Wissenschaft und Technik im Islam II - Ibttm.org
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nicht zu ihnen gelangt zu sein. Dagegen erfuhren<br />
sie von der Ansicht des indischen Astronomen<br />
§ryabhafla (um 499 n.Chr.) über die Rotation der<br />
Erde spätestens durch al-B¬r‚n¬. 49 Der Geograph<br />
Ibn Rustah (letztes Viertel 3./9. Jh.) referiert unter<br />
anderem die Theorie, daß sich die Erde <strong>im</strong> Universum,<br />
nicht aber in seinem Mittelpunkt befinde <strong>und</strong><br />
daß sie selbst rotiere, nicht die Sonne <strong>und</strong> nicht die<br />
äußerste Sphäre. 50 Von al-B¬r‚n¬ erfahren wir die<br />
Namen zweier musl<strong>im</strong>ischer Gelehrter, welche die<br />
Vorstellung von der Rotation der Erde vertreten<br />
haben. Es sind AΩmad b. MuΩammad as-Siz¬ (2.<br />
Hälfte 4./10. Jh.) <strong>und</strong> ©a‘far b. MuΩammad b. ©ar¬r<br />
(4./10. Jh.). Jeder der beiden habe ausgehend<br />
von dieser Auffassung ein kahnförmiges Astrolab<br />
gebaut. 51<br />
al-B¬r‚n¬ scheint sich ernstlich darum bemüht zu<br />
haben, zu einer zufriedenstellenden Klärung dieser<br />
Frage zu gelangen. Er schrieb darüber eine nicht<br />
erhaltene Abhandlung «Über Ruhe oder Bewegung<br />
der Erde» (Kit®b f¬ Suk‚n al-ar¥ au Ωarakatih®). 52<br />
Lange Zeit war er wohl unentschlossen, ob er sich<br />
für eine Rotation der Erde entscheiden solle, gelangte<br />
jedoch gegen Ende seines Lebens zu der<br />
Überzeugung, daß die Erde doch ruhe. In seinem<br />
Werk über Indien (verfaßt um 421/1030) sagt er:<br />
«Die Rotation der Erde schädigt in keinerlei Weise<br />
die Schlüsse der astronomischen <strong>Wissenschaft</strong>,<br />
sondern die hierher gehörenden Dinge hängen<br />
(auch bei dieser Annahme) in derselben Weise logisch<br />
zusammen. Es gibt andere Gründe, die diese<br />
Annahme unmöglich machen müßten.» 53 Auch Ibn<br />
al-Hai˚am behandelt die Frage in seinem Kommentar<br />
zum Almagest <strong>und</strong> spricht sich gegen die Rotation<br />
aus. 54<br />
Es ist weiterhin zu beachten, daß Ab‚ ©a‘far alø®zin<br />
in der ersten Hälfte des 4./10. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
49 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 224-225.<br />
50 Kit®b al-A‘l®q an-naf¬sa, ed. J. de Goeje, Leiden 1892<br />
(Nachdr. <strong>Islam</strong>ic Geography Bd. 40, Frankfurt 1992), S. 23-24.<br />
51 al-B¬r‚n¬, at-Taflr¬q ila sti‘m®l fun‚n al-asflurl®b®t, Paris,<br />
Bibliothèque nationale, ar. 2498, fol. 9a; F. Sezgin, a.a.O. Bd.<br />
6, S. 224-225.<br />
52 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 275.<br />
53 Zu seiner Begründung s. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 31; E. Wiedemann,<br />
Zu den Anschauungen der Araber über die Bewegung<br />
der Erde, in: Mitteilungen zur Geschichte der Medizin <strong>und</strong> der<br />
Naturwissenschaften (Leipzig) 8/1909/1-3, bes. S. 2 (Nachdr.<br />
in: Gesammelte Schriften Bd. 1, Frankfurt 1984, S. 287-289,<br />
bes. S. 288).<br />
54 F. Sezgin, a.a.O. Bd. 6, S. 31-32.<br />
E I N L E I T U N G<br />
eine neue Erklärung für die scheinbare Ungleichförmigkeit<br />
der Umläufe der Planeten fand, wie es<br />
sich aus Zitaten bei al-B¬r‚n¬ entnehmen läßt. Nach<br />
dem von ihm entworfenen Modell verwirft er die<br />
Lehren von der Exzentrizität <strong>und</strong> den Epizykeln<br />
<strong>und</strong> ersetzt sie durch die Annahme von Variationen<br />
der jeweiligen Planetenbahn zur Ekliptikebene. Ein<br />
ähnliches Modell begegnet uns bei Heinrich von<br />
Langenstein (1325-1397). 55<br />
Im Zuge der geometrischen Darstellung der Planetenbewegung<br />
<strong>im</strong> Anschluß an die griechischen<br />
V<strong>org</strong>änger gab es bei arabischen Astronomen von<br />
der zweiten Hälfte des 4./10. Jahrh<strong>und</strong>erts an eine<br />
Fülle von Theorien, die ihre bedeutendsten Früchte<br />
bei Kopernikus tragen sollten.<br />
Ab‚ Na◊r b. ‘Ir®q, der Lehrer al-B¬r‚n¬’s (2. Hälfte<br />
4./10. Jh.), diskutiert unter unterschiedlichen Aspekten<br />
die Möglichkeit elliptischer Planetenbahnen<br />
bei sehr geringer Differenz zwischen der Länge der<br />
beiden Achsen, <strong>und</strong> die Möglichkeit tatsächlicher<br />
Ungleichförmigkeit der Umläufe. Im Gegensatz zur<br />
Meinung eines Kollegen, zu der er hier Stellung<br />
n<strong>im</strong>mt, ist er selbst von einer konstanten, gleichförmigen<br />
Bewegung der Planeten überzeugt. Die<br />
scheinbaren Ungleichförmigkeiten <strong>und</strong> bei der Beobachtung<br />
auftretenden Veränderungen der<br />
Durchmesser der Planetenbahnen seien mit der Exzentrizität<br />
zu erklären. Er hielt es offenbar nicht für<br />
notwendig, epizyklische Bewegungen zu Hilfe zu<br />
nehmen. 56<br />
Zu Beginn des 5./11. Jahrh<strong>und</strong>erts führt Ibn al-Hai-<br />
˚am die Sphärentheorie der ptolemaiischen Hypotheseis<br />
in die arabische Astronomie ein. Danach<br />
mußte das mathematische Modell der H<strong>im</strong>melsbewegungen<br />
durch die Vorstellung von körperlichen<br />
Kugelschalen ersetzt werden. Zweifellos war<br />
diese Umgestaltung der traditionellen Darstellung<br />
des Almagest, die bis ins 16. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein<br />
sowohl in der islamischen Welt als auch <strong>im</strong> Abendland<br />
weitgehend befolgt wurde, ein gewisser Rückschritt.<br />
Jedoch tritt mit diesem Versuch des Ibn al-<br />
Hai˚am eine völlig neue Erklärung der Bewegung<br />
der Planeten zutage. Er faßt sie in folgende Worte:<br />
«1. Der natürliche Körper führt von sich aus nicht<br />
mehr als eine einzige natürliche Bewegung aus.»<br />
«2. Der natürliche einfache Körper führt keine Bewegung<br />
von unterschiedlicher Geschwindigkeit<br />
55 Ebd. Bd. 6, S. 189-190.<br />
56 Ebd. Bd. 6, S. 242-243.<br />
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