RAL 1015 taxi news - Heft 05-2021
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Kommentar
Minister Scheuer, Diener zweier Herren
Nach seiner Kooperation mit
Gesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) – zusammen
fungierten beide als Taskforce-Chefs
der Corona-Testlogistik,
von der allerdings niemand etwas
bemerkt hat – stürzt sich Andreas Scheuer
(CSU), seines Zeichens Bundesminister für
Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI),
in atemberaubendem Tempo auf zwei neue
Vorhaben.
Ende April verkündete er auf dem 7. Nationalen
Radverkehrskongress in Hamburg,
den Nationalen Radverkehrsplan NRVP 3.0,
mit dem er Deutschland bis zum Jahr 2030
zum Land der Radfahrer machen will. Dann
spätestens sollten die Bürger 180 statt nur
wie heute 120 Wege pro Jahr auf einem
Drahtesel zurücklegen, und zwar jeweils
sechs statt 3,7 Kilometer pro Fahrt.
Nur einen Tag später bläst Scheuer zur
„Wasserstoffoffensive des BMVI“. Auf
einer gemeinsamen Pressekonferenz mit
der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm,
die auch Vorstandsmitglied des Wasserstoffzentrums
Bayern ist, bekräftigte der
Minister: „Deutschland wird Wasserstoffland.“
Die Brennstoffzellentechnologie in
Deutschland zu fördern sei Antrieb bei der
Schaffung eines Innovations- und Technologiezentrums
Wasserstofftechnologie (ITZ).
Es solle sich auf die Wertschöpfungskette
der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik
im Mobilitätsbereich konzentrieren
und kleineren und mittelständischen
Unternehmen sowie Start-ups die benötigte
Entwicklungsumgebung bieten.
So weit so gut. Schon Anfang April zitierte
das Hamburger „Manager Magazin“
die Wasserstoffexpertin Grimm mit der
Bemerkung: „Es ist utopisch zu glauben,
dass die batteriegestützte Elektromobilität
die alleinige Lösung sein wird“ – kurz
nachdem einige Autohersteller gemeldet
hatten, auf Wasserstoff als Antriebsart der
Zukunft weniger intensiv setzen zu wollen.
Ziel müsse sein, so fuhr das Blatt fort, ein
Tankstellennetz für Wasserstofffahrzeuge
zu errichten, von dem später auch der
Pkw-Verkehr profitieren könne. Ist das womöglich
ein längst fälliger Durchbruch?
Seit wann sich auch der Minister dieser
Auffassung angeschlossen hat, liegt im
Dunkeln. Immerhin war bislang gängige
Kabinettsmeinung – vielleicht mit Ausnahme
von Forschungsministerin Anja
Karliczek (CDU) – dem Brennstoffzellen-
Antrieb allenfalls im Güterfern-, Schienen-,
Luft- und Schiffsverkehr eine Chance zu
geben. Das Mantra für die Elektromobilität
per Pkw heißt dagegen Batterie, Batterie,
Batterie.
So scheint Andreas Scheuer zurzeit
politisch zweigleisig unterwegs und Diener
zweier Herren beziehungsweise Damen
zu sein. Was den Nationalen Radverkehrsplan
angeht, so folgt er gehorsam den
Spuren seines Parteichefs Markus Söder,
der sich seit seiner Niederlage im Kampf
um die Kanzlerkandidatur gegen Armin
Laschet eindeutig als Sympathisant bei der
Grünen Annalena Baerbock anbiedert. Und
Scheuers milliardenschwerer Investitionsplan
für Fahrradwege ist nichts anderes als
ein Friedensangebot an Grüne, den Bund
für Umwelt und Naturschutz BUND, den
Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club ADFC
und ähnliche automobilskeptische Vereinigungen.
Die Wasserstoff-Förderung hingegen
könnte dieses Angebot neutralisieren.
Denn erklärtes Ziel von Bündnis 90/Die
Grünen ist und bleibt batterieelektrische
Fort bewegung als umweltfreundliches
Non-Plus-Ultra.
Karl May hätte in seinen Indianerromanen
vor 150 Jahren geschrieben: „Der Minister
redet mit gespaltener Zunge.“
Quelle: (ampnet/hrr)
information
Wortklauberei: Uralt mit Garantie
Fossilien gehören ins Museum. So
manches Zeugnis der Erdgeschichte
findet sich aber – legal
oder nicht – in privaten Sammlungen
wieder. Das ist ärgerlich,
besonders in den Fällen, in denen
wesentlich Forschungsergebnisse so
verunmöglicht werden. Ein solcher Skandal
wurde jetzt beim Parteitag von Bündnis
90/Die Grünen an das politische Tageslicht
gezerrt: der fossile Verbrennungsmotor. Die
Erfindung des Rades, heute meist als Fahr-
oder Lastenrad bekannt, konnten unsere
Historiker einordnen. Die Fossilie eines
vorgeschichtlichen Verbrennungsmotors
blieb ihnen leider vorenthalten. So lernen
wir vermutlich erst viel zu spät, warum der
Verbrennungs motor mit fossilen Kraftstoffen
betrieben wird. Hätten wir das vorher
erkannt, hätten wir moderne Treibstoffe
entwickeln können.
Die weiteren Aussagen zu Klima und
Verkehr verblassen neben dieser wissenschaftlichen
Sensation. Alles beim Alten,
alles geprägt von dem schönen Bild, wie
der Mensch die Stadt erobert mit Standards
für Erreichbarkeit und Erschließung, erweiterten
Angeboten an öffentlicher Mobilität
in ländlichen Räumenn und mit Radwegen.
Im Wahlprogramm heißt das „Mobilitätsgarantie“.
Mal sehen, über welche Garantiefristen
wir uns freuen können. Spitze sind
zur Zeit sieben Jahre.
Quelle: ampnet/Sm
22 RAL 1015 taxinews · 5/2021