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Wir schicken Memes statt E-Mails, verschieben Deadlines für die

mentale Gesundheit und werden alles tun, nur nicht für einen Job

40 Stunden arbeiten – die Generation Z macht es anders als ihre

Vorgänger*innen und sagt dem Kapitalismus den Kampf an.

Von Anna Jandrisevits, Collagen: Zoe Opratko

Munira schaut auf ihren Google-Kalender,

der randvoll mit unterschiedlichen bunten

Termineinträgen ist. Die Woche ist durchgeplant,

mit einem geringfügigen Job bei

einer NGO und zwei Studiengängen – Politikwissenschaften

und internationales Recht – passt da gerade mal ein Mittagessen

rein. Aber irgendwas davon aufgeben? Kommt nicht

infrage! Das Doppelstudium ist ja nur logisch: Einen Studiengang

macht man aus Interesse und einen, um irgendwann

davon leben zu können. Munira, die im Jahr 2000 geboren

ist, hat also rund um die Uhr Stress. Als ich sie dann

aber frage, ob sie sich vorstellen könnte, für immer einen

40-Stunden-Job zu machen, kann sie nur lachen: „Niemals!“

„Arbeit ist Ausbeutung“

Ich weiß, Boomer (Anm.: Menschen, die ca. 1946-1965

geboren sind) und Millennials (Geburtsjahre ca. 1980-1997)

sind jetzt extrem verwirrt und fragen sich: In welcher Welt

ergibt das Sinn? Ich erkläre es euch. Denn anstatt andauernd

nur über die „fehlende Arbeitsmoral“ der Generation Z zu

sprechen, arbeite ich tatsächlich mit ihnen zusammen. Seit

einem halben Jahr bin ich Chefin

vom Dienst bei „die_chefredaktion“

auf Instagram. Wir machen Journalismus

von jungen Leuten für junge

Leute. Obwohl es keine genaue Definition

gibt, werden der Generation Z

überwiegend jene zugerechnet, die

von 1997 bis 2012 zur Welt gekommen

sind. In unserer Redaktion sind

alle unter 25 und das merkt man,

nicht nur an den Themen, sondern

vor allem an der Arbeitsweise.

Wir kommunizieren über Sprachnachrichten

und Memes, Meetings

werden öfter mal verschoben, weil

Gen Zs wie Munira sich andere Prioritäten

setzen und von 9 bis 17 Uhr

arbeiten die wenigsten. Die Generation

deshalb als faul oder respektlos

abzustempeln, ist aber falsch: Ein

Arbeitsplatz wird einfach niemals ihre alleinige Priorität sein.

In einer Studie des deutschen Zukunftsinstituts aus 2021

über die Generation Z in der Arbeitswelt wünschen sich 48 %

der befragten 16- bis 25-Jährigen flexible Arbeitszeitmodelle,

74 % wollen ihr Leben selbst bestimmen und trotz ihres Jobs

unabhängig sein.

Dass man Deadlines kurzfristig verschiebt oder unzuverlässig

arbeitet, ist meist natürlich nicht in Ordnung, so viel

gleich vorweg. Ich habe mir schon oft gedacht, dass die jungen

Menschen in meinem beruflichen Umfeld Dinge tun und

sagen, die ich mich in 100 Jahren nicht getraut hätte. Aber

sie tun und sagen auch Dinge, für die ich ihnen applaudiere.

Ich unterstütze ihren Willen nach Veränderung. „Arbeit ist

Ausbeutung!“, sagt mir etwa Marlena, Jahrgang 1998, sie ist

Jus-Studentin und arbeitet Teilzeit in einem Tattoo-Studio.

„Im Endeffekt kannst du dir im Kapitalismus, wenn du die

Mittel hast, nur aussuchen, ob du von jemandem ausgebeutet

wirst oder dich selbst ausbeutest, indem du selbstständig

wirst.“ Gerade unter Millennials, die im Zeitraum der frühen

1980er bis zu den späten 1990er Jahren geboren wurden,

boomt das Modell der Selbstständigkeit: Arbeit, die den eigenen

Interessen und Vorstellungen

entspricht. Das klingt erstmal cool,

aber selbst wenn in dem Geschäftsmodell

Nachhaltigkeit und Moral

eine Rolle spielen, müsste man bis

zu einem gewissen Grad kapitalistisch

denken, sagt Marlena. Überhaupt

habe der Ansatz, sein Hobby

zum Beruf zu machen, „damit sich

kein Tag wie Arbeit anfühlt“, in der

Generation Z nichts verloren: „Das

führt nur dazu, dass du das, was

du eigentlich liebst, am Ende auch

hasst, weil du davon abhängig bist.“

Nie wieder Hustle

In der so genannten „Hustle-Culture“,

die Millennials auf Instagram

jahrelang groß gemacht haben, wird

der Selbstwert über die Produktivität

/ RAMBAZAMBA / 35

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