RAL 1015 taxi news - Heft 04-2021
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information
Gesetz zum autonomen Fahren
„nicht für Individualverkehr“
Verkehr und digitale Infrastruktur/Anhörung
Als einen Schritt in die richtige
Richtung haben die zu einer
öffentlichen Anhörung des
Verkehrsausschusses Anfang
Mai geladenen Sachverständigen
mehrheitlich den Gesetzentwurf der
Bundesregierung zum autonomen Fahren
bewertet. Die Regelungen zielten eher auf
gewerbliche Anbieter und weniger auf den
Individualverkehr ab, lautete der überwiegende
Tenor.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung
einen Regelungsrahmen schaffen, damit
autonome Fahrzeuge künftig bundesweit
ohne einen physisch anwesenden Fahrer
in festgelegten Betriebsbereichen des
öffentlichen Straßenverkehrs im Regelbetrieb
fahren können. Dazu werden die
technischen Anforderungen an den Bau,
die Beschaffenheit und die Ausrüstung von
Fahrzeugen mit autonomen Fahrfunktionen
geregelt - ebenso wie die Prüfung und das
Verfahren für die Erteilung einer Betriebserlaubnis
durch das Kraftfahrt-Bundesamt
(KBA). Geregelt wird des Weiteren der
Umgang mit den für den Betrieb benötigten
Daten. Zudem wird der Begriff der Technischen
Aufsicht bestimmt. Diese muss laut
Bundesregierung eine natürliche Person
sein, die im Einzelfall die Deaktivierung
oder Freigabe von Fahrmanövern des Fahrzeuges
von außen vornehmen kann.
Einige Sachverständigen-
Meinungen
Martin Schmitz (VDV) erwartet von dem
Gesetz „Impulse für die Mobilitäts- und
Verkehrswende“. Aus dem Entwurf gehe
hervor, dass eine Vernetzung des automatisierten
Fahrens mit den öffentlichen Verkehren
notwendig ist, um nicht Parallelsysteme
aufzubauen. Richtig sei es auch, den
Wegfall des Fahrers durch eine Rechtsfigur
- der Technischen Aufsicht - auszugleichen,
deren Haftung im Vergleich zum Hersteller
einzuschränken sei.
Jürgen Bönninger, Geschäftsführer der
FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH, hält die
technischen Vorgaben in dem Gesetz dem
neuesten Stand der Technik entsprechend.
Zu kurz komme ihm aber die Validierung
der Leistungsfähigkeit hoch- und vollautomatisierter
Fahrzeuge. Es fehle eine lernende
Rückspiegelung. Vergleichbar dem
lebenslangen Lernen eines Fahrers nach
dem Fahrerlaubniserwerb müsse auch
die Leistungsfähigkeit der automatisierten
Fahrzeuge über die Jahre im Verkehr validiert
werden, sagte Bönninger. Als unzureichend
im Sinne dieses Lernens bewertete
er die geplanten Datenerhebungen.
Für Barbara Lenz vom Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt bietet das Gesetz
die Chance, weiter in Richtung Verkehrswende
zu gehen. Im öffentlichen Verkehr,
aber auch bei geteilten Verkehren, könnten
so neue Angebote gemacht werden, die
den Umfang der Nutzung des Pkw in der
jetzigen Form deutlich reduzieren könnten.
Lenz forderte eine breite gesellschaftliche
Diskussion. Dabei müsse der Einfluss der
Fahrzeugautomatisierung auf Klima und
Umwelt stärker thematisiert werden und
gleichberechtigt neben ethischen, sicherheitsbezogenen
und rechtlichen Fragestellungen
stehen.
Peter Liggesmeyer, Leiter des Fraunhofer-Instituts
für Experimentelles Software
Engineering, nannte den Gesetzentwurf
„grundsätzlich positiv“ und die Einrichtung
der Technischen Aufsicht „vernünftig“. Festzustellen
sei aber, dass der Entwurf auf den
ÖPNV abziele und die Regelungen für den
Individualverkehr nicht realistisch seien.
Seiner Einschätzung nach ist das autonome
Fahren in einer deutschen Innenstadt auf
der Basis heutiger Technologien nicht abzudecken.
Es sei auch
nicht abschätzbar,
wann dies möglich
sein wird. Durch das
Gesetz könnten aber
benötigte Erfahrungen
mit autonomen
Systemen gewonnen
werden, sagte Liggesmeyer.
Auch aus Sicht von
Marion Jungbluth
vom Verbraucherzentrale
Bundesverband (vzbv) ist das
Gesetz „sinnvoll und richtig für gewerbliche
Anwendungsfälle“ - nicht aber für private
Fahrzeughalter. Diese würden durch die
im Gesetz auferlegten Aufgaben überfordert.
Daher, so ihre Forderung, sollte der
Anwendungsbereich des Gesetzes auch
auf gewerbliche Halter beschränkt werden.
Änderungsbedarf sieht Jungbluth bei der
Haftungsfrage.
Der Gesetzentwurf stellt nach Auffassung
des Rechtsanwalts Stefan Hessel, Erster
Vorsitzender des Vereins Algoright, allenfalls
die Vorstufe zu der benötigten umfassenden
Regulierung dar. Erhebliche Risiken
würden sich aktuell mit Blick auf Cyberangriffe
ergeben. Der Gesetzentwurf bleibe
hinter europäischen Regelungen zurück.
Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen
Verkehrssicherheitsrates, geht davon aus,
dass das automatisierte Fahren einen ganz
wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der
Verkehrssicherheit leisten werde. Eichendorf
sprach sich unter anderem dafür aus,
die Leistungsfähigkeit der autonomen
Fahrfunktion durch das KBA im Rahmen
einer Feldüberwachung kontinuierlich zu
überwachen. Sollten potentiell sicherheitskritische
Fehler erkannt werden, müsse die
Betriebserlaubnis durch das KBA solange
entzogen werden können, bis der Fehler
durch ein Hard- oder Softwareupdate behoben
wurde, forderte er.
Quelle: Deutscher Bundestag
12 RAL 1015 taxinews · 4/2021