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BIBER 03_22 Ansicht

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Plagiatsgutachter Stefan Weber hat sie schon alle unter die Lupe

genommen: Von Armin Laschet bis Alma Zadić deckte er schon

Schummeleien in wissenschaftlichen Arbeiten von PolitikerInnen auf.

Was ihn genau antreibt, und ob er in der Schule von sich abschreiben

ließ, erfuhren wir bei einem Besuch in seinem Salzburger Büro.

Interview: Nada El-Azar-Chekh, Fotos: Zoe Opratko

BIBER: Wenn man „Plagiatsjäger“ bei

Google sucht, wird als erstes Ihre Dienstleistung

vorgeschlagen. Und die New

York Times titelte, dass Sie die deutschsprachige

Welt „terrorisieren“ würden.

Muss man Sie fürchten?

STEFAN WEBER: Wenn man mich

fürchten müsste, wäre das schon ein

Indiz dafür, dass in der akademischen

Ausbildung etwas schiefgelaufen ist.

Ich habe eine 200-seitige Diplomarbeit,

eine 200-seitige Dissertation und eine

340-seitige Habilitationsschrift geschrieben

und fürchte mich nicht vor Plagiatsjägern.

Vielen bleibt die Möglichkeit einer

universitären Ausbildung leider aus sozialen

oder finanziellen Gründen versagt,

obwohl sie durchaus die Power und den

Grips dazu hätten. Meine Erwartungshaltung

an jeden, der in den Genuss

eines solchen Privilegs gekommen ist,

ist schlicht, dass ordentlich gearbeitet

wurde.

Fast jedes größere Medium hat Sie schon

getroffen. Sind Sie wirklich so getrieben,

wie Sie dargestellt werden?

Es gibt offenbar ein mediales Bild, das

der Sachlage gegenübersteht. Die Leute

glauben vielleicht, dass ich manisch wäre

und mich mit einer Art inneren Besessenheit

an den Fehlern der anderen

ergötzen würde. Und seit 20 Jahren hält

sich das Missverständnis, dass ich die

Einhaltung von Zitierstandards prüfen

würde, so auch im jüngsten Fall unserer

Justizministerin. Alma Zadić hat zu ihrer

Verteidigung angegeben, dass sie nach

Harvard Blueblook zitiert habe. Doch um

die Einhaltung solcher Manuals geht es

nicht im Geringsten. Es geht vielmehr

immer um die Frage, wie sich jemand mit

Texten anderer beschäftigt hat: Darf Frau

Zadić einen Satz aus der Literatur nehmen,

diesen ein bisschen umschreiben

und dann keine Fußnote setzen? Das ist

unabhängig von jeglichen Zitiermanuals

zu beantworten.

Was ist Ihr Antrieb bei der Arbeit?

Es klingt jetzt fast lächerlich. Aber ich

freue mich heute nicht nur auf die Pizza

beim Italiener nebenan, sondern auch

wirklich darauf – so interessant und

selbstreflexiv dieses Gespräch auch ist

–, danach noch 25 Seiten bei der Frau

Zadić zu filetieren. Es ist eine reine

Neugierde, nachzuschauen, ob die Sätze,

die sie nicht mit Fußnoten belegt hat,

tatsächlich von ihr stammen. Wenn ich

mit meinen Möglichkeiten und meinem

Instinkt auf diesen 25 Seiten nichts finde,

ist das auch gut. Mein Antrieb ist ein

detektivischer. Ich will etwas wissen, was

ich vorher nicht gewusst habe.

Empfinden Sie Schadenfreude, wenn Ihre

Gutachten hochrangige Politiker zu Fall

bringen?

Mein Auftrag war es nicht, Frau Aschbacher

aus der Regierung zu entfernen.

Ein wahrer Erfolg wäre es für mich, wenn

sich im wissenschaftlichen Establishment

endlich etwas ändern würde.

Die jüngsten Plagiate wurden etwa bei

Aschbacher, Raab, Baerbock und Zadić

gefunden. Waren das alles bezahlte

Aufträge oder haben Sie in Ihrer Freizeit

geprüft?

Tatsächlich waren diese vier keine

Aufträge, sondern mein Hobby. Ich habe

mich aus eigenem Antrieb heraus für die

Arbeit von Christine Aschbacher interessiert.

In weiterer Folge habe ich mich

natürlich gefragt, wie die Qualität der

Arbeiten unserer Regierung ist. Die Welt

glaubt aber solche Motive nicht. Kogler,

Blümel, Maurer, Faßmann und Nehammer

habe ich mir auch alle angeschaut.

Also kann man nicht behaupten, ich

hätte es nur auf Frauen abgesehen.

„Ich habe es

natürlich nicht

nur auf Frauen

abgesehen“, sagt

Stefan Weber im

Interview. Seit dem

Fall Aschbacher

häuften sich

Hassnachrichten

gegen seine Person.

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