DIEIMPFFLUCHTIch kann meinen Job, abernicht meinen Körper wechseln.“Nazar Argopyan zipptsich seine blaue Arbeitsjackezu, überprüft die Papiere im Handschuhfachund richtet den Turm vonUmzugskisten, der vom Beifahrerplatzaus umzustürzen droht. DerHimmel an diesem kalten Wintermorgenverwandelt sich langsam von Rosa in Blau. Der Verkehrrauscht teilnahmslos am geparkten Volvo vorbei, als würde ergar nicht wissen, dass hier ein Kapitel endet.Der Fahrer des Volvos, Argopyan, trägt eine hellblaue Jackemit schwarzen Streifen. Er sagt nicht viel. Wenn er etwaserzählt, klingt es schnell mal philosophisch. Seine pechschwarzenHaare haben wenig graue Mitstreiter, wenn man bedenkt,dass der Träger 64 Jahre alt ist. Er arbeitete als Tischtennistrainerbei der UNO. Nun verlässt Argopyan nach elf Jahren Wien.Er folgt seiner Frau nach Sofia und will sich dort seinenzwei Enkelkindern widmen und keinesfalls über Corona reden.„Der Fernseher wird nicht laufen, wenn ich zu Besuch komme“,sagt er. Er ist ungeimpft und möchte es weiterhin bleiben.Darum kehrt er zurück, auch wenn er nicht weiß, wie er Geldin seiner alten Heimat verdienen soll. 14 Stunden wird er amSteuer sitzen und über Gott, die Welt und Corona nachdenken.Er weiß zwar nicht, wie er in Zukunft Geld verdienen wird, docheines weiß er ganz genau: In Österreich, dem Land, in dem,wie er sagt, der Impfstatus mehr als die körperliche Gesundheitzählt, bleibt er keinen Tag länger.JEDER WIRD JEMANDEN KENNEN, DERÖSTERREICH VERLASSEN HATSeit Anfang Februar gilt in Österreich die Covid-19-Impfpflicht,erst ab Mitte März soll gestraft werden. Kanzler Nehammererwägt zwar mittlerweile wieder einen Rückzieher, doch dashält die Menschen nicht mehr auf, die beschlossen haben,Österreich den Rücken zu kehren. Ob es Hunderte oder Tausendesind, dafür gibt es keine belastbaren Zahlen. Telegram-Gruppen und Geschichten aus dem persönlichen Umfeldbestätigen den Verdacht: Es werden immer mehr. Manche, wieArgopyan, kehren zurück in die Heimat. Andere brechen auf inObwohl die Impfpflicht wackelt,flüchten immer mehr Menschenweg aus Österreich. Um „freiund ungeimpft“ zu leben, gebensie alles auf und nehmen eineungewisse Zukunft in Kauf.Text: Amar Rajković und Celina Dinhopl (Mitarbeit)Fotos: Zoe Opratkoein Land, das sie vielleicht nur ausdem Urlaub kennen. Kroatien istunter den Auswanderern beliebt,aber auch Georgien oder Spanienwerden genannt, genau wieParaguay und Mazedonien. Überden Messenger-Dienst Telegramtauscht man sich aus zu Fragen wie„Welche Krankenversicherung giltin Kroatien?“, „Wo gibt es Waldorfschulen außerhalb Zagrebs?“oder „Kennt wer einen Zahnarzt in Istrien, der keinen Impfpassverlangt?“. Alleine die Gruppe „Auswandern-Kroatien“ hatknapp 1.300 Abonnenten, und an vielen Tagen kommen 30 bis40 neue hinzu.DER UNENTSCHLOSSENERobert * studiert Angewandte Geowissenschaften an der Montanuniversitätin Leoben. Sein Vater ist Professor, die MutterJuristin. Wir treffen ihn auf Zoom. Er kleidet sich schlicht, mitdünner Weste und Blue Jeans. Er artikuliert sich gewählt undliest „Zeit“ und „NZZ“. Robert sagt, seine Freundin lacht überseine Ansichten und tut sie als Spaß ab. In seinem Freundeskreissei er einer der wenigen, die noch keine Covid-Impfungerhalten haben. Er sagt, weder seine Partnerin noch Bekannteoder Verwandte könnten sich vorstellen, dass er seine Drohungwahr machen und Österreich verlassen würde. „Die Impfungschützt vor der Omikron-Variante kaum, warum sollte ich mirdann eine verpassen lassen?“, sagt er. „Mir ist vor allem derSchutz anderer wichtig, deswegen lasse ich mich regelmäßigtesten, was man von den meisten Geimpften nicht behauptenkann.“ Er ärgert sich über den Corona-Schlingerkurs derRegierung. Österreich zu verlassen sei für Robert das allerletzteMittel. Dabei liebe er sein Land über alles. Er sei ein „stolzerPatriot.“ÜBER MISSTRAUEN UND MARIONETTENArgopyan freut sich auf den blauen Himmel, der ihn auf derFahrt in die Heimat begleiten wird. Er schätzte an Österreichdie sicheren Jobs, das gute Gehalt, die sauberen Straßen. Ererlebte den Kommunismus in Bulgarien, das Misstrauen gegenüberden herrschenden Eliten hat sich in seine DNA einge-10 / POLITIKA /
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