strong>sziels erforderlichen Kenntnisse und<br />

Fertigkeiten zielgerichtet vermittelt werden können4 .<br />

18 Auszubildender kann nur eine natürliche Person sein. Besondere Anforderungen<br />

an die Geeignetheit des Auszubildenden stellt das <strong>BBiG</strong><br />

nicht 5 . Insbesondere setzt das <strong>BBiG</strong> keinen besonderen schulischen<br />

<strong>Abs</strong>chluss voraus. Allerdings kann unter den Voraussetzungen des<br />

<strong>§</strong> 29 <strong>BBiG</strong> bei entsprechender Vorbildung die Ausbildungszeit ver-<br />

1 Herkert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 7a; Wohlgemuth, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 2.<br />

2 Herkert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 7a; Leinemann/Taubert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 17.<br />

3 HWK/C.S. Hergenröder, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 13.<br />

4 ¾hnlich ErfK/Schlachter, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 4; Wohlgemuth, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 6; Leinemann/Taubert,<br />

<strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 8.<br />

5 HWK/C.S. Hergenröder, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 3; Herkert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 11; Leinemann/Taubert,<br />

<strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 11.<br />

58 | Munk


<strong>Berufsausbildung</strong>svertrag <strong>§</strong>3<br />

kürzt werden. „Auszubildender“ ist im Übrigen in aller Regel nur<br />

derjenige, der eine Erstausbildung absolviert 1 . Personen, die nach bereits<br />

erfolgter Ausbildung oder Tätigkeit eine weitere berufliche Ausbildung<br />

durchführen, sind Umschüler 2 .<br />

Das Mindestalter für die Aufnahme einer <strong>Berufsausbildung</strong> bestimmt<br />

<strong>§</strong> 5 JArbSchG (zur Anwendbarkeit der Bestimmungen des JArbSchG<br />

siehe Rz. 91). Danach ist die Beschäftigung von Kindern (<strong>§</strong> 2 <strong>Abs</strong>. 1<br />

JArbSchG) verboten. Eine Person, die noch nicht 15 Jahre alt ist,<br />

kann deshalb nicht ausgebildet werden, es sei denn, sie unterliegt<br />

nicht mehr der Vollzeitschulpflicht, <strong>§</strong> 7 <strong>Abs</strong>. 1 JArbSchG. Ob im Einzelfall<br />

Vollzeitschulpflicht besteht, richtet sich nach den Schulgesetzen<br />

der Länder.<br />

Auch ein Ausländer kann vorbehaltlich der Innehaltung einer gültigen<br />

Arbeitserlaubnis nach <strong>§</strong> 284 SGB III (früher <strong>§</strong> 19 AFG) Partei des<br />

Berufsbildungsvertrags sein 3 .<br />

3. Inhalt und Form<br />

Das <strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnis wird durch <strong>Abs</strong>chluss des <strong>Berufsausbildung</strong>svertrages<br />

zwischen Ausbildendem und Auszubildendem<br />

begründet, <strong>§</strong> 3 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>BBiG</strong>.<br />

a) Vertragsschluss<br />

Für den <strong>Abs</strong>chluss des Vertrages gelten die Bestimmungen des Allgemeinen<br />

Teils des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Der Vertragsschluss<br />

erfolgt durch inhaltlich kongruente Willenserklärungen (Angebot<br />

und Annahme), vgl. <strong>§</strong><strong>§</strong> 145 ff. BGB.<br />

b) AGB-Kontrolle (Allgemeine Geschäftsbedingungen)<br />

Bei der Verwendung vorformulierter Vertragsbedingungen müssen<br />

nach der Schuldrechtsreform, die mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in<br />

Kraft getreten ist, die <strong>§</strong><strong>§</strong> 305 ff. BGB beachtet werden. Hiernach<br />

stellen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen,<br />

die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei<br />

bei <strong>Abs</strong>chluss eines Vertrages stellt, Allgemeine<br />

1 Herkert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 12; Wohlgemuth, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 6.<br />

2 Herkert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 12; Wohlgemuth, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 6.<br />

3 HWK/C.S. Hergenröder, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 10; Leinemann/Taubert, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong><br />

Rz. 9; Wohlgemuth, <strong>§</strong> 3 <strong>BBiG</strong> Rz. 10.<br />

Munk | 59<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23


<strong>§</strong>3 Vertrag<br />

Geschäftsbedingungen dar, <strong>§</strong> 305 <strong>Abs</strong>. 1 BGB. Solche Klauseln unterliegen<br />

einer Einbeziehungskontrolle (<strong>§</strong><strong>§</strong> 305 <strong>Abs</strong>. 2, 305a–306 BGB)<br />

sowie einer besonderen Inhalts- und Wirksamkeitskontrolle<br />

(<strong>§</strong><strong>§</strong> 307–309 BGB).<br />

24 Gemäß <strong>§</strong> 310 <strong>Abs</strong>. 4 BGB sind die <strong>§</strong><strong>§</strong> 305 bis 310 BGB bei der Anwendung<br />

auf Arbeitsverträge nicht vorbehaltlos anwendbar. Insbesondere<br />

sind danach die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen<br />

zu berücksichtigen. Wie dieser generalklauselartige Begriff im<br />

Einzelnen zu interpretieren ist, ist noch offen und streitig 1 . Richtigerweise<br />

wird man den Sinn und Zweck des Vorbehaltes darin sehen<br />

können, dass der Pflichtenkreis aus dem Arbeitsverhältnis Besonderheiten<br />

aufweist, die bei anderen Schuldverträgen keine Rolle spielen.<br />

Diese Besonderheiten sind bei Anwendung der Klauselverbote auf arbeitsrechtliche<br />

Fallgestaltungen entsprechend zu berücksichtigen 2 .<br />

Dennoch kann die Wirksamkeit zahlreicher Klauseln eines Formulararbeitsvertrages<br />

durch Anwendung der neuen <strong>§</strong><strong>§</strong> 305 ff. BGB auf<br />

dem Prüfstand stehen, so etwa die Vorgabe kurzer Ausschlussfristen<br />

zur Geltendmachung von Ansprüchen 3 , der Widerrufsvorbehalt freiwilliger<br />

Zulagen nach freiem Ermessen 4 oder die Abgabe eines formalisierten<br />

Vertragsstrafeversprechens bei Nichtantritt der Stelle 5 .<br />

25 Fraglich ist, ob die <strong>§</strong><strong>§</strong> 305 ff. BGB einschränkungslos auf <strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnisse<br />

nach dem <strong>BBiG</strong> anzuwenden sind, oder ob für<br />

Ausbildungsverhältnisse gleichfalls der Vorbehalt nach <strong>§</strong> 310 <strong>Abs</strong>. 4<br />

Satz 2 BGB gilt. Der Gesetzgeber hat es versäumt, hierüber eine ausdrückliche<br />

Regelung zu treffen.<br />

26 Nachdem der ursprüngliche Gesetzesentwurf zur Schuldrechtsmodernisierung<br />

die neuen <strong>§</strong><strong>§</strong> 305 ff. BGB für das Arbeitsrecht überhaupt<br />

nicht zur Anwendung bringen wollte 6 und der Bundesrat die<br />

Ausklammerung des Arbeitsrechts vom Anwendungsbereich der Allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen moniert hatte 7 , entschloss sich die<br />

Bundesregierung dazu, das Arbeitsrecht zukünftig nicht mehr vom<br />

Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auszunehmen, da<br />

1 Siehe hierzu Boudon, ArbRB 2003, 150 ff.; Thüsing, NZA 2002, 591 ff.<br />

2 Richardi, NZA 2002, 1057, 1061.<br />

3 Siehe hierzu Boudon, ArbRB 2003, 150, 153; Lingemann, NZA 2002, 181,<br />

189.<br />

4 Siehe hierzu Richardi, NZA 2002, 1057, 1063.<br />

5 Siehe hierzu LAG Düsseldorf, NZA 2003, 382; Boudon, ArbRB 2003, 150,<br />

152 f.<br />

6 BT-<strong>Dr</strong>ucks. X<strong>IV</strong>/6040, 160 – wörtliche Entsprechung zum ehemaligen <strong>§</strong> 23<br />

<strong>Abs</strong>. 1 AGBG.<br />

7 BT-<strong>Dr</strong>ucks. X<strong>IV</strong>/6857, 17.<br />

60 | Munk


<strong>§</strong>20 Persönliche und fachliche Eignung<br />

5 Der Gesetzgeber des Berufsbildungsgesetzes hat bewusst darauf verzichtet,<br />

das Einstellen und Ausbilden an einen Berechtigungsnachweis<br />

zu knüpfen 1 . Die Eignungsvoraussetzungen können aber durch<br />

ergänzende Rechtsverordnungen nach <strong>§</strong> 21 <strong>BBiG</strong> sowie durch statuarisches<br />

Recht gemäß <strong>§</strong> 44 <strong>BBiG</strong> konkretisiert werden. In diesem Zusammenhang<br />

ist insbesondere auf die Ausbilder-Eignungsverordnungen<br />

hinzuweisen; siehe dazu <strong>§</strong> 21 Rz. 2. Eine Besonderheit besteht<br />

hinsichtlich der Eignung der Ausbildungsstätte im Bereich der Landwirtschaft<br />

und Hauswirtschaft nach den <strong>§</strong><strong>§</strong> 82 und 96 <strong>BBiG</strong>, wonach<br />

deren Eignung eine entsprechende formale Anerkennung durch die<br />

zuständige Behörde voraussetzt.<br />

6 Bei Vorliegen der notwendigen Eignungsvoraussetzungen besteht ein<br />

subjektiv-öffentliches Recht auf Einstellung und Ausbildung von<br />

Auszubildenden, sofern auch die weiteren gesetzlichen Vorgaben des<br />

<strong>BBiG</strong> oder etwa des JArbSchG erfüllt sind 2 . So können vom Ausbildenden<br />

gegenüber der zuständigen Stelle die Anerkennung der Ausbildungsstätte<br />

oder die Eintragung des Ausbildungsverhältnisses in<br />

das Verzeichnis der <strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnisse im verwaltungsgerichtlichen<br />

Verfahren geltend gemacht werden 3 . Des Weiteren<br />

besteht gegenüber der zuständigen Stelle auch der Anspruch auf<br />

grundsätzliche Anerkennung der Einstellungs- und Ausbildungsberechtigung<br />

durch einen entsprechenden feststellenden Verwaltungsakt.<br />

Im Falle der Ablehnung kann dieser Anspruch im Wege der<br />

Verpflichtungsklage verfolgt werden 4 .<br />

Persönliche und fachliche Eignung<br />

20<br />

(1) Auszubildende darf nur einstellen, wer persönlich geeignet<br />

ist. Auszubildende darf nur ausbilden, wer persönlich und<br />

fachlich geeignet ist.<br />

(2) Persönlich nicht geeignet ist insbesondere, wer<br />

1. Kinder und Jugendliche nicht beschäftigen darf oder<br />

2. wiederholt oder schwer gegen dieses Gesetz oder die aufgrund dieses<br />

Gesetzes erlassenen Vorschriften und Bestimmungen verstoßen<br />

hat.<br />

1 Siehe den Ausschussbericht BT-<strong>Dr</strong>ucks. V/4260, S. 12; Opolony, Rz. 269.<br />

2 Vgl. dazu Herkert, Einführung vor <strong>§</strong><strong>§</strong> 20–24 <strong>BBiG</strong> Rz. 14.<br />

3 Herkert, Einführung vor <strong>§</strong><strong>§</strong> 20–24 <strong>BBiG</strong> Rz. 14.<br />

4 Vgl. Bayer. VGH, Urt. v. 18.8.1980 – 22.B-1410/79, GewA 1981, 18.<br />

390 | Braun


Allgemeines <strong>§</strong>20<br />

(3) Fachlich nicht geeignet ist, wer<br />

1. die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten und Kenntnisse oder<br />

2. die erforderlichen berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse<br />

nicht besitzt.<br />

(4) Wer fachlich nicht geeignet ist oder wer nicht selbst ausbildet,<br />

darf Auszubildende nur dann einstellen, wenn er einen Ausbilder bestellt,<br />

der persönlich und fachlich für die <strong>Berufsausbildung</strong> geeignet<br />

ist.<br />

Inhaltsübersicht<br />

I. Allgemeines .............. 1 1. Erforderliche berufliche<br />

II. Berechtigung zur Einstellung<br />

.................. 4<br />

1. Eignung des Ausbildenden....................<br />

5<br />

2. Persönliche Eignung ..... 11<br />

a) Regeltatbestand des<br />

<strong>§</strong> 20 <strong>Abs</strong>. 2 Nr. 1 <strong>BBiG</strong>. . 14<br />

Fertigkeiten und Kenntnisse<br />

.................. 30<br />

2. Erforderliche berufsund<br />

arbeitspädagogische<br />

Kenntnisse ............. 32<br />

<strong>IV</strong>. Bestellung eines Ausbilders<br />

nach <strong>§</strong> 20 <strong>Abs</strong>. 4 <strong>BBiG</strong>. ..... 33<br />

b) Regeltatbestand des<br />

1. Begriff des Ausbilders .... 35<br />

<strong>§</strong> 20 <strong>Abs</strong>. 2 Nr. 2 <strong>BBiG</strong>. . 21 2. Bestellung des Aus-<br />

c) Sonstige Eignungsbilders<br />

................. 37<br />

mängel. .............. 25<br />

V. Fehlen der persönlichen<br />

III. Berechtigung zur<br />

Ausbildung ............... 27<br />

oder fachlichen Eignung .... 40<br />

I. Allgemeines<br />

Die betriebliche Ausbildung ist Teil des öffentlichen Bildungswesens<br />

im Rahmen des dualen Systems. Das Ausbildungsverhältnis ist dabei<br />

ein Vertragsverhältnis besonderer Art, das sich nach Wesen und<br />

Zweck von einem normalen Arbeitsverhältnis erheblich unterscheidet.<br />

So ist der Ausbildende verpflichtet, dem Auszubildenden die Fähigkeiten<br />

und Kenntnisse zu vermitteln, die zum Erreichen des Ausbildungszieles<br />

erforderlich sind, und die <strong>Berufsausbildung</strong> in einer<br />

durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich<br />

gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen<br />

Ausbildungszeit erreicht werden kann, <strong>§</strong> 6 <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 1 <strong>BBiG</strong>.<br />

Hinzu kommt eine am Ausbildungsziel orientierte und darauf aber<br />

auch begrenzte Erziehungspflicht. Damit korrespondiert ein gesteigertes<br />

und intensiveres Weisungsrecht, welches über dasjenige eines<br />

normalen Arbeitsverhältnisses hinausgeht. Der Ausbildende hat<br />

Braun | 391<br />

1


<strong>§</strong>20 Persönliche und fachliche Eignung<br />

hierbei nach <strong>§</strong> 6 <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 5 <strong>BBiG</strong> dafür zu sorgen, dass der Auszubildende<br />

charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet<br />

wird.<br />

2 Die genannten Pflichten sind Hauptleistungspflichten aus dem Ausbildungsverhältnis<br />

im Sinne des <strong>§</strong> 241 <strong>Abs</strong>. 1 BGB und setzen eine<br />

gesteigerte Qualifikation und Eignung des Ausbildenden und des<br />

Ausbilders zum Schutze des Auszubildenden und zur bestmöglichen<br />

Realisierung des Ausbildungszieles voraus. Der Hauptzweck der Bestimmung<br />

ist der Schutz der Auszubildenden vor Personen, die persönlich<br />

oder fachlich ungeeignet sind 1 . Hierüber hat die zuständige<br />

Stelle nach <strong>§</strong> 23 <strong>BBiG</strong> zu wachen.<br />

3 Der Ausbildende muss in seinem Unternehmen nicht selbst ausbilden.<br />

Er hat dann aber im Rahmen seines Ausbildungsbetriebes ausdrücklich<br />

einen Ausbilder gemäß <strong>§</strong> 6 <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 2 <strong>BBiG</strong> entsprechend<br />

zu beauftragen, der wiederum für die <strong>Berufsausbildung</strong> sowohl persönlich<br />

als auch fachlich geeignet sein muss. So ist es dem Ausbildenden<br />

möglich, in seinem Unternehmen auch dann auszubilden,<br />

wenn er selbst die tatsächliche Ausbildung nicht in eigener Person<br />

durchführen will oder die notwendige fachliche Qualifikation hierzu<br />

nicht besitzt 2 . Fehlt dem Ausbildenden aber auch die persönliche<br />

Eignung, genügt die Bestellung eines Ausbilders nicht, da er in diesem<br />

Falle einen Auszubildenden bereits nicht einstellen darf. In<br />

„Großunternehmen“ soll von dieser Regelung abgewichen werden<br />

können; vgl. Rz. 8.<br />

II. Berechtigung zur Einstellung<br />

4 Das Gesetz unterscheidet zwischen dem Ausbildenden und dem<br />

Ausbilder. Der Ausbildende ist derjenige, der den Auszubildenden<br />

einstellt. Er hat mit ihm einen Ausbildungsvertrag zu schließen, <strong>§</strong> 3<br />

<strong>Abs</strong>. 1 <strong>BBiG</strong>. Ausbildender kann dabei eine natürliche Person, eine<br />

Gesellschaft oder eine juristische Person sein. Hierzu zählen auch<br />

die Träger von Bildungseinrichtungen i.S.d. <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 5 <strong>BBiG</strong> oder<br />

mehrere natürliche oder juristische Personen, die sich zu einem Ausbildungsverbund<br />

zusammenschließen.<br />

1 So der Ausschussbericht BT-<strong>Dr</strong>ucks. V/4260, S. 12; Leinemann/Taubert,<br />

<strong>§</strong> 20 <strong>BBiG</strong> Rz. 2.<br />

2 Vgl. Ausschussbericht BT-<strong>Dr</strong>ucks. V/4260, S. 12.<br />

392 | Braun


Berechtigung zur Einstellung <strong>§</strong>20<br />

1. Eignung des Ausbildenden<br />

Die Berechtigung zur Einstellung Auszubildender setzt neben der<br />

Eignung der Ausbildungsstätte auch die persönliche Eignung des<br />

Ausbildenden voraus. Sofern diesem die fachliche Eignung fehlt oder<br />

er die Ausbildung nicht selbst durchführt, setzt die Einstellungsberechtigung<br />

des Weiteren voraus, dass von ihm ein persönlich und<br />

fachlich geeigneter Ausbilder bestellt wird, <strong>§</strong> 20 <strong>Abs</strong>. 4 <strong>BBiG</strong>. Hinsichtlich<br />

der Frage, in welcher Person die persönliche Eignung zur<br />

Einstellung vorliegen muss, ist wie folgt zu differenzieren:<br />

e Ist der Ausbildende als Einzelunternehmer bzw. als einzelner<br />

Freiberufler tätig, so kommt es bei der Einstellung eines Auszubildenden<br />

auf seine persönliche Eignung an. Fehlt die persönliche<br />

Eignung, ist es nicht ausreichend, einen Vertreter zu bestellen,<br />

der mit der Einstellung und der vertraglichen Durchführung<br />

des Ausbildungsverhältnisses beauftragt wird 1 . Eine solche Umgehungsmöglichkeit<br />

der persönlichen Eignungsvoraussetzungen<br />

ist auszuschließen, auch wenn eine Umgehung zum Zeitpunkt<br />

der Beauftragung des Bevollmächtigten nicht beabsichtigt war.<br />

e Im Falle einer Personengesellschaft kommt es darauf an, dass alle<br />

zur organschaftlichen Vertretung berechtigten Gesellschafter die<br />

notwendige persönliche Eignung besitzen, gleichgültig, ob Einzeloder<br />

Gesamtvertretungsmacht besteht. Dies gilt auch für die<br />

BGB-Gesellschaft und entsprechend für die Partnerschaftsgesellschaft.<br />

Die mangelnde persönliche Eignung auch nur eines solchen<br />

vertretungsberechtigten Gesellschafters färbt auf die Gesellschaft<br />

ab, so dass diese zur Einstellung von Auszubildenden nicht<br />

berechtigt ist. Auf die Person eines gegebenenfalls ungeeigneten<br />

bevollmächtigten Nichtgesellschafters (z.B. Prokurist) kommt es<br />

nicht maßgeblich an, auch wenn dieser zusammen mit einem<br />

oder mehreren Gesellschaftern zur Vertretung der Gesellschaft<br />

befugt sein sollte. Entsprechendes gilt für den gesondert bevollmächtigten<br />

Kommanditisten einer KG, der ansonsten von der organschaftlichen<br />

Vertretung ausgeschlossen ist, <strong>§</strong> 170 HGB. Auch<br />

wenn diesem die persönliche Eignung fehlt, so färbt dies nicht auf<br />

die Gesellschaft ab. Maßgeblich ist auch hier dem Grundsatz<br />

nach, nur auf die Eignung des vertretungsberechtigten Komplementärs<br />

abzustellen.<br />

e Ist der Ausbildende eine juristische Person des Privatrechts, so<br />

müssen alle vertretungsberechtigten Organe persönlich geeignet<br />

1 Anders Leinemann/Taubert, <strong>§</strong> 20 <strong>BBiG</strong> Rz. 7.<br />

Braun | 393<br />

5


<strong>§</strong>20 Persönliche und fachliche Eignung<br />

sein 1 . Bei der GmbH ist die persönliche Eignung aller Geschäftsführer<br />

erforderlich. Bei dem rechtsfähigen Verein, der Aktiengesellschaft<br />

und der Genossenschaft gilt dies für alle vertretungsberechtigten<br />

Personen des Vorstandes.<br />

e Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist auf die persönliche<br />

Eignung der gesetz- oder satzungsmäßigen Vertreter abzustellen.<br />

6 Die mangelnde Einstellungsberechtigung wegen fehlender persönlicher<br />

Eignung kann nicht dadurch geheilt werden, dass ein persönlich<br />

geeigneter Vertreter bestellt wird. Umgekehrt färbt grundsätzlich allein<br />

die mangelnde persönliche Eignung eines Bevollmächtigten<br />

noch nicht auf den Ausbildenden ab. Dies gilt auch im Falle eines<br />

zur Gesamtvertretung nach <strong>§</strong> 125 <strong>Abs</strong>. 3 HGB oder <strong>§</strong> 78 <strong>Abs</strong>. 3 AktG<br />

bevollmächtigten Prokuristen.<br />

7 Zu beachten ist aber auch, dass die persönliche Eignung des Ausbildenden<br />

fehlen kann, wenn dieser es duldet bzw. zulässt, dass persönlich<br />

ungeeignete Vertreter oder Ausbilder mit den Auszubildenden in<br />

Kontakt kommen und diese dadurch gefährdet werden, siehe dazu<br />

unten Rz. 26.<br />

8 Bei Großunternehmen, in denen der persönlich nicht geeignete Unternehmer<br />

mit dem Auszubildenden nicht in unmittelbaren Kontakt<br />

kommt, soll es nach h.M. darauf ankommen, dass der für die Ausbildung<br />

verantwortliche Vertreter, mit dem die Auszubildenden in unmittelbaren<br />

Kontakt kommen, persönlich geeignet ist. Diese Auffassung<br />

geht auf den Ausschussbericht zurück, wo es heißt:<br />

„Hauptzweck der Vorschrift ist der Schutz der Auszubildenden vor<br />

Personen, die persönlich oder fachlich nicht geeignet sind. Bei der<br />

Anwendung des Satzes 1 (des <strong>§</strong> 20 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>BBiG</strong>) wird es im Einzelfall<br />

darauf ankommen, ob eine Gefährdung des Auszubildenden zu erwarten<br />

ist. Deshalb wird z.B. bei Großunternehmen, in denen der<br />

persönlich nicht geeignete Unternehmer mit den Auszubildenden<br />

nicht in direkten Kontakt kommt, das Einstellen von Auszubildenden<br />

aus diesem Grunde nicht in jedem Fall untersagt werden müssen.“<br />

2<br />

9 Nach Herkert soll es maßgeblich bei der Feststellung der persönlichen<br />

Eignung auf die (ranghöchste) vertretungsbefugte Person an-<br />

1 VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 22.12.1988 – 9 S 2583/87, EzB <strong>§</strong><strong>§</strong> 20, 21<br />

<strong>BBiG</strong> Nr. 36.<br />

2 Ausschussbericht BT-<strong>Dr</strong>ucks. V/4260, S. 12.<br />

394 | Braun


Berechtigung zur Einstellung <strong>§</strong>20<br />

kommen, welche auch tatsächlich und nicht nur gelegentlich mit<br />

dem Auszubildenden in direkten Kontakt kommt. In der Praxis könne<br />

dies regelmäßig auch diejenige Person sein, die den Ausbildungsvertrag<br />

unterzeichne 1 . Diese Auffassung ist nicht überzeugend. Ist<br />

der Einzelunternehmer oder der Geschäftsführer bzw. Vorstand eines<br />

Unternehmens mit einem oder mehreren größeren Betrieben persönlich<br />

ungeeignet, so kann nicht auf einen nachrangigen, nicht immer<br />

sicher zu bestimmenden, aber persönlich geeigneten Mitarbeiter abgestellt<br />

werden. Auch derjenige, der in Vertretung (etwa als Personalleiter)<br />

den Ausbildungsvertrag unterzeichnet, wird im betrieblichen<br />

Alltag nicht immer die entscheidende Kontaktperson des Auszubildenden<br />

sein. Wer in Vertretung einen Ausbildungsvertrag unterzeichnet,<br />

wird dadurch auch nicht zum Ausbildenden. Im Übrigen ist es<br />

nicht auszuschließen, dass auch der Geschäftsführer eines kleinen<br />

Unternehmens im Betriebsalltag kaum in Kontakt zum Auszubildenden<br />

tritt. Der Umstand, dass der persönlich nicht geeignete Unternehmer<br />

oder Organvertreter nicht oder kaum mit dem Auszubildenden<br />

in Kontakt kommt, ist kein zuverlässiges Kriterium dafür, dass<br />

trotz der fehlenden persönlichen Eignung die Einstellungsbefugnis<br />

des Unternehmens bejaht werden kann. Insoweit ist auch zu beachten,<br />

dass gerade diese ungeeigneten Unternehmer oder Organvertreter<br />

in ihrer Person doch für die Bestellung eines geeigneten Vertreters<br />

oder Ausbilders und deren Überwachung verantwortlich blieben.<br />

Die h.M. will im Anschluss an den zitierten Ausschussbericht bei<br />

größeren Unternehmen offensichtlich eine pragmatische Einzelfallregelung<br />

ermöglichen, so dass diese allein wegen der mangelnden<br />

persönlichen Eignung ihres Inhabers oder Organvertreters nicht<br />

gleich zwingend die Berechtigung zur Einstellung von Auszubildenden<br />

verlieren. Hier aber abweichend von der grundsätzlichen Regelung<br />

nur auf eine nachgeordnete persönlich aber geeignete Person<br />

abzustellen, die in der Praxis mit dem Auszubildenden auch tatsächlich<br />

in Kontakt kommt, ist auch in Anbetracht des Schutzzweckes<br />

nicht geboten. Die nach der h.M. zu verhindernde Härte für größere<br />

Unternehmen kann so nur dadurch gemildert werden, dass der Umstand<br />

fehlenden tatsächlichen Kontakts zum Auszubildenden und<br />

somit einer nicht zu erwartenden Gefährdung des Auszubildenden<br />

bei der Feststellung der persönlichen Eignung mit berücksichtigt<br />

wird. Hierbei ist zu beachten, dass <strong>§</strong> 20 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong> die Eignungsbedingungen<br />

negativ formuliert. Erfüllt z.B. der Geschäftsführer einer<br />

GmbH eines der Regelbeispiele dieser Bestimmung, so ist die<br />

1 Herkert, <strong>§</strong> 20 <strong>BBiG</strong> Rz. 6; vgl. auch Opolony Rz. 243; Leinemann/Taubert,<br />

<strong>§</strong> 20 <strong>BBiG</strong> Rz. 9; Wohlgemuth, <strong>§</strong> 20 <strong>BBiG</strong> Rz. 2.<br />

Braun | 395<br />

10


Kosten der <strong>Abs</strong>chlussprüfung <strong>§</strong>34<br />

VI. Kosten der <strong>Abs</strong>chlussprüfung<br />

Der in <strong>Abs</strong>. 3 normierte Ausschluss der Gebührenerhebung bezieht<br />

sich nur auf den Auszubildenden, d.h. auf Prüflinge, deren <strong>Berufsausbildung</strong>sverhältnis<br />

(noch) besteht. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der<br />

Zulassung, da sich der Prüfungstermin über das Ende der Ausbildungszeit<br />

hinziehen kann und dies dem Prüfling nicht zum Nachteil<br />

in Form des Verlustes des Gebührenausschlusses gereichen darf. Daher<br />

gilt der Schutz auch für Wiederholungsprüfungen nach <strong>Abs</strong>. 1<br />

Satz 2, die zum Bestehen der Prüfung abgelegt werden. Freiwillige<br />

Wiederholungen zur Notenverbesserung sind dagegen nicht begünstigt<br />

1 .<br />

Hat der Prüfling dagegen die Zulassung nach Ablauf der <strong>Berufsausbildung</strong>szeit<br />

beantragt, besteht ebenfalls kein Anspruch auf Gebührenausschluss.<br />

Da der Auszubildende stets berechtigt ist, sich zur <strong>Abs</strong>chlussprüfung<br />

selbst anzumelden, kann er sich auch nicht darauf<br />

berufen, der Ausbildende sei (auf Grund vertraglicher Vereinbarung<br />

oder auf Grund einer Prüfungsordnung) ebenfalls zur Meldung berechtigt<br />

gewesen und habe dies vor Beendigung des Ausbildungsverhältnisses<br />

versäumt. In diesen Fällen ist der Ausbildende jedoch nach<br />

<strong>§</strong> 6 <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 3 <strong>BBiG</strong> unter dem Gesichtspunkt der nachwirkenden<br />

Vertragspflicht verpflichtet, die Kosten zu tragen 2 . Abgesehen vom<br />

Ausnahmefall der Wiederholung zur Notenverbesserung ist damit die<br />

grundsätzliche Gebührenfreiheit für Auszubildende, so wie sie der<br />

Normzweck des <strong>Abs</strong>. 3 gebietet 3 , gewährleistet.<br />

Ebenfalls nicht erfasst werden Prüflinge, die nach <strong>§</strong> 40 <strong>Abs</strong>. 2 und 3<br />

<strong>BBiG</strong> in besonderen Fällen zur <strong>Abs</strong>chlussprüfung zugelassen sind.<br />

Dagegen gilt der Ausschluss der Gebührenerhebung für Zwischenprüfungen,<br />

<strong>§</strong> 42 Satz 2 <strong>BBiG</strong> 4 .<br />

Soll von dem nicht begünstigten Personenkreis (z.B. dem Ausbildenden)<br />

für die <strong>Abs</strong>chlussprüfung eine Gebühr erhoben werden, bedarf<br />

es einer gesetzlichen Grundlage. Die Kammern als zuständige Stellen<br />

haben die Befugnis, entsprechende Gebührenordnungen zu erlassen,<br />

vgl. <strong>§</strong><strong>§</strong> 4 IHKG, 106 HwO. Die Prüfungsgebühr muss dem ¾quivalenzprinzip<br />

genügen. Das ist der Fall, wenn der bei der Bemessung<br />

1 Ebenso Herkert, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 26; a.A. Leinemann/Taubert, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong><br />

Rz. 32; Wohlgemuth, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 12.<br />

2 Herkert, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 25; Opolony, Rz. 613.<br />

3 Wohlgemuth, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 12.<br />

4 Gedon/Spiertz, <strong>§</strong> 41 <strong>BBiG</strong> Rz. 25, 28.<br />

Mühlhausen | 491<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26


<strong>§</strong>34 <strong>Abs</strong>chlussprüfung<br />

der Prüfungsgebühr berücksichtigte Verwaltungsaufwand in einem<br />

angemessenen Verhältnis zum Nutzen der Angelegenheit für den Gebührenschuldner<br />

steht 1 .<br />

27 Der Prüfling hat – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – keinen<br />

Anspruch auf Erstattung der Auslagen, die ihm im Zusammenhang<br />

mit der Ablegung der Prüfung entstanden sind. Es besteht auch<br />

kein gesetzlicher Anspruch oder ein Anspruch in analoger Anwendung<br />

des <strong>§</strong> 34 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>BBiG</strong> auf Übernahme der Übernachtungskosten,<br />

die dadurch entstanden sind, dass die <strong>Abs</strong>chlussprüfung an einem anderen<br />

Ort als dem Ausbildungsort durchgeführt wird 2 .<br />

VII. Rechtsschutz<br />

28 Auszubildender und gegebenenfalls auch der Ausbildende 3 können<br />

gegen Entscheidungen, die im Zusammenhang mit dem Prüfungsverfahren<br />

stehen oder im Rahmen des Prüfungsverfahrens getroffen worden<br />

sind, vorgehen. Auf welche Weise dies zu geschehen hat, hängt<br />

von dem Verfahrensstadium und dem verfolgten Ziel ab.<br />

1. Mögliche Klageziele/Klagegegenstände<br />

a) Zulassung zur <strong>Abs</strong>chlussprüfung<br />

29 Soweit es um die Zulassung zur <strong>Abs</strong>chlussprüfung geht, vgl. die Ausführungen<br />

zu <strong>§</strong> 39 <strong>BBiG</strong> (dort Rz. 30 ff.).<br />

b) Durchführung der <strong>Abs</strong>chlussprüfung<br />

30 Der Anspruch des Auszubildenden auf Durchführung der <strong>Abs</strong>chlussprüfung<br />

nach erfolgter Zulassung ist im Wege der Verpflichtungsklage<br />

nach <strong>§</strong> 42 <strong>Abs</strong>. 1 VwGO zu verfolgen4 . Streitgegenstand der Verpflichtungsklage<br />

ist die Behauptung des Klägers, er werde durch die<br />

rechtswidrige Ablehnung oder Unterlassung des beantragten Verwaltungsaktes<br />

in seinen Rechten verletzt. Demnach richtet sich eine<br />

Klage in diesen Fällen darauf, nicht nur die Möglichkeit zur Able-<br />

1 Knopp/Kraegeloh, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 7.<br />

2 BAG, Urt. v. 14.12.1983 – 5 AZR 333/81, EzB <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Nr. 12; zust. Gedon/Spiertz,<br />

<strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 27; HWK/C.S. Hergenröder, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 4.<br />

3 OVG Lüneburg, Urt. v. 8.4.1974 – VII OVG A 4/73, EzB <strong>§</strong> 35 <strong>BBiG</strong> Nr. 2.<br />

4 Knopp/Kraegeloh, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 3; Wohlgemuth, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 5; Zimmerling,<br />

Prüfungsrecht, Rz. 641.<br />

492 | Mühlhausen


Rechtsschutz <strong>§</strong>34<br />

gung der Prüfung zu gewähren, sondern auch angemessene Bedingungen<br />

zur Durchführung zu schaffen (z.B. zeitnahe Prüfung) 1 .<br />

c) Korrektur des Ergebnisses der <strong>Abs</strong>chlussprüfung<br />

Ein Großteil der Klagen in Prüfungsangelegenheiten richtet sich<br />

gegen das Prüfungsergebnis. Wurde die <strong>Abs</strong>chlussprüfung nicht bestanden,<br />

kann diese Entscheidung im Widerspruchs- und ggf. im Verwaltungsstreitverfahren<br />

überprüft werden. Auch eine bestandene<br />

Prüfung kann beanstandet werden, wenn der Prüfling der Auffassung<br />

ist, seine Leistungen seien fehlerhaft und dadurch zu schlecht bewertet<br />

worden. Ziel ist ein besseres Resultat.<br />

aa) Allgemeines<br />

Vor einer gerichtlichen Überprüfung ist als Prozessvoraussetzung einer<br />

entsprechenden Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ein Vorverfahren<br />

nach <strong>§</strong><strong>§</strong> 68 ff. VwGO durchzuführen. Ein Vorverfahren ist<br />

nur dann entbehrlich, wenn die zuständige Stelle eine oberste Bundes-<br />

oder Landesbehörde ist, <strong>§</strong> 68 <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 1 VwGO.<br />

Der Widerspruch ist gegen die zuständige Stelle zu richten, nicht gegen<br />

den Prüfungsausschuss. Die Vorstellung, Prüfungsausschuss und<br />

zuständige Stelle seien zwei Behörden, ist unzutreffend, die Behördeneigenschaft<br />

der Prüfungsausschüsse ist nicht gegeben (dazu näher<br />

<strong>§</strong> 36 Rz. 7, 8).<br />

Eine Zuständigkeit des Prüfungsausschusses zum Erlass des Widerspruchsbescheides<br />

lässt sich auch nicht damit begründen, dass anderenfalls<br />

die eigentliche Prüfungsentscheidung von einer Stelle – der<br />

Kammergeschäftsführung – getroffen würde, die diejenigen Anforderungen,<br />

die in personeller, sachlicher und verfahrensmäßiger Hinsicht<br />

an den Prüfungsausschuss gestellt werden, selber nicht erfüllt.<br />

Auch wenn eine entsprechende interne Übertragung der Widerspruchsentscheidung<br />

auf den Prüfungsausschuss möglich ist und<br />

nicht unzweckmäßig wäre, ist außerhalb einer solchen Regelung eine<br />

derartige Zuständigkeit dem geltenden Recht nicht zu entnehmen.<br />

Zwar hebt das Bundesverwaltungsgericht zu Recht hervor, dass die<br />

eingehenden Regelungen über das Verfahren, die Zusammensetzung<br />

der Ausschüsse und insbesondere über die Qualifikation der Mitglieder<br />

(dazu <strong>§</strong> 37 Rz. 11 ff.) die Richtigkeit der Beurteilung gewährleisten<br />

soll. Wenn auch die Kammergeschäftsführung diesen für den Prü-<br />

1 Knopp/Kraegeloh, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 3.<br />

Mühlhausen | 493<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34


<strong>§</strong>34 <strong>Abs</strong>chlussprüfung<br />

fungsausschuss geltenden Merkmalen nicht entspricht, so ist die<br />

Entscheidung trotz dieser Diskrepanz unproblematisch, wenn eine<br />

volle inhaltliche Überprüfung der Leistungsbeurteilung rechtlich<br />

ausgeschlossen wird. Dies ist gewährleistet, wenn für die zuständige<br />

Stelle dieselben Prüfungsmaßstäbe bindend sind, die auch für die gerichtliche<br />

Überprüfung gelten (dazu näher unter Rz. 55 ff.) 1 .<br />

35 Das Vorverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs, <strong>§</strong> 69<br />

VwGO. Der Widerspruch richtet sich gegen das Prüfungsergebnis in<br />

Form des Zeugnisses nach <strong>§</strong> 34 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>BBiG</strong>, das bei erfolgloser Teilnahme<br />

die Mitteilung des Nichtbestehens enthält.<br />

36 Dem Prüfling verbleibt dazu eine Frist von einem Monat nach Bekanntgabe<br />

des Verwaltungsaktes, d.h., der Widerspruch gegen die<br />

Prüfungsentscheidung muss innerhalb eines Monats nach Übermittlung<br />

des Zeugnisses schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen<br />

Stelle erhoben werden, <strong>§</strong> 70 <strong>Abs</strong>. 1 VwGO.<br />

37 Wenn die zuständige Stelle den Widerspruch für begründet hält, hilft<br />

sie ihm ab und entscheidet über die Kosten, <strong>§</strong> 72 VwGO. Hilft sie<br />

dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid, der<br />

zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen ist und<br />

ebenfalls eine Kostenentscheidung enthält, <strong>§</strong> 73 <strong>Abs</strong>. 1 u. <strong>Abs</strong>. 3<br />

Satz 1 und 3 VwGO.<br />

38 Anfechtungsberechtigt ist in jedem Falle der Prüfling, da er durch ein<br />

Zeugnis, das seine Leistungen unzutreffend widergibt, unmittelbar<br />

beschwert ist. Der Ausbildende ist zumindest dann anfechtungsberechtigt,<br />

wenn die <strong>Abs</strong>chlussprüfung nicht bestanden wurde und<br />

damit für den Auszubildenden die Möglichkeit besteht, Weiterbeschäftigung<br />

zu verlangen (dazu <strong>§</strong> 14 Rz. 23 ff.) 2 .<br />

bb) Klage auf Verbesserung der Gesamtnote<br />

(1) Allgemeines<br />

39 Die Festsetzung der Gesamtnote einer berufsqualifizierenden Prüfung<br />

ist jedenfalls dann, wenn die Prüfungsordnung die Bildung einer<br />

Gesamtnote und deren Aufnahme in das Prüfungszeugnis ausdrücklich<br />

vorsieht, ein – selbständig abänderbarer – Teil des Verwaltungsaktes,<br />

mit dem über die Prüfung entschieden wird. Der Regelungs-<br />

1 BVerwG, Urt. v. 20.7.1984 – 7 C 28.83, EzB <strong>§</strong> 38 <strong>BBiG</strong> Nr. 4.<br />

2 VG Berlin, Urt. v. 17.2.1987 – VG 12 A 181/86, EzB <strong>§</strong> 41 <strong>BBiG</strong> Bewertung<br />

Nr. 45; Knopp/Kraegeloh, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 6; Leinemann/Taubert, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong><br />

Rz. 30; Herkert, <strong>§</strong> 34 <strong>BBiG</strong> Rz. 20.<br />

494 | Mühlhausen


Rechtsschutz <strong>§</strong>34<br />

gehalt der Prüfungsentscheidung beschränkt sich in diesem Fall<br />

nicht auf den Ausspruch des Bestehens der Prüfung. Vielmehr wird<br />

der Bestehensentscheidung eine zusätzliche Aussage hinzugefügt, die<br />

an dem Verbindlichkeitsausspruch der Prüfungsentscheidung teilnimmt.<br />

Denn mit der Zuerkennung eines bestimmten Prädikats legt<br />

die Prüfungsbehörde für den einzelnen Prüfling fest, wie dessen Ausbildungs-<br />

und Prüfungserfolg im Verhältnis zu anderen Kandidaten<br />

einzuschätzen ist1 .<br />

Erstrebt der Prüfling in derartigen Fällen die Anhebung der Prüfungsnote,<br />

kommen in erster Linie Bescheidungs- und Verpflichtungsklage<br />

in Betracht. Hinsichtlich der richtigen Klageart ist Folgendes zu beachten:<br />

(2) Verpflichtungsklage<br />

Ein Verpflichtungsantrag, gerichtet auf ein bestimmtes (besseres)<br />

Resultat der Prüfung kommt nur dann in Betracht, wenn nicht um<br />

prüfungsspezifische Wertungen gestritten wird, d.h., wenn die<br />

höchstpersönliche Beurteilungsermächtigung des Prüfers nicht erneut<br />

ausgeübt werden muss 2 . Es geht um seltene Fälle, in denen das<br />

Gericht alleine durch die Klärung von Rechtsfragen zu dem Ergebnis<br />

gelangen kann, die Prüfung habe mit einer anderen – besseren – Gesamtnote<br />

für bestanden erklärt werden müssen 3 .<br />

Zu den Rechtsfragen in diesem Sinne gehört beispielsweise die Auslegung<br />

der Regelungen einer Prüfungsordnung. So hatte der Verwaltungsgerichtshof<br />

Kassel zu entscheiden, ob bei dem vom Kläger erzielten<br />

Durchschnitt seiner Einzelnoten von 1,52 die Gesamtnote<br />

„Sehr gut“ hätte vergeben werden müssen. Die Prüfungsordnung sah<br />

vor, dass bei einem Durchschnitt über 1,5 bis 2,5 die Note „gut“ zu<br />

vergeben ist. Da nicht ausdrücklich geregelt war, ob die zweite Dezimalstelle<br />

zu berücksichtigen, zu runden oder zu streichen ist, hielt<br />

das Gericht die Prüfungsordnung insoweit für auslegungsbedürftig.<br />

Im Ergebnis kam das Gericht zu der Auffassung, bei der gebotenen<br />

verfassungskonformen Auslegung sei nur die erste Kommastelle zu<br />

berücksichtigen, so dass dem Prüfling die bessere Note zu erteilen<br />

sei 4 . Auch die umgekehrte Fallgestaltung (eindeutige Prüfungsordnung,<br />

auslegungsbedürftige Einzelnote) war bereits Gegenstand einer<br />

1 So ausdr. OVG Münster, Urt. v. 25.1.1985 – 15 A 2461/82, NVwZ 1985,<br />

595.<br />

2 Kopp/Schenke, VwGO (12. Aufl. 2000), <strong>§</strong> 113 Rz. 195.<br />

3 Zimmerling, Prüfungsrecht, Rz. 642.<br />

4 VGH Kassel, Urt. v. 9.6.1994 – 6 UE 2944/93, WissR 1995, 77 (78).<br />

Mühlhausen | 495<br />

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