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BIBER 03_22 Ansicht

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So früh wie möglich heiraten und Kohle machen: Diese Zukunft war für

Boban vorbestimmt. Zumindest wenn es nach seiner Balkan-Familie geht.

Aber er schlug seinen eigenen Weg ein: Ein Arbeiterkind auf Umwegen

zwischen dem Job in der Gemüseabteilung und Geschichte-Studium.

Von Boban Ristić, Fotos: Matthias Nemmert

Ich musste früh in meinem Leben arbeiten. Meine Mutter

vermittelte mir mit 16 Jahren eine Lehre bei einer

großen Supermarktkette, wo sie auch selbst hinter der

Fleischtheke arbeitete. Rückblickend war ich damals viel

zu jung und grün hinter den Ohren. Ich war nie gut darin, den

Einkauf zu scannen und abzukassieren. Das „Schönen Tag

noch!“ zum Abschied klang in meinem Mund wie eine Drohung.

Außerdem breitete sich bei mir damals die Angst vor

dem Frust aus, welchen ich bei älteren Arbeitskollegen beobachtete.

Wie soll man auch nicht deprimiert sein? Die Arbeit

ist eintönig und der Lohn im Einzelhandel eher bescheiden.

Lebender Beweis dafür waren die pensionierten Samstagskräfte,

die mit dem zusätzlichen Lohn ihre mickrige Pension

aufbessern wollten. Ich wollte nicht so wie sie enden. Wenn

schon ausgebeutet werden, dann in einer Arbeit, die mir

Spaß macht.

„HR. RISTIĆ BITTE IN DIE

GEMÜSEABTEILUNG KOMMEN“

Meine konservative Arbeiterfamilie hatte erwartet, dass ich,

so wie jeder junge “Balkaner”, so schnell wie möglich Kohle

verdiene und eine Familie gründe. „Wann gibt‘s endlich

Enkel, Bobane?“, hörte ich jeden Tag als Frage. Nicht heute.

Eigentlich wollte ich studieren und mein Leben auf die Reihe

kriegen, bevor ich an eigene Kinder denke. Stattdessen

machte ich eine Einzelhandelskaufmann-Lehre und war

todunglücklich. Zu Hause wurde es immer ungemütlicher.

Die Lage spitzte sich zu als ich die Lehre im letzten Jahr

abbrach. Mein Stiefvater, der sich für gewöhnlich nobel

zurückhielt, verlor die Geduld mit mir. Unsere Beziehung

wurde nicht besser, als ich mich in die Matura-Abendschule

einschrieb und untertags den AMS-Kurs „EDV-Systemtechnik“

besuchte. Danach ging es in den Käfig

zum Basketball spielen. Der Platz zu Hause

wurde immer enger, vor allem für meine

jüngere „Seka“ (serb. für „Schwesterherz“),

die langsam in die Pubertät kam und sich über

ein eigenes Zimmer gefreut hätte. Dies und

der Druck meiner Eltern waren letztlich ein

Ich wollte studieren

und mein Leben auf

die Reihe kriegen.

Floridsdorf: Hier fühlt sich Boban am wohlsten

Antrieb für mich, aus dem Hotel Mama endgültig auszuchecken.

Glücklicherweise bot mir eine Freundin damals an, in

ihre Garconniere-Wohnung im 21. Bezirk einzuziehen. Nach

Floridsdorf! Kein Problem, als Donaustädter kannte ich das

raue Klima von Transdanubien. Die Abmachung mit der Wohnungsbesitzerin:

Ich bezahle die Rechnungen,

während sie ein paar entspannte Jahre in

Serbien verbringt. Fantastischer Deal.

FLEISSIG UND HIGH

Meine Familie sah nicht ein, warum sie meine

Emanzipationsversuche mit ihrem hart ver-

/ RAMBAZAMBA / 39

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