Wissenschaft und Technik im Islam II - Ibttm.org
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als Gürtel gespannt, in Teile gegliedert nach den<br />
Orten der zwölf Tiere des Kreises.› Die Zahl der<br />
Sterne sei dem Menschen unerforschlich. Die anderen,<br />
die Irrsterne (Planeten), seien sieben an der<br />
Zahl. Sie unterscheiden sich voneinander in ihrer<br />
Natur <strong>und</strong> Schnelligkeit sowie in ihrer Entfernung<br />
zur Erde <strong>und</strong> bewegen sich in eigenen Kreisbahnen,<br />
die ineinanderliegen <strong>und</strong> von der Fixsternsphäre<br />
umschlossen sind.»<br />
Schon <strong>im</strong> Jahre 154/770 war die Zeit reif, daß man<br />
das umfangreiche Siddh®nta von Brahmagupta 13<br />
mit seinem komplizierten Inhalt <strong>im</strong> Auftrage des<br />
Kalifen al-Man◊‚r aus dem Sanskrit ins Arabische<br />
übersetzen konnte. Die Zeit der Übersetzung der<br />
bedeutendsten Werke der indischen Astronomie<br />
darf als der Beginn der wissenschaftlichen Astronomie<br />
<strong>im</strong> arabisch-islamischen Kulturbereich betrachtet<br />
werden. Die Tatsache, daß es schon zu jener<br />
frühen Zeit möglich war, den Siddh®nta von<br />
Brahmagupta ins Arabische zu übersetzen, läßt sich<br />
nur dadurch erklären, daß bereits einige Jahrh<strong>und</strong>erte<br />
vor dem <strong>Islam</strong> in Persien unter den Sasaniden<br />
eine gewisse Rezeption der griechischen, indischen<br />
<strong>und</strong> spätbabylonischen <strong>Wissenschaft</strong>en eingesetzt<br />
hatte <strong>und</strong> daß zu den jüngsten Vertretern dieser<br />
eklektischen Schule auch die Übersetzer des Siddh®nta<br />
gehörten. Sie haben das Buch nicht nur<br />
übersetzt, sondern auch angefangen, es zu korrigieren<br />
<strong>und</strong> zu ergänzen <strong>und</strong> selbständig astronomische<br />
Werke zu verfassen. 14<br />
Die rasche Entwicklung der astronomischen Kenntnisse<br />
führte zur Übertragung der Hauptwerke des<br />
Ptolemaios ins Arabische. Dabei wurde sein Buch<br />
der «Handtafeln» (próceiroi kanónev) aus einer in<br />
der Sasanidischen Schule entstandenen Übersetzung<br />
übertragen. 15<br />
Die Vertrautheit mit der wissenschaftlichen Literatur<br />
war so weit vorangeschritten, daß schon <strong>im</strong><br />
letzten Viertel des 2./8. Jahrh<strong>und</strong>erts die Übersetzung<br />
des komplizierten <strong>und</strong> umfangreichen Almagest<br />
des Ptolemaios erfolgen konnte. Dies geschah<br />
auf Veranlassung des Staatsmannes YaΩy® b. ø®lid<br />
al-Barmak¬ (120/738-190/805). Zur Beurteilung<br />
des zu jener Zeit <strong>im</strong> arabisch-islamischen Kulturraum<br />
bereits erreichten Standes der Astronomie, ja<br />
der <strong>Wissenschaft</strong>en allgemein, ist es aufschluß-<br />
13 F. Sezgin, Geschichte des arabischen Schrifttums Bd. 6, S.<br />
118-120.<br />
14 Ebd. Bd. 6, S. 122-127.<br />
15 Ebd. Bd. 5, S. 174; Bd. 6, S. 13, 95-96.<br />
E I N L E I T U N G<br />
reich, daß der Mäzen mit der Übersetzung nicht<br />
zufrieden war <strong>und</strong> andere Gelehrte mit der Durchführung<br />
einer zweiten Übersetzung beauftragte. 16<br />
Der gegenwärtige Stand der Forschung vermittelt<br />
den Eindruck, daß die wissenschaftliche Astronomie<br />
<strong>im</strong> arabisch-islamischen Sprachraum schon <strong>im</strong><br />
ersten Viertel des 3./9. Jahrh<strong>und</strong>erts an der Schwelle<br />
zur Kreativitätsperiode stand, als die Rezeption<br />
<strong>und</strong> die Ass<strong>im</strong>ilation noch nicht ganz abgeschlossen<br />
waren. Als Indizien dafür seien genannt: Der<br />
Kalif al-Ma’m‚n übertrug dem Astronomen YaΩy®<br />
b. Ab¬ Man◊‚r 17 (gest. zwischen 215/830 <strong>und</strong> 217/<br />
832) die Aufgabe, die Daten <strong>und</strong> Beobachtungen<br />
der oben genannten «Handtafeln» des Ptolemaios<br />
nachzuprüfen. Die Ergebnisse dieses Auftrages<br />
wurden unter dem Titel az-Z¬ al-Ma’m‚n¬ almumtaΩan<br />
(«Die Ma’m‚nischen nachgeprüften<br />
Tafeln») 18 dem Kalifen v<strong>org</strong>elegt. Die Forschung<br />
hat gezeigt, daß YaΩy® b. Ab¬ Man◊‚r bei der Best<strong>im</strong>mung<br />
von Finsternissen eine Approx<strong>im</strong>ationsmethode<br />
verwendete, die Ptolemaios nicht gekannt<br />
hat. 19 Auch in den Werken seines Zeitgenossen Mu-<br />
Ωammad b. M‚s® al-øw®rizm¬ (wirkte hauptsächlich<br />
zur Zeit des Kalifen al-Ma’m‚n) sind Indizien<br />
für Neuerungen auf dem Gebiet der angewandten<br />
Astronomie zu erkennen. Als Beispiel sei sein Verfahren<br />
erwähnt, die Polhöhe <strong>und</strong> damit den Breitengrad<br />
nach der oberen <strong>und</strong> unteren Kulminationshöhe<br />
eines Zirkumpolarsternes zu ermitteln. 20 Zu<br />
den Indizien gehört auch, daß der Astronom <strong>und</strong><br />
Mathematiker Sind b. ‘Al¬ 21 während einer Expedition<br />
des Kalifen al-Ma’m‚n gegen Byzanz be<strong>im</strong><br />
Messen eines Grades <strong>im</strong> Meridian, das er <strong>im</strong> Auftrag<br />
des Herrschers vornahm, von einer neuen Methode<br />
Gebrauch machte. Auf einer hoch über dem<br />
Meeresspiegel liegenden Küste maß Sind b. ‘Al¬ die<br />
Depression der Sonne bei ihrem Untergang <strong>und</strong><br />
berechnete danach trigonometrisch die Größe des<br />
Erdumfanges. 22<br />
16 Ebd. Bd. 6, S. 85.<br />
17 Ebd. Bd. 6, S. 136.<br />
18 In Faks<strong>im</strong>ile herausgegeben vom Institut für Geschichte der<br />
Arabisch-<strong>Islam</strong>ischen <strong>Wissenschaft</strong>en, Frankfurt 1986.<br />
19 s. E.S. Kennedy <strong>und</strong> N. Faris, The Solar Eclipse Technique<br />
of YaΩy® b. Ab¬ Man◊‚r, in: Journal of the History of Astronomy<br />
(London) 1/1970/20-37; F. Sezgin, a.a.O., Bd. 5, S. 227;<br />
Bd. 6, S. 136.<br />
20 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 10, S. 151.<br />
21 Ebd. Bd. 6, S. 138.<br />
22 Ebd. Bd. 6, S. 138; Bd. 10, S. 96.<br />
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