BIBER 03_22 Ansicht
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„
Wenn wir Leute finden,
die uns ähnlich sind,
gibt uns das Kraft.
“
Ebru : „Ich komme aus einem Land, in dem Homosexualität als Krankheit
angesehen wird“
dem er sich identifizieren hätte können.
„Mir wurde eingeredet, dass ich in die
Hölle komme, dass ich krank bin. Ich
habe mir dafür die Schuld gegeben und
war sauer auf mich selbst“, erinnert er
sich zurück. „Ab dem Tag, an dem mir
klar geworden war, dass ich schwul war,
verstellte ich mich täglich. Sobald ich
mein Zimmer verließ, setzte ich eine
Maske auf, und mit jedem Tag, an dem
ich nicht ich selbst sein konnte, bröckelte
sie.“ Seine mentale Gesundheit verschlechterte
sich. Während dieser Zeit
kam er sogar mit einem Mädchen zusammen.
„Ich wollte dadurch versuchen,
wieder ‚normal‘ zu werden“, erzählt
er. Aber bald zog er nicht nur in der
Beziehung den Schlussstrich. „Ich habe
lange damit gekämpft, ich selbst sein zu
können, ich hatte eine Freundin, meine
Mutter schickte mich zu so genannten
Konversionstherapien mit Exorzisten
und allem. Ich wollte mir mehrmals das
Leben nehmen. Hätte ich so weiter
gemacht, würden wir dieses Gespräch
jetzt nicht führen.“
Jakub kehrte nach dieser Erkenntnis
Polen den Rücken und zog zu seinem
Vater nach Österreich. Zuflucht gefunden
hat er in Facebook-Gruppen von
Stars wie Nicki Minaj oder Lana Del Rey.
Dort hat er zum ersten Mal mit Leuten
gechattet, denen es ähnlich ging wie
ihm: „Durch den Kontakt mit den ganzen
queeren Teenagern wusste ich: Ich bin
gut, so wie ich bin, es ist sogar fucking
geil!“, gibt er lachend zu. „Gleichgesinnte
sind unglaublich wichtig“, bestätigt auch
Yavuz Kurtulsmus. Durch die Arbeit in
seiner ehemaligen Initiative „Migay“ half
er zusammen mit seinem Team, jungen
und queeren Wienern einen ‚Safe Space‘
zu finden. „Wenn wir irgendwann Leute
finden, die uns ähnlich sind, gibt es uns
Kraft. Wir wissen dann endlich, dass wir
nicht alleine, keine Krankheit sind.“
Polen erklärte Anfang 2020 ein Drittel
des Landes zur „LGBT-freien Zone“.
Das Bundesland, in dem Jakub bis vor
zwei Jahren gelebt hat, gehört in solch
eine Zone. „Wenn ich mit autochthonen
Österreicher:innen spreche, sind
die jedes Mal schockiert davon, wenn
ich ihnen Storys über den Umgang mit
Queers in Polen erzähle. Seiner Meinung
nach fehlt es bei Queers ohne Migrationshintergrund
an Verständnis: „Die
verstehen nicht, dass wir einfach nicht
dieselben Probleme haben. Ich hatte
keinen Support, es war Glück, dass
ich es da raus geschafft habe“, so der
20-Jährige.
Momentan schreibt Jakub sein erstes
Buch und erzählt darin seine Geschichte
und möchte vor allem anderen jungen
Queers damit helfen: „Ich schreibe es
für die neue Generation derer, die damit
kämpfen, sich zu akzeptieren. Für die
Eltern, die überfordert sind und ihr Kind
verstehen wollen. Und natürlich für die
cis-Männer, die unsere Realität kennen
sollten“, ergänzt er.
SINE, WANN HEIRATEST
DU ENDLICH?
„Was, wenn mich ein Bekannter meiner
Eltern dabei sieht, wie ich einen Mann
küsse? Diese ständige Verfolgungsangst
hat mich wahnsinnig gemacht und hatte
dazu geführt, dass ich mich immer mehr
von meiner Familie distanziert habe. Die-
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