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Österreichische Post AG; PZ 18Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien

www.dasbiber.at

MIT SCHARF

MÄRZ

2022

+

QUEERE MIGRAS

+

POLASCHEK IN ZAHLEN

+

DIE IMPFFLÜCHTLINGE

+

DIE

PARKPLATZ-

POSER

GETUNTE KARREN

AM KAHLENBERG


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3

minuten

mit

amaaena

Anna Antenete Hambira ist

Creative Director, Künstlerin und

Modedesignerin. Über Nacktsein,

Rassismus, „girly“ Farben und

Fashion als Therapie.

Von Amina Reifenauer-Ben Hassen (Foto und Text)

BIBER: Woher nimmst du die Inspiration

für deine Arbeit?

ANNA ANTENETE HAMBIRA: Aus

meinem Umfeld, von meinen

Freunden, aus unterschiedlichen

Subkulturen, aber auch aus meiner

Lebensgeschichte. Die nächste Kollektion

behandelt das Thema „Kindheit“.

Ich bin als Schwarze Frau in

Oberpfalz, in Bayern, aufgewachsen.

Da gehören Rassismus und

Exotisierung zum Alltag. Fragen wie

,,Woher kommst du?’’ oder ,,Darf

ich deine Haare anfassen?’’ habe

ich zu oft gehört. Durch meine

Mode therapiere ich mich selbst.

Du verwendest oft Frotteestoff und

Leinen. Was fasziniert dich gerade

an diesen Materialien?

Ich war letzten Sommer mit

Freunden am Ottensteiner Stausee.

Sonne. Baden. Nackt sein. So bin

ich auf die Idee für meine jetzige

Kollektion gekommen. Diese spielt

in einer fiktiven Poollandschaft, wo

man sich im eigenen Freundeskreis

umarmen und nah zueinander sein

kann und sich auch berühren kann,

ohne dass es sexueller Natur ist.

Am Pool brauche ich ein Handtuch.

Daher der Frotteestoff.

Und was ist mit Leinen?

Ich liebe Leinen, vor allem deswe-

gen, weil ich es cool finde, wenn

Kleidung getragen aussieht. Eine

Zeit lang bin ich immer mit komplett

weißen Outfits rausgegangen.

Mir hat es gefallen, wie man

abends gesehen hat, welchen Tag

das Outfit hinter sich hat. Da habe

ich mich hingesetzt. Hier bin ich

auf mein Knie gefallen. Dort habe

ich einen Drink verschüttet. Wenn

Kleidung durch Farbe oder Material

eine Geschichte erzählt, wird es

spannend.

In deiner aktuellen Kollektion verwendest

du Sätze wie ,,I own my

light pink’. Welche Bedeutung hat

dieser Satz?

Bei einer Ausstellung von mir kam

eine Frau auf mich zu und lobte

meine Arbeit mit rosarotem Denim

und anderen Pastellfarben. Sie

fand das cool, wie ich Farben,

die als typisch ,,girly’’ konnotiert

sind, zurückerobere und sie durch

meine Kleidung eine emanzipierte,

starke Bedeutung bekommen. So

ist die Phrase ,,I own my light pink’’

entstanden.

Wer ist Sie?

Name: Anna Antenete Hambira

Beruf: Modedesignerin

www.amaaena.com

/ 3 MINUTEN / 3


3 3 MINUTEN MIT AMAAENA

Die Designerin Anna Antenete Hambira

im Schnellinterview.

8 IVANAS WELT

Paw Patrol auf Dauerschleife – Covid-19 hat

Kolumnistin Ivana Cucujkić und ihre Familie

zum zweiten Mal erwischt.

POLITIKA

10 DIE IMPF-AUSWANDERER

Tschau mit Au: Wie Österreichs Corona-Politik

Impfgegner ins Ausland treibt.

14 „HERR POLASCHEK, WIE OFT

HABEN SIE EINEN FETZEN IN

DER SCHULE GESCHRIEBEN?“

Biber fragt in Worten, ÖVP-Bildungsminister

Martin Polaschek antwortet in Zahlen.

16 EINER, DER GANZ

GENAU HINSIEHT

Wir besuchten „Plagiatsjäger“ Stefan Weber in

seinem Salzburger Büro.

RAMBAZAMBA

20 SCHNELLER, BRATE!

Der heiße Tuning-Hotspot am

Wiener Kahlenberg.

28 COMING-OUT MIT

HINDERNISSEN

Junge, queere Migrant*innen über ihren Mut,

Normen zu durchbrechen.

34 ALTE MENSCHEN, GÖNNT

UNS DOCH EINFACH!

Warum die Generation Z der „Hustle“-Kultur

endgültig den Kampf ansagt.

14

HERR POLASCHEK, WIE VIELE GÄSTE

WAREN BEI IHRER HOCHZEIT?

ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek in

unserem biber Interview in Zahlen.

10

FLUCHT VOR

DER CORONA-

POLITIK

Impfgegner packen

ihre Sachen und

kehren Österreich den

Rücken zu. Wir trafen

sie vor der Abreise.

IN

38 ARBEITERKIND 3.0

AMS-Kurs und Studium statt Autos reparieren

und Handyshop: Boban Ristić ist ein

Arbeiterkind der neuen Sorte.

SPECIAL

42 GROSSES EMPOWERMENT

SPECIAL

Fünf Autorinnen aus verschiedenen

Communitys über ihren Weg zur

mehr Selbstbestimmung.


44 DIE ERSTGEBORENE

Wie Tekla Scharwaschidze die Erwartungshaltung

an sich als ältestes Kind in ihrer

georgischen Familie durchbrach.

48 „AYIP! DAS GEHÖRT SICH

NICHT!“

Über Anstand und Schande in der

kurdischen Kultur.

20

HALT MÄRZ

2022

NEED FOR

SPEED AUF

WIENERISCH

Shisha, Blaulicht,

Kickdown: Der

Kahlenberg ist der

neueste Hotspot

der illegalen

Tuning-Szene.

52 FREIGETANZT

Amina Reifenauer-Ben Hassen über ihre

Leidenschaft für Voguing und House Dance.

54 „WEIL DU EIN

MÄDCHEN BIST“

Eine anonyme Autorin klagt an, wie in ihrer

Community Mädchen in Richtung Haushalt und

Familie gedrillt werden.

56 FRAUEN, AN DIE

MISCHPULTE!

Gracia Ndona ist keine „Djane“, sondern

einfach DJ. Warum Frauen an den Turntables

das Nachtleben sicherer machen.

TECHNIK

59 KEINE ANGST VOR

CORPORATIONS

Adam Bezeczky liefert die neuesten News aus

der Welt der Technik.

42

WIR BESTIMMEN. PUNKT.

Fünf Autorinnen aus verschiedenen

Communitys berichten von ihren

persönlichen Revolutionen.

© Zoe Opratko, Cover: © Zoe Opratko

KARRIERE&KOHLE

60 DU WILLST EINE

GEHALTSERHÖHUNG?

Šemsa Salioski präsentiert die neuesten

Karrieretipps und Tricks.

66 INVESTMENT FÜR

ANFÄNGER

Investorella-Gründerin Larissa Kravitz zeigt das

große Investment-ABC für Anfänger*innen.

KULTURA

68 KULTURA NEWS

Regisseurin Ebru Tartıcı Borchers im

Kurzinterview, und mehr aktuelle Kulturtipps.

70 BEZIEHUNGSSTATUS: ANGST

Jad Turjman über die moderne, wilde

Datingwelt, der er nicht versteht, aber

verstehen will.


Liebe LeserInnen,

Wie das mit der Impfpflicht ausgeht, weiß gerade keiner: Aber eines ist

klar – Die Menschen, die stv. Chefredakteur Amar Rajković getroffen hat,

haben die Corona-Maßnahmen der Regierung satt und kehren deswegen

Österreich den Rücken. Ob Kroatien oder Bulgarien, der Lebensstandard

ist nicht so hoch wie bei uns, dafür können die Impfflüchtlinge dort „frei

und ungeimpft“ leben. S. 10

Immerhin 14 Prozent der LehrerInnen in Österreich sind (noch) ungeimpft

– das erzählt uns Neo-Bildungsminister Martin Polaschek im Interview

in Zahlen. Was denkt ihr, wie oft geht er zum Friseur? Oder wie hoch

ist die Wahrscheinlichkeit, dass er in der nächsten Regierung den

Bildungsminister stellt? Das Interview hat übrigens die erst 13-Jährige

Melina Katsioulis geführt, die bei uns vier Tage in den Redaktionsalltag

hineinschnuppern konnte. Auf S. 14

Sie sieht nicht ein, warum

sie den Haushalt schmeißen

muss, während ihr Bruder

chillen darf – die erst 15-Jährige

Autorin beschreibt eine

Problematik, die sich manch

Erwachsener vor Augen halten

sollte. Eindeutige Leseempfehlung!

S. “ 54

Aleksandra Tulej,

stv. Chefredakteurin

Ihnen sind Zahlen am Zeugnis nicht wichtig, Hauptsache die Anzahl der PS

stimmt. „Raser, Polizeieinsätze, illegal getunte Autos.“ Immer wieder bringt

der Boulevard Schlagzeilen zu berühmt-berüchtigten Tuning-Treffen am

Wiener Kahlenberg. Wir sind raufgefahren und wollten wissen: Wer sind

die Menschen hinter dem Lenkrad? Wie viel kosten ihre Autos? Warum

sind diese Treffen gerade seit der Pandemie so beliebt? Ab S. 20

Unser Empowerment-Special geht in die nächste Runde: der biber-

Podcast „Du bestimmst. Punkt.“ auf Spotify und Apple Music erfreut sich

großer Erfolge. Immer mehr junge Frauen wollen ihre Geschichte erzählen

und andere damit ermutigen, es ihnen gleich zu tun. Diese Geschichten

dürfen nicht ungehört bleiben, das Credo bleibt: Du bestimmst. Und zwar

immer.

Über die Kraft des Tanzes, persönliche Revolutionen, weil man als junge

Frau alles und der kleine Bruder gar nichts im Haushalt erledigt, „Ayip“

(dt.: Schande) in der kurdischen Community, den Druck, der auf den

Schultern der Erstgeborenen lastet, oder den steinigen Weg von jungen

weiblichen DJ’s. Ab S. 42

Übrigens, bald sperren die Clubs auf, der Frühling kommt und alles

wird ein bisschen leichter: Genießt diese Zeit, am besten mit der neuen

Ausgabe.

Bussis,

die Redaktion

© Zoe Opratko

6 / MIT SCHARF /


IMPRESSUM

MEDIENINHABER:

Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21, Museumsplatz 1, E-1.4,

1070 Wien

HERAUSGEBER

Simon Kravagna

KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH Quartier 21,

Museumsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien

Tel: +43/1/ 9577528 redaktion@dasbiber.at

marketing@dasbiber.at abo@dasbiber.at

WEBSITE: www.dasbiber.at

CHEFREDAKTEURIN:

Delna Antia-Tatić (karenziert)

STV. CHEFREDAKTEURE:

Amar Rajković und Aleksandra Tulej

CHEFREPORTERIN:

Aleksandra Tulej

FOTOCHEFIN:

Zoe Opratko

ART DIRECTOR: Dieter Auracher

KOLUMNIST/IN:

Ivana Cucujkić-Panić, Jad Turjman

LEKTORAT: Florian Haderer

ÖAK GEPRÜFT laut Bericht über die Jahresprüfung im

1. HJ 2021:

Druckauflage 78.667 Stück

Verbreitete Auflage 75.500 Stück

Die Offenlegung gemäß §25 MedG ist unter www.dasbiber.at/

impressum abrufbar.

DRUCK: Mediaprint

REDAKTION & FOTOGRAFIE:

Adam Bezeczky, Nada El-Azar-Chekh, Şeyda Gün, Amina

Reifenauer - Ben Hassen, Boban Ristic, Anna Jandrisevits,

Tekla Scharwaschidze, Semsa Salioski

VERLAGSLEITUNG :

Aida Durić

SOCIAL MEDIA:

Gracia Ndona

REDAKTIONSHUND:

Casper

BUSINESS DEVELOPMENT:

Andreas Wiesmüller

Erklärung zu gendergerechter Sprache:

In welcher Form bei den Texten gegendert wird, entscheiden

die jeweiligen Autoren und Autorinnen selbst: Somit bleibt die

Authentizität der Texte erhalten - wie immer „mit scharf“.

GESCHÄFTSFÜHRUNG:

Wilfried Wiesinger

Jeder

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In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin

Ivana Cucujkić über ihr daily life.

IVANAS WELT

Ivan Minić

BETA, DELTA, OMIKRON.

MUTTI SCHLEICHT SICH KURZ DAVON.

Quarantäne-Status: Ich brauche Ferien auf der Motorhaube

Grillhuhn, Babas Fleischtomaten und Benzin. Die

Aromamischung meiner Kindheit. Die Duftnote von

Leichtigkeit, Sommer und langen Autofahrten in

den Griechenlandurlaub. Unser alter Mazda bis zum

Dach vollgepackt mit allem, was man braucht für

zehn Tage Tsatsiki-Feeling. Da wär‘ ich jetzt gern.

Im kilometerlangen Stau, irgendwo in Makedonien.

Zwischen fünfzig anderen PKWs. Die Kolonne vor

der Grenze lang genug, um die Wartezeit für ein improvisiertes

Picknick auf der Motorhaube zu nutzen.

Doch grad als ich in das krosse Hendl beißen wollte,

das am Tag zuvor noch von Deda durch den Stall gescheucht

und für uns als Reiseproviant geschlachtet

worden war, piept es. Einmal, zweimal, dreimal. Es

hört nie wieder auf. Der Einjährige hämmert unaufhörlich

auf ein technisches Gerät ein, das er aus dem

Stapel alter Magazine, vollgeschnäuzten Feuchttüchern

und aufgerissenen Antigen-Tests fischt.

CORONA-ELTERN

Mein Tagtraum ist brutal vorbei. Statt auf Destination,

bin ich in Isolation. Zum zweiten Mal nun. Corona

hat uns wieder. Neues Jahr, neuer Buchstabe

im Corona-Alphabet. Quarantäne mit zwei Kindergartenkindern

ist ein ganz besonderer Trip. Das ist

die sarkastische, saure Arschloch-Kirsche auf der

Pandemie-Torte, die wir also jetzt auch noch schlucken

müssen.

Wir haben grad mal Quarantäne-Tag drei. Der Vierjährige

zuckt aus. Der Einjährige macht copy-paste.

Home Office? Guter Witz. Die Symptome des Virus

können allerdings nicht mithalten mit der chro-

nischen Wut und der Erschöpfung. Wut auf die Zügel

des Lebens, die mit jedem positiven Corona-Fall im

Kindergarten aus den Händen gleiten. Erschöpft vom

wochenlangen Improvisieren des Alltags. Die Ausnahme

etabliert sich zum Zustand und ich entwickle

eine stabile Aggressivität gegenüber jeder Form von

Ironie in Bezug auf diese ganze Corona-Geschichte.

Dazu fehlt mir schlicht die intellektuelle Energie. In

der Eltern-WhatsApp-Gruppe wird Revolte geübt.

Der gemeinsame Hate auf den Rest der Welt gibt

mir Halt und ersetzt grad so einige Therapiestunden.

PAW PATROL, PARADAJZ, SUPER 95

Meine ganze geistige Kraft geht drauf, als ich versuche,

diesen verdammten Kinderkanal zu programmieren.

Paw Patrol läuft darauf in Dauerschleife,

damit ich meine Alibi-Mail zu einer glaubwürdigen

Tageszeit versenden kann. Leider gelingt es mir

nicht innerhalb der Geduldspanne eines Kleinkindes

mit Suchtverhalten. Es folgt ein perfektionierter ohrenbetäubender,

schriller Quengelton. Mein Körper

erstarrt. Mein Tunnelblick sucht verzweifelt nach

Rettung. Er schweift über diesen Magazinstapel. Ich

schiebe die Windel von letzter Nacht vom Cover.

„Endlich wieder richtig Ferien.“ Ich flüchte mich an

die makedonische Grenze. In unseren Mazda. Old

School, ohne Klima. Und ohne Kindersitz. (Ist jemals

irgendein Kind der 90er in sowas gesessen?) Mama

deckt die Motorhaube. Dedas Lunchpaket und „zwei

scharfe“ für Tata. Tomaten und Abgase liegen in der

Luft. In meiner genesenen Nase. Ich lächle. Urlaub

im Kopf. Für einen Februartag in Quarantäne echt ok.

Rosen, Rakija & Kritik an: cucujkic@dasbiber.at, Instagram: @ivanaswelt

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DIE

IMPFFLUCHT

Ich kann meinen Job, aber

nicht meinen Körper wechseln.“

Nazar Argopyan zippt

sich seine blaue Arbeitsjacke

zu, überprüft die Papiere im Handschuhfach

und richtet den Turm von

Umzugskisten, der vom Beifahrerplatz

aus umzustürzen droht. Der

Himmel an diesem kalten Wintermorgen

verwandelt sich langsam von Rosa in Blau. Der Verkehr

rauscht teilnahmslos am geparkten Volvo vorbei, als würde er

gar nicht wissen, dass hier ein Kapitel endet.

Der Fahrer des Volvos, Argopyan, trägt eine hellblaue Jacke

mit schwarzen Streifen. Er sagt nicht viel. Wenn er etwas

erzählt, klingt es schnell mal philosophisch. Seine pechschwarzen

Haare haben wenig graue Mitstreiter, wenn man bedenkt,

dass der Träger 64 Jahre alt ist. Er arbeitete als Tischtennistrainer

bei der UNO. Nun verlässt Argopyan nach elf Jahren Wien.

Er folgt seiner Frau nach Sofia und will sich dort seinen

zwei Enkelkindern widmen und keinesfalls über Corona reden.

„Der Fernseher wird nicht laufen, wenn ich zu Besuch komme“,

sagt er. Er ist ungeimpft und möchte es weiterhin bleiben.

Darum kehrt er zurück, auch wenn er nicht weiß, wie er Geld

in seiner alten Heimat verdienen soll. 14 Stunden wird er am

Steuer sitzen und über Gott, die Welt und Corona nachdenken.

Er weiß zwar nicht, wie er in Zukunft Geld verdienen wird, doch

eines weiß er ganz genau: In Österreich, dem Land, in dem,

wie er sagt, der Impfstatus mehr als die körperliche Gesundheit

zählt, bleibt er keinen Tag länger.

JEDER WIRD JEMANDEN KENNEN, DER

ÖSTERREICH VERLASSEN HAT

Seit Anfang Februar gilt in Österreich die Covid-19-Impfpflicht,

erst ab Mitte März soll gestraft werden. Kanzler Nehammer

erwägt zwar mittlerweile wieder einen Rückzieher, doch das

hält die Menschen nicht mehr auf, die beschlossen haben,

Österreich den Rücken zu kehren. Ob es Hunderte oder Tausende

sind, dafür gibt es keine belastbaren Zahlen. Telegram-

Gruppen und Geschichten aus dem persönlichen Umfeld

bestätigen den Verdacht: Es werden immer mehr. Manche, wie

Argopyan, kehren zurück in die Heimat. Andere brechen auf in

Obwohl die Impfpflicht wackelt,

flüchten immer mehr Menschen

weg aus Österreich. Um „frei

und ungeimpft“ zu leben, geben

sie alles auf und nehmen eine

ungewisse Zukunft in Kauf.

Text: Amar Rajković und Celina Dinhopl (Mitarbeit)

Fotos: Zoe Opratko

ein Land, das sie vielleicht nur aus

dem Urlaub kennen. Kroatien ist

unter den Auswanderern beliebt,

aber auch Georgien oder Spanien

werden genannt, genau wie

Paraguay und Mazedonien. Über

den Messenger-Dienst Telegram

tauscht man sich aus zu Fragen wie

„Welche Krankenversicherung gilt

in Kroatien?“, „Wo gibt es Waldorfschulen außerhalb Zagrebs?“

oder „Kennt wer einen Zahnarzt in Istrien, der keinen Impfpass

verlangt?“. Alleine die Gruppe „Auswandern-Kroatien“ hat

knapp 1.300 Abonnenten, und an vielen Tagen kommen 30 bis

40 neue hinzu.

DER UNENTSCHLOSSENE

Robert * studiert Angewandte Geowissenschaften an der Montanuniversität

in Leoben. Sein Vater ist Professor, die Mutter

Juristin. Wir treffen ihn auf Zoom. Er kleidet sich schlicht, mit

dünner Weste und Blue Jeans. Er artikuliert sich gewählt und

liest „Zeit“ und „NZZ“. Robert sagt, seine Freundin lacht über

seine Ansichten und tut sie als Spaß ab. In seinem Freundeskreis

sei er einer der wenigen, die noch keine Covid-Impfung

erhalten haben. Er sagt, weder seine Partnerin noch Bekannte

oder Verwandte könnten sich vorstellen, dass er seine Drohung

wahr machen und Österreich verlassen würde. „Die Impfung

schützt vor der Omikron-Variante kaum, warum sollte ich mir

dann eine verpassen lassen?“, sagt er. „Mir ist vor allem der

Schutz anderer wichtig, deswegen lasse ich mich regelmäßig

testen, was man von den meisten Geimpften nicht behaupten

kann.“ Er ärgert sich über den Corona-Schlingerkurs der

Regierung. Österreich zu verlassen sei für Robert das allerletzte

Mittel. Dabei liebe er sein Land über alles. Er sei ein „stolzer

Patriot.“

ÜBER MISSTRAUEN UND MARIONETTEN

Argopyan freut sich auf den blauen Himmel, der ihn auf der

Fahrt in die Heimat begleiten wird. Er schätzte an Österreich

die sicheren Jobs, das gute Gehalt, die sauberen Straßen. Er

erlebte den Kommunismus in Bulgarien, das Misstrauen gegenüber

den herrschenden Eliten hat sich in seine DNA einge-

10 / POLITIKA /


/ POLITIKA / 11


Nargopyan kehrt nach Sofia zurück: Grund: Er möchte sich in

Österreich nicht impfen lassen.

brannt. Er vermutet ein abgekartetes Spiel der „mächtigen,

globalen Politik“, bei dem die österreichische Regierung nur die

Marionetten mimt.

„Es gibt viele Journalisten im Fernsehen, doch die stellen

immer dieselben Fragen. Im Internet findest du ganz andere

Meinungen zur Impfung, auch von renommierten Ärzten und

Wissenschaftlern“, sagt Argopyan. „Du musst impfen, du

musst impfen, du musst impfen“, fasst er die Botschaften in

den Mainstream-Medien knapp zusammen und winkt ab. Nun

zieht er in sein Heimatland zurück. Ohne Plan, ohne Job, aber

„frei“.

BIO-HOF IN KROATIEN

In der Telegram-Gruppe „Auswandern

nach Kroatien“ würde Argopyan viele

Befürworter finden. Die Mitglieder

scheinen genauso bunt gemischt

wie die Demoteilnehmer zu sein, die

mittlerweile fast jedes Wochenende

in Großstädten Europas gegen die

„unmenschliche Corona-Diktatur“

spazieren gehen. Der Umgangston ist

größtenteils respektvoll, nur vereinzelt

verstoßen User gegen die Netiquette.

Videos von „Impflingen“ mit schweren

Impfnebenwirkungen werden dort

wenig kommentiert. Dafür erfahren

Fragen wie „Kann man das Leitungswasser

in Kroatien trinken?“ oder

„Welche Berufe sind gefragt in Kroatien?“

reges Interesse.

Was geschieht, wenn man sich in

dieser Telegram-Gruppe als „besorgter

Vater“ ausgibt, der sich ernsthaft

In einschlägigen Telegram-Gruppen treffen

sich auswanderungswillige User, um Infos

auszutauschen.

überlegt, wegen der Impfpflicht nach Kroatien auszuwandern?

Eine Userin, sie nennt sich Kati * scheint auf jede Frage die

passende Antwort zu haben. Im privaten Chat erzählt sie, dass

sie eine in Deutschland geborene Kroatin ist. Sie und ihr Mann

leben noch in beiden Ländern. Nicht mehr lange. Kati verkauft

gerade all ihren Besitz in Deutschland, um sich ein Leben in

Kroatien zu finanzieren. Dass sie mit ihrem Mann schon mehrere

Häuser und Grundstücke im Land am Balkan besitzt, ist

sicherlich nicht von Nachteil. „Mein Mann will mit seinem Cousin

Häuser bauen und verkaufen. Ich will einen ökologischen

Hof mit kleinen Hütten zum Vermieten aufbauen“, schreibt

Kati. Ein sehr konkreter Plan, von dem andere Impfskeptiker

nur träumen können.

UNPÜNKTLICH, OHNE ZU BLINKEN

Mittlerweile hat noch eine Userin zurückgeschrieben. Sie ist,

ähnlich wie die Aussteigerin mit den Bio-Hof-Ambitionen,

Kroatin aus Deutschland. Lidija * hat sich mit ihren zwei Kindern

(10 und 12) und dem iranischstämmigen Ehemann seit sieben

Wochen in der Nähe von Zagreb angesiedelt. Er fängt bald in

einer Spedition an, sie hat ihren Job bei einer großen deutschen

Fluggesellschaft. Die Kinder gehen in eine internationale

Schule in Zagreb und sind über ihre Mutter in Deutschland

mitversichert. Das Geld für den Anfang generieren sie aus dem

Hausverkauf in Deutschland.

„Die Fahrweise der Kroaten ist etwas frech und gewöhnungsbedürftig.

Sie drängeln, ohne zu blinken, und fahren

einen ganz schön auf. Einen Unfall haben wir schon hinter

uns“, schreibt Lidija mit einem traurigen Smiley hintendran.

Außerdem sei „Pünktlichkeit nicht so ihr Ding.“ Trotzdem habe

die dreifache Mutter (der volljährige Sohn ist in Deutschland

geblieben) keine Sekunde ihre Entscheidung bereut.

Sie schreibt mir von einem anderen deutschen Pärchen,

das in ihrer Nähe lebt. Dieses pendelt noch zwischen Deutschland

und Kroatien hin und her, „werde allerdings auch irgendwann

mal kommen“, ist sich Lidija

sicher, denn „es hätte genauso wenig

Bock auf die Maßnahmen in Deutschland

wie wir.“

UNGEIMPFTE BULGAREN

In Bulgarien ist nicht mal jeder Dritte

geimpft, damit ist das Land auf dem

letzten Platz in der EU. Zum Vergleich:

Österreich liegt mit 72 Prozent im

Mittelfeld, Spitzenreiter ist Portugal

mit über 90 Prozent, Stand Ende Februar.

Wer sich in Bulgarien mit Corona

ansteckt, stirbt besonders häufig,

auch hier ist man trauriger Spitzenreiter

in der EU. Im Jahr 2021 starben in

Bulgarien so viele Menschen wie seit

100 Jahren nicht mehr.

Es gibt viele Gründe für die

Corona-Misere: „Bulgarien wurde vier

Jahrzehnte von Kommunisten regiert,

die Menschen misstrauen der Regie-

12 / POLITIKA /


rung und den staatlichen Institutionen“, sagte Thorsten Geißler,

Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sofia, kürzlich in einem

Interview. Oft versuchten die Menschen, Corona mit „Rakya“

zu bekämpfen. Zu solchen eigenwilligen Methoden werden die

Menschen über die sozialen Medien angeleitet. Die politischen

Brandstifter komplettieren die tödliche Mischung, die dem

bulgarischen Staat momentan zu schaffen macht.

Zwei Wochen sind vergangen, seit Argopyan seine

Umzugskisten in den blauen Volvo gepackt hat. Er verbringt

fast jeden Tag mit seinen Enkelkindern, geht mit ihnen spazieren.

Am Telefon wirkt er genauso stoisch und besonnen wie in

natura. Die Schreckensmeldungen aus seiner Heimat sind ihm

egal. „Ich habe keine Angst, ich habe meine Meinung schon.“

Vor Corona sei man eben an “Grippe, Krebs und anderen

Viren“ gestorben. Na und?

Er vertraue Medien nicht, denn, „wer ist Besitzer dieser

Medien?“ Er betont immer wieder, dass er viel über Corona

nachdenke und seine Entscheidung wohl überlegt gewesen

sei. Eines Tages wird er nach Wien zurückkommen. Ein Freund

von ihm hat eine Wohnung und die kann Argopyan jederzeit

nutzen, wenn er auf Besuch ist. Ob es nur bei einem Besuch

bleibt oder ob er wieder vollbepackt mit seinem blauen Volvo-

Oldtimer die Rückreise antreten wird, steht in den Sternen.

Eines ist gewiss: Argopyan bleibt ungeimpft. ●

* Die Namen sind der Redaktion bekannt und wurden auf Wunsch der

Beteiligten geändert.

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Herr Polaschek,

wie viel Prozent

der LehrerInnen

sind ungeimpft?

Wie oft haben

Sie einen

Fetzen in

der Schule

geschrieben?

Wie viele

Semester

haben Sie Jus

studiert?

Wie viele

Stunden in

der Woche

arbeiten Sie?

Interview in Zahlen: In der Politik

wird schon genug geredet. Biber

fragt in Worten, Bildungsminister

Martin Polaschek (ÖVP)

antwortet mit einer Zahl.

0

8

75

Von Melina Katsioulis, Amar Rajković

Fotos: Zoe Opratko

8 Mal im Jahr besucht Martin Polaschek den Friseur.

2 Mal in der Woche kocht der Rechtswissenschaftler selbst.

Wie oft in

der Woche

kochen Sie?

Wie oft im Jahr

gehen Sie zum

Friseur?

In wie viel

Prozent der

Interviews

werden Sie

auf Ihre Frisur

angesprochen?

Wie viele

Gehröcke

besitzen Sie?

Wie viel

Euro hat Ihr

teuerster

Gehrock

gekostet?

2

8

95

20

450

14 / POLITIKA /


Wie viele Menschen

aus Ihrem

universitären

Umfeld haben

Ihnen geraten,

nicht in die Politik

zu gehen?

Welche Schulnote

geben Sie

der Bundesregierung

in Sachen

Pandemiebekämpfung?

Welche

Schulnote

geben

Sie Ihrem

Vorgänger

Heinz

Faßmann?

Wie hoch schätzen

Sie die Wahrscheinlichkeit

(in

%), dass Sie nach

den nächsten

Wahlen wieder

Bildungsminister

werden?

Wie viele

Male täglich

kommunizieren

Sie mit den

Mitgliedern

der Gecko-

Kommission?

10

2

1

80

1

Martin Polaschek bewertet die Arbeit seines Vorgängers

Heinz Faßmann mit einer „1“.

0 Mal hat der Bildungsminister während seiner Schulzeit

einen Fleck geschrieben.

Wie oft

im Monat

schenken Sie

Ihrer Frau

Blumen?

Wie viele Gäste

waren bei Ihrer

Hochzeit?

Wie viel

Prozent der

Lehrkräfte in

Österreich sind

weiblich?

Wie viel

Prozent der

LehrerInnen

in Ö. sind

ungeimpft?

Wie viele

islamische

Religionslehrer

unterrichten

an Österreichs

Schulen?

4

2

71,8

14

197

/ POLITIKA / 15


Plagiatsjäger Stefan Weber

EINER, DER GANZ

GENAU HINSIEHT

16 / POLITIKA /


Plagiatsgutachter Stefan Weber hat sie schon alle unter die Lupe

genommen: Von Armin Laschet bis Alma Zadić deckte er schon

Schummeleien in wissenschaftlichen Arbeiten von PolitikerInnen auf.

Was ihn genau antreibt, und ob er in der Schule von sich abschreiben

ließ, erfuhren wir bei einem Besuch in seinem Salzburger Büro.

Interview: Nada El-Azar-Chekh, Fotos: Zoe Opratko

BIBER: Wenn man „Plagiatsjäger“ bei

Google sucht, wird als erstes Ihre Dienstleistung

vorgeschlagen. Und die New

York Times titelte, dass Sie die deutschsprachige

Welt „terrorisieren“ würden.

Muss man Sie fürchten?

STEFAN WEBER: Wenn man mich

fürchten müsste, wäre das schon ein

Indiz dafür, dass in der akademischen

Ausbildung etwas schiefgelaufen ist.

Ich habe eine 200-seitige Diplomarbeit,

eine 200-seitige Dissertation und eine

340-seitige Habilitationsschrift geschrieben

und fürchte mich nicht vor Plagiatsjägern.

Vielen bleibt die Möglichkeit einer

universitären Ausbildung leider aus sozialen

oder finanziellen Gründen versagt,

obwohl sie durchaus die Power und den

Grips dazu hätten. Meine Erwartungshaltung

an jeden, der in den Genuss

eines solchen Privilegs gekommen ist,

ist schlicht, dass ordentlich gearbeitet

wurde.

Fast jedes größere Medium hat Sie schon

getroffen. Sind Sie wirklich so getrieben,

wie Sie dargestellt werden?

Es gibt offenbar ein mediales Bild, das

der Sachlage gegenübersteht. Die Leute

glauben vielleicht, dass ich manisch wäre

und mich mit einer Art inneren Besessenheit

an den Fehlern der anderen

ergötzen würde. Und seit 20 Jahren hält

sich das Missverständnis, dass ich die

Einhaltung von Zitierstandards prüfen

würde, so auch im jüngsten Fall unserer

Justizministerin. Alma Zadić hat zu ihrer

Verteidigung angegeben, dass sie nach

Harvard Blueblook zitiert habe. Doch um

die Einhaltung solcher Manuals geht es

nicht im Geringsten. Es geht vielmehr

immer um die Frage, wie sich jemand mit

Texten anderer beschäftigt hat: Darf Frau

Zadić einen Satz aus der Literatur nehmen,

diesen ein bisschen umschreiben

und dann keine Fußnote setzen? Das ist

unabhängig von jeglichen Zitiermanuals

zu beantworten.

Was ist Ihr Antrieb bei der Arbeit?

Es klingt jetzt fast lächerlich. Aber ich

freue mich heute nicht nur auf die Pizza

beim Italiener nebenan, sondern auch

wirklich darauf – so interessant und

selbstreflexiv dieses Gespräch auch ist

–, danach noch 25 Seiten bei der Frau

Zadić zu filetieren. Es ist eine reine

Neugierde, nachzuschauen, ob die Sätze,

die sie nicht mit Fußnoten belegt hat,

tatsächlich von ihr stammen. Wenn ich

mit meinen Möglichkeiten und meinem

Instinkt auf diesen 25 Seiten nichts finde,

ist das auch gut. Mein Antrieb ist ein

detektivischer. Ich will etwas wissen, was

ich vorher nicht gewusst habe.

Empfinden Sie Schadenfreude, wenn Ihre

Gutachten hochrangige Politiker zu Fall

bringen?

Mein Auftrag war es nicht, Frau Aschbacher

aus der Regierung zu entfernen.

Ein wahrer Erfolg wäre es für mich, wenn

sich im wissenschaftlichen Establishment

endlich etwas ändern würde.

Die jüngsten Plagiate wurden etwa bei

Aschbacher, Raab, Baerbock und Zadić

gefunden. Waren das alles bezahlte

Aufträge oder haben Sie in Ihrer Freizeit

geprüft?

Tatsächlich waren diese vier keine

Aufträge, sondern mein Hobby. Ich habe

mich aus eigenem Antrieb heraus für die

Arbeit von Christine Aschbacher interessiert.

In weiterer Folge habe ich mich

natürlich gefragt, wie die Qualität der

Arbeiten unserer Regierung ist. Die Welt

glaubt aber solche Motive nicht. Kogler,

Blümel, Maurer, Faßmann und Nehammer

habe ich mir auch alle angeschaut.

Also kann man nicht behaupten, ich

hätte es nur auf Frauen abgesehen.

„Ich habe es

natürlich nicht

nur auf Frauen

abgesehen“, sagt

Stefan Weber im

Interview. Seit dem

Fall Aschbacher

häuften sich

Hassnachrichten

gegen seine Person.

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mir gegeben, die er unter seinem Namen

einreichte. Auf beide bekam er übrigens

ein Sehr Gut. Das war aber 1992, also

lange bevor ich das Problem bei den

Studierenden entdeckte. Ich würde das

heute nicht mehr machen. Damals war

ich aber eben nicht der Abschreib-Verpetzer.

(lacht)

Ein Fach in Webers Regal ist den Büchern prominenter Autoren gewidmet. Annalena

Baerbocks „Jetzt“ wurde nach den Plagiatsvorwürfen aus dem Druck genommen.

Welche Klientel nimmt für gewöhnlich

Ihre Dienste als Plagiats- und Titelprüfer

in Anspruch?

Die allermeisten Anfragen kommen von

Privatpersonen und Anwaltskanzleien.

Meine Kollegin Birgit Kaiserlehner hat

soeben ein Gutachten über eine Wiener

Kinderpsychologin erstellt. Ganze 133

Plagiatsvergehen auf 60 Seiten – einer

der schwersten Fälle bisher. Man muss

aber hier medienrechtlich aufpassen und

die Identität von Privatpersonen wahren.

Über die Kinderpsychologin wird keine

APA-Meldung geschrieben. Das Plagiat

wird medial nur dann interessant, wenn

es um eine Person des öffentlichen

Lebens geht.

Engagieren Universitäten Sie nicht?

Nein, so gut wie nie!

Wie wird man zum Plagiatsjäger?

Ich sage es so: Plagiatsjäger ist wohl

nicht der Berufswunsch eines Fünfjährigen,

wie etwa Feuerwehrmann.

Diese Identität hat sich bei mir erst spät

herausgebildet. Meinen ersten bezahlten

Auftrag einer Plagiatsprüfung habe ich

mit 37 Jahren bekommen. Damals wusste

ich noch nicht, dass das ein dauerhaftes

Geschäft werden kann.

Welche Schritte erfordert die Prüfung

grundlegend?

Ich fange immer mit der marktführenden

Software „Turnitin“ an, welche etwa

auch die Universität Wien und bald die

TU Wien verwenden. Der große Vorteil

gegenüber anderen Programmen ist,

dass Turnitin seit 1999, also seit 23 Jahren,

das Internet speichert. Die Software

vergleicht einen Text mit möglichst vielen

anderen, und man könnte in manchen

Fällen direkt aus dem Programm heraus

schon ein Gutachten erstellen. Praktisch

bedarf es jedoch einer menschlichen

Interpretation und das erfordert ein

gewisses Spezialwissen. Das Programm

alleine zeigt also nur Textübereinstimmungen

an, die Plagiate findet

der Mensch. Momentan werden noch

Tools zur Erkennung von so genannten

Synonymplagiaten und Fremdsprachenplagiaten

ausgearbeitet – aber ich habe

so meine Tricks, um diesen auch auf den

Grund zu gehen.

Haben Sie in der Schule andere

abschreiben lassen?

Kurioserweise ja. Ich war natürlich ein

Streber und habe meinen besten Freund,

der schlecht in der Schule war, abschreiben

lassen. Selbst im Studium ist er auf

mich zugekommen und meinte: Burli,

du musst mir jetzt helfen, ich halte die

Schreiberei nicht mehr aus. Ich hatte als

Zweitfach Politikwissenschaft und habe

ihm zwei fertige Seminararbeiten von

Welche Mängel fallen Ihnen als Lehrender

am Universitätssystem auf?

In einem funktionierenden akademischen

System würde ich mit meiner Tätigkeit

kein Geld verdienen. Viele kritisieren,

dass die sozialistische Bildungspolitik

unter Kreisky und die Öffnung der

Hochschulen zu den heutigen Problemen

geführt hätten. Dem stimme ich

aber nicht zu. Ich stamme selber nicht

aus einem Akademikerhaushalt. Mein

Vater war Buchhalter und meine Mutter

Hausfrau und Trafikantin. Was ich aber

klar sehe, sind zwei Trends, die sich

um die Jahrtausendwende entwickelt

haben: Die Digitalisierung einerseits und

die „Massen-Uni“ andererseits. Ende

der 90er Jahre ist mit dem Internet,

dem erleichterten Zugang zu Texten

sowie dem „Copy-Pasten“ das Plagiieren

wesentlich einfacher geworden. Und die

Universitäten haben hier die Qualitätssicherung

unter Digitalisierungsbedingungen

verschlafen, leider.

Wie sollte man in die Gesetzeslage eingreifen,

um die Situation zu verbessern?

Das Gesetz muss in Österreich geändert

werden, und das kann dauern. Konkret

geht es etwa um den Paragrafen zur

Täuschungsabsicht. Das ist ursprünglich

eine Tradition in Österreich, die aus dem

Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz

kommt und in das Hochschulgesetz

übernommen wurde. Demnach kann ein

akademischer Grad erst dann widerrufen

werden, wenn sein Führen „erschlichen“

wurde. Ein subjektiver Tatvorsatz wie

die Absicht zu Täuschen kann aber nur

schlecht bewiesen werden. Im Jahr 2017

wurde nach dem Fall Buchmann zum

letzten Mal ein Doktortitel in Österreich

aberkannt, seitdem kennt jeder den

Trick, die Täuschungsabsicht zu bestreiten.

Nachdem zumindest die Verjährung

von Plagiaten nicht eingeführt wurde,

sollte nun der Erschleichungsparagraf

überdacht werden.

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Ihre Plagiatsfunde haben ultimativ zum

Rücktritt von Arbeitsministerin Christine

Aschbacher geführt. Sie hat trotzdem

ihren akademischen Titel behalten dürfen.

Was bedeutet das für angehende

AkademikerInnen?

Die Botschaft, die durch den Fall Aschbacher

bei den Menschen angekommen

ist, war: Es ist eh wurscht, was man in

Österreich schreibt, wenn nicht einmal

die Aschbacher ihren Titel verliert. Und

diese Botschaft hat die ÖAWI [Anm.:

Österreichische Agentur für wissenschaftliche

Integrität] total versemmelt.

Ich bin jahrelang einen Kuschelkurs mit

diesen Institutionen gefahren. So geht es

aber nicht weiter.

Die breiten Reaktionen auf Ihre Arbeit

gehen von Schadenfreude über die

Schummeleien der PolitikerInnen bis hin

zu persönlichen Angriffen gegen Sie. Wie

gehen Sie mit Kritik um?

Nach dem Fall Aschbacher habe ich

die erste Morddrohung meines Lebens

erhalten. Ein anderer schrieb mir: „Wenn

ich Sie treffe, sind Sie ein Krüppel!“ Er

Mit dem richtigen Setzen von Fußnoten und dem Zitieren hat sich der

Plagiatsjäger privat intensiv auseinandergesetzt. Ein ganzes Buch ist etwa

nur der Fußnote gewidmet.

wurde wegen gefährlicher Drohung

ausgeforscht. Diese Erfahrung war für

mich neu und ich gebe zu, dass ich in

jener Nacht schlecht geschlafen habe,

weil ich dachte, jetzt ist er gleich da vor

meiner Tür. Das habe ich der Polizei auch

erzählt, damit das ernst genommen wird.

Warum macht man so etwas? Kratze

ich da am Idol einer Person, wenn ich

Mängel beanstande? Oder verstehen

sie mein Geschäft so dermaßen falsch,

dass sie denken, ich werde von dunklen

Mächten engagiert – auf der Suche

nach der verlorenen Fußnote? Annalena

Baerbock schrieb ein Buch darüber, wie

sie Deutschland verändern will, und dann

besteht das Buch schlicht aus Medienberichten

der vergangenen Jahre. So

etwas hervorzuheben finde ich einfach

unglaublich interessant. ●

Eintritt frei

3. bis 6. März 2022

Wiener Stadthalle

9 bis 18 Uhr, 6. März bis 17 Uhr

www.bestinfo.at

D i e g r o ß e B i l d u n g s m e s s e

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„Raser, Polizeieinsätze, illegal getunte Autos.“ Immer wieder bringt

der Boulevard Schlagzeilen zu berühmt-berüchtigten Auto-Tuning-

Treffen am Wiener Kahlenberg. Aber wer sind die Menschen hinter

dem Lenkrad? Wie viel kosten ihre Autos? Warum sind diese Treffen

gerade seit der Pandemie so beliebt? Ein Lokalaugenschein.

Von Aleksandra Tulej, Mitarbeit: Šemsa Salioski, Fotos: Zoe Opratko

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Um kurz nach halb zehn

füllt sich der Parkplatz

schlagartig. Plötzlich

versammeln sich

immer mehr Menschen

links und rechts vom Catwalk – also

der Strecke, auf der die Autos vorfahren,

eins nach dem anderen: Ob

Mercedes CLS, 5-er BMW, VW Golf

3 Cabrio oder ein Audi A4 mit einem

albanischen Adler auf der Kühlerhaube

– hier sieht man alles quer durch

die Bank. Was sie alle verbindet: Viel

Rauch, viel Reifenquietschen, lauter

Auspuff, Kickdown. Und wieder von

vorn. Der Catwalk ist eindeutig das

Highlight des Abends. Die Meute

jubelt und applaudiert den vorbeifahrenden

Protzern. Das Geschehen

filmen sie mit ihren Handys, jeder will

in die erste Reihe, von hier hat man

den besten Blick.

„PASS AUF, SONST

KASSIERST DU!“

Es ist ein Freitagabend im Februar am

Kahlenberger Parkplatz. Es ist dunkel,

es ist laut, es ist kalt und windig. Wie

fast jedes Wochenende versammeln

sich hier junge Mitglieder der Tuning-

Szene aus Wien und Umgebung. Über

Telegram-Gruppen und Instagram-Seiten

vernetzen sich jene, die ihre Autos

hier präsentieren wollen, und die, die

einfach nur als Zuschauer:innen vor

Ort sind.

Immer wieder liest man in Tageszeitungen

Schlagzeilen wie „Wiener

Polizei sprengt Tuning-Treffen am

Kahlenberg“ oder „Auto-Freaks randalieren

am Kahlenberg“ oder „Polizei

löst illegales Treffen der Tuning-Szene

auf“. Mal seien es 200, mal 300 junge

Erwachsene, die dort ihren Freitagabend

verbringen. Obwohl es schon

seit Jahren Roadrunner-Rennen bei

der Triesterstraße oder am Gürtel gibt,

hat sich seit der Corona-Pandemie vor

allem der Kahlenberg als Hotspot der

Tuner etabliert.

„Ihr seid fix Zivile, oder?“, fragt

Ahmet uns misstrauisch, als wir auf

ihn und seine Freunde zugehen. Sie

lehnen rauchend an ihrem Auto und

mustern uns von Kopf bis Fuß. Wir

sind mit dem Taxi auf den Kahlenberg-

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Fahrersitz, die Autotür steht offen – das

Türlicht projiziert das Audi-Logo auf

den Asphalt. Der 21-jährige Armenier

steigt aus und zeigt uns seinen Stolz:

„Ich bin aber noch nicht fertig! Ich will

die Scheiben noch schwarz machen,

noch zwei Auspuffstangen dran machen.

Schau, da!“ Für das Tuning hat er „um

die 1200€ ausgegeben. Aber ich muss

mein Auto nicht eintragen lassen. Das,

was ich verändere, ist ja nicht illegal“,

rechtfertigt er sich. Trotzdem hält ihn

die Polizei immer wieder auf. „Die fragen

immer, wie ich dieses Auto finanziert

hab. Ist aber eh typisch, die sehen einen

Schwarzkopf wie mich und suchen ewig,

bis sie was finden“, sagt er schmunzelnd.

Theoretisch muss man getunte

Autos in Österreich eintragen lassen. Das

kostet aber je nachdem, was man modifiziert.

Nicht jeder will dafür bezahlen.

Warum Erik sein Auto getunt hat?

„Es geht einfach um den Sound und um

die Aufmerksamkeit“, sagt er und zupft

an seinem Dreitagesbart. Erik kommt

immer wieder zu den Tuning-Treffen, er

ist verheiratet und hat seit Kurzem auch

eine Tochter. „Was hab‘ ich da in einem

Club verloren? Hier kann man einfach mit

Freunden chillen“, erzählt er. Auch bei

Minusgraden – man kann sich ja im Auto

immer aufwärmen.

Viktoria posiert stolz vor ihrem Chevrolet Camaro

Parkplatz gekommen, ein Anfängerfehler

– das fällt natürlich auf. Als wir ihnen die

Kamera zeigen und erklären, warum wir

hier sind, werden sie lockerer. Sie zeigen

uns ihr Auto, einen weißen Mazda, nicht

getunt und unauffällig. „Normalerweise

sind wir mit einem viel geileren Auto

da, einem AMG. Aber der ist gerade

bei meinem Cousin. So geil ist unseres

heute nicht, wartet mal, bis die anderen

da sind“, winkt Ahmets Freund ab. Die

beiden stammen ursprünglich aus dem

Iran und sind Anfang zwanzig. Wir wollen

wissen, warum sie hier abhängen, wenn

sie schon nicht mit ihrer Karre protzen?

„Na, was sollen wir sonst machen?

Wegen Corona hat ja fast alles zu, keine

Clubs, nix. Hier ist zumindest immer

was los“, zucken sie mit den Schultern.

Plötzlich rast, wie aus dem nichts, ein

orangener BMW an uns vorbei. „Pass

auf, sonst kassierst du!“, schreit Ahmet

lachend.

„DIE SEHEN EINEN

SCHWARZKOPF WIE MICH

IM AUTO UND SUCHEN, BIS

SIE WAS FINDEN.“

Erik ist in seinem schwarz-roten Audi

A3 gekommen. Er sitzt breitbeinig am

„EIN BISSCHEN DRIFTEN-

RIFTEN, DU WEISST.“

Es scheint, als ginge es hier weniger

um die Autos und mehr um den sozialen

Aspekt: Freunde treffen, an der Luft

chillen, hie und da abchecken, wer noch

aller da ist. Aber wirklich weltbewegende

Manöver, wie man sie aus „The Fast

and the Furious“ kennt, lassen auf sich

warten.

Das erzählt der 25-jährige Niederösterreicher

Johnny, der mit seinem

Kumpel Max hier ist: „Es ist schon bissi

Möchtegern hier. Ein paar Idioten gibt’s

schon, die machen dann extra riskante

Überholmanöver und so. Im Sommer ist

es aber immer bummvoll!“ Johnny und

Max haben früher ihre Freitagabende in

Clubs verbracht, seit der Pandemie geht

das nicht mehr so richtig. Deshalb hängen

sie hier am Parkplatz ab. Richtig aufregend

finden sie es aber nicht. „Oida,

mach was mit dem Auto, so geil klingt

das nicht!“, schreit Johnny plötzlich

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Es geht einfach um den Sound

und um die Aufmerksamkeit.

Zu Rauch und quietschenden Reifen gesellen

sich immer wieder Patrioten auf vier Rädern.

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was ihnen nicht gefällt.“ Seine Freunde

Serdo und Aslan stimmen ihm nickend

zu. Auch sie sind Anfang zwanzig, genau

der Altersschnitt hier. Die Clique kommt

auf den Kahlenberg, um „einfach bissi zu

chillen, und zu schauen, was so abgeht

– wohin sollen wir sonst, wenn alles

geschlossen hat?“, fragt Enes. Wenn

es nach der Polizei geht, nicht hierher.

Die Autos, die den Parkplatz verlassen

wollen, werden kontrolliert. Die Meute

scheint sich gegen 23:30 aufzulösen, es

wird immer leerer. „Da kommt ihr jetzt

fix bis zwei in der früh nicht mehr runter

ohne Auto, ge, die lassen keinen raus“,

lacht Luan, der gerade an seinem Audi

A5 lehnt und Shisha raucht. „Oder seid

ihr Zivile?“, fragt er uns im selben Atemzug

und bläst den Rauch aus.

Dem Besitzer dieses Autos ist es scheinbar wichtig, dass alle

Verkehrsteilnehmer wissen, dass er Albaner ist

lachend einem Renault Megane nach,

der an uns quietschend vorbeifährt.

In dieser Atmosphäre von Reifenquietschen,

Rauch und Beleuchtung

fallen uns die Lichter der anderen Art

zuerst nicht auf. Doch dann wird klar: Die

Polizei ist hier. Es ist ja nicht illegal, sich

auf dem Parkplatz aufzuhalten. Es hatte

bloß Anrainer:innen-Beschwerden wegen

der Lautstärke gegeben, wie wir später

am Abend von zwei Polizeibeamten vor

Ort erfahren. Aber nicht nur deswegen

sind sie hier, meint Enes: „Mayer, jetzt

nehmen die fix wieder wem das Kennzeichen

ab, weil er seinen Wagen nicht

eingetragen hat und keiner darf raus.

Wie immer!“, verdreht Enes, der gerade

an seinem 3er BMW lehnt, die Augen.

Enes selbst kann davon ein Lied singen.

„Drei Monate hatte ich kein Kennzeichen.

Aber egal, jetzt hab‘ ich‘s ja wieder“,

erzählt er, während er sich seine Kapuze

über den Kopf zieht.

Enes ist Automechaniker und tunt

sein Auto selbst in seiner Werkstatt.

„Ich hab‘ einfach paar mehr PS, 300!,

auf dem Tacho, da kann man halt ein

bisschen Driften-Riften, du weißt“, sagt

er und zwinkert. „Das ist jetzt nicht so

schlimm. Aber weißt eh, wie das ist mit

der Polizei: Die sehen drei Kanaken im

Auto und suchen, bis sie was haben,

„WARUM HABEN SIE KEIN

AUTO? WEGEN DIESEM

UMWELT-ABDRUCK?“

Nachdem wir ihm klar machen, wer wir

sind, bietet er uns an, mit seinen Freunden

Jovan und Hamoudi bei ihnen zu

chillen, bis der Einsatz vorbei ist. „Welches

Auto haben Sie eigentlich?“, fragt

Luan uns. „Gar keins!“ - „Was?“, fragt er

erstaunt. „Verdienen Sie als Journalisten

so wenig? Oder ich weiß: Fix wegen

diesem Umwelt-Abdruck, oder?“ Die Antwort,

dass man unserer Meinung nach in

Wien kein Auto braucht, nehmen sie nur

stirnrunzelnd an.

Mit dieser Ansicht sind wir hier

alleine. Der Parkplatz scheint mittlerweile

schon leer zu sein, als wir Viktoria treffen.

Die 19-Jährige zeigt uns stolz ihren

weiß-grün-schwarzen Chevrolet Camaro.

„Das ist mein Winter-Auto, mein Baby.“

Viktoria fährt mit ihrer Hand über den

Lack. „Aber das, was ich hier getunt hab,

also der Body-Kit, ist eh eingetragen. Ich

hab‘ keine Lust auf irgendwelche Anzeigen“,

erklärt uns die blonde Wienerin.

Mittlerweile ist es kurz nach Mitternacht:

Die Polizei ist weg, Luan

hatte uns umsonst gewarnt, dass wir

hier nicht „wegkommen“ würden. Der

Parkplatz ist wieder menschenleer. Von

dem Gequietsche, Rauch, Gejubel und

Trubel ist nichts mehr zu spüren. Was bei

uns bleibt, ist der Eindruck, dass diese

„illegalen Tuning-Treffen“ am Kahlenberg

wenig mit spektakulären Szenen, die

man aus Filmen kennt, oder mit Auto-

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Erik möchte noch Auspuffstangen und getönte

Fensterscheiben in seinem Audi einbauen.

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Erstmal einen fetten Zug an der Shisha machen und dann die volle Konzentration auf die aufgemotzten Karren auf dem Catwalk.

rennen zu tun haben. Es sind einfach

Jugendliche, die mit ihren Autos protzen,

hier abhängen und sehen und gesehen

werden wollen. Die Mini-Ausführung

der Tuning- und Roadrunner-Szene

eben. Eine Frage bleibt für uns aber

offen – keiner unserer Gesprächspartner

konnte oder wollte sie uns beantworten:

Wie können sich junge Menschen

Auto-Tuning leisten? „Die nehmen die

Autos ihrer Eltern oder sparen halt. Oder

kennen wen in der Werkstatt, der wen

kennt“, erleuchtet uns unser Taxifahrer

Burak, der uns vom Kahlenberg nachhause

bringt. Es ist das erste Mal, dass

er jemanden von einem Tuning-Treffen

abholt. „Kein Wunder, dass die euch für

Zivile gehalten haben!“, lacht er kopfschüttelnd.

Für das nächste Mal wissen

wir Bescheid: Ohne Protzer-Karre bist du

dort oben ein Niemand. ●

NACHGEFRAGT: Was sagt die Polizei?

Warum war die Polizei dort?

Es gab an jenem Abend ein erhöhtes

Verkehrsaufkommen am Kahlenberg.

Mehrere Polizeistreifen waren in weiterer

Folge dort anwesend. Nachdem

die Beamten mit einigen Personen

gesprochen hatten, erklärten sich diese

bereit, die Örtlichkeit zu verlassen. Es

folgte ein Abstrom der Fahrzeuge.

Wie viele Anzeigen gab es?

Es liegt keine Statistik vor, da es sich

um einen adhoc-Einsatz handelte. Ein

PKW soll so genannte „Burn-outs“

gemacht haben, sodass sich eine

Rauchwolke bildete. Im Anschluss

musste das Folgetonhorn mehrmals

betätig werden, bis der Lenker sein

Fahrzeug anhielt. Er wurde wegen des

Verursachens von ungebührlichem

Lärm und wegen des Missachtens

der Haltezeichen mittels Lautsprecher

angezeigt.

Welche Strafen sind hier gängig?

Im Zuge einer polizeilichen Kontrolle

gibt es grundsätzlich die Möglichkeit,

die etwaigen Beanstandungen anzuzeigen.

Die jeweilige Strafe wird dann

im Zuge eines Verwaltungsstrafverfahrens

festgelegt. Im Gesetz sind auch

gegebenenfalls Zwangsmaßnahmen,

wie etwa die Kennzeichenabnahme

oder die Untersagung der Weiterfahrt,

vorgesehen. Es gibt auch die Möglichkeit,

die Landesfahrzeugprüfstelle

anzufahren, um etwaige technische

Veränderungen zu prüfen.

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Entgeltliche Einschaltung

D A M I T S I E

I H R E W O H N U N G

B E H A L T E N

Die Corona-Pandemie hat auch viele Mieter*innen im Gemeindebau vor große Herausforderungen gestellt.

Wer dadurch kein Geld im Börsel hat und die Miete nicht zahlen kann, findet Hilfe bei der

Wiener Wohnungssicherungsstelle unter der Telefonnummer 01 4000 11420.

Mehr Infos über alle Unterstützungsmöglichkeiten für Gemeindebaumieter*innen: wienerwohnen.at/hilfe

Sollten Sie Betroffene kennen, bitte weitersagen - helfen Sie uns beim Helfen!

Service-Nummer 05 75 75 75

wienerwohnen.at


QUEERE MIGRAS

„Ich hatte mich innerlich

von meiner Familie

verabschiedet.“

Jakub : „Mir wurde in

Polen eingeredet, dass

ich in die Hölle komme,

weil ich schwul bin.“

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Händchen halten, sein Date in der Öffentlichkeit küssen

oder den Eltern von der ersten Liebe erzählen. Was für viele

normal ist, bereitet jungen, queeren Menschen nach wie vor

Kummer und Sorgen. Ebru, Jakub, Narin und Emir erzählen

von ihrem Coming-Out und dem Mut, zu sich selbst zu stehen.

Von Milica Joskić, Fotos: Zoe Opratko

Man wird als

Einwandererkind

regelrecht

dazu erzogen,

seiner Familie sein Leben

schuldig zu sein. Es soll so

früh wie möglich ein ‚guter

Mann‘ her und danach gleich

Enkel gezeugt werden“, so

Ebru, Lehramtsstudentin und

Tochter türkisch-bulgarischer

Eltern. Erwartungen wie diese

sind in migrantischen Communitys

gang und gäbe, auch

ich kenne sie. Das Leben ist

in den Köpfen der Eltern und

Verwandten vorgeplant: bis

spätestens Ende 30 einen

anständigen Partner finden,

den Eltern Enkelkinder schenken

und eben ein normales

Familienleben führen. Der

Druck, seine Familie nicht zu

enttäuschen, ist groß. Ebru hat

sich ihrer Mutter mit 14 Jahren

zunächst als bisexuell geoutet,

damit sie ihr die Hoffnung auf

einen Schwiegersohn nicht

gänzlich nimmt. Sie selbst

wusste jedoch von Anfang an,

dass sie ausschließlich Frauen

mag. Erst als sie mit ihrer festen Freundin

nachhause kam, wurde es ernst.

„Mein Vater redete auf meine Mutter ein

und bewegte sie dazu, mich nieder zu

machen. Sie wollten mir den Kontakt zu

meiner Freundin verbieten.“

FARBE BEKENNEN AUF

SOCIAL MEDIA

Über ihren Alltag als queere Musikerin

spricht Ebru als „schwesta_ebra“ auf

„Sie wollten mir den Kontakt mit meiner Freundin verbieten“

ihren Social-Media-Kanälen offen. Am

„Lesbian Visibility Day“ schreibt sie unter

einem Insta-Post: „Ich bin lesbisch und

habe einen Migrationshintergrund. Meine

Familie kommt aus einem Land, in dem

es die gleichgeschlechtliche Ehe nicht

gibt. Es wird als Krankheit angesehen.“

Mit ihrer Stimme wirkt Ebru der fehlenden

Repräsentation queerer Migranten

auf Social Media entgegen. „Ich möchte

Menschen erreichen, die mit ähnlichen

Situationen zu kämpfen haben

wie ich früher. Sie sollen

sehen, dass man Migrationshintergrund

haben und lesbisch

sein kann, ohne von der

Familie verstoßen zu werden.“

Als Ebru und ihre Familie den

Kontakt zu ihrem Vater abbrechen,

hören auch die Anfeindungen

auf. „Ich weiß, dass

meine Mutter und mein Bruder

heute zu mir stehen“, heißt es

weiter im Post.

Auch Yavuz Kurtulmus,

queerer Aktivist und Gründer

des Transition Film Festivals,

pocht auf die Wichtigkeit der

Vorbilder im Alltag: „Es wird

mittlerweile zwar mehr über

queere Migras gesprochen,

doch sie kommen selten selbst

zu Wort. Wir müssen Gesicht

zeigen, im Alltag auftauchen.

Wie Lieben wir? Wie streiten

wir? Wir müssen unsere

Geschichten selbst erzählen,

die traurigen, aber auch die

schönen“, betont Kurtulmus.

Der ehemalige Versicherungskaufmann

gründete 2009

einen Verein namens MiGay,

der auf die Bedürfnisse migrantischer

Queers spezialisiert war.

FLUCHT AUS DER

LGBTQ- HÖLLE

„Wir reden zu wenig über die Probleme

und Sorgen, mit denen sich die queere

Migra-Community herumschlägt“, findet

Jakub. Der 20-Jährige ist vor zwei Jahren

von Polen nach Wien gezogen und

hatte in seiner Jugend niemanden, mit

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Wenn wir Leute finden,

die uns ähnlich sind,

gibt uns das Kraft.

Ebru : „Ich komme aus einem Land, in dem Homosexualität als Krankheit

angesehen wird“

dem er sich identifizieren hätte können.

„Mir wurde eingeredet, dass ich in die

Hölle komme, dass ich krank bin. Ich

habe mir dafür die Schuld gegeben und

war sauer auf mich selbst“, erinnert er

sich zurück. „Ab dem Tag, an dem mir

klar geworden war, dass ich schwul war,

verstellte ich mich täglich. Sobald ich

mein Zimmer verließ, setzte ich eine

Maske auf, und mit jedem Tag, an dem

ich nicht ich selbst sein konnte, bröckelte

sie.“ Seine mentale Gesundheit verschlechterte

sich. Während dieser Zeit

kam er sogar mit einem Mädchen zusammen.

„Ich wollte dadurch versuchen,

wieder ‚normal‘ zu werden“, erzählt

er. Aber bald zog er nicht nur in der

Beziehung den Schlussstrich. „Ich habe

lange damit gekämpft, ich selbst sein zu

können, ich hatte eine Freundin, meine

Mutter schickte mich zu so genannten

Konversionstherapien mit Exorzisten

und allem. Ich wollte mir mehrmals das

Leben nehmen. Hätte ich so weiter

gemacht, würden wir dieses Gespräch

jetzt nicht führen.“

Jakub kehrte nach dieser Erkenntnis

Polen den Rücken und zog zu seinem

Vater nach Österreich. Zuflucht gefunden

hat er in Facebook-Gruppen von

Stars wie Nicki Minaj oder Lana Del Rey.

Dort hat er zum ersten Mal mit Leuten

gechattet, denen es ähnlich ging wie

ihm: „Durch den Kontakt mit den ganzen

queeren Teenagern wusste ich: Ich bin

gut, so wie ich bin, es ist sogar fucking

geil!“, gibt er lachend zu. „Gleichgesinnte

sind unglaublich wichtig“, bestätigt auch

Yavuz Kurtulsmus. Durch die Arbeit in

seiner ehemaligen Initiative „Migay“ half

er zusammen mit seinem Team, jungen

und queeren Wienern einen ‚Safe Space‘

zu finden. „Wenn wir irgendwann Leute

finden, die uns ähnlich sind, gibt es uns

Kraft. Wir wissen dann endlich, dass wir

nicht alleine, keine Krankheit sind.“

Polen erklärte Anfang 2020 ein Drittel

des Landes zur „LGBT-freien Zone“.

Das Bundesland, in dem Jakub bis vor

zwei Jahren gelebt hat, gehört in solch

eine Zone. „Wenn ich mit autochthonen

Österreicher:innen spreche, sind

die jedes Mal schockiert davon, wenn

ich ihnen Storys über den Umgang mit

Queers in Polen erzähle. Seiner Meinung

nach fehlt es bei Queers ohne Migrationshintergrund

an Verständnis: „Die

verstehen nicht, dass wir einfach nicht

dieselben Probleme haben. Ich hatte

keinen Support, es war Glück, dass

ich es da raus geschafft habe“, so der

20-Jährige.

Momentan schreibt Jakub sein erstes

Buch und erzählt darin seine Geschichte

und möchte vor allem anderen jungen

Queers damit helfen: „Ich schreibe es

für die neue Generation derer, die damit

kämpfen, sich zu akzeptieren. Für die

Eltern, die überfordert sind und ihr Kind

verstehen wollen. Und natürlich für die

cis-Männer, die unsere Realität kennen

sollten“, ergänzt er.

SINE, WANN HEIRATEST

DU ENDLICH?

„Was, wenn mich ein Bekannter meiner

Eltern dabei sieht, wie ich einen Mann

küsse? Diese ständige Verfolgungsangst

hat mich wahnsinnig gemacht und hatte

dazu geführt, dass ich mich immer mehr

von meiner Familie distanziert habe. Die-

30 / RAMBAZAMBA /


Ich war damit beschäftigt,

ein ‚guter Österreicher‘

zu sein.

Emir: „Ich habe mit meinem Outing ein Tabu in meiner bosnischen Familie gebrochen“

se Spannung in der Brust habe ich nicht

ausgehalten. Ich wollte Freiheit“, erzählt

Emir Dizdarević. Ursprünglich kommt der

32-Jährige aus Bosnien, seine Familie

ist Anfang der Neunzigerjahre vor

dem Jugoslawienkrieg nach Österreich

geflüchtet, wo Emir aufgewachsen ist.

Heute ist er Vorsitzender der Kulturkommission

Josefstadt, politisch bei den

Grünen Andersrum aktiv – und lebt offen

homosexuell. Doch das war nicht immer

so: Bei seinem Outing vor 10 Jahren

ging er vom Schlimmsten aus. „Ich

hatte Homophobie jahrelang miterlebt.

Ich habe mich aus Liebe heraus geoutet,

um die Beziehung zu meinen Eltern

zu retten, und musste gleichzeitig mit

absolutem Liebesverlust rechnen.“ Nach

einem Moment der Stille gibt er zu: „Ich

hatte mich innerlich von meiner Familie

verabschiedet.“

Dass er auf Männer steht, merkte

Emir bereits als Kind. „Ich war neidisch,

wenn der Nachbarsjunge lieber mit meiner

Schwester spielte als mit mir“, gibt er

lachend zu. Sobald er in Worten fassen

konnte, was das zu bedeuten hatte, ging

der innere Kampf los. Wie viele andere

kennt auch er den Druck, immer ein bisschen

besser sein zu müssen als seine

österreichischen Klassenkolleg:innen.

„Neben dem Druck, sich anpassen zu

müssen und in der Schule abzuliefern,

musste ich dann auch noch damit ringen,

meine Gefühle zu akzeptieren. Ich beneidete

andere 16-Jährige, die ihre ersten

Dates hatten und sich ausprobierten.

Ich hingegen war damit beschäftigt, ein

‚guter Österreicher‘ zu sein“, gibt der

Austrobosnier zu.

„Die Gesellschaft diktiert Migranten

ständig vor, wie sie zu sein haben. Dieser

Druck, sich als ‚anständiger Ausländer‘

zu beweisen, den eigenen Namen ständig

erklären zu müssen oder der Drang

‚überhöflich‘ zu sein, begleitet uns unser

Leben lang“, kommentiert Yavuz Kurtulmus.

„Zu dieser Belastung kommt dann

noch, dass man im Alltag ständig daran

erinnert wird, sich irgendwann outen zu

müssen.“ Das merkte auch Emir früh:

Als er das heiratsfähige Alter erreicht,

beginnt das typische Familienverhör à la:

„Hast du eine Freundin? Wann willst du

heiraten? Die Metzgerstochter ist single,

willst du Mal mit ihr ausgehen?“ Irgendwann

hatte es Emir eindeutig satt – und

outete sich seiner Familie. „Es gab ein

Familienmitglied, welches aus Überforderung

durch mein Outing ein Jahr nicht

mit mir sprechen konnte. Das war damals

echt hart. Ich wusste aber, dass ich der

Erste in ihrem Leben war, der homosexuell

war und so für sie ein Tabu gebrochen

hatte. Mittlerweile ist alles wieder cool

zwischen uns“, so Emir.

Die eigene Kultur ist migrantischen

Familien sehr wichtig. „Es gibt eine

enorme Angst davor, seinen kulturellen

Halt zu verlieren“, erklärt Yavuz Kurtulmus

und führt weiter aus: „Sich zu outen

ist keine Einbahnstraße. Wir müssen

unseren Familien auch Zeit geben, unsere

Sexualität zu begreifen.“ Das weiß er

aus eigener Erfahrung nur zu gut. Er ist

in einer türkischen Gastarbeiterfamilie

mit vielen Geschwistern aufgewachsen.

Emirs Mutter machte schlussendlich

nach einiger Zeit deutlich: „Wer ein Problem

mit meinem schwulen Sohn hat, darf

nicht mehr über meine Türschwelle!“

/ RAMBAZAMBA / 31


Die Sorgen vor dem

Outing sind bei Bio-

Österreichern und

Migranten im Grunde

ähnlich.

NICHT MEIN PROBLEM!

Die 20-jährige Narin studiert Lehramt,

hat kurdische Wurzeln. „Zuerst habe

ich mich meiner Schwester anvertraut,

doch selbst da hatte ich lange mit mir

gekämpft, bevor ich mich überwinden

konnte. Es war eine Erleichterung zu

wissen, dass sie zu mir steht. Und auch,

dass sie es nicht gleich meinen Eltern

weitergesagt hat“, meint Narin. Sie

wusste ab ihrer Pubertät, dass sie auch

Gefühle für Frauen hatte, schob diesen

Gedanken aber sofort weg. „Da es für

meine Familie sowieso Sünde ist und

Homosexualität von ihnen nicht als etwas

Normales angesehen wird, habe ich

diese Erkenntnis nicht weiter beachtet.

Es war keine Option.“ Vor der Pandemie

ist Narin mit ihren Eltern einmal im Jahr

nach Kurdistan gefahren, um ihre Familie

zu besuchen. Ihren Verwandten hat sie

ihre sexuelle Neigung auch nicht erzählt,

im Gegenteil: „Wenn ich dort bin, achte

ich sehr auf meine Wortwahl, meine Art

mich zu kleiden und wie ich rüberkomme.

Meiner Mutter zu Liebe nehme ich

dann eine Rolle ein. Ich möchte nicht,

dass sie wegen mir dumme Sprüche

abbekommt.“

„Die Sorgen vor dem Outing sind

bei Bio-Österreichern und Migranten im

Grunde ähnlich. Nur sitzt uns oft unsere

Kultur im Nacken“, erklärt Yavuz Kurtulmus.

In vielen Haushalten hat zudem

Religion einen hohen Stellenwert. „Als

Moslem schwul zu sein, ist nicht immer

leicht, dass weiß ich aus eigener Erfahrung.

Viele haben Angst, sich nach dem

Outing von Kultur und Tradition trennen

zu müssen, doch das muss nicht sein. Du

kannst queer sein und trotzdem deinen

traditionellen Tee trinken“, lacht Kurtulmus.

Mittlerweile lässt sich auch Narin

ihre Kultur nicht mehr nehmen und ist

Narin: „Für meine kurdische Familie ist Homosexualität eine Sünde“

heute gut vernetzt: „Ich habe erst nach

meinem Outing gemerkt, wie groß die

kurdische LGBT-Community ist. Schon

ein paar Leute zu kennen, die den gleichen

Background und dieselben Sorgen

haben, ist so viel Wert.“ Seitdem sie sich

mit Menschen umgibt, die ihre Interessen

und Ansichten teilen, ist die 20-Jährige

selbstbewusster denn je. Sie hat sich vor

zwei Jahren auch ihren Eltern geöffnet:

„Deren Problem, wenn sie nicht akzeptieren,

wen ich liebe.“

Emir, Ebru, Narin und Jakub haben

ihren Weg gefunden und zeigen sich

der Welt so, wie sie sind. Dass es mehr

Sichtbarkeit und Repräsentation von

Queers aus der migrantischen Community

braucht, da sind sich alle einig.

Schließlich profitieren alle davon, wenn

Vielfalt und Diversität medial mehr

Fläche bekommen. Sie alle kennen die

Angst, den Frust, das Versteckspiel und

die Maske, die man aus Selbstschutz

aufsetzt. Sie wissen allerdings auch, wie

befreiend es ist, endlich auszubrechen

und sein wahres Ich zu zelebrieren. ●

32 / RAMBAZAMBA /


Wenn ich ans Impfen

denke, bekomme ich

Herzklopfen.

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meine Sorgen loszuwerden.

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„Alte

Menschen,

gönnt uns

doch einfach!“

34 / RAMBAZAMBA /


Wir schicken Memes statt E-Mails, verschieben Deadlines für die

mentale Gesundheit und werden alles tun, nur nicht für einen Job

40 Stunden arbeiten – die Generation Z macht es anders als ihre

Vorgänger*innen und sagt dem Kapitalismus den Kampf an.

Von Anna Jandrisevits, Collagen: Zoe Opratko

Munira schaut auf ihren Google-Kalender,

der randvoll mit unterschiedlichen bunten

Termineinträgen ist. Die Woche ist durchgeplant,

mit einem geringfügigen Job bei

einer NGO und zwei Studiengängen – Politikwissenschaften

und internationales Recht – passt da gerade mal ein Mittagessen

rein. Aber irgendwas davon aufgeben? Kommt nicht

infrage! Das Doppelstudium ist ja nur logisch: Einen Studiengang

macht man aus Interesse und einen, um irgendwann

davon leben zu können. Munira, die im Jahr 2000 geboren

ist, hat also rund um die Uhr Stress. Als ich sie dann

aber frage, ob sie sich vorstellen könnte, für immer einen

40-Stunden-Job zu machen, kann sie nur lachen: „Niemals!“

„Arbeit ist Ausbeutung“

Ich weiß, Boomer (Anm.: Menschen, die ca. 1946-1965

geboren sind) und Millennials (Geburtsjahre ca. 1980-1997)

sind jetzt extrem verwirrt und fragen sich: In welcher Welt

ergibt das Sinn? Ich erkläre es euch. Denn anstatt andauernd

nur über die „fehlende Arbeitsmoral“ der Generation Z zu

sprechen, arbeite ich tatsächlich mit ihnen zusammen. Seit

einem halben Jahr bin ich Chefin

vom Dienst bei „die_chefredaktion“

auf Instagram. Wir machen Journalismus

von jungen Leuten für junge

Leute. Obwohl es keine genaue Definition

gibt, werden der Generation Z

überwiegend jene zugerechnet, die

von 1997 bis 2012 zur Welt gekommen

sind. In unserer Redaktion sind

alle unter 25 und das merkt man,

nicht nur an den Themen, sondern

vor allem an der Arbeitsweise.

Wir kommunizieren über Sprachnachrichten

und Memes, Meetings

werden öfter mal verschoben, weil

Gen Zs wie Munira sich andere Prioritäten

setzen und von 9 bis 17 Uhr

arbeiten die wenigsten. Die Generation

deshalb als faul oder respektlos

abzustempeln, ist aber falsch: Ein

Arbeitsplatz wird einfach niemals ihre alleinige Priorität sein.

In einer Studie des deutschen Zukunftsinstituts aus 2021

über die Generation Z in der Arbeitswelt wünschen sich 48 %

der befragten 16- bis 25-Jährigen flexible Arbeitszeitmodelle,

74 % wollen ihr Leben selbst bestimmen und trotz ihres Jobs

unabhängig sein.

Dass man Deadlines kurzfristig verschiebt oder unzuverlässig

arbeitet, ist meist natürlich nicht in Ordnung, so viel

gleich vorweg. Ich habe mir schon oft gedacht, dass die jungen

Menschen in meinem beruflichen Umfeld Dinge tun und

sagen, die ich mich in 100 Jahren nicht getraut hätte. Aber

sie tun und sagen auch Dinge, für die ich ihnen applaudiere.

Ich unterstütze ihren Willen nach Veränderung. „Arbeit ist

Ausbeutung!“, sagt mir etwa Marlena, Jahrgang 1998, sie ist

Jus-Studentin und arbeitet Teilzeit in einem Tattoo-Studio.

„Im Endeffekt kannst du dir im Kapitalismus, wenn du die

Mittel hast, nur aussuchen, ob du von jemandem ausgebeutet

wirst oder dich selbst ausbeutest, indem du selbstständig

wirst.“ Gerade unter Millennials, die im Zeitraum der frühen

1980er bis zu den späten 1990er Jahren geboren wurden,

boomt das Modell der Selbstständigkeit: Arbeit, die den eigenen

Interessen und Vorstellungen

entspricht. Das klingt erstmal cool,

aber selbst wenn in dem Geschäftsmodell

Nachhaltigkeit und Moral

eine Rolle spielen, müsste man bis

zu einem gewissen Grad kapitalistisch

denken, sagt Marlena. Überhaupt

habe der Ansatz, sein Hobby

zum Beruf zu machen, „damit sich

kein Tag wie Arbeit anfühlt“, in der

Generation Z nichts verloren: „Das

führt nur dazu, dass du das, was

du eigentlich liebst, am Ende auch

hasst, weil du davon abhängig bist.“

Nie wieder Hustle

In der so genannten „Hustle-Culture“,

die Millennials auf Instagram

jahrelang groß gemacht haben, wird

der Selbstwert über die Produktivität

/ RAMBAZAMBA / 35


am Arbeitsmarkt definiert – wer keine Leistung erbringt, ist

für diese Gesellschaft nicht gut genug. Völlig zurecht hat die

Generation Z das Wort „Hustle“ aus ihrem Vokabular verbannt,

wir wollen uns nicht ins Burn-out arbeiten. Auch viele

unserer Eltern, die zur Boomer-Generation gehören, haben

sich ihr Leben lang in ein und derselben Firma kaputt gearbeitet.

„Wir Arbeiter*innenkinder wissen, wie schwer unsere

Eltern gearbeitet haben. Das wollen wir für uns nicht“, sagt

Munira. Vielleicht kann sich diese Generation diese neue

Arbeitsweise also auch aufgrund der Arbeit unserer Vorgenerationen

leisten. Ebenjener Menschen, die uns oft unterstellen,

faul und unzuverlässig zu sein. Für Munira macht

das keinen Sinn: „Wieso gönnen uns alte Menschen nicht

einfach? Ist doch ur gut, dass wir nicht ihre Probleme haben,

uns nicht körperlich und psychisch fertigmachen. Als würden

wir ein gutes Leben nur verdienen, wenn wir arbeiten, bis

nichts mehr von uns übrig ist.“

Gen Zs gehen es also anders

an. Statt sich an ein Unternehmen

zu binden, versuchen sie,

sich ganz viele unterschiedliche

Standbeine aufzubauen, weil

sie jetzt schon wissen: In der

Zukunft wird es nicht den einen

Job geben, der sie für immer

glücklich macht. Diese Einstellung

kann aber natürlich nicht

auf die gesamte Generation

zutreffen. Eine 21-jährige Steirerin,

die in der Landwirtschaft

arbeitet, hat wahrscheinlich

trotzdem ein anderes Bild von

Arbeit, als die Gen Zs aus der

Hauptstadt. „Es hat auch nichts

mit fehlendem Respekt zu tun,

egal in welchem Alter, man sollte

vor seinen Vorgesetzten und

Mitarbeiter*innen immer Respekt

haben“, sagt Viktoria, Jahrgang

1999, die neben dem Publizistik-

Studium ein 40-Stunden-Praktikum

in einem Büro macht. Ihre

Kolleg*innen sind meist älter als 35, sie unterschätzen den

enormen Stress, den Viktoria durch das Studieren und Arbeiten

hat. Wenn ihr irgendwas zu viel wird, traut sie sich aber

noch nicht, etwas zu sagen. „Ich glaube, wenn ich jüngere

Kolleg*innen hätte, würde ich mich eher trauen. Die verstehen

mich vielleicht mehr, weil sie selbst damit konfrontiert

sind.“

Mentale Gesundheit hat einen unfassbar hohen Stellenwert

für die Generation Z und das ist gut so. Als ich selbst

ein 40-Stunden-Praktikum absolvierte und währenddessen

umgezogen bin, eine Masterarbeit geschrieben und an einem

Studienprojekt gearbeitet habe, ging meine Psyche den Bach

runter. Ich wünschte, ich hätte nur einmal den Mut gehabt,

es meiner damaligen Vorgesetzten zu sagen, aber ich war

die Jüngste und hätte mich nie getraut. Anders als Leyli, die

mir letztens eine Sprachnachricht geschickt hat: Sie kann die

Deadline für eine Reportage nicht einhalten, weil sie so viele

Prüfungen hat und sich komplett überfordert fühlt. Dass ich

deshalb unseren Redaktionsplan umstellen musste, war das

Letzte, woran ich in diesem Moment dachte. Viel mehr war

ich froh darüber, dass Leyli ehrlich zu mir ist. Dass mir meine

Kolleg*innen vertrauen und keine Angst vor mir haben. Das

klingt für manche vielleicht normal, aber das ist nicht der

Standard.

Mehr Verständnis

Und deshalb nehme ich gerne verschobene Meetings und

Deadlines in Kauf. In sechs Jahren in dieser Branche habe

ich nie so viel Kreativität, Mut und Talent erlebt, wie von

Menschen aus der Generation Z. Aber natürlich: Auch wir

müssen vielleicht noch lernen, das Verständnis, das wir so

oft von unserem Umfeld einfordern,

anderen entgegenzubringen.

Es ist richtig und wichtig,

dass wir es anders machen

wollen als unsere Vorgenerationen,

aber manchmal sind auch

wir noch zu egoistisch. „Wir

müssen wegkommen von diesem

individualistischen Denken, bei

dem jede*r nur auf sich und den

eigenen Erfolg schaut. Wir sollten

uns als Teil von etwas großem

Ganzen sehen, bei dem wir ein

Verantwortungsgefühl gegenüber

der Gesellschaft haben und Solidarität

eine Rolle spielt“, erklärt

mir Marlena, passenderweise in

einer Sprachnachricht. „Ich wünsche

mir, dass wir eine Gesellschaft

bilden können, in der alle

ihren Fähigkeiten und Interessen

entsprechend einer Tätigkeit

nachgehen können, von der die

ganze Gemeinschaft profitiert.

Damit wir erkennen, dass wir als

Einzelperson dann aufblühen, wenn unsere Community aufblüht.“

Das klingt doch nach einem schönen Arbeitsplatz. ●

Anna Jandrisevits ist Chefin vom Dienst bei der Chefredaktion,

einem Instagram-Medium, das von Ex-Biber-Redakteurin

Melisa Erkurt gegründet wurde. Inzwischen verfolgen bereits

25.000 Follower*innen die Inhalte der Chefredaktion. Wer

jungen und diversen Journalismus unterstützen und gleichzeitig

einen exklusiven Newsletter erhalten möchte, schaut bei Steady

vorbei: www.steadyhq.com/de/diechefredaktion

36 / RAMBAZAMBA /


LIFE & STYLE

Mache mir die Welt,

wie sie mir gefällt

Von Aleksandra Tulej

Routine-Tipp

RITUELLE

REINIGUNG

NOSTALGIE-SPALTE

DAS SPOTIFY

DER 2000ER:

DIE

RAFFINIERTE

CD-HÜLLE

© Zoe Opratko, Rituals, Ebay.com

MEINUNG

Nerv’ mich nicht

nach 18 Uhr.

„Hey, gehen wir am Mittwoch was

trinken?“ Nachrichten dieser Art

lassen mich mein Gesicht verziehen,

meine Augen rollen und mein

Handy weit weg von mir schleudern.

Ich bewundere diese Menschen,

die unter der Woche nach einem

Arbeitstag immer noch motiviert für

soziale Kontakte sind. Ich bin’s nicht.

Um diese Uhrzeit bin ich schon

fertig, verschwitzt, mein Make-up

ist runter geronnen, ich hab‘ den

ganzen Tag schon mit Leuten zu tun

gehabt und mich wie ein funktionierendes

Mitglied der Gesellschaft

verhalten. Dann ist Feierabend. Aber

bitte zuhause. In den Wintermonaten

hält sich meine Einsiedlerkrebs-

Gattung ab 18 Uhr nur mehr auf

dem Sofa vor Netflix auf und jeder

notwendige Schritt nach draußen

wird mit einem Seufzen getätigt. Auf

einen Spritzer kann man außerdem

auch nicht mehr mit mir gehen,

da Madame in diesem hohen Alter

schon nach drei Schluck einen Kater

hat. Habe ich mich jetzt so unsympathisch

wie möglich gemacht?

Exzellent. Aber: Bald ist Sommer und

da wird ja bekanntlich alles anders.

tulej@dasbiber.at

Ich werde in ein paar Monaten

30 und ich kann mich nicht mehr

wehren: Meine Skin-Care-Routine

aus der Drogerie tut’s einfach

nicht mehr. Deshalb beschloss ich,

das erste Mal in meinem Leben

in ein fancy Gesichts-Waschgel

zu investieren und Kinder, es hat

sich gelohnt. Der Velvetly Smooth

Cleansing Foam (12,99 €) von

Rituals gehört ab jetzt zu meiner

Morgenroutine. Okay - ich hab keine

Morgenroutine, aber ich fange jetzt

damit an, die Gesichtspflege ist der

erste Schritt. Es riecht gut, es macht

die Haut total weich und trocknet sie

nicht aus. Und wenn man schon mal

in dem Laden ist, kann man (=ich)

nicht ohne die Rituals-Duftstäbchen

(14,99€) raus. Auf einmal riecht

meine Wohnung wie ein exklusives

SPA und meine Haut kriegt ihre

altersgerechte Pflege. Dieses Ritual

führe ich gerne weiter.

Als ich um die 12 Jahre alt war,

habe ich alles von Jordi Labanda

besessen: Notizbücher, Hefte,

Mappen, Tagebücher. Das Erkennungsmerkmal

der Marke waren

langbeinige, gut angezogene, raffinierte

Frauen, die mich gleichzeitig

an meine MyScene-Puppen erinnert

haben. „So will ich mal sein, wenn

ich groß bin!“, war damals mein

Credo. Ein Utensil war aber besonders

unentbehrlich: Die CD-Tasche,

in der ich all meine Avril Lavigne und

Bravo-Hits-CDs bei mir hatte, um sie

auf meinem Discman zu hören. Dass

diese CDs irgendwann alle durcheinander

reingeworfen waren und

folglich zerkratzt und voller Fingerabdrücke,

gehörte zu meinem rebellischen

Teenager-Ich. Was hat sich

seitdem geändert? Ähm, zum Glück

gibt es heute Spotify und zum Glück

hat mein iPhone eine Panzerglasscheibe.

Soviel zu mir als raffinierte,

erwachsene Frau.

/ LIFESTYLE / 37


ARBEITERKIND

3.0

38 / RAMBAZAMBA /


So früh wie möglich heiraten und Kohle machen: Diese Zukunft war für

Boban vorbestimmt. Zumindest wenn es nach seiner Balkan-Familie geht.

Aber er schlug seinen eigenen Weg ein: Ein Arbeiterkind auf Umwegen

zwischen dem Job in der Gemüseabteilung und Geschichte-Studium.

Von Boban Ristić, Fotos: Matthias Nemmert

Ich musste früh in meinem Leben arbeiten. Meine Mutter

vermittelte mir mit 16 Jahren eine Lehre bei einer

großen Supermarktkette, wo sie auch selbst hinter der

Fleischtheke arbeitete. Rückblickend war ich damals viel

zu jung und grün hinter den Ohren. Ich war nie gut darin, den

Einkauf zu scannen und abzukassieren. Das „Schönen Tag

noch!“ zum Abschied klang in meinem Mund wie eine Drohung.

Außerdem breitete sich bei mir damals die Angst vor

dem Frust aus, welchen ich bei älteren Arbeitskollegen beobachtete.

Wie soll man auch nicht deprimiert sein? Die Arbeit

ist eintönig und der Lohn im Einzelhandel eher bescheiden.

Lebender Beweis dafür waren die pensionierten Samstagskräfte,

die mit dem zusätzlichen Lohn ihre mickrige Pension

aufbessern wollten. Ich wollte nicht so wie sie enden. Wenn

schon ausgebeutet werden, dann in einer Arbeit, die mir

Spaß macht.

„HR. RISTIĆ BITTE IN DIE

GEMÜSEABTEILUNG KOMMEN“

Meine konservative Arbeiterfamilie hatte erwartet, dass ich,

so wie jeder junge “Balkaner”, so schnell wie möglich Kohle

verdiene und eine Familie gründe. „Wann gibt‘s endlich

Enkel, Bobane?“, hörte ich jeden Tag als Frage. Nicht heute.

Eigentlich wollte ich studieren und mein Leben auf die Reihe

kriegen, bevor ich an eigene Kinder denke. Stattdessen

machte ich eine Einzelhandelskaufmann-Lehre und war

todunglücklich. Zu Hause wurde es immer ungemütlicher.

Die Lage spitzte sich zu als ich die Lehre im letzten Jahr

abbrach. Mein Stiefvater, der sich für gewöhnlich nobel

zurückhielt, verlor die Geduld mit mir. Unsere Beziehung

wurde nicht besser, als ich mich in die Matura-Abendschule

einschrieb und untertags den AMS-Kurs „EDV-Systemtechnik“

besuchte. Danach ging es in den Käfig

zum Basketball spielen. Der Platz zu Hause

wurde immer enger, vor allem für meine

jüngere „Seka“ (serb. für „Schwesterherz“),

die langsam in die Pubertät kam und sich über

ein eigenes Zimmer gefreut hätte. Dies und

der Druck meiner Eltern waren letztlich ein

Ich wollte studieren

und mein Leben auf

die Reihe kriegen.

Floridsdorf: Hier fühlt sich Boban am wohlsten

Antrieb für mich, aus dem Hotel Mama endgültig auszuchecken.

Glücklicherweise bot mir eine Freundin damals an, in

ihre Garconniere-Wohnung im 21. Bezirk einzuziehen. Nach

Floridsdorf! Kein Problem, als Donaustädter kannte ich das

raue Klima von Transdanubien. Die Abmachung mit der Wohnungsbesitzerin:

Ich bezahle die Rechnungen,

während sie ein paar entspannte Jahre in

Serbien verbringt. Fantastischer Deal.

FLEISSIG UND HIGH

Meine Familie sah nicht ein, warum sie meine

Emanzipationsversuche mit ihrem hart ver-

/ RAMBAZAMBA / 39


dienten Geld unterstützen sollten. Auf einer Bolt-Fahrt klärte

mich ein alter Jugo über eine besondere Zweideutigkeit in

unserer Sprache auf und darüber, warum er selber immer

arbeitete wie ein Pferd. Das Serbische “ti si vredan“ bedeutet

übersetzt „du bist fleißig“ – es heißt aber auch „du bist

wertvoll“. Den Ursprung des Wortes nahm sich meine Familie

anscheinend besonders zu Herzen. Für sie war jemand

nur dann was wert, wenn er fleißig war und vor allem gut

verdiente. Geld sei der Beweis für den Fleiß. Mir war es nicht

wichtig, ein teures Auto zu fahren oder pompös zu heiraten.

Ich fing an, mich für die Studienberechtigungsprüfung für

kulturwissenschaftliche Studien vorzubereiten.

Ein paar Monate später schlenderte ich voll high auf Koffein

durch die Gänge der Hauptuni Wien und fühlte mich wie

in einem Traum. Endlich konnte ich das machen, wovon ich

mein ganzes Leben lang geträumt hatte. Weil das Selbsterhalter-Stipendium

nicht alle meine Kosten decken konnte,

arbeitete ich erst recht wieder samstags in der Gemüseabteilung.

Aber in diesem Fall wusste ich, das war nur Mittel zum

Zweck. Am Ende des Weges erwartet mich ein akademischer

Titel und ganz viel neues Wissen.

NATO-BOMBARDEMENT UND

GESCHICHTE-VORLESUNG

Ich wurde 1995 in Požarevac, damals Jugoslawien, geboren

und habe den Kosovo-Krieg und die NATO Angriffe 1999 live

miterlebt. Die Sirenen und in Panik flüchtende Menschen

haben sich in mein Gedächtnis gebrannt. Und so stellte

ich zu Hause Fragen, auf die ich keine Antworten bekam.

Fragen, die mir später in der Schule auch kein Geschichtsbuch

oder Lehrer beantworten konnte. Warum das keiner

schaffte, erklärte mir ausführlich Geschichtsprofessor Dr.

Stefan Zahlmann im Rahmen seiner 3,5-stündigen Vorlesung

“Theorien und Geschichte schriftlicher

Quellen und Medien”. In dieser schrieb ich

einige Essays zum Thema, warum es keine

allgemeingültige Wahrheit in der Geschichte

geben könne. Der Einblick in die geschichtsphilosophische

Metaphysik half mir,

Vorbehalte, die sich über die Jahre gegen

Journalisten und andere Kulturschaffende

gebildet hatten, zu verlieren und ich habe

seither angestrebt, auch einer von dieser

Sorte zu werden. Deswegen entschied ich

mich für Journalismus. Das Geschichtsstudium

erwies sich als eine elegante Lösung. „Ein Drittel der

Absolventen endet in der Medienwelt“, sagte man mir in den

Info-Vorlesungen.

Meine Bachelor-Ambitionen bekamen bald die harte Realität

zu spüren. Die Doppelbelastung aus schlecht bezahlten,

körperlichen Jobs und akademischen Lehrinhalten trieben

mich beinahe ins Burnout. Ich verlor 15 Kilo, konnte kaum

einschlafen und fühlte mich dauerschlapp. Im dritten Semester

klagte ich einer Bekannten mein Leid: „Ich werde weder

zu Ende studieren, noch Karriere als irgendwas machen. Ich

sollte einfach das machen, was alle von mir erwarten. Autos

reparieren oder Handyshop aufmachen oder sowas.“ Adriana

Die Doppelbelastung

aus schlecht bezahlten,

körperlichen Jobs und

akademischen Lehrinhalten

trieben mich

beinahe ins Burnout.

Das Serbische “ti si vredan“ bedeutet übersetzt „du bist

fleißig“ – es heißt aber auch „du bist wertvoll“.

konnte mein Selbstmitleids-Lied nicht mehr

hören und erzählte von der biber-Akademie.

Dort müsse man sich nicht verstellen und

kann seine eigene Geschichte erzählen und

dabei was lernen. Sie sah mich mit leuchtenden

Augen an und erzählte mir, dass ich

genau zu biber passen würde. Drei Jahre

später sitze ich in der Redaktion, blicke auf

das Maria-Theresien-Denkmal gegenüber

und fühle mich angekommen. Ich darf

Artikel schreiben, Menschen auf der Straße

interviewen, über aktuelle Themen wie Impfpflicht, Novak

Djoković oder den besten Burek Wiens schreiben. Endlich

gebe ich meiner Mutter einen guten Grund, stolz auf mich

zu sein. Alleine deswegen hat sich das Praktikum bei biber

ausgezahlt. ●

40 / RAMBAZAMBA /


I geh ins Kino, du gehst ins Kino.

Zusammen gemma impfen.

jetzt-miteinander.at

Mit Unterstützung von


Die Autorinnen (v.l.n.r.):

Şeyda Gün, Gracia Ndona,

Tekla Scharwaschidze,

Amina Reifenauer-Ben

Hassen und eine Autorin,

die ihre Geschichte

anonym erzählen möchte.

© Zoe Opratko

42 / EMPOWERMENT SPECIAL /


DU

BESTIMMST

IMMER.

PUNKT.

Veraltete Rollenbilder durchbrechen, neues Terrain entdecken und seine ganz

persönliche Leidenschaft verfolgen: Weibliche Selbstbestimmung hat viele Gesichter,

und kann auf unterschiedlichsten Wegen passieren. Fünf starke, junge Autorinnen aus

verschiedenen Communitys erzählen von ihren persönlichen Revolutionen und was sie

dafür in Kauf nehmen mussten. Von der Freiheit, die das Tanzen einem verleihen kann,

über die Erkenntnis, dass das Ansehen der Familie nicht alleine auf den Schultern der

Erstgeborenen lastet, bis hin zur Sicherheit, die man als Frau hinter dem Mischpult in

die Clubs trägt.

Das Projekt „Du bestimmst IMMER. Punkt!“ findet im Rahmen des Aufrufs „Maßnahmen

zur Stärkung von Frauen und Mädchen im Kontext von Integration“ des Österreichischen

Integrationsfonds statt. Dieses Projekt wird durch den Österreichischen Integrationsfonds

(ÖIF) finanziert. Die redaktionelle Verantwortung liegt allein bei biber.

/ EMPOWERMENT SPECIAL / 43


DIE ERSTGEBORENE

DIE WAHRHEIT HINTER DEM VORBILD

44 / EMPOWERMENT SPECIAL /


Ehrgeizig. Verantwortungsbewusst. Verständnisvoll.

Leistungsstark. Aber auch nachgiebig. Wie die Tatsache,

die älteste Tochter in einer georgischen Familie zu sein,

die Persönlichkeit unserer Autorin Tekla Scharwaschidze

geprägt hat. Und wie sie die Erwartungshaltung durchbrach.

Von Tekla Scharwaschidze, Foto: Zoe Opratko

Ich wurde in Georgien geboren.

Damals war ich nicht nur die Erstgeborene,

sondern auch das allererste

Enkelkind in meiner Familie.

Während meiner Geburt versammelte

sich eine große Gruppe an Verwandten

und Bekannten vor dem Krankenhaus

und sangen meiner Mutter, vor dem

offenen Fenster ihres Zimmers, georgische

Volkslieder zu. Es war eine warme

Herbstnacht und der Mond schien hell

am Himmel. Ich erinnere mich natürlich

nicht an das Ereignis, aber wir haben

eine alte Kassettenaufnahme, die schon

unzählige Male abgespielt wurde.

REBELLIN ODER PEOPLE-

PLEASER

Das Leben der Erstgeborenen in Georgien

ist von großer Erwartungshaltung

und starkem Verantwortungsbewusstsein

geprägt. Das hat sich bei unserer

Emigration nach Österreich auch nicht

geändert. Ich würde sogar meinen, dass

sich die Ansprüche und Erwartungen

meiner Eltern gegenüber mir nochmals

um eine Spur verstärkt hätten. Und dass

diese Erwartungshaltung gegenüber meiner

vier Jahre jüngeren Schwester ganz

anders aussieht, ist lange kein Geheimnis

Entwickelt sich das

erstgeborene Kind

entweder zu einer

willensstarken Person,

oder zum fügsamen

„People-Pleaser“?

mehr. Als Älteste lernt man nämlich früh

genug, Dinge so hinzunehmen, wie sie

sind. Nachgiebigkeit ist also eine der

vielen Eigenschaften, die ich meinem

Charakter als Erstgeborene relativ

schnell zuschreiben kann. Erstaunlicherweise

gibt es sogar eine Geburtsordnungstheorie,

die besagt, dass die

Persönlichkeit von der Geburtsordnung

der Kinder beeinflusst wird. Sobald das

zweite Geschwisterkind die Szene betritt,

herrschen zwei Optionen: Rebellion oder

Nachgiebigkeit. In anderen Worten,

entwickelt sich das erstgeborene Kind

entweder zu einer willensstarken Person,

oder zum fügsamen „People-Pleaser“.

Ich habe schon sehr früh begriffen,

dass ich in die zweite Kategorie falle.

Ich versuche Konflikte, besonders mit

meinen Eltern, zu vermeiden, mich in

die Lage von anderen hinzuversetzten

und ihre Ansicht möglichst schnell zu

verstehen. Mit meiner Mutter pflege ich

ein sehr gutes Verhältnis und sie zählt

auf mich. Ich würde es zwar nie vor

meinen Eltern zugeben, aber ich bin mir

bewusst, dass ich auch nicht geäußerte

Erwartungen ihrerseits stets aufgreife.

Auch wenn sie nicht immer von Erfolg

ausgehen, strebe ich danach, für sie

erfolgreich zu sein. Ich strebe danach,

sie stolz zu machen und von Nutzen zu

sein. Unterbewusst bedeutet das, dass

ich Entscheidungen selten nach dem

eigenen Willen treffe, sondern lieber im

Namen derer, die ich ungern enttäuschen

möchte. Diese unterbewusste Angst vor

Enttäuschung verankert sich schnell und

kann zukünftige Lebensabschnitte stark

beeinflussen.

Der ganze Stolz der Familie zu sein, kann auch belastend werden.

/ EMPOWERMENT SPECIAL / 45


Rebellion oder Nachgiebigkeit:

Diese zwei

Optionen hatte ich

Tekla musste früh lernen, was es bedeutet, die Verantwortung

für Jüngere zu übernehmen.

MEHR LEISTUNG BRINGEN,

BESONDERS ALS

MIGRANTIN

In der Schule pflegte ich auch gute Verhältnisse

zu allen Lehrer*innen und war

relativ beliebt. Wie die meisten ältesten

Kinder aus befreundeten Familien,

erbrachte ich stets außerordentliche

Leistungen. Ich war sogar eine der

besten in meinem Jahrgang. Außerdem

verspürte ich nie eine Zurückhaltung,

stellte meine Leistungen zur Schau und

wollte mein Wissen immer erweitern. Ich

machte bei Wettbewerben und Programmen

mit, um Erfolge zu sammeln,

die ich präsentieren konnte. Heute weiß

ich, dass das vermutlich am starken

Leistungsdruck und an den unzähligen

Lektionen meiner Eltern liegt, die predigten,

dass ich mich stets unter Beweis

stellen müsste. Und das nicht nur als

Erstgeborene, sondern auch als Migrantin.

Als Kind begriff ich natürlich nicht,

wie toxisch ein solches Verhalten und

wie gefährlich dieser psychischer Druck

sein kann. Es kam mir nämlich so vor, als

ob die Hoffnung und die Ehre der ganzen

Familie einzig und allein auf meinen

Schultern lasten würden. Ich redete mir

sogar ein, dass ich mir keinerlei Fehler

erlauben dürfte. Deshalb strengte ich

mich stets an, die erwarteten Leistungen

zu liefern und meine Eltern nicht

zu enttäuschen. Ab und zu nahm dieser

Ehrgeiz dann auch die Rolle des unterdrückenden

Begleiters an und ich schnitt

nicht so gut ab, wie erwartet.

AUF DEM SERVIERTABLETT

Ich erinnere mich an meinen ersten Dreier

in Mathe, der dazu führte, dass mein

Vater einige Tage nicht mit mir sprach.

Im Laufe der Zeit wurden die Reaktionen

auf meine Noten weniger schlimm, aber

meine Angst davor, schlecht abzuschneiden

legte sich nie. Ich erinnere mich

auch an Telefonate meiner Mutter mit

Bekannten, die sich schnell zu einem

höflichen Konkurrenzkampf zwischen

den Familien entwickelten. Der Vergleich

von ausgezeichneten Zeugnissen war

das eine, aber manchmal wurden sogar

schlechte Noten als wohlverdiente Einser

verkauft. Die Erstgeborenen werden von

den Eltern wie auf einem Serviertablett

vorgeführt. Mit dem ältesten Sohn einer

gut befreundeten Familie hatte ich einmal

ein lustiges Gespräch darüber, dass

unsere Mütter über die eine oder andere

Note gelogen hatten. Ich war also in

dieser Situation nicht alleine.

Diese und andere Erlebnisse führten

zur Erkenntnis, dass nicht alles so seriös

verhandelt wird, wie es einem scheint,

und man viele Erfahrungen mit anderen

teilen kann. Je älter man wird, desto

mehr merkt man, dass sowohl Eltern als

auch besonders ihre Weltanschauung

nicht immer perfekt sind und man auch

selbstständige Entscheidungen treffen

darf. Nach dem Willen anderer zu leben,

kann nämlich früher oder später in Unzufriedenheit

enden.

DER ANGST VOR DEM

VERSAGEN DEN RÜCKEN

KEHREN

Nach meinem Schulabschluss

begann ich darüber zu reflektieren, wie

stark mein Leben von Abhängigkeiten

geprägt ist und wie ich das ändern könnte.

Empowerment bedeutete für mich,

offen mit meinen Eltern darüber zu sprechen,

was der Leistungsdruck wirklich

mit mir gemacht hatte und macht. Ich

46 / EMPOWERMENT SPECIAL /


entschied mich, der Angst vor dem Versagen

entgegenzuwirken und diesen Ängsten nicht

mehr die Möglichkeit zu geben, mein Leben

zu beschränken. Als Erwachsene traute ich

mich endlich, eigene Meilensteine zu setzen

und mich daran zu machen, die Erwartungshaltung

zu durchbrechen. Ich entschied mich

trotz der Sorgen meiner Eltern, ein Auslandssemester

zu machen, um ihnen zu zu zeigen,

dass sie nicht immer auf mich angewiesen

sein müssen. Und am wichtigsten war dabei

doch, dass ich mir selbst dadurch beweisen

wollte, dass ich selbstständig handeln und

bewusst aus meinen Komfortzonen heraustreten

kann. Ich hinterfrage ihre Ansichten und

trete skeptisch auf. Ich ließ die Verantwortung

für meine Schwester nicht mehr so leicht an

mir hängen.

Als Erstgeborene will ich mich nun der

Aufgabe widmen, das Generationstrauma

zu durchbrechen und den Jüngeren in

der Familie nicht in einer Vorbildfunktion

gegenüberzustehen, sondern als offener

und unvoreingenommener Mensch. Meine

Selbstbestimmung soll meiner Schwester

das Gefühl geben, dass allein ihre Noten und

Erfolge nichts über sie aussagen. Ich will,

dass sie weiß, dass ich sie trotz jeglicher

Entscheidungen und Handlungen bedingungslos

lieben werde. Ich will, dass meinen Eltern

bewusst wird, dass ihr Leben nicht allein von

ihren Kindern abhängt und sie darauf vertrauen

sollen, dass am Ende alles gut wird.

Egal welchen Weg man einschlägt. Und ich

will meine persönliche Zufriedenheit bewusst

über die Erwartungen anderer stellen, um mir

mein eigenes Bild zu schaffen: von mir – von

der Welt – und von dem Weg, den ich in ihr

gehen will. ●

Fotos: shutterstock

Zeit für

Erfolgserlebnisse

Für alle, die mit coolen Moves ins Frühjahr

starten wollen: Latin Workout, Hip-Hop,

Bodywork, Zumba® und vieles mehr!

Tekla Scharwaschidze ist 22 Jahre alt,

kommt aus Georgien, studiert Wirtschaftsund

Sozialwissenschaften an der WU Wien,

engagiert sich sozial- sowie europapolitisch

und setzt sich für die Wichtigkeit von Mehrsprachigkeit,

Empowerment und Vielfalt ein.

#meinerfolgserlebnis

www.vhs.at

Bildung

und Jugend


„AYIP! DAS GEHÖRT

SICH NICHT!“

ANSTAND UND SCHANDE IN DER TÜRKISCHEN

UND KURDISCHEN COMMUNITY

48 / EMPOWERMENT SPECIAL /


„Das kannst du machen, wenn du verheiratet bist!“ „Da kannst du dann mit deinem Mann

hin!“ – Was, wenn eine junge Frau gar nicht heiraten möchte? Was, wenn sie nicht auf

einen Mann angewiesen sein will, um vom Elternhaus unabhängig zu werden? „Ayıp!“

Autorin Şeyda Gün hat es satt, die „vorbildliche“ Tochter in der kurdischen Community

zu sein, auch auf die Gefahr hin, als „eine Schande“ abgestempelt zu werden.

Von Şeyda Gün, Fotos: Zoe Opratko

Ayıp!“ (übersetzt: eine Schande).

Dieser Begriff ist für viele

Frauen aus der türkischen

oder türkischsprachigen

kurdischen Community kein Fremdwort.

Denn wir alle haben zumindest einmal in

unserem Leben etwas gesagt, getragen

oder geglaubt, dass „ayıp“ für unsere

Familie, Bekannte oder sogar Freunde

ist. Einmal war ich auf der Suche nach

einem Outfit für eine kurdische Hochzeit

in Wien. Meine Mama

wollte, dass ich mich der

Community entsprechend

kleide: Das Kleid dürfe auf

keinen Fall zu kurz sein

oder einen Ausschnitt

haben, denn es wäre

„ayıp“, wenn ich nicht

angemessen gekleidet

wäre. Obwohl meine Familie

sich niemals in mein

äußeres Erscheinungsbild

einmischte und mich so

respektierte, wie ich bin,

ging es hier darum, was

andere Menschen in der

Community über mich

denken oder gar reden

würden, wenn ich mir

ein etwas „freizügigeres“

Outfit für den anstehenden Anlass

aussuchen würde. Im Endeffekt habe ich

dann getragen, was mir gefallen hat – ob

die „Leute reden“ ist mir egal.

Denn: Wer bestimmt, wann was

warum „ayıp“ ist? Sowohl in der türkischen

als auch in der kurdischen

Community können viele Dinge eine

„Schande“ für Frauen sein. Mütter und

Väter sind beispielsweise besonders stolz

auf ihre Söhne, wenn die feste Freundin

vorgestellt wird. Wenn die Tochter den

festen Freund aber vorstellen möchte,

herrscht Ausnahmezustand unter den

vier Wänden. Das ist doch ayıp! Frauen

können doch nur den Mann vorstellen,

den sie auch später heiraten, das

besagt der imaginäre Gesetzeskodex der

Community. Bereits in jungen Jahren

werden Mädchen darauf aufmerksam

gemacht, sich „vorbildlich“ innerhalb der

Community zeigen zu müssen. Vorbildlich

sein heißt, in die Schule zu gehen

und dann sofort wieder nachhause,

Den Lästereien in ihrer Community dreht die Autorin den Rücken zu.

nicht bei Freundinnen am Wochenende

übernachten, denn Pyjamapartys sind

ein Tabu. Vorbildlich sein heißt, nicht auf

Partys gehen, nicht im Club zu tanzen.

Auch ich kenne das nur zu gut. Als ich

meiner Mama im Teenageralter sagte,

ich möchte auf Pyjamapartys, dachte sie,

ich scherze. Sie hatte kein Verständnis

dafür, wieso ich bei meinen Freundinnen

zu Hause übernachten sollte. Für

sie war das „ayıp“. Was würden denn

andere dazu denken? Ich erklärte ihr,

dass es das normalste auf dieser Welt

sei und es nur in unserer Kultur einfach

kein Verständnis dafür gebe. Sie

hat sich im Endeffekt mit der Tatsache

angefreundet und akzeptiert, dass es

eine Welt außerhalb unserer Kultur auch

gibt und nichts dagegenspricht, wenn

ich mit meinen Freunden meinen Spaß

habe. Die Pyjamapartys aka Homepartys

waren somit kein Problem mehr. Hätte

ich dieses Gespräch nie gesucht und

versucht, ihr eine Welt außerhalb unserer

Kultur zu erklären, wäre

nie etwas aus den Partys

geworden. Ich kann mich

in dieser Hinsicht glücklich

schätzen, dass dieses

Verständnis entstand.

Heute denke ich an meine

Zeit im Gymnasium zurück

und liebe die Erinnerungen.

Die schönste Zeit,

die lustigsten Erlebnisse,

mit den besten Leuten. All

das, weil ICH mich durchgesetzt

habe.

In unserer Community

heißt „vorbildlich sein“

vor allem, dem Weltbild

der Community gemäß zu

leben, ohne die eigenen

Bedürfnisse jemals

ausleben zu dürfen. Wenn du als Frau

nicht den „vorbildlichen“ Funktionen der

Gesellschaft entsprichst, beginnt deine

Community über dich zu sprechen. Gibt

es Gossip in deiner Community über

dich? Uff, ayıp. Es ist ein Weltuntergang

für Familien, wenn schlecht über die

Tochter gesprochen wird, es ist eine

Schande. Heute frage ich mich, wer

überhaupt das Recht hat, mir und allen

anderen Frauen vorschreiben zu dürfen,

was ayıp ist oder nicht. Ich bestimme für

mich, du bestimmst für dich. Punkt.

/ EMPOWERMENT SPECIAL / 49


„Wir sollten als Frauen nicht bei jedem Schritt, den wir wagen,

aufpassen müssen, ob das nicht ‚ayıp‘ ist.“

DEINE FREIHEIT LIEGT BEI

DIR – NICHT IN DER EHE

„Es ist der Traum von jeder jungen Frau

eines Tages zu heiraten“, heißt es in

unserer Kultur. Stimmt das überhaupt?

Mein Traum war es nie. Diese Art von

Lebensweisheiten verankern sich tief

in den Köpfen von kleinen Mädchen.

Unbewusst wachsen wir mit falschen

Vorstellungen unserer Community auf,

die unserer eigenen Realität weitaus entfernt

liegen, wir aber dennoch denken,

es seien unsere „Träume“.

Keine große Überraschung ist, dass

sich die Weisheiten mit Vorliebe auf

Frauen beziehen, nicht auf Männer.

Während Männer die Freiheit haben,

ihre Ziele im Leben umzusetzen, werden

Frauen ihre Träume vorbestimmt. Apropos

Freiheit: Es gibt unzählige Familien,

die ihren Töchtern alle Freiheit der Welt

versprechen, wenn sie „groß“ sind und

heiraten. „Du kannst die Welt bereisen,

wenn du verheiratet bist!“, „Dort kannst

du später einmal mit deinem Mann

hingehen!“ oder „Das kannst du bestimmen,

wenn du geheiratet hast und dein

eigenes Leben führst!“ sind besonders

beliebte Vorgaben für junge, neugierige

Mädchen der Community. Für mich sind

das nicht nachvollziehbare Aussagen,

die mir Kopfschmerzen bereiten. Wieso

Fakt ist, dass wir

leider hinsichtlich der

Bestimmung unserer

eigenen Träume

und Bedürfnisse

blind aufgezogen

worden sind.

sollte eine Frau die Welt nicht bereisen

dürfen, ohne verheiratet zu sein? Wieso

müssen Frauen auf den Mann und die

Ehe angewiesen sein, um über sich

selbst bestimmen zu dürfen? Heiraten

und sich damit Freiheiten zu erkämpfen,

wird normalisiert. Frauen führen

laut Community das eigene Leben erst

dann, wenn sie verheiratet sind, als ob

wir davor nicht existieren würden. Dabei

spricht keiner darüber, wie viel Verantwortung

und Risiken die Ehe mit sich

bringt. Fakt ist, dass nicht alle Lebensgemeinschaften

gut enden. Es gibt genug

(Ehe-)Frauen da draußen, die Opfer von

Gewalt werden, sei es physisch oder

psychisch. Und auch ist es nicht so, dass

sich alle Frauen der Community erst

durch die Ehe ihre Freiheiten erheiraten.

Es gibt aber leider genug, die diesem

Ideal nachgehen.

Fakt ist, dass wir leider hinsichtlich

der Bestimmung unserer eigenen Träume

und Bedürfnisse blind aufgezogen

worden sind. Die traurige Wahrheit ist:

Familien geben ihren Töchtern wenig

Recht auf Selbstbestimmung. Es gibt

genug Mütter, Väter, Tanten, Onkel,

Omas und Opas, die für uns Frauen

bestimmen können, was richtig ist und

was nicht. Deine Freiheit liegt aber nur

in deiner Selbstbestimmung, nicht in der

Bestimmung der Anderen. Punkt.

SEI „ANSTÄNDIG“ ODER

SEI EINE SCHANDE

In der türkischen und kurdischen Community

wird uns Frauen meiner Ansicht

nach viel vorgekaut und fertig auf den

Teller serviert. Die Erwartung ist, dass wir

nach ihren Vorstellungen unser Leben

gestalten. Wenn das nicht passiert, ist

es „ayıp“ oder eine Rebellion gegen die

Familie.

50 / EMPOWERMENT SPECIAL /


Unsere Familien und Bekannten

stammen aus einer Generation, die weit

entfernt von unserer Realität leben.

Natürlich kann man die Umstände und

„Weltbilder“, in denen sie aufgewachsen

sind, nicht mit der neuen Generation

vergleichen. Nur weil unsere Familien

konservativ aufgezogen wurden,

bedeutet das aber nicht, dass sie uns

genau so konservativ aufziehen müssen.

Viele junge Frauen leben unter den

Vorgaben ihrer Familien, es gibt wenig

bis keine Selbstbestimmung über das

eigene Leben. Die Erwartung ist groß.

Sei „anständig“, geh in die Schule oder

arbeiten, verzichte auf Clubs und Partys,

heirate den ersten Mann, den du kennenlernst,

sorge für deine Ehe und vieles

mehr. Ich glaube, es fehlt vielen am

Verständnis, dass wir alle unterschiedliche

Individuen mit individuellen Bedürfnissen,

Interessen und Idealen sind. Mich

interessiert das eine, dich interessiert

das andere. Das Leben, das uns vorgekaut

wird, entspricht aber zu oft nicht

unseren Vorstellungen. Wir sollten als

Frauen nicht bei jedem Schritt, den wir

wagen, aufpassen müssen, ob das nicht

„ayıp“ ist. Wir sollten nicht zittern müssen,

dass alte Tanten aus der Community

sich erlauben beim Kaffeekränzchen über

unser Leben herzuziehen oder zu urteilen.

Oft genug stelle ich mir die Frage,

ob sich Frauen aus unserer Community

tatsächlich verwirklichen können. Ob sie

die Frauen sein können, die sie sein wollen.

Ob sie ihren eigenen Interessen und

Idealen nachgehen können. In uns allen

steckt so viel, doch wie viele von uns

trauen sich, den Mut zu ergreifen und die

Normen der Community zu brechen? Es

ist so viel einfacher, sich das Vorgekaute

servieren zu lassen und hinunterzuschlucken,

als zu rebellieren und zu beginnen,

für sich selbst zu bestimmen. Der erste

Schritt ist immer schwer. Aber die Angst

davor, als eine „Schande“ abgestempelt

zu werden, muss überwunden werden.

Früher machte ich mir viel zu viele

Gedanken darüber, ob etwas, was ich

sage, mache oder trage, „ayıp“ ist.

Seitdem ich für mich gemerkt habe, dass

nur ich über mein Leben bestimmen

kann, ist mir alles andere gleichgültig.

Weder muss ich mein Leben nach den

Vorstellungen der Community leben,

noch musst du das. Über uns urteilen

– das tun sie auch so. Gestalte daher

dein Leben so, wie du es möchtest, und

verfolge deine Träume und Ideale. Niemand

hat das Recht, über unser Leben

zu bestimmen. Oder wie man doch so

schön im Türkischen sagt: „Herkesin

hayatına kimse karışamaz“. Lasst uns die

Generation sein, die das ewige „ayıp“ mit

diesem Satz ersetzt. ●

Şeyda Gün ist 24 Jahre alt, studiert Publizistik,

arbeitet bei biber, hat kurdische

Wurzeln und setzt sich für Gleichberechtigung

in ihrer Community ein.

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Auf der langen Suche nach der richtigen Leidenschaft probierte

Autorin Amina Reifenauer-Ben Hassen (20) schon vieles aus. Die

beiden Tanzstile House Dance und Voguing befreiten schon die junge

POC-Queer-Szene in den USA der 70er und 80er Jahre. Wie Amina

in diesen Tänzen ein neues Zuhause fand – trotz geschlossener Clubs.

Von Amina Reifenauer-Ben Hassen, Fotos: Zoe Opratko

MEIN

KÖRPER,

DER BEAT

UND ICH

52 / EMPOWERMENT SPECIAL /


Manche Kinder wollen

AstronautInnen werden,

andere LehrerInnen oder

KünstlerInnen. Wenn man

die kleine Amina fragte, was sie werden

wollte, wenn sie groß ist, war meine

Antwort stets: „Ich will frei sein.“ Wie

wird man in dieser Welt jedoch frei? Das

galt es herauszufinden. Von Theater bis

Bogenschießen hatte ich so ziemlich

alles ausprobiert. Die meisten großen

Hobbys hing ich aber meistens nach

ein paar Monaten schon wieder an den

Nagel. Lange Zeit fehlte mir der Mut zum

Tanzen. Mein erster Schritt in eine Tanzklasse

fühlte sich an wie einer in eine

völlig neue Welt. Ich war sofort hingerissen

von der Energie. Zwischen schwitzenden

Körpern, stickiger Luft und lauter

Musik fühlte ich mich zum ersten Mal so

richtig angekommen. Ich probierte ein

paar unterschiedliche Stile aus. Schnell

war aber klar, dass mir die Stile „House“

und „Voguing“ am meisten gefielen.

VOGUING UND HOUSE:

QUEERE OUTLETS MIT

TRADITION

Beide Tanzstile entstanden in den

1970er und 1980er Jahren und sind

unter anderem darin verwandt, dass sie

dieselbe Musik teilen. Beeinflusst von

unterschiedlichen lateinamerikanischen

und (west-)afrikanischen Tanzstilen hat

sich in den Underground-Clubs von New

York City und Chicago ein bestimmtes

Bewegungsvokabular entwickelt. House

Dance war geboren. In der so genannten

Ballroom-Community, die von der jungen

afroamerikanischen und lateinamerikanischen

LGBTQ+ -Bewegung in New York

geprägt wurde, war Voguing ein Stil,

der vor allem ein Ventil für Menschen

mit Diskriminierungserfahrungen wie

Homo- und Transphobie und Rassismus

war. Und aus den Lautsprechern tönt bei

beiden Tanzstilen: House Musik. Diese

war es auch, die mich an beiden Stilen

sofort fasziniert hat. Wenn ich heute an

Freiheit denke, assoziiere ich sie sofort

mit House Musik.

DIE CLUBS SIND ZU, ICH

TANZE WEITER

Wenn ich die unterschiedlichen House

Dance Szenen in Europa beobachte, fällt

mir auf, dass TänzerInnen bei Battles,

JurorInnen und TanzlehrerInnen meistens

Männer sind. In Wien jedoch ist die

House Dance Community hingegen sehr

weiblich geprägt. Jeder Mensch, welcher

mich bisher im House Dance unterrichtet

hat, war eine Frau. Auch unter den

SchülerInnen überwiegen die Mädchen.

So befinde ich mich in einer Community,

die auf gewisse Art von Frauen geleitet,

gehalten und gegründet ist. In einer

patriarchalen Gesellschaft schenkt mir

so ein Raum unglaubliche Geborgenheit.

Außerdem habe ich durch das Tanzen

wundervolle, emanzipierte Freundinnen

gefunden. Über die Zeit sind sie wie

eine zweite Familie geworden, wir haben

alle gemeinsam mit „House Dance“

begonnen, und uns so angefreundet.

Wir fingen an, regelmäßig gemeinsam zu

trainieren und auf Partys zu gehen. In der

allgemeinen Depression und Hoffnungslosigkeit

der Lockdowns gründete ich mit

drei anderen Tanzkolleginnen gemeinsam

letztes Jahr das „HOUSEFRAUEN“-

Kollektiv. Dort forschen wir weiter an

unserer Liebe zu Housemusik, lernen

gemeinsam mit Platten aufzulegen und

arbeiten an Performanceprojekten.

Nach zwei Jahren Pandemie fehlt uns

allen das Fortgehen schon. Die Sorglosigkeit,

die man empfindet, wenn man

sich um vier Uhr morgens verschwitzt zu

lauten Bässen im Club bewegt. In meinem

Leben ist das Tanzen aber weiterhin

präsent. Tanzen hilft mir, durch mein

chaotisches Leben zu navigieren, und es

hat mir ein Zuhause ermöglicht, obwohl

ich immer das Gefühl hatte, nirgendwo

so recht hineinzupassen. Das Tanzen hat

mir endlich jene unbegrenzte Freiheit

geschenkt, nach der ich so lange auf der

Suche war. Es ist eine Freiheit, für die ich

nur zwei Dinge brauche: meinen Körper

und einen Beat. ●

Amina Reifenauer-Ben Hassen ist

20 Jahre alt, studiert Fotografie und

Philosophie und hat tunesisch - österreichische

Wurzeln. Sie ist gerade Teil der

Biber Akademie und setzt sich am liebsten

mit den unterschiedlichen Lebensrealitäten

marginalisierter Gruppen und

Subkulturen auseinander.

Zwischen

schwitzenden Körpern

und stickiger Luft

fühlte ich mich

angekommen.

/ EMPOWERMENT SPECIAL / 53


WAS „SICH GEHÖRT“,

BESTIMME ICH.

Putzen, kochen und nebenbei die Hausaufgaben erledigen, während der eigene Bruder

vor der Playstation chillen kann: Unsere 15-jährige Autorin hat es satt, dass in ihrer

Community von Mädchen alles verlangt, aber von Jungs nichts erwartet wird. Sie will

keine Verbote und Gebote mehr hören und bestimmt selbst „was sich gehört.“

Text: Anonym, Illustration: Aliaa Abou Khaddour

54 / EMPOWERMENT SPECIAL /


Du bist ein Mädchen, das

gehört sich so nicht, was

werden die anderen über

dich sagen? Dass deine

Eltern dich nicht richtig erzogen haben

und dass du eine Schande bist? Und wer

wird dich bitte heiraten, wenn du dich so

benimmst? Willst du auch so in Zukunft

mit deinen Schwiegereltern reden?“

Diese Aussagen bekommst du als Mädchen

täglich zu hören, wenn du mal was

machst, was „sich als Mädchen halt nicht

gehört“. Zumindest bei uns. Und ich

kann das alles nicht mehr hören.

„LEBT SIE WIE EINE

EUROPÄERIN?“

Als die älteste Tochter in einem ägyptischen

Haushalt stoße ich oft an meine

Grenzen. Während meine Eltern von mir

erwarten, dass ich gute Noten nachhause

bringe und gleichzeitig wollen, dass

ich den Haushalt mache, kann mein

älterer Bruder nach der Schule gechillt

schlafen und hat absolut keine Verantwortung

zu tragen. Er kann rausgehen

und nachhause kommen, wann er will,

und muss niemandem sagen, wohin er

geht und was er macht. Ich möchte mich

nicht mit ihm vergleichen, weil er älter

ist als ich. Mir macht es nichts aus, dass

ich eben nicht so oft raus darf, weil ich

mich vor allem zur Schulzeit oft gerne

von allem isoliere. Aber um mich allein

geht es hier nicht – ich spreche für viele

junge Frauen aus meiner Community.

Was gehört sich denn alles nicht? Die

Liste ist lang. Es wird über uns Mädchen

geredet, wenn wir oft rausgehen. Ob

wir uns einen schönen Tag mit Freundinnen

machen oder nur ein bisschen

Zeit im Park verbringen, macht keinen

Unterschied. „Sie hält sich nur auf der

Straße auf, hat sie kein Zuhause? Warum

lassen das ihre Eltern zu? Lebt sie

das Leben einer Europäerin?“ Mit „Leben

einer Europäerin“ meinen sie das „freie

Leben“. Dass eine Frau sich von niemandem

was sagen lässt und lebt, wie sie

will. Am liebsten ist es den Eltern, wenn

ihre Töchter immer zuhause sind, brav im

Haushalt mitmachen, stets auf die männlichen

Personen in der Familie hören

und alles tun, was die Familie und ihre

Söhne wollen. Es ist eine Schande, wenn

ein Mädchen widerspricht oder für ihre

Gerechtigkeit spricht. Aber wer bestimmt

denn überhaupt, was sich gehört? Ich

denke ja, dass in manchen Familien die

Männer einfach Minderwertigkeitskomplexe

haben und sich nur mächtig oder

männlich genug fühlen, wenn sie kleinen

Mädchen, ihren Frauen oder Schwestern

Befehle geben oder sie sogar schlagen.

Wenn du ihnen widersprichst, ihnen

Unrecht gibst oder deine Stimme bei

Ungerechtigkeit hebst, fühlen sie sich in

ihrem Stolz gekränkt.

Bei mir zuhause ist das zum Glück

nicht ganz so arg – aber diese patriarchale

Denkweise wird im Alltag trotzdem

gelebt: Meine Mutter erlaubt meinem

Bruder so gut wie alles und behandelt

ihn wie ein kleines Baby. Das hat in den

letzten Jahren dazu geführt, dass er

sich sogar getraut hat, meine Eltern zu

beschimpfen, und dann bekomme ich

von meiner Mutter zu hören, dass sie

nicht mehr weiß, was sie tun soll, weil

sie ihm als Jungen ja nichts verbieten

kann und weil er schon „erwachsen“

ist. Ist man denn mit 18 Jahren wirklich

erwachsen? Oder ist man einfach nur

volljährig und kann alles ohne Erlaubnis

der Eltern machen? Denn meiner

Meinung nach ist man mit 18 noch lange

nicht erwachsen oder reif genug, um

ganz allein über sein Leben zu bestimmen.

Im Haushalt muss er nie was

machen, das wird uns Mädchen überlassen.

. Aber ich lass mir nicht gerne

sagen, was ich zu tun habe. Aufgaben

wie Geschirrabwaschen, Putzen oder

Aufräumen mache ich gerne, wenn es

aus meinem eigenen Willen kommt, aber

wenn mir jemand sagt, wann ich was

zu tun habe, dann will ich es nicht mehr

machen und mach es in den meisten

Fällen dann auch nicht.

„DU WIRST ES NIE

SCHAFFEN, EINEN

HAUSHALT ZU FÜHREN!“

Wenn ich bis 19 Uhr Unterricht habe,

nachhause komme und es gerade mal

schaffe, meine Hausübungen zu machen,

und keine Zeit mehr habe, den Abwasch

zu erledigen, ist am nächsten Tag ein

Riesendrama los. Entweder heißt es,

dass wir als Mädchen eine Schande sind

und es nie schaffen werden, ein Haushalt

zu führen. Meine Eltern schaffen es

manchmal, mir ein so schlechtes Gewissen

zu machen, dass ich am nächsten

Tag um zwei Uhr nachts noch die Küche

putze und meinen Schlaf opfere, weil es

sich mit der Schule anders nicht ausgeht.

Wenn ich es anspreche, endet es in

Streit, Vorwürfen und es eskaliert alles.

„WENN DU VERHEIRATET

BIST UND KINDER HAST,

DANN KANNST DU ES

BESSER MACHEN.“

Ich liebe meine Eltern sehr, sie sind

Menschen, die mich sehr geprägt haben.

Was mich aber stört, ist diese moralische

Erziehung, dass Mädchen so und so sein

sollen und dass ihre Söhne erst dann

männlich genug sind, wenn sie über

alles selbst bestimmen und ihre Freiheit

bekommen. Es stört mich, dass sie ihrem

Sohn so grundlegende und lebensnotwendige

Fähigkeiten, wie Putzen oder

Kochen nicht beibringen. Warum die

Söhne sowas gar nicht lernen sollen?

Weil das Frauenaufgaben sind, die ihre

Männlichkeit gefährden. Das ist doch

lächerlich. Wie soll ich mich darüber nicht

ärgern? Meine Eltern sind selbst so aufgewachsen,

weshalb ich verstehe, warum

sie so sind, meine Mutter kennt es

nicht anders. Auch sie musste sich früh

fügen und gehorchen. Sie hat meinen

Ärger nicht verdient, aber genauso wenig

habe ich ihn verdient. „Wenn du verheiratet

bist und Kinder hast, dann kannst du

es besser machen!“ – Genau, das werde

ich. Ich will, dass wir die Generation

werden, die mit dieser Doppelmoral und

diesen veralteten Traditionen bricht. Die

Generation, die den Söhnen Kochen und

Putzen beibringt. Die Töchter ermutigt,

ihre Meinung zu sagen und nicht dafür

verurteilt. Unsere Kinder, unsere Töchter

vor allem, sollen nicht zu hören bekommen,

dass etwas „eben so ist“, oder dass

man „es selbst auch schwer hatte“. Lasst

uns die Generation werden, die all das

hinterfragt. Jungs alles zu erlauben und

nichts von ihnen zu erwarten und von

Mädchen alles zu verlangen und ihnen

noch mehr zu verbieten – lasst uns die

Generation werden, die DAZU sagt: Das

gehört sich so nicht! ●

Die Autorin ist 15 Jahre alt, hat ägyptische

Wurzeln und geht noch zur Schule.

Sie hinterfragt Rollenbilder innerhalb

ihrer Community und will sich in Zukunft

für Frauenrechte einsetzen.

/ EMPOWERMENT SPECIAL / 55


Wenn weibliche DJs Platz

einnehmen, wird nicht

nur die Musikbranche

vielfältiger, sondern

auch das Nachtleben

sicherer. Wie weiblicher

Zusammenhalt für

nachhaltige Veränderung

sorgt, erklärt Gracia

Ndona aka DJ Zola.

Von Gracia Ndona, Fotos: Ina Aydogan

FRAUEN,

AN DIE MISCHPULTE!

Wir bedanken uns herzlich

beim Club rhiz, den wir als

Fotolocation nutzen durften.

Das aktuelle Programm gibt

es zu sehen unter:

www.rhiz.wien

56 / EMPOWERMENT SPECIAL /


Ihr Frauen habt immer so viele Dinge

in euren Taschen mit. Die Hälfte

davon braucht ihr ja gar nicht! “

Diesen stereotypischen Kommentar

durfte ich mir eines Abends von einem

DJ-Kollegen anhören. Nämlich als ich vor

einem Gig meinen MacBook, den Laptop-

Stand und meinen USB-Hub aus meiner

Tasche holte. Der Barbesitzer hatte mich

für diesen Abend als Headliner und ihn

als Warm-Up-DJ gebucht. Es mag jetzt

vielleicht unfeministisch klingen, doch ich

stimme der Aussage meines DJ-Kollegen

teilweise zu. Denn die Top fünf Gegenstände,

die ich meistens dabeihabe, sind

eine 1-TB externe Festplatte, ein Cinchoder

XLR-Kabel, mein DJ-Controller und

mein Laptop. Doch den Speicher und die

Stromkabel habe ich bisher nur selten

benutzt. Ich verwende also zum Auflegen

tatsächlich weniger als die Hälfte meines

Tascheninhalts. Einerseits, weil die Clubs

und Bars, in denen ich bis jetzt aufgelegt

habe, das ganze Equipment, das ich

brauchte, bereits hatten. Außerdem habe

ich all meine Songs doppelt abgespeichert,

also auch auf meinem Laptop. So,

wie es sich für eine DJ eben gehört.

Ja, ich bin DJ. Keine DJane oder

She-DJ. Viele Menschen denken bei der

Bezeichnung zuerst wahrscheinlich an

einen Mann, der lässig vor dem Controller

steht und dabei nur einen Over-Ear-

Kopfhörer auf dem Ohr hat, mit seiner

linken Hand heizt er die Menge an und

mit der rechten dreht er die komplexen

Knöpfe auf dem Mixer. Doch „DJ“ ist

ein genderneutrales Wort und dieser

englische Begriff die Abkürzung für „disc

jockey“. Er beschreibt jede Person, die

gespeicherte Musik individuell und mit

eigenen Spins auf einem Mischpult wiedergibt.

Und genau das ist es, was ich

mittlerweile seit fast zwei Jahren mache.

So wie viele andere Frauen lange vor mir.

WIR VERÄNDERN DIE

„WELTMUSIK“

Begonnen hatte ich, weil ich einer anderen

DJ beim Auflegen zugesehen hatte

– sie inspirierte mich. Schon in meiner

Jugend war es mein Traum, mein Talent

für das Mixen und die unterschiedlichen

musikalischen Einflüsse, die ich aus meiner

Kindheit kannte, mit der Welt zu teilen.

Allen voran jene, die in den 2000er

Jahren in Wiener Plattenläden unter dem

Genre „Weltmusik“ zusammengefasst

wurden. Musik von Künstler:innen, die

westlichen Musikfans nicht geläufig war,

konnte dort entdeckt werden. Egal, ob

indischer Raga oder karibischer Zouk.

Bereits die vierfache Grammy-

Gewinnerin aus Benin, Angelique Kidjo,

erklärte in einem Interview: „Miriam

Makeba, die südafrikanische Sängerin

und Aktivistin, fragte mich einmal, wer

den Begriff ‚Weltmusik‘ erfunden hatte.

Jemand muss das Genre ‚Dritte Welt

– Musik‘ genannt und das Wort ‚Dritte‘

nachträglich entfernt haben, um politisch

korrekt zu sein. Ich denke, dass

Makeba Recht hatte. Deswegen mag

ich die Bezeichnung ‚Weltmusik‘ nicht.“

Auch ich schloss mich der Meinung

beider Musikerinnen an und wollte dieses

Stigma auflösen, indem ich in gewisser

Hinsicht mitbestimme, welche Musik in

österreichischen Clubs und Bars gespielt

wird.

Seit fast zwei Jahren ist Gracia DJ

Als ich dann mit meinen Freund:

innen, die teilweise selbst auflegten,

über meinen Wunsch sprach, unterstützen

mich alle – selbst die männlichen

DJs! Für Partys meiner Schwestern

hatte ich nämlich schon, als ich 16 war,

mithilfe von gratis Softwares auf dem

Familien-PC Afrobeat und Zouk Mixes

zusammengestellt. Ich brannte damals

auch R&B und Hip-Hop Songs als MP3s

auf CDs und erstellte so meine eigenen

kleinen Mixtapes mit Songs von Brandy,

Beyoncé und vielen mehr. Klassiker.

Und ohne zu wissen, dass es dafür eine

Bezeichnung gibt, probierte ich mich

damals auf mehreren Events als Music-

Selector.

„HOL DEN CONTROLLER

UND MACH EINFACH!“

Tmnit Ghide ist Musikkuratorin und selbst

DJ. Als Mitglied mehrerer all-female

DJ-Kollektive, wie dem Afrodiaspora2.0

/ EMPOWERMENT SPECIAL / 57


in München und der Wiener Gruppe

Bad&Boujee, empfindet sie den Zusammenschluss

talentierter Musikerinnen als

Vorteil. Sie erklärte mir, dass ein Kollektiv

den Frauen in der männerdominierten

Musikszene Sichtbarkeit verschaffte. „Als

Frauen waren wir vielleicht die Exoten“,

beschrieb sie mir, „doch das hat sich

heute geändert.“ Immer wieder treffe

man auf Frauen, die Musik feiern und

meinen, DJ werden zu wollen. Auch als

ich sie traf, motivierte sie mich: „Hol den

Controller und mach einfach!“

Natürlich bleiben wir Frauen auch

in der Musikszene, zu der auch die DJs

gehören, von den üblichen „-ismen“

nicht verschont. Besonders Schwarze

Musikerinnen sind von doppelter Diskriminierung

in Form von Sexismus und

Rassismus betroffen, wobei es in der

Musikbranche meist zu einer Exotisierung

und verstärkten Sexualisierung Schwarzer

Frauenkörper kommt. Doch durch

die weibliche Präsenz in vermeintlich

männerdominierten Spaces können wir

die Welt mitgestalten und so auch die

Musikszene verändern.

Das Kollektiv Bad&Boujee veranstaltete

bereits online Events im so

genannten „Boiler Room“, eine bekannte

Online-Plattform zur Übertragung von

DJ-Sets und Livemusik mit Publikum.

Die Veranstalterinnen achteten darauf,

dass bei ihren Partys immer so genannte

„Awareness-Teams“ anwesend waren.

Das sind Personen, an die man sich

als Feiernde wenden kann, sollte man

in bedrängende Situationen kommen.

Solche Anlaufstellen sind bei queeren

Partys Standard. Selbstverständlich

spricht es nicht für unsere Gesellschaft,

dass wir solche Teams überhaupt

brauchen. Weibliche DJs haben

bestimmt vor mehreren Jahren schon

auf diesen Aspekt aufmerksam gemacht.

Trotzdem finden auch heute noch von

Männern organisierte Partys meist ohne

„Awareness-Teams“ statt. Durch die

Herangehensweise und den Einfluss der

weiblichen DJs kann aber auf solche

Situationen besser geachtet und reagiert

werden.

„DIDN’T COME TO PLAY“

Ganz ehrlich: Frauen und Mädchen, traut

euch! Dinge, die wir uns selbst zutrauen,

sollten wir einfach machen. Denn wir

Ich bin DJ.

Keine DJ-ane,

keine She-DJ.

„Frauen und Mädchen, traut euch einfach!

Es gibt genug Platz für all unsere Turntables.“

wissen nicht, was wir damit bewirken

können. Technisches Talent und Wissen

hätte ich mir Anfang 2020 auch nicht

zugetraut und der Unterschied zwischen

einem Cinch- und XLR-Kabel hätte mich

wahrscheinlich auch wenig interessiert.

Heute kann ich mit den männlichen DJ-

Kollegen mitreden und der Anblick ihrer

verwunderten Gesichter ist befriedigend.

Tatsächlich gab es einige männliche

DJs, die nach meinen Sets zu mir kamen

und mir sagten, dass sie zu Beginn des

Abends nicht erwartet hätten, dass es

gut werden würde. „I laugh in the faces

of all these people dismissing me“, meint

die südafrikanische Rapperin Dope Saint

Jude in ihrem Track „Didn’t Come to

Play“. Sie lacht all jenen ins Gesicht, die

auf sie und ihr Können herabsehen. Ich

empfinde sie und die Angelique Kidjos

dieser Welt als Vorbilder. Auch Tmnit

sagte mir etwas Ähnliches: „Man sollte

sich nicht von Leuten unterkriegen lassen,

die das belächeln, was wir tun, denn

wir haben was drauf.“ Und der Tisch ist

groß genug für jede von uns und hat

Platz für all unsere Turntables. ●

Gracia Ndona ist 27 Jahre alt und journalistische

Quereinsteigerin mit kongolesischen

Wurzeln. Sie setzt sich für

ihre Community ein, indem sie mit ihrem

Verein ADOE (Afrikanische Diaspora

Österreich) einen Safen Space bietet.

58 / EMPOWERMENT SPECIAL /


TECHNIK & MOBIL

Alt+F4 und der Tag gehört dir.

Von Adam Bezeczky

© Marko Mestrovic, unsplash.com/Tiomothy Swope/Nazarizal Mohammad/Jessi Pena

MEINUNG

Keine Angst vor

Corporations

Im düsteren Cyberpunk-Genre wird die

Welt von Mega-Corporations beherrscht:

Unternehmen, die alle Lebensbereiche

umfassen, alles über ihre Kunden wissen

und so die Weltherrschaft an sich gerissen

haben. Ganz so schlimm ist es in der

Wirklichkeit nicht, aber die Tendenz, dass

große Unternehmen immer größer werden,

ist nicht von der Hand zu weisen:

Mit dem Kauf vom Spieleproduzenten

‚Blizzard Activision‘ hat sich Microsoft ein

ganz großes Stück des Gamerkuchens

gesichert. Sony musste nachziehen

und hat sich ‚Halo‘-Entwickler ‚Bungie‘

gekauft. Der Kampf um die besten Storyteller

ist also vollends ausgebrochen.

Und aller Kritik zum Trotz: Häufig ist eine

Eingliederung in solche Riesenunternehmen

ein Segen für Spieler, denn so bleibt

Entwickler:innen Zeit, ihre Games fertig

zu stellen und sie nicht halb gar auf den

Markt werfen zu müssen.

bezeczky@dasbiber.at

Smarte

Fenster

Drei Studenten der technischen

Uni in Malaysia haben das “Water-

Pod” genannte Gerät entwickelt,

dass aus salzigem Meerwasser

Trinkwasser herstellt. Dazu haben

sie sich an der Mangrovenpflanze

orientiert: Meerwasser wird über

künstliche Wurzeln aufgesaugt,

gesammelt, durch Sonneneinstrahlung

verdampft und das kondensierte

Süßwasser bleibt übrig.

So könnten Gemeinschaften,die

bisher keinen Zugang zu sauberem

Wasser hatten, ohne kostspielige

Geräte versorgt werden.

Die spinnen,

die Römer

Die Römer vor 2000 Jahren waren

eine arg gescheite Truppe. Vieles,

was sie sich damals ausgedacht

haben, findet heute noch Verwendung.

Was sie besonders gut

konnten, war bauen. Sie hatten eine

Betonmischung entwickelt, die unserem

heutigen Baumaterial überlegen

war. Nun hat man herausgefunden,

dass sie Vulkanasche verwendet

haben, womit das Baumaterial über

die Zeit nicht brüchig, sondern sogar

noch fester geworden ist. Da soll

noch einer sagen, man kann nichts

aus der Vergangenheit lernen.

Kein Regenwaldöl

mehr notwendig

Es ist ja ein Wahnsinn, was für Zeug

die Wohlstandsgesellschaft braucht

und wie sehr wir damit unseren Planeten

kaputt machen. Palmöl ist eines

dieser Dinge. Ein Bäcker aus der Nähe

von München hat dafür jetzt, gemeinsam

mit Forschern der Technischen

Universität München, einen Ersatz für

Palmöl entwickelt. Benötigt wird dazu

lediglich altes Brot.

/ TECHNIK / 59


MEINUNG

Nieder mit

Dresscodes & No-Gos!

Ich habe mir für mein LinkedIn-Profil ein

Foto ausgesucht, auf dem ich bewusst

demonstriere, wie ich mich im Alltag stylen

würde: Hosenanzug in lachsrosa, knallroter

Lippenstift und Cat-Eye-Lidstrich. Dezent

finde ich fad, allerdings wird genau das,

zumindest in den Branchen in denen ich

mich bewege, noch immer mit Professionalität

gleichgesetzt. Fällt man aus dem Raster,

muss man jedoch mit schiefen Blicken rechnen

und hat potenziell Probleme, beruflich

Fuß zu fassen. Die einzig sinnvolle Lösung?

Dresscodes und No-Gos sofort für uns und

für future-generations eliminieren. Denn was

bitte hat nonkonformes Auftreten à la Jogginghose,

langer Bart, grüne Haare, Dreadlocks,

Kopftuch, Tattoo oder wie in meinem

Fall „überstyled“ schon mit der Leistung im

Job am Hut? Ah genau, nichts. Die einzigen

Funktionen, die sie haben, sind konservative

Vorstellungen von Professionalität aufrecht

zu erhalten und Menschen das Gefühl zu

geben, nicht sie selbst sein zu dürfen. Aber

es gibt Hoffnung: Letztes Jahr habe ich mir

ein Auslandspraktikum an der Österreichischen

Botschaft mit dunkellila Lidschatten

und Safari-Hose beim Bewerbungsgespräch

gecheckt. Dresscodes ignorieren wird safe

nicht immer gut gehen, auch bei mir nicht.

Aber hey, don’t wait for a key, kick the door

open!

salioski@dasbiber.at

KARRIERE & KOHLE

Para gut, alles gut

Von Šemsa Salioski

FOMO

(„FEAR OF MISSING OUT“)

WAR GESTERN!

Du willst studieren oder einfach

deine Matura nachholen,

aber hast keinen Plan wie du

anfängst? Keine Panik, wir haben

wie immer eine Lösung für dich

parat! Bei den Wiener Volkshochschulen

kannst du verschiedene

Bildungsabschlüsse nachholen

wie zB. die Berufsreifeprüfung

oder Studienberechtigungsprüfung.

Infos zu den Voraussetzungen

die du mitbringen musst, zu

Prüfungen, Vorbereitungen und

Dauer findest du unter https://

www.vhs.at/brp sowie https://

www.vhs.at/sbp. Somit steht deinem

Abschluss nix mehr im Weg!

Veranstaltungstipp

„MIT

BEWERBUNGS-

UNTERLAGEN

ÜBERZEUGEN“

KOSTENLOSES Webinar mit Silke Kaufmann

und Tanja Weber von Uniport

Am 02.03.2022, 10:00-11:30 Uhr

Inhaltliche Schwerpunkte:

● Tipp, Tricks und Stolpersteine rund

um die Erstellung der Bewerbungsunterlagen

● Gestaltungsmöglichkeiten von CVs

● Umgang mit „Lücken“ im Lebenslauf

● Aufbau und Inhalt eines überzeugenden

Bewerbungsschreibens

Anmelden unter: https://www.uniport.

at/fuer-studierende/events/eventdetail/details/webinar-bewerbungsunterlagen

Welche Tabuthemen aus

der Migrant*innen- oder

BPoC-Bubble werden in

deinem Podcast „Gut

integriert“ ganz offen

behandelt?

Es sind alltägliche

Themen. Sei es die

Erwartungshaltung von

migrantischen Eltern an

ihre Kinder oder auch

Rassismuserfahrungen.

Es sind vor allem Aspekte,

die in verschiedenen

Communitys nicht

angesprochen werden,

aber mehr Aufmerksamkeit

bekommen sollten.

Mit meiner Gästin Fitore

Morina (Leiterin von

Zusammen:Österreich)

spreche ich z. B. über die Erwartung an

albanische Frauen, früh zu heiraten.

Warum machst du diesen Podcast?

Ich wollte Lebensrealitäten von Migras,

Zugezogenen und BPoC in den Vordergrund

rücken und

Menschen zeigen, mit

3

welchen Struggles diese

Communitys zu kämpfen

FRAGEN AN:

haben. Ich wollte Empathie

und Verständnis

KRIS

schaffen und eine Plattform

kreieren, auf der

von „Gut integriert“

man sich gegenseitig

zuhört, sich findet und

voneinander lernt.

Wovor würdest du

jüngere angehende

Podcast-Moderator*innen

warnen?

Startet einen Podcast

nicht blind. Habt ein klares

Konzept!! Überlegt

euch, wie euer Podcast

aufgebaut sein soll, wer

und wie viele Menschen

moderieren sollen. Lernt Zeitmanagement.

Die Produktion eines Podcasts ist

ein Haufen Arbeit, macht aber unglaublich

Spaß, wenn man an das Projekt

glaubt.

© Zoe Opratko, Çağrı Çakır

60 / KARRIERE /


Wie kann ich die

Mundgesundheit bei

intubierten Menschen

erhalten

Die Antwort gibt das Pflegestudium

Bachelor of Science in Health Studies

an der FH Campus Wien.

#WissenSchafftPflege

Jetzt informieren auf fh-campuswien.ac.at


Selbermacher

„GOEDENDAG!“

aus der

Landstraße

Authentisch holländische

Snacks und guten

Kaffee gibt es in der

Nähe von Wien Mitte zu

genießen.

Text: Nada El-Azar, Fotos: Markus Korenjak

Klein, aber besonders fein ist es im

„Koffie Dutch Café“ auf der Landstraßer

Hauptstraße. Hier bekommt

man guten Kaffee, typisch niederländisches

Frühstück und Snacks, die für Inhaber

Quinten Versluis die Geschmäcker seiner

Jugend in die Wiener Innenstadt tragen.

Der gebürtige Halb-Schweizer, Halb-Holländer

hat seine Jugend in der Stadt Ommen

in der Provinz Overijissel verbracht und

war schon vor der Eröffnung des Cafés ein

wahrer Gastroprofi. Vormals waren seine in

Wien geborene Ehefrau Marietta und er und

nämlich Foodtruck-Betreiber. „Als wir das

Café kurz vor der Coronapandemie eröffneten,

sprach sich das in der niederländischen

Community sehr schnell herum“, so

der 31-Jährige. Das ursprünglich geplante

„Soft Opening“ fand also nicht statt. „Gleich

am ersten Tag waren Holländer bei uns,

jemand hatte das Lokal fotografiert und in

einer Facebookgruppe geteilt.“ Es gibt Tage,

an denen sich Quinten mit der Kundschaft

sogar mehr in seiner Muttersprache, als auf

Deutsch, unterhält.

NUR MIT ECHT

HOLLÄNDISCHEM GOUDA

Und auch bei nicht-holländischer

Kundschaft ist das Lokal ein guter Ort

zum Einkehren. Täglich frisch bereitet

Marietta herrlich duftende Mehlspeisen

wie Apfeltarte und Kuchen zu. „Im Bereich

der Mehlspeisen sind Österreich und

Holland wohl sehr ähnlich“, so der Inhaber.

Besonderer Beliebtheit erfreuen bei Koffie

zudem die sogenannten „Bitterballen“ –

knusprig gebackene Bällchen, die mit einem

cremigen Rindfleischpaté gefüllt sind, und

mit mildem Senf serviert werden. In seiner

Heimat ist das Gericht ein wahrer Klassiker

in vielen Cafés und Snackbars in den

Niederland, und wird gerne auch abends

zu einem Bier genossen. Das Eiergericht

„Uijtsmijter“, also die holländische Version

von „Ham & Eggs“, wird, so wie der

62 / KARRIERE /


Käsetoast, nur mit authentischem Gouda

zubereitet, welcher speziell aus Holland

importiert wird. „Der Gouda, den man hier

im Supermarkt erhält, ist oft die Verpackung

nicht wert!“, so Quinten. Was in dem

Lokal natürlich nicht fehlen darf, sind süße

Frühstücksvariationen mit „Hagelslag“, also

jenen Schokostreuseln, die auch in keinem

holländischen Haushalt vermisst werden.

KLOMPEN SIND BEQUEME SCHUHE

Nicht nur das Angebot auf der Speisekarte

ist so gehalten, wie Quinten es von Zuhause

kennt. Auch das Interieur stimmt die

Kundschaft passend ein – an der Wand hängt

selbstverständlich ein großes Hollandrad,

und das Trinkgeld ist in einem traditionellen

Holzschuh, wunderbar aufgehoben. Zudem

sorgt ein Strauß aus bunten Tulpen für den

richtigen Farbklecks an der Theke. „Ich

habe so mit sechs oder sieben Jahren

meinem Nachbaren auf einem Bauernhof

gerne geholfen und selbst solche Klompen,

also Holzschuhe, getragen. So wie es viele

Holländer heutzutage immer noch tun.

Klompen sind viel bequemer, als sie aussehen.

Man muss sie halt ein bisschen eintragen“,

garantiert der studierte Ökonom Quinten.

Quintens Ehefrau Marietta zaubert täglich

frisch authentische Mehlspeisen und typisch

holländische „Bitterballen“.

Koffie Dutch Café

Landstraßer Hauptstraße 8, 1030 Wien

WKO-WIEN HILFT

Im Gründerservice der

WKO-Wien kann man bei

einem Beratungsgespräch

alle Fragen stellen, die die

Gründung eines Unternehmens

betreffen. Im Vorhinein

kann man sich auch

schon eigenständig online

informieren. Ob generelle

Tipps zur Selbstständigkeit,

rechtliche Voraussetzungen,

Amtswege oder

Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten:

Auf

der Website kommt man

mit wenigen Klicks zu allen

wichtigen Informationen.

wko.at/wien

www.gruenderservice.at

Die Selbermacher-Serie ist

eine redaktionelle Kooperation

von das biber mit der

Wirtschaftskammer Wien.

© Randy Faris/Corbis

© Randy Faris/Corbis

Online informieren!

W W www.gruenderservice.at

VON DER IDEE

BIS ZUR GRÜNDUNG

» GRUENDERSERVICE.AT

Basis-Informationen und und Tools Tools zur zur Gründung

finden finden Sie Sie auf auf unserer Webseite.


BEST

IST

BESTE

Du hast keinen Plan,

wie deine berufliche

Zukunft aussieht?

Kein Problem, dafür

gibt es die größte

Bildungsmesse

Österreichs (BeSt),

die von 3.- 6. März

in der Stadthalle

stattfindet.

Die meisten von euch

haben die Frage

sicher schon mal

gehört: „Wo sehen

Sie sich in 5 Jahren Herr/Frau

xy?“ „Pfuuh, keinen blassen

Schimmer, ich weiß ja nicht mal,

was ich heute zum Frühstück hatte!“,

könnte eure ehrliche Antwort

lauten.

Damit ist jetzt Schluss! Auf

der größten Bildungsmesse

Österreichs (BeSt) von 3.-6. März

erfährt ihr alles, was eurer beruflichen

Karriere behilflich sein könnte.

Sowohl PflichtschülerInnen,

die nach dem Abschluss keinen

Plan haben, als auch angehende

MaturantInnen werden auf der

„BeSt“-Messe fündig werden. Du

möchtest im Ausland studieren?

Kein Problem. Du möchtest dich

in einem Fachbereich weiterbilden?

Nichts leichter als das!

Natürlich darf biber bei der

BeSt nicht fehlen. Komm und

check dir die neueste Ausgabe an

unserem Stand. Falls Journalismus

dein Traum sein sollte, dann

komm‘ zum Workshop „Crashkurs

Journalismus“. Dort checken wir,

ob du das Zeug zum Armin Wolf

oder Rezo von morgen hast. Am

Sonntag findet eine Podiumsdiskussion

mit biber-Beteiligung

statt: Ehemalige biber-Akademikerin

Naz Kücüktekin (heute

Kurier) diskutiert mit Anna Jandrisevits

von „die Chefredaktion“

und Presse-Journalist Michael

Köttritsch zum Thema: „Print vs.

Insta, TikTok und Co – wie sieht

die Zukunft des Journalismus mit

der Gen Z aus?“

64 / MIT SCHARF /


BEZAHLTE ANZEIGE

THEORIE UND PRAXIS,

DIE HAND IN

HAND GEHEN

Sabine Jelinek (30) hat 2007 ihre Lehre bei Siemens

begonnen und ist schon ganze 15 Jahre beim

Unternehmen.

Alin Zöchling (19) und Sebastian Hagemann (21) machen

derzeit ein ausbildungsintegriertes Studium an der

FH Campus Wien, bei dem sie nicht nur Immobilienwirtschaft

studieren, sondern gleichzeitig eine Kaufmännische

Lehre bei Siemens absolvieren.

„Montags und freitags sind wir in der Berufsschule und

lernen für die FH-Prüfungen, den Rest der Woche arbeiten

wir an unseren Projekten und haben Besprechungen“, so

Alin. Die Halbspanierin schätzt besonders die abwechslungsreichen

Aufgaben. „Wir konnten direkt in die Arbeitswelt

einsteigen und die Inhalte aus dem Studium sind uns sofort

im Beruf wiederbegegnet“, so ihr Kollege Sebastian. Beide

sind sehr zufrieden mit ihrer Karrierewahl. Bei Siemens Real

Estate ist Alin gerade in der Abteilung Location Management

tätig, während Sebastian im Bereich Controlling arbeitet.

Warum hast du dich für eine Lehre bei Siemens entschieden?

Mir waren Unabhängigkeit und eine gute Balance zwischen

Schule und Arbeit besonders wichtig. Daher war die Lehre

für mich optimal.

Wäre ein ausbildungsintegriertes Studium, wie Alin und

Sebastian es machen, auch etwas für dich gewesen?

Meiner Meinung nach ist eine Lehre der beste Einstieg ins

Berufsleben. Wenn es das damals schon in Kombination

mit einem Studium gegeben hätte, hätte ich das auch

definitiv gemacht!

15 Jahre bei einem Unternehmen sind eine lange Zeit!

Was genießt du daran? Wird man nicht „betriebsblind“?

Mittlerweile genieße ich meinen Bekanntheitsgrad! (lacht)

Gefühlt habe ich schon Gott und die Welt innerhalb von

Siemens kennengelernt, von 2016 bis 2020 habe ich

das Conference Center geleitet, und Events mit Kunden

gemeinsam geplant, und seit Mai 2021 bin ich Community

Managerin beim Work Inn. Obwohl ich schon im 2. Lehrjahr

von Siemens Real Estate übernommen wurde, habe

ich über die Jahre so viele unterschiedliche Tätigkeiten

ausüben können. Bei Siemens ist für jeden etwas dabei.

© Zoe Opratko

Was ist das ausbildungsintegrierte Studium?

Das österreichweit einzigartige ausbildungsintegrierte Studium vereint die Lehre mit einem Studium, bei dem gleichzeitig

Studien abschluss und Berufsabschluss erworben werden. Die Studiengebühren werden dabei vom Unternehmen übernommen.

Für mehr Informationen zu den Ausbildungsmöglichkeiten und zur

Online-Bewerbung hier lang: www.siemens.at/ausbildung

/ MIT SCHARF / 65


Wer ist Investorella? Larissa Kravitz ist

Finanzmathematikerin, ehemalige Aktienhändlerin,

Strategieentwicklerin und

Treasury Managerin. 2019 hat sie die

Plattform Investorella gegründet. Via Social

Media, Workshops, Online-Vorträgen, ihrem

Podcast und Buch „Money, Honey!“ will

sie Frauen das Investieren beibringen und

damit finanzielle Unabhängigkeit fördern.

www.investorella.at

Die wichtigsten Begriffe

schnell erklärt:

DAS INVESTMENT-ABC

FÜR ANFÄNGER*INNEN

Investment liegt im Trend. Aber wie funktioniert das eigentlich? Wie

kann ich sinnvoll Geld anlegen? Worauf muss ich achten? Und was

bedeuten diese ganzen Begriffe? Das erklärt die Finanzexperten und

Investorella-Gründerin Larissa Kravitz.

Interview: Šemsa Salioski

BIBER: Welche sind die wichtigsten

Begriffe, die jeder Neuling kennen

muss, bevor es mit dem Investieren

losgeht?

LARISSA KRAVITZ: Broker, Gebühren,

Aktie, Fonds, Index, KESt und Diversifizierung.

(s. Infobox rechts)

Wie viel Prozent vom Einkommen

sollte man als zu Beginn idealerweise

anlegen?

Wenn man ein reguläres Einkommen

hat, wäre es gut 7-10 % des Vermögens

anzulegen. Das Problem ist

jedoch, dass Sparguthaben durch die

Inflation, also die Teuerungsrate von

Produkten und Dienstleistungen, an

Wert verlieren. Daher ist es besser,

Geld, das man langfristig anlegen will,

in Aktien, Gold und Immobilien zu stecken.

Da dies alles langfristige Anlagen

sind, sollte man nie 100 % investieren,

sondern immer eine kleine Cash-

Reserve auf einem Sparkonto behalten,

denn überraschende Ausgaben

kommen öfter als man denkt. Wenn

man wenig verdient, oder gerade

keinen Job hat, gibt es einen Trick,

wie man trotzdem investieren kann:

Man lässt sich Investments schenken.

Zum Geburtstag, zu Weihnachten,

zu Eid oder Hanukkah kann man

sich von Verwandten z. B. kleine

Goldbarren oder Münzen wünschen.

Welche Anbieter sind für

Anfänger*innen die sinnvollsten?

Es kommt darauf an, was man

braucht. Generell gilt, je mehr man

zahlt, desto mehr Serviceleistung

gibt es. Wenn man schon relativ

genau weiß, was man kaufen will,

und bereits ein gutes Basisverständnis

von Investment hat, dann ist ein

günstiger Anbieter sehr praktisch.

Wenn man erst ganz am Anfang

steht, ist es von Vorteil, einen teuren

Anbieter mit umfassendem Kunden-

AKTIEN: Wertpapiere. Mit einer Aktie

erwerben Aktionär:innen einen Anteil an

einem Unternehmen.

ASSETKLASSE: Gruppe von Finanzprodukten,

die aufgrund gemeinsamer

Merkmale zusammengefasst werden

BROKER*IN: Finanzdienst leister*in,

welche*r im Auftrag von Anleger*innen die

Vermittlung von Handelsobjekten übernimmt

und dafür vor allem Börsen nutzen

CFD (Contracts for Difference oder

Differenzkontrakte): Derivate , die

nicht auf dem Preis des Basiswerts beruhen,

sondern auf der Differenz zwischen

Geld- und Briefkursen aufbauen

DERIVATE: Ein Derivat ist ein Finanzinstrument.

Es funktioniert wie ein Vertrag zwischen

zwei Parteien, der festlegt, dass ein

bestimmter Basiswert zu einem bestimmten

Zeitpunkt zu einem im Voraus vereinbarten

Preis gekauft werden kann oder

muss. Ein Basiswert kann zum Beispiel eine

Aktie oder ein Rohstoff sein.

DIVERSIFIZIERUNG: Risikostreuung,

bei der man beispielsweise Wertpapiere

von Unternehmen aus unterschiedlichen

Branchen und Ländern kombiniert

ETF (Exchange Traded Funds): an

der Börse gehandelte Investmentfonds

FONDS: Geldmittelbestand, der für einen

bestimmten Zweck vorgesehen ist und

durch Spenden oder staatlich finanziert

werden kann

INDEX: Wertpapierkorb, der einen

ganzen Markt, einen Teilmarkt oder eine

Investmentstrategie repräsentiert

KEST: eine Erhebungsform der Einkommensteuer

ZINSENSZINS: Die Zinsen, die man auf

Zinsen erhält

© Avi Kravitz

66 / KARRIERE /


service zu wählen, oder sogar einer Filiale. Ein ganz

wichtiger Aspekt ist hier das Thema Steuern.

Wie werden Gewinne beim Investieren versteuert und

muss man sich selbst darum kümmern?

Es kommt darauf an, in welche Anlageklasse man

investiert. Es gibt so genannte „steuereinfache“ Broker.

Diese ziehen die KESt automatisch ab. Das hat den

Vorteil für Kund*innen, dass sie das nicht selbst erledigen

müssen. Sachwerte wie z.B. Aktien oder Immobilieninvestments

muss man aber selbst versteuern. Das

Thema ist relativ kompliziert, d. h. eine Steuerberatung

ist hierbei sehr empfehlenswert.

Wie findet man heraus, ob ein Investmentportal seriös

ist?

Man sollte sich folgende Fragen stellen: Ist es ein

lokales Unternehmen oder eine Offshore-Gesellschaft?

Ist es transparent genug, was dieses Unternehmen

anbietet und wie es sein Geld verdient? Wenn man sich

nicht sicher ist, ist es besser bei großen, bekannten

Unternehmen und Portalen zu bleiben, bis man genug

Wissen hat und die Branche kennt.

Aktuell sieht man im Internet häufig Werbungen für

verschiedenste Investmentarten, ob Crypto, Aktien,

ETFs, Sachwerte wie Uhren. Sollte man beim Investieren

verschiedene Optionen gleichzeitig in Erwägung

ziehen?

Im Prinzip ist Diversifizierung, also die Streuung auf

verschiedene Assetklassen richtig. Anfänger*innen

sollten darauf achten, mit eher einfachen Anlageformen

zu beginnen, wie z. B. Fonds oder ETFs, da diese

bereits in sich gestreut sind. Danach kann man sich auf

der Komplexitätsleiter hoch wagen. Kryptowährungen

schwanken sehr stark, dessen muss man sich bewusst

sein. Meine Empfehlung an Anfänger*innen: Starte mit

den simplen Dingen und dann arbeite dich alle paar

Monate in eine neue Assetklasse ein. Bilde dich zuerst

zu einem Thema weiter und steige dann erst ein.

Warum sollten sich gerade junge Menschen über

Investmentmöglichkeiten informieren?

Der Hauptgrund hierfür ist der Zinseszinseffekt. Auch

wenn man nur mit sehr wenig Geld beginnt, kann man

über lange Zeit etwas aufbauen. Je länger der Zeitraum

ist, desto mehr Zeit hat man, um sich weiterzubilden

und Fehler oder Verluste zu korrigieren. Wenn man sich

die Aktienindices ansieht, so hat man die wirklich signifikanten

Wertsteigerungen über Zeiträume von 20, 30

oder 50 Jahren. Je früher man beginnt, desto besser.

Welche Nachrichtenportale sollte man als Anfänger*in

verfolgen, um sich einzulesen?

Der Datenlieferant TeleTrader hat eine „Public Workstation“,

auf der man weltweit alle Kurse und alle wichtige

Nachrichten einsehen kann. Um sich weiterzubilden,

sind Newsletter sehr wichtig: ‚FONDS professionell‘ hat

eine tolle Plattform und einen super Newsletter. Auf

‚CAPinside‘ kann man sich als Anfänger*in ebenso für

den Einstieg ausreichend informieren.

Wider

die Macht

Die Kunstsammlung des

Dokumentationsarchivs

des österreichischen

Widerstandes

26.2.2022 – 15.1.2023

Mit der Bahn

von Wien nur

Entgeltliche Einschaltung / Carry Hauser, Ohne Titel, 1969, Glasmalerei, 136,4 x 90 cm

© Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Foto: Christoph Fuchs

25 Minuten

nach St. Pölten


KULTURA NEWS

Klappe zu und Vorhang auf!

Von Nada El-Azar-Chekh

Festival Tipp

SALAM ORIENT

FESTIVAL 2022

MEINUNG

Stift und Papier

An meinem ersten Tag im Kindergarten

vor 20 Jahren – ich war damals fünf Jahre

alt – ging meine Mutter auf die „Tante“

zu und sagte: „Geben Sie ihr einen Stift

und Papier und sie wird ruhig bleiben.“

Ich war ein schrecklich hyperaktives

Kind. Gewöhnlich turnte und rannte ich

den ganzen Tag durch die Wohnung und

brachte mir waghalsige Tricks bei, wie

die „Brezel“, bei der ich beide Knöchel

hinter meinem Nacken verschränken und

meinen Körper quasi verknoten konnte.

Durch das Wohnzimmer im Gemeindebau

spazierte ich auch gerne im Handstand.

Einzig beim Lesen, Zeichnen und Schreiben

konnte ich still sitzen. Wahrscheinlich

hätte ich eine großartige Balletttänzerin

oder Turnerin werden können, wären da

nicht die finanziellen Hürden gewesen,

die mein Vater als Alleinverdiener für

meine Mutter und fünf Kinder bewältigen

musste. Später in der Schule lernte ich

dann Kinder kennen, deren Eltern sie

zum Reit- oder Fechtunterricht schickten

und ich beneidete sie für diese „Hobbys“

– auch wenn sie sich diese nicht immer

ausgesucht haben. Aber eines ist mir

geblieben: Die Ruhe, die mir ein Stück

Papier und ein Stift geben können. Und

damit verdiene ich heute sogar meinen

Lebensunterhalt. Ende gut, alles gut.

el-azar-chekh@dasbiber.at

Die 20. Ausgabe des Salam Orient Festivals

wurde pandemiebedingt auf das Frühjahr

verlegt. Neben einem dichten musikalischen

Programm (Hūm, Sofia Labropoulou, Bedouin

Burger und viele mehr!) gibt es auch einen

Schwerpunkt „Bildende Kunst“. Die Ausstellung

„Résistance Naturelle“ des marokkanischen

Künstlers Abdessamad El Montassir wird

begleitend im philomena+ und auf der Foto

Wien (9. – 27. März 2022) gezeigt.

Von 21. März bis 6. April 2022 an diversen

Festivalstandorten. Mehr Informationen unter

salam-orient.at

STARMANIA:

Der große TV-Frühjahrsevent

ab 4. März 2022 auf

ORF 1

Nicht verpassen:

Ab 4. März 2022 startet „Starmania

22“ in die nächste Runde! Freitags um

20.15 Uhr live auf ORF 1.

Mehr Infos: www.orf.at

Buch-Tipp:

HITZE

Der Debütroman „Luster“

der US-Amerikanerin Raven

Leilani galt als einer der

heißesten NYT-Bestseller aus

dem Jahr 2020. Nun gibt es

pünktlich zum Frühlingsbeginn

die deutsche Übersetzung.

Leilani erzählt über die

junge Kunststudentin namens

Edie, die sich mit einem

Verlagsjob gerade so noch

über Wasser halten kann.

Die Afroamerikanerin beginnt

eine Affäre mit einem weißen

Mann namens Eric, der nicht

nur fast doppelt so alt wie

Edie ist, sondern noch dazu

in einer offenen Ehe samt

Adoptivtochter lebt. „Hitze“

wirft einen unverblümten

Blick auf die Sexualität einer

jungen Frau und erforscht

aktuelle Themen wie Rassismus

und prekäre Lebenssituationen

mit ihren Augen.

Erschienen bei Atlantik,

22.- Euro (Hardcover)

© Christoph Liebentritt, Bachar Srour, Christian Borchers

68 / KULTURA /


3 FRAGEN AN…

EBRU TARTICI BORCHERS

Die 1990 in der Türkei

geborene Schauspielerin

Ebru Tartıcı Borchers

(*1990) schließt ihr

Regiestudium am

Mozarteum Salzburg mit

einer Uraufführung von

Carin Jeß‘ „Knechte“ ab.

Gespielt wird das Stück

im Kosmos Theater noch

bis 5. März 2022.

BIBER: Was ist deine größere Leidenschaft? Das Schauspiel

oder die Regie?

EBRU TARTICI: Regie. Als Schauspielerin habe ich es immer

genossen mit meinem Material andere Figuren zu entdecken,

bis ich den Luxus der Regie entdeckt habe. Die Regie

darf viele unterschiedliche Stimmen zusammenbringen und

dadurch eine lebendige, viel spannendere Welt bauen. Die

Person sein zu können, die verbindet, ist ein unbezahlbares

Privileg. Und bis ich meinen Weg finden kann, wie diese

kleine Gesellschaft in jedem Team funktionieren und mit

ihren Bedürfnissen die Größere begrüßen darf, habe ich viele

Fragen, viel Spaß und „Action“.

Du übersetzt auch deutsche Theaterstücke ins Türkische – welche

sprachlichen Unterschiede begeistern dich dabei?

Mich überrascht immer wieder wie emotional die türkische

Sprache wirkt, gegenüber dem pragmatischen Deutschen.

Allem, womit der Mensch in der deutschen Sprache ganz

direkt über den Sinn der Sache redet, lassen die türkischen

Wörter im selben Fall einfach Wünsche zufliegen, ohne dass

man eine tiefere Bedeutung dazu legt. Und während Deutsch

sehr direkt und voller Verben ist, ist Türkisch eine Sprache

der Adjektive... Wir, im deutschsprachigen Raum, sind viel

mehr auf das Handeln fokussiert. Aber in der türkischen

Sprache und Kultur ist die Beschreibung, die Formulierung

und was für Gefühle sie in uns Menschen auslösen viel

wichtiger als die eigentliche Absicht. Das spüre ich bei jeder

Übersetzung.

Welche Unterschiede im Theaterbetrieb hast du zwischen

Österreich und der Türkei feststellen können?

In Österreich plant man deutlich langfristiger. Hier weiß ich,

was ich nächstes und sogar übernächstes Jahr zu tun habe.

In der Türkei geschieht die längste Planung sechs Monate

im Voraus, und das können sich auch nur die großen Häuser

leisten. Und natürlich haben wir dort den politischen Druck,

der uns einerseits einschränkt und andererseits den Drang

vergrößert. Und finanziell gesehen hat man dort kaum Mittel,

kaum Unterstützung. Aber das Repertoire der Häuser ist

vielfältiger. Hier zu Lande stehen oft einige Kultstücke und

ein paar Uraufführungen auf dem Spielplan. In der Türkei

bemüht man sich dafür mehr, den Horizont zu erweitern und

Stimmen aus aller Welt auf die Bühne zu holen.

Take a seat!

Wenn du unter 27 bist, kannst

du jeden Abend ab 30 Minuten

vor Veranstaltungsbeginn eine

Konzertkarte um nur 12 Euro

bekommen.

Mehr dazu findest du unter:

konzerthaus.at/u27

I G G Y P O P

Ó L A F U R A R N A L D S

B U N T S P E C H T

V O O D O O J Ü R G E N S

W I E N E R S Y M P H O N I K E R

M E U T E · M O O P M A M A

G A N S C H & P I X N E R

B R A D M E H L D A U

Y U J A W A N G

U . V . M .


KOLUMNE

BEZIEHUNGSSTATUS: ANGST.

Liebe:r Leser:in, hast du auch das Gefühl wie

ich, dass intime Beziehungen immer verkrampfter,

unverbundener und unmenschlicher

werden? Ich erlebe immer wieder bei

manchen Menschen bestimmte Haltungen

ihrem Beziehungsstatus gegenüber, die mich

narrisch machen. Gefühlt erzählen mir alle

dieselbe Geschichte: „Wir treffen uns regelmäßig

zum Netflixen und Vögeln. Hin und

wieder gehen wir zusammen essen, reden

über alles Mögliche, lachen über Andere

und schreiben einander vor dem Einschlafen

und nicht selten beim Aufwachen, aber

Beziehung würde ich das nicht nennen. Um

Gottes Willen. Wir dürfen nicht mal darüber

reden. Sonst bin ich weg. Klar schweben

da Gefühle, aber ich will mich nicht festnageln und dem

Ganzen die Leichtigkeit nehmen. Ich möchte nebenbei

weiterhin auf Dating-Apps aktiv sein dürfen. Vielleicht matche

ich jemanden, der besser zu mir passt. Verstehst du

mich?“ Wallah, nein, tue ich nicht, aber ich möchte gerne

verstehen. Ich versuche ständig mein Empathievermögen

zu trainieren. Manchmal gelingt es mir besser, manchmal

weniger. Ich will verstehen, warum wir so schnell

und unliebsam Menschen wegwerfen, so wie Kinder ihre

Spielzeuge behandeln, warum wir eine Generation sind,

die Angst vor Intimität und Verbundenheit hat und lieber in

ihren Bedürfnissen und den der Anderen mit einem scharfen

Messer herumstochert. Eine Freundin sagte mir über

ihren Beziehungsstatus, den sie schon monatelang als

„am Laufen“ bezeichnete: „Wenn ich mit dem Typen nicht

offiziell zusammen bin, kann er mich nicht verlassen und

ich bin die Frau meiner Emotionen.“ Nach einigen Wochen

schrieb sie mir weinend, dass der Typ sich nicht mehr

meldet. Sie war traurig, weil ihre Nicht-Beziehung beendet

wurde. What a mess?

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich ein

Übermensch bin und die Dinge besser mache. Ich habe

ebenfalls meine Bedürfnisse, meine früheren Verletzungen,

Ängste vor Zurückweisung und vorm Verlassenwerden,

die ich mit mir herumschleppe. Aber ich bin überzeugt,

dass man keine tief verbundene Beziehung eingehen kann,

solange man den Panzer der Coolness, des Wildseins und

turjman@dasbiber.at

Jad Turjman

ist Comedian, Buch-Autor

und Flüchtling aus Syrien.

In seiner Kolumne schreibt

er über sein Leben in

Österreich.

der Lässigkeit nicht ablegt. Wenn wir unsere

Verletzlichkeit nicht zeigen können, gibt

es keine echten, authentischen, zwischenmenschlichen

Beziehungen für uns. You

should take risk. Wir Menschen haben den

Hang, immer mehr zu wollen, aber weniger

zu investieren. Es geht mir nicht darum, zu

sagen, dass nur geschlossene Beziehungen

valide sind. Es geht mir um Menschen,

die sich aus Angst nicht bekennen wollen,

die an der Plastikoberfläche ihrer Gefühle

bleiben, diese Ängste Freiheit nennen und

für ihre Bedürfnisse keine Verantwortung

übernehmen. Es geht mir um die innerliche

Leere und unerfüllte Sehnsüchte, die die

Nicht-Beziehung birgt. Was wir brauchen,

ist Mut. Mut, zu unseren eigenen Bedürfnissen zu stehen.

Mut, mit uns die Zeit alleine zu verbringen, die Einsamkeit

auszuhalten und liebevolle Beziehung zu uns selbst pflegen

zu können, und nicht auf jede halb potenzielle Chance

zu springen, um den Schmerz nicht zu spüren.

DU STEHST DIR SELBST IM WEG ZUR LIEBE

Ich bin nicht sonderlich mutig. Ich weiß jedoch, was

ich will, ich möchte Verbindlichkeit und das kann mein

Gegenüber erfüllen oder nicht. Ich habe mich von Tinder

und Co. schon längst abgemeldet. Und das rate ich jedem

und jeder, bevor du Dating-Apps runterlädst, lerne erst mal

diesen einen Menschen im Spiegel kennen. Habe Mitgefühl

mit ihm. Streichle seinen Schmerz. Umarme seine Dämonen.

Realisiere, dass du ein Haufen Emotionen, Hormone

und Bedürfnisse bist, und dass das schön ist. Aber diese

Tatsache darf dich nicht von einem Sumpf in den anderen

zerren. Der Vorteil ist, wenn man mit sich erst mal im Reinen

ist, dass man es nicht nötig hat, seinem Bauchgefühl

zu widersprechen, wenn es uns ganz eindeutig alle Alarmsignale

sendet. Und dass man nicht nur bedürftig ist und

nehmen will, sondern man kann auch geben. Aus diesem

Bewusstseinsstatus wirst du zwangsläufig die richtigen

Menschen anziehen. Rumi schrieb einst: „Deine Aufgabe

ist nicht die Liebe zu suchen, sondern nur die Hindernisse

in dir zu suchen, die du dagegen aufgebaut hast.“

Robert Herbe

70 / MIT SCHARF /


Deine

Stimme

zählt.

Starmania 2022 | ab 4. März

jeden Freitag 20:15


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