Wissenschaft und Technik im Islam II - Ibttm.org
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Es ist zu vermuten, daß kein anderes Gebiet der<br />
Astronomie, weder dasjenige des sich stetig verbessernden<br />
Instrumentariums, noch die literarische<br />
Gattung der Tafelwerke mit Beobachtungsergebnissen<br />
oder auch die verfeinerten, sich der<br />
Realität <strong>im</strong>mer mehr annähernden theoretischen<br />
Entwürfe, uns so gut helfen kann, die entscheidenden<br />
Entwicklungsstufen dieser sich durch die Beiträge<br />
einzelner Kulturkreise entwickelnden <strong>Wissenschaft</strong><br />
zu erfassen, wie der Bereich der Sternwarten.<br />
Die seit etwa zweih<strong>und</strong>ert Jahren <strong>im</strong>mer<br />
wieder angesprochene Frage nach Spuren der möglichen<br />
Existenz einer «Institution» der Sternwarte<br />
vor dem <strong>Islam</strong>, fand <strong>im</strong> Jahre 1931 bei Ernst<br />
Zinner 1 , einem der renommiertesten Astronomiehistoriker,<br />
die folgende Beantwortung:<br />
«Sternwarten wie bei den Babyloniern gab es nicht<br />
oder höchstens für kurze Zeit, da die Voraussetzung<br />
dazu, der Zwang jahrh<strong>und</strong>ertelang alle H<strong>im</strong>melserscheinungen<br />
zu beobachten, bei den Griechen<br />
fehlte. Hier handelte es sich um die Tätigkeit<br />
von Einzelpersonen, die je nach ihrer Vorliebe der<br />
einen oder anderen H<strong>im</strong>melserscheinung Beachtung<br />
schenkten. Vom Eudoxos wird berichtet, daß<br />
er eine Sternwarte bei Heliopolis <strong>und</strong> später auf<br />
Knidos hatte, offenbar beeinflußt von den Ägyptern.<br />
Ein Äquatorring war in der quadratischen Halle<br />
in Alexandria jahrh<strong>und</strong>ertelang zu sehen <strong>und</strong><br />
diente wohl zum Unterricht; aber darunter ist noch<br />
keine Sternwarte zu verstehen. Hipparch konnte<br />
seine Beobachtungen mit beweglichen Geräten<br />
anstellen. Auch für die Beobachtungen des Ptolemaios<br />
ist eine feste Aufstellung der Geräte <strong>und</strong><br />
das Vorhandensein einer Sternwarte nicht anzunehmen.»<br />
«Es ist beachtenswert, daß die Freigebigkeit der<br />
ptolemäischen Herrscher ihren Namen nicht mit<br />
einer Sternwarte verknüpft hat. Auch ist nicht berichtet,<br />
daß einer der vielen, sehr reichen Männer<br />
der Antike sich durch Stiftung einer Sternwarte<br />
einen Namen gemacht hat. In der Stiftung von Uhren<br />
erschöpfte sich ihre Vorliebe für die <strong>Wissenschaft</strong>.»<br />
1 Die Geschichte der Sternk<strong>und</strong>e von den ersten Anfängen bis<br />
zur Gegenwart, Berlin 1931, S. 149<br />
STERNWARTEN<br />
19<br />
Zinner schildert die Lage ziemlich zutreffend.<br />
Auch in seiner Begründung kann man ihm durchaus<br />
beipflichten. Aber sein tadelnder Hinweis, keiner<br />
der ptolemäischen Herrscher <strong>und</strong> keiner der<br />
reichen Männer der Antike habe sich durch die<br />
Stiftung einer Sternwarte einen Namen gemacht,<br />
scheint mir nicht ganz gerecht zu sein. Zwar hat die<br />
seit Jahrtausenden in unterschiedlichen Kulturen<br />
gepflegte Astronomie unter den Griechen <strong>und</strong> nicht<br />
zuletzt bei Ptolemaios einen erheblichen Stand erreicht,<br />
doch war die Entwicklung des Faches noch<br />
nicht so weit gediehen <strong>und</strong> die allgemeinen Rahmenbedingungen<br />
noch nicht so günstig, daß ein<br />
Herrscher oder ein Staatsmann auf den Gedanken<br />
gekommen wäre, es bestünde die Notwendigkeit,<br />
eine Sternwarte zu gründen. Dieser Sachverhalt<br />
läßt sich besser verstehen, wenn man den Entstehungsprozeß<br />
der beiden ersten regelrechten, <strong>im</strong><br />
<strong>Islam</strong> gegründeten Sternwarten näher kennt. Eine<br />
hervorragende Arbeit von Aydın Sayılı, die unter<br />
dem Titel The Observatory in <strong>Islam</strong> and its Place<br />
in the General History of the Observatory <strong>im</strong> Jahre<br />
1960 in Ankara erschienen ist, erspart uns die<br />
Mühe, der Entstehungsgeschichte selbst nachzugehen.<br />
Es fällt vor allem auf, daß die Gründung der<br />
Bagdader Sternwarte <strong>im</strong> Stadtteil a·-∞amm®s¬ya<br />
<strong>und</strong> der Damaszener Sternwarte auf dem Berg Q®siy‚n<br />
erst in den letzten fünf oder sechs Jahren der<br />
Regierungszeit des Kalifen al-Ma’m‚n (reg. 198/<br />
813-218/833) verwirklicht werden konnte. 2 Die<br />
betreffenden Berichte erwecken den Eindruck, daß<br />
der Kalif al-Ma’m‚n, der sich selbst mit Astronomie<br />
befaßt hat, der die ihm wichtigen astronomischen<br />
Beobachtungen <strong>und</strong> Messungen selbst anzuordnen<br />
<strong>und</strong> daran sogar teilzunehmen pflegte <strong>und</strong><br />
die notwendigen Instrumente bauen ließ, lange Zeit<br />
keine Idee von einer Sternwarte besaß. Es hat den<br />
Anschein, als ob die sich intensivierende astronomische<br />
Arbeit, die steigende Zahl der daran beteiligten<br />
Astronomen <strong>und</strong> der sich erweiternde Kreis<br />
von Instrumenten, deren Aufbewahrung <strong>und</strong> Bereitstellung<br />
für die Beobachtungen zu gewährleisten<br />
waren, <strong>und</strong> vor allem der steigende Drang zu<br />
Vergrößerung <strong>und</strong> Verbesserung der Meßgeräte die<br />
2 A. Sayılı, a.a.O. S. 50-87.