Bildungspraxis 01/2022
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1/<strong>2022</strong> | März / April | 192<strong>01</strong> | Deutschland 6,80 € | Österreich 7,50 € | Schweiz 11 CHF<br />
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AUSSCHAU HALTEN<br />
WELCHE KOMPETENZEN BRAUCHT<br />
BERUFSBILDUNG IN ZUKUNFT?<br />
AUSBILDUNG<br />
Berufsschulen<br />
brauchen Lehrkräfte<br />
IM FOKUS<br />
Kompetenzen<br />
für die Zukunft<br />
WEITERBILDUNG<br />
Verbünde helfen<br />
kleinen Betrieben
BILDUNG BRAUCHT EIN MITEINANDER.<br />
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EDITORIAL<br />
GERÜSTET SEIN<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Abbildung: © Sascha Kreklau<br />
Digitalisierung, neue Technologien<br />
und neue Arbeits- und Lernformen<br />
verändern die Ausbildung.<br />
Das hat auch Auswirkungen auf<br />
die Rolle des Ausbildungspersonals<br />
und betrifft nicht nur das nötige<br />
Fachwissen. Die heute weitverbreitete<br />
und anerkannte Verschiebung<br />
des Ausbilders oder der Ausbilderin<br />
hin zu Lernbegleitenden verlangt von ihnen<br />
neue Kompetenzen, die in der Vergangenheit<br />
weniger im Vordergrund standen. Welche dies<br />
sind und wie sie die Zukunft der beruflichen<br />
Bildung bestimmen, das steht im Fokus der<br />
neuen Ausgabe von <strong>Bildungspraxis</strong>.<br />
Lesen Sie in weiteren Beiträgen, wie Auszubildende<br />
für den Umgang mit Betriebsgeheimnissen<br />
sensibilisiert werden können, warum<br />
wir mehr Berufsschullehrkräfte brauchen und<br />
inwieweit Weiterbildungsverbünde neue<br />
Chancen bieten.<br />
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre, Ihr<br />
Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis<br />
Chefredakteur <strong>Bildungspraxis</strong><br />
7. –11. Juni <strong>2022</strong><br />
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INHALT<br />
Lehrermangel in den<br />
Berufsschulen begegnen, ab Seite 14.<br />
Umgang mit jungen<br />
Besserwissern, ab Seite 16.<br />
Im Fokus<br />
Zukunftskompetenzen in der<br />
beruflichen Bildung<br />
4 Was darf es denn sein?<br />
Welche Skills Ausbildung in Zukunft<br />
braucht<br />
8 „Es fehlen Formate zur Vernetzung“<br />
Austausch löst Probleme<br />
10 „On the job“ und „on demand“<br />
Neue Wege in der Weiterbildung<br />
Ausbildung<br />
14 „Man muss Menschen mögen“<br />
Berufliche Schulen leiden unter<br />
Lehrkräftemangel<br />
16 Der Bescheidwisser<br />
Wenn der Azubi sich überschätzt<br />
20 Streng vertraulich<br />
Azubis für Betriebsgeheimnisse<br />
sensibilisieren<br />
24 Ausbildung News<br />
Weiterbildung<br />
26 Die Bildungswelt trifft sich in Köln<br />
Die didacta Bildungsmesse<br />
28 Zusammen ist man stärker<br />
Von Weiterbildungsverbünden<br />
profitieren<br />
30 Weiterbildung News<br />
32 Veranstaltungen <strong>2022</strong><br />
DIE NÄCHSTE BILDUNGSPRAXIS ERSCHEINT IM MAI <strong>2022</strong>.<br />
2 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
IMPRESSUM<br />
›› Herausgeber: Didacta Ausstellungs- und Verlagsgesellschaft mbH<br />
Rheinstraße 94 • 64295 Darmstadt<br />
AVR Agentur für Werbung und Produktion GmbH<br />
Arabellastraße 17 • 81925 München<br />
›› Chefredaktion: Prof. Dr. mult. Wassilios E. Fthenakis (verantwortlich)<br />
wassilios@fthenakis.de<br />
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85609 Aschheim<br />
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›› Gesamtleitung Tina Sprung<br />
Bildungsredaktion:<br />
›› Projekt- und Vincent Hochhausen<br />
Redaktionsleitung:<br />
›› Redaktion: Benigna Daubenmerkl<br />
Silvia Gallus<br />
Thorsten Timmerarens<br />
Marisa Balz<br />
›› Autoren und Mitarbeiter Ingrid Ute Ehlers<br />
dieser Ausgabe: Julia Knopf<br />
Regina Schäfer<br />
Marius Schönberger<br />
Guido Schubert<br />
Oliver Thomas<br />
Gabriele Weingärtner<br />
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›› Art Direction und Michaela Körner<br />
Bildredaktion:<br />
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›› Composing: Udo Karohl<br />
›› Titelbild: © Alex SG / Shutterstock.com<br />
›› Erscheinungsweise: 4 × jährlich<br />
›› Druck: Weiss-Druck GmbH & Co. KG,<br />
Hans-Georg-Weiss-Straße 7, 52156 Monschau<br />
›› Preis des Heftes: Deutschland 6,80 € inkl. MwSt., Österreich 7,50 €,<br />
Schweiz 11 CHF<br />
›› Abonnement: Jahresabonnement (4 Hefte) 24 €, zzgl. Versandkosten<br />
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Hinweis:<br />
Beiträge freier Autoren geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder.<br />
Verleger zugleich Anschrift aller Verantwortlichen<br />
Erfüllungsort und Gerichtsstand ist München. Nachdruck oder<br />
sonstige Vervielfältigung – auch auszugsweise – sind nur mit<br />
Genehmigung des Verlages gestattet. Für unaufgefordert eingesandtes<br />
Redaktionsmaterial übernimmt der Verlag keine Haftung.<br />
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IM FOKUS<br />
Abbildungen: © Christiani; locrifa / Shutterstock.com; ifaa/Tania Walck<br />
4 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
WAS DARF ES<br />
DENN SEIN?<br />
Dass in Zukunft bestimmte Kompetenzen wichtiger<br />
werden, darüber sind sich alle einig. Aber welche genau?<br />
<strong>Bildungspraxis</strong> hat bei Fachleuten nachgefragt.<br />
Interviews Vincent Hochhausen<br />
Oliver Heckemann ist Mitglied der<br />
Geschäftsleitung beim Anbieter für<br />
technische Bildung Christiani.<br />
Bei den Kompetenzen der Zukunft muss man<br />
wie bisher zwischen fachlichen, sozialen und<br />
persönlichen Kompetenzen unterscheiden.<br />
Die wichtigste fachliche Kompetenz für Auszubildende,<br />
gerade im technischen Bereich, ist und bleibt die Handlungskompetenz,<br />
also die Fähigkeit, theoretisches Wissen<br />
im beruflichen Alltag optimal umzusetzen. Insofern muss<br />
dem Arbeiten mit konkreten Projekten noch größere Aufmerksamkeit<br />
gewidmet werden, aber auch dem Prozessverständnis.<br />
Denn die junge Generation wird maßgeblich an<br />
der Transformation der Prozesse arbeiten. Im technischen<br />
Sektor werden Themen wie Automatisierung, Smart-Hardware-Robotik<br />
und Datenanalyse eine bedeutende Rolle<br />
spielen, was auch Medienkompetenz erfordert.<br />
Es wird dabei deutlich, dass die Komplexität der Themen<br />
und Fragestellungen in den Unternehmen weiter zunimmt.<br />
Deshalb sind im Bereich der sozialen Kompetenz die<br />
Teamfähigkeit und Kooperationsbereitschaft künftig von<br />
größter Bedeutung. Das muss durch verstärktes Lernen in<br />
Teams in passenden Lernumgebungen gefördert werden –<br />
Stichwort Ermöglichungsdidaktik.<br />
Bei den persönlichen Kompetenzen sollte das kreative<br />
Denken mehr in den Vordergrund gestellt werden. Denn<br />
auch in Zukunft wird diese Fähigkeit den Menschen von<br />
der Maschine unterscheiden.“<br />
›› BILDUNGSPRAXIS <strong>01</strong>/22 | 5
IM FOKUS<br />
Catharina Stahn ist<br />
promovierte Psychologin<br />
und beschäftigt<br />
sich beim IFAA – Institut<br />
für angewandte<br />
Arbeitswissenschaft in<br />
Düsseldorf mit dem<br />
Thema Digitalisierung<br />
in der Arbeitswelt.<br />
Neben Formalqualifikationen<br />
spielt<br />
die Digitalisierung eine<br />
maßgebliche Rolle. Die<br />
damit einhergehenden<br />
Anforderungen sind<br />
vielfältig und berufsspezifisch.<br />
Generell wird<br />
der sichere Umgang mit<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
sowie die Fähigkeit,<br />
Informationen und Daten<br />
aus verschiedenen<br />
Quellen auszuwählen,<br />
anlassbezogen aufzubereiten und aufgabenbezogen<br />
zu interpretieren, noch wichtiger<br />
werden. Neugier und Offenheit sind gerade<br />
in Zeiten des Umbruchs von großem Vorteil.<br />
Dies wurde uns auch von betrieblichen<br />
Akteurinnen und Akteuren bestätigt, die<br />
wir zu den Auswirkungen der digitalen<br />
Technologien auf die Beschäftigten befragt<br />
haben. Die Befragten waren der Meinung,<br />
dass klassische Kompetenzen in den Bereichen<br />
Kommunikation und Problemlösung<br />
weiterhin wichtig bleiben. Beschäftigte – und<br />
damit auch Auszubildende – sind nach wie<br />
vor gefragt, sich einzubringen und über den<br />
Tellerrand der eigenen Tätigkeit hinauszuschauen.<br />
Um das zu vermitteln, sind eine enge Verzahnung<br />
und Kommunikation aller Akteure<br />
entscheidend. Das schließt nicht nur Ausbildungsverantwortliche<br />
im Betrieb und<br />
Lehrkräfte an den Schulen ein, sondern auch<br />
die Auszubildenden. Ihr Input ist wesentlich,<br />
um eine bestmögliche Kombination aus Theorie<br />
und Praxis zu erreichen.“<br />
Wichtig ist die Selbstlernkompetenz.<br />
Aber auch die Fähigkeit,<br />
interdisziplinär und berufsübergreifend<br />
in Teams zu arbeiten, wird immer<br />
bedeutender. Die Digitalisierungskompetenz<br />
und das Nachhaltigkeitsverständnis sind<br />
weitere wichtige Bausteine für den beruflichen<br />
Erfolg. Letztlich kommt es besonders<br />
darauf an, durch die Kompetenz der Veränderungsfähigkeit<br />
sich immer wieder auf neue<br />
Situation einstellen zu können. Wir beobachten<br />
zunehmend, dass die<br />
Robustheit der jungen Menschen<br />
sinkt und sie nicht mehr<br />
gewohnt sind, mit herausfordernden<br />
Situationen umzugehen.<br />
Deshalb ist es aus unserer<br />
Sicht wichtig, junge Menschen<br />
zu stabilisieren. Die pädagogische<br />
Arbeit mit den Aus-<br />
Udo Lemke ist Geschäftsführer<br />
des zubildenden muss verstärkt<br />
hessischen Bildungsanbieters<br />
Provadis<br />
werden. Um mehr Selbstlernkompetenz<br />
zu erreichen, sind<br />
Partner für Bildung<br />
und Beratung. digitale Lernformate wichtig.<br />
Sie ermöglichen außerdem, die<br />
Digitalisierungskompetenz zu<br />
steigern, was dringend erforderlich ist – allerdings<br />
nicht nur bei jungen Menschen.“<br />
Abbildungen: © Provadis; locrifa / Shutterstock.com; Lucas Nülle GmbH, Provadis Partner für Bildung und Beratung GmbH; ifaa/Tania Walck<br />
6 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
Jörg Ludwig ist<br />
Leiter der Geschäftsentwicklung<br />
beim<br />
nordrhein-westfälischen<br />
Lehrsystemhersteller<br />
Lucas<br />
Nülle.<br />
Es gibt so viele aktuelle Veränderungen<br />
in der Arbeitswelt,<br />
von Industrie 4.0 bis zu<br />
künstlicher Intelligenz. Damit verbunden<br />
sind viele Kompetenzen, aber eine der<br />
wichtigsten ist die Erschließung von digitalem<br />
Wissen. Also das Bewusstsein, wie<br />
man an relevante Informationen herankommt<br />
und sich neue Themen erschließt.<br />
Um diese Kompetenz zu schulen reicht es<br />
nicht, einfach allen ein Tablet zu geben.<br />
Digitales Lernen muss mit praktischem<br />
Handeln verbunden sein, das erhöht<br />
Motivation und Praxiskompetenz. Ausbilderinnen<br />
und Ausbilder müssen dafür kontinuierlich qualifiziert<br />
werden. Um die Verbindung von Technologie und Praxis bestmöglich<br />
zu verwirklichen bräuchte es Lernplattformen, die universell<br />
sind, auf denen man alle Inhalte findet und teilt. Es gibt<br />
schon viele gute Angebote auf betrieblicher oder Branchenebene,<br />
die aber eigentlich immer noch zu klein sind. Meine Idealvorstellung<br />
wäre eine gemeinsame bundesdeutsche Lernplattform<br />
für die Ausbildung, auf denen Ausbilder ihre Inhalte und Best-<br />
Practice-Beispiele für alle abrufbar machen können.“<br />
29. Internationale Fachmesse und Kongress<br />
zur Digitalisierung der Lern- und Arbeitswelt<br />
Bildung in einer Kultur der Digitalität<br />
Der Treffpunkt von Schulträgern,<br />
Schulleitungen,<br />
Workshops, Vorträge und Diskussionsrunden<br />
Medienzentren und Lehrkräften<br />
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IM FOKUS<br />
„ES FEHLEN FORMATE<br />
ZUR VERNETZUNG“<br />
Zwei Berufsbildungsprofis wollen mit einer neuen Initiative Ausbilderinnen<br />
und Ausbilder dabei unterstützen, auf der Höhe der Zeit zu bleiben.<br />
Ihr Mittel: den Austausch untereinander fördern.<br />
Interview Vincent Hochhausen<br />
Im Interview<br />
MILENA PFLÜGL UND<br />
JANIN UTTERODT<br />
sind die Gründerinnen der Initiative<br />
Wir für Ausbildung. Milena Pflügl ist seit<br />
über zehn Jahren in der beruflichen Bildung<br />
tätig und hat selbst ein Bildungsunternehmen<br />
gegründet. Sie kennt sich mit<br />
digitalen Lerninhalten für Unternehmen<br />
aus. Janin Utterodt arbeitet als Spezialistin<br />
für Ausbildungs- und Nachwuchsmanagement<br />
in einem Konzern und hat<br />
schon einige Bildungsprojekte<br />
erfolgreich umgesetzt.<br />
<strong>Bildungspraxis</strong>: Was müssen<br />
Ausbilderinnen und Ausbilder heute<br />
mehr können als früher?<br />
Janin Utterodt: Ein Aspekt, der zwar<br />
schon immer zum Ausbilderberuf gehört<br />
hat, aber immer zentraler wird, ist<br />
die Bereitschaft, die eigenen fachlichen<br />
Kompetenzen fortlaufend weiterzuentwickeln.<br />
Denn die Inhalte verändern<br />
sich, unter anderem durch die Digitalisierung,<br />
teils sehr schnell. Man muss<br />
immer im Auge behalten, welche neuen<br />
Entwicklungen in die eigene Ausbildungsarbeit<br />
integriert werden. Aber genauso<br />
wichtig sind die überfachlichen<br />
Kompetenzen. Beispielsweise Empathie<br />
oder Sozialkompetenz. Vor allem in<br />
ihrer neuen Rolle als Lernbegleiter, die<br />
darin besteht, Lernenden den Raum<br />
zu geben, durch eigene Erfahrungen<br />
notwendige Fähigkeiten für den Beruf<br />
zu erwerben. Da die Auszubildenden<br />
verschiedene Vorkenntnisse und Persönlichkeiten<br />
mitbringen, brauchen die<br />
Ausbilder ein Gespür für die individuellen<br />
Lernbedürfnisse.<br />
Milena Pflügl: Das Thema Sozialkompetenz<br />
ist in allen Branchen aktuell.<br />
Eine weitere wichtige Kompetenz ist<br />
die Vernetzungsfähigkeit, also die<br />
Bereitschaft, Kontakte zu suchen und<br />
voneinander zu lernen. Informelle<br />
Lernangebote können dafür Gelegenheiten<br />
bieten.<br />
Sie sprachen die neue, begleitende Rolle<br />
von Ausbildern an. Wie verändert das<br />
die Arbeit des Ausbildungspersonals?<br />
Utterodt: Lernbegleiter gestalten Lernen<br />
multimedial. Die Herausforderung<br />
ist, das Angebot und den Lernprozess<br />
Abbildungen: © optimarc / Shutterstock.com; Wir für Ausbildung<br />
8 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
Dokumentenkameras<br />
für den Unterricht<br />
so zu designen, dass jeder gut durch die<br />
Ausbildung kommt. Das bedeutet auch,<br />
sich zurückzunehmen und die Lernenden<br />
beim selbständigen Lernen und<br />
Ausprobieren zu beobachten<br />
Pflügl: Diese neue Rolle, gepaart<br />
mit den digitalen Möglichkeiten, das<br />
Lernen zu gestalten, eröffnet Ausbilderinnen<br />
und Ausbildern viele Perspektiven,<br />
ist für viele aber auch eine<br />
Herausforderung. Die Ausbildung ist<br />
im Wandel, inhaltlich und technisch<br />
getrieben, und die Ausbildenden<br />
müssen mitgenommen und befähigt<br />
werden diesen neuen Anforderungen<br />
gerecht zu werden. Wenn diese Unterstützung<br />
da ist, dann entstehen ganz<br />
viele neue Möglichkeiten.<br />
Wo können Ausbilderinnen und<br />
Ausbilder sich diese Unterstützung<br />
holen?<br />
Utterodt: Das Weiterbildungsangebot<br />
für Ausbildungspersonal ist generell<br />
gut, besonders was die fachlichen<br />
Kompetenzen angeht. Was noch fehlt<br />
sind Formate, die Berufsbildungsprofis<br />
stärker miteinander vernetzen und<br />
ihnen erlauben, voneinander zu lernen<br />
und sich Ideen zu holen. Oft fehlt die<br />
Zeit für umfangreiche Seminare. Was<br />
es braucht sind flexible Formate, die<br />
gut in den Ausbilderalltag integrierbar<br />
sind.<br />
Pflügl: Manche Herausforderungen<br />
lassen sich zudem schwer in Weiterbildungsformaten<br />
abdecken. Wenn<br />
ich zu wenig Bewerber habe oder<br />
Jugendliche zusätzlich betreuen muss,<br />
weil sie Unterstützung benötigen, dann<br />
helfen Weiterbildungen nur bedingt.<br />
Der Austausch untereinander hingegen<br />
kann Lösungswege aufzeigen, etwa darüber,<br />
welches Talentfindungstool gut<br />
funktioniert oder wie man das Anlernen<br />
der neuen Azubis anpasst, um besondere<br />
Lernbedarfe zu ermitteln. Bei<br />
solchem informellen Lernen profitiert<br />
man oft am meisten. Wer diesen Vernetzungsprozess<br />
anstoßen will, kann,<br />
neben Initiativen wie unserer, zum Beispiel<br />
in der eigenen Region nach Partnern<br />
suchen, sei es bei den Kammern,<br />
Schulen oder Unternehmen.<br />
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Die Initiative Wir für Ausbildung<br />
„Viele Ausbilderinnen und Ausbilder fühlen sich den wachsenden<br />
Herausforderungen nicht gewachsen und haben<br />
die gleichen Fragen wie andere, es liegt nahe sie zu<br />
vernetzen“, sagt Milena Pfügl, eine der Gründerinnen<br />
der Initiative Wir für Ausbildung. Die Website und die<br />
Social Media Kanäle der Initiative sollen als Knotenpunkt<br />
dienen, um Interessierte in Austausch zu bringen<br />
und darüber hinaus einen Beitrag zur Attraktivität<br />
der beruflichen Bildung zu leisten.<br />
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IM FOKUS<br />
„ON THE JOB“ UND „ON DEMAND“<br />
Damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den veränderten Arbeitsprozessen in der<br />
digitalisierten Welt Schritt halten können, braucht es zeitgemäße betriebliche Weiterbildung.<br />
Das Konzept des Corporate Education Engineering bietet die Grundlage dafür.<br />
Gastbeitrag Julia Knopf, Oliver Thomas, Marius Schönberger<br />
Die digitale Transformation der Arbeit<br />
und Gesellschaft führt zu einem<br />
steigenden Bedarf an qualifizierten<br />
Fachkräften. Durch moderne Technologien, die mit<br />
der Digitalisierung einhergehen, verändern sich bestehende<br />
Arbeitsinhalte, -abläufe und -anforderungen<br />
nachhaltig. Dies betrifft nicht nur die Industrie,<br />
den Handel oder das Gesundheitswesen, sondern<br />
auch weniger digitalisierungsaffin erscheinende<br />
Branchen, wie etwa die Land- und Forstwirtschaft.<br />
Qualifizierung muss daher fester Bestandteil eines<br />
jeden Arbeitsplatzes werden.<br />
Deutschland ist gut aufgestellt<br />
Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist für den<br />
digitalen Wandel der Arbeitswelt gut gerüstet.<br />
Nach einer Erhebung des Digitalverbands Bitkom<br />
investierte die deutsche Wirtschaft im Jahr 2020<br />
in die digitale Weiterbildung: 70 Prozent der über<br />
1100 befragten Unternehmen gaben an, ihre Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter gezielt für die digitale<br />
Arbeitswelt fit zu machen. Bei der Erhebung des<br />
Digital-Indexes 2020 durch die Initiative D21,<br />
der ein jährliches Lagebild zum Digitalisierungsgrad<br />
liefert, zeigte sich, dass für 53 Prozent der<br />
Berufstätigen der digitale Wandel mehr positive<br />
Veränderungen in das Berufsleben bringt als negative.<br />
Ähnliche Ergebnisse erzielte eine Befragung<br />
unter Erwerbstätigen in Deutschland im Auftrag<br />
der Bertelsmann-Stiftung im Jahr 2<strong>01</strong>6. Demnach<br />
stehen Beschäftigte der Digitalisierung und den<br />
damit einhergehenden Veränderungen in ihrem<br />
Arbeitsalltag offen gegenüber. Die Bereitschaft zur<br />
Weiterbildung der Beschäftigten in Deutschland<br />
ist über alle Branchen hinweg hoch.<br />
Weiterbildungs bedarf steigt<br />
Die kürzeren Entwicklungszyklen innovativer<br />
Technologien führen zu steigenden Anforderungen<br />
an die Mitarbeiter und höherem Fort- und<br />
Weiterbildungsbedarf. Die Bedeutung von digitalen<br />
Grundkompetenzen beispielsweise im Umgang<br />
mit mobilen Endgeräten oder Standardsoftware<br />
nimmt zu. Allerdings verfügen nicht alle Unter-<br />
Abbildungen: © LookerStudio / Shutterstock.com; Universität des Saarlandes<br />
10 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
nehmen in Deutschland<br />
über genügend digital<br />
qualifizierte Mitarbeiter.<br />
Laut dem Digital-Index<br />
2020 werden 34 Prozent<br />
der Befragten in ihren<br />
Unternehmen ausreichend<br />
geschult, um mit digitalen<br />
Technologien kompetent<br />
umgehen zu können. Insbesondere<br />
kleine und mittlere<br />
Unternehmen (KMU) verfügen<br />
nicht immer über die<br />
zeitlichen, personellen und<br />
finanziellen Ressourcen,<br />
um ihre Mitarbeiter unternehmensspezifisch<br />
weiterzubilden. Laut dem KfW-<br />
Mittelstandspanel aus dem Jahr 2020 kann etwa ein<br />
Drittel der befragten KMU nicht ihren Bedarf an<br />
Digitalkompetenzen decken.<br />
Die Digitalisierung hat weitreichende Auswirkungen<br />
auf den Arbeitsmarkt und führt zu einer<br />
Veränderung der Tätigkeits- und Anforderungsstruktur.<br />
Dabei werden Beschäftigungsgruppen,<br />
deren Routineaufgaben durch moderne Technologien<br />
ersetzt werden können, stärker betroffen sein<br />
als andere. Auffällig ist, dass diese Gruppe deutlich<br />
unterdurchschnittlich häufig an betrieblichen<br />
Weiterbildungen teilnimmt. Lebenslanges Lernen<br />
sowie individuelle Weiterbildung sind jedoch<br />
wichtig, um negative Folgen für diese Beschäftigen<br />
zu vermeiden. Für Unternehmen besteht die<br />
Herausforderung darin, vorhandene oder sich<br />
abzeichnende Weiterbildungsbedarfe frühzeitig zu<br />
identifizieren und entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen<br />
zu planen und durchzuführen, individualisierte<br />
Lerninhalte zu schaffen sowie geeignete<br />
Lehr- und Lernsituationen zu ermöglichen.<br />
JULIA KNOPF<br />
ist Professorin für Fachdidaktik Deutsch<br />
Primarstufe und leitet das Forschungsinstitut<br />
Bildung Digital an der Universität des<br />
Saarlandes. Sie ist Gründungspartnerin der<br />
Didactic Innovations GmbH und Mitglied<br />
im Vorstand des Didacta Verbands e.V.<br />
OLIVER THOMAS<br />
ist Professor für Wirtschaftsinformatik<br />
an der Universität Osnabrück und Leiter<br />
des Forschungsbereichs Smart Enterprise<br />
Engineering beim Deutschen Forschungszentrum<br />
für Künstliche Intelligenz.<br />
MARIUS SCHÖNBERGER<br />
ist Geschäftsführer am Forschungsinstitut<br />
Bildung Digital an der Universität des<br />
Saarlandes.
KMU hinken noch hinterher<br />
Problematisch ist allerdings, dass viele KMU sich<br />
derzeit zu selten mit diesen Themen und Technologien<br />
beschäftigen. Oftmals werden analoge Lernangebote<br />
lediglich digitalisiert und unter der Prämisse,<br />
jeder Lernende sei gleich, in standardisierten<br />
Kursangeboten unternehmensweit zur Verfügung<br />
gestellt. Vielen Unternehmen fehlt es an didaktisch<br />
wertvollen Bildungsangeboten, die zum Unternehmen<br />
und den Bildungsbedarfen passen. Das Konzept<br />
des Corporate Education Engineering löst sich<br />
von diesen intranetbasierten Standardangeboten<br />
und rückt die Gestaltung digitaler Weiterbildungsangebote<br />
als Erfolgsfaktor für die Unternehmensentwicklung<br />
in den Fokus. Das Konzept setzt dabei<br />
auf innovative Formate und Technologien für den<br />
individuellen Kompetenzerwerb, die ein modulares<br />
und selbstbestimmtes Lernen unterstützen.<br />
So können beispielsweise Assistenzsysteme auf<br />
Basis Künstlicher Intelligenz (KI) auf individuelle<br />
Lernbedarfe eingehen und damit ein arbeitsplatzintegriertes<br />
Lernen „on the job“ sowie „on demand“<br />
ermöglichen. Corporate Education Engineering hat<br />
damit das Potenzial, auch Personengruppen für die<br />
nötige Weiterbildung zu gewinnen, die mit klassischen<br />
Kursen oder Lernmanagementsystemen nur<br />
schwer zu erreichen sind.<br />
Verstärkter Fokus auf Didaktik<br />
Corporate Education Engineering bedingt, dass<br />
die betriebliche Aus- und Weiterbildung neu gedacht<br />
wird. Hierzu gehört zunächst, die eigenen<br />
Ziele, Grundsätze und Qualifizierungsmission<br />
neu zu definieren. Dabei muss die Didaktik in<br />
den Vordergrund rücken. Dies ist in der aktuellen<br />
Weiterbildungspraxis noch nicht angekommen:<br />
Die Qualität betrieblicher Weiterbildungsangebote<br />
leidet häufig unter der fehlenden Berücksichtigung<br />
didaktischer Prinzipien und schlecht aufbereiteter<br />
Lehrmaterialien.<br />
Ein weiterer Erfolgsfaktor für die Mitarbeiterqualifizierung<br />
sind ausgebildete Trainerinnen und Trainer,<br />
die mit den digitalen Tools umgehen können. Traditionelle<br />
Lernmanagementsysteme sind in der Regel<br />
funktional überladen, sodass unerfahrene Trainer<br />
sich zunächst einarbeiten müssen. Sie müssen bei<br />
der Erstellung von Kursen und Lernangeboten unterstützt<br />
werden. Ein auf die Bedürfnisse der Trainer<br />
zugeschnittenes KI-basiertes Tool kann diese<br />
bei der didaktischen Gestaltung ihrer Aus- und<br />
Fortbildungseinheiten unterstützen, sie durch den<br />
Planungsprozess führen und somit für eine höhere<br />
Qualität der Kurse sorgen.<br />
Individualisierung als Leitbild<br />
Die individuelle Aus- und Weiterbildung der<br />
Lernenden muss als Leitbild in den Unternehmen<br />
positioniert werden. Dies bezieht sich nicht nur<br />
auf die spezifische Ausgestaltung der Lernangebote<br />
an den Werten des jeweiligen Unternehmens,<br />
sondern auch die gezielte Identifikation und Förderung<br />
ganz persönlicher Bedürfnisse, Interessen<br />
und Talente der Lernenden. Für die Planung ist<br />
ein Bottom-up-Ansatz zu empfehlen, der die<br />
Lernenden als Ausgangspunkt der Weiterbildung<br />
versteht.<br />
Zudem bieten sich intelligente, digitale Assistenzsysteme<br />
an, um Beschäftigten entsprechend ihrer<br />
Kompetenzen individuelle Aus- und Weiterbildungsangebote<br />
zu liefern. Besonders für KMU ist<br />
die Individualisierung der betrieblichen Weiterbildung<br />
immer an einen erhöhten Aufwand geknüpft.<br />
Finanzielle Hürden führen dazu, dass KMU von<br />
einer Freistellung ihrer Mitarbeiter für individuelle<br />
Weiterbildungsaktivitäten absehen. Dieser Aufwand<br />
steht allerdings in keinem Verhältnis zu dem Preis,<br />
den Unternehmen zahlen, wenn sie es verpassen,<br />
ihre Mitarbeiter rechtzeitig für zukünftige Kompetenzen<br />
weiterzubilden.<br />
■<br />
Im Überblick:<br />
» Die aktuelle Weiterbildungspraxis<br />
in den<br />
Unternehmen, insbesondere<br />
in KMU, ist dem rapide<br />
voranschreitenden<br />
technologischen Wandel<br />
nicht gewachsen.<br />
» Klassische Lernmethoden<br />
und standardisiertes<br />
Lernen sind veraltet und<br />
ignorieren didaktische<br />
Grundprinzipien wie<br />
Personalisierung oder<br />
Kompetenzorientierung.<br />
» Die didaktische Transformation<br />
der betrieblichen<br />
Aus- und Weiterbildung<br />
wird somit zum strategischen<br />
Wettbewerbsvorteil.<br />
12 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
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AUSBILDUNG<br />
„MAN MUSS MENSCHEN MÖGEN“<br />
Es fehlt zunehmend an Lehrkräften an beruflichen Schulen. Pankraz Männlein erklärt,<br />
wieso dies die Schulqualität gefährdet und was man dagegen tun kann.<br />
Interview Vincent Hochhausen<br />
Im Interview<br />
PANKRAZ MÄNNLEIN<br />
ist Vorsitzender des Verbandes der<br />
Lehrer an beruflichen Schulen in<br />
Bayern. Er leitet die Staatliche<br />
Berufsschule III in Bamberg.<br />
<strong>Bildungspraxis</strong>: Wie viele Lehrerinnen<br />
und Lehrer fehlen an beruflichen Schulen?<br />
Pankraz Männlein: Aktuell fehlen bundesweit<br />
rund 10 000 bis 15 000 Lehrkräfte.<br />
Genaue Zahlen gibt es leider nicht, aber<br />
die Schätzungen sind realistisch. Bei rund<br />
125 000 Lehrkräften an beruflichen Schulen<br />
bundesweit ist das eine ganze Menge.<br />
Leider wird dieser Fehlbestand sogar noch<br />
größer werden, denn der Ersatzbedarf für<br />
ausscheidende Lehrkräfte liegt laut einer<br />
Studie der Bertelsmann Stiftung von 2<strong>01</strong>8<br />
bis 2030 bei rund 40 000. Diese Zahl ist<br />
weitaus höher als die Zahl der Lehramtsstudierenden,<br />
die nachrücken.<br />
Welche Folgen hat das?<br />
Vor allem Unterrichtsausfall und zu<br />
große Klassen. Schon jetzt werden einzelne<br />
Fächer bisweilen nicht erteilt, wie<br />
Sport oder Religion, andere nur reduziert,<br />
wie etwa Englisch. Ganz dramatisch<br />
wird es, wenn berufsbezogener<br />
Fachunterricht betroffen ist, denn das<br />
bedeutet eine große Gefährdung für<br />
die Ausbildungsqualität. Oft fehlen<br />
Zeitressourcen für Förderung, Integration<br />
oder das Angebot von Projektarbeit.<br />
Teilweise müssen sich Schulen<br />
und Lehrkräfte entscheiden, ob sie Abstriche<br />
beim Unterricht oder bei der<br />
Lehrkräftefortbildung machen, die in<br />
unserem Beruf enorm wichtig ist. Und<br />
ein weiterer Aspekt, der oft übersehen<br />
wird: Berufliche Schulen bieten auch<br />
alle allgemeinen Schulabschlüsse an.<br />
Unterrichtsausfall und -reduzierung<br />
betrifft daher nicht nur die Jugendlichen<br />
selbst, sondern auch die Qualität<br />
der Schulabschlüsse.<br />
Abbildungen: © Jacob Lund / Shutterstock.com; Christian Ecker<br />
14 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
Warum rücken so wenige<br />
Lehrkräfte nach?<br />
Wir haben eine lange und anspruchsvolle<br />
Ausbildung. Man braucht ein<br />
zehnsemestriges Universitätsstudium,<br />
das entweder eine duale Ausbildung<br />
oder ein einjähriges Betriebspraktikum<br />
voraussetzt. Danach kommt noch ein<br />
anderthalb- bis zweijähriges Referendariat.<br />
Wir reden also über rund acht<br />
Jahre Ausbildungszeit, vorausgesetzt alles<br />
läuft glatt. Und Auslandsaufenthalte,<br />
die ja immer wichtiger werden, sind da<br />
noch nicht eingerechnet. Zum anderen<br />
herrscht an vielen Schulen ein Modernitätsrückstand.<br />
Inwiefern?<br />
Wenn man in der Ausbildung und im<br />
Studium innovative Lehr- und Lernkonzepte<br />
kennengelernt hat und deren<br />
Umsetzung im Unterricht dann zum<br />
Beispiel an fehlender IT-Infrastruktur<br />
scheitert, ist das frustrierend. Solche<br />
Beispiele verbreiten sich schnell und<br />
wirken sich auf die Entscheidung<br />
von angehenden Lehramtsstudenten<br />
aus, die sich dann für eine Tätigkeit<br />
in der Wirtschaft entscheiden. Dazu<br />
kommen auch noch weitere herausfordernde<br />
Bedingungen wie heterogene<br />
Schülerschaft, große Klassen<br />
und hohe Prüfungsbelastung. Auch<br />
sind die Verdienstmöglichkeiten und<br />
Beschäftigungsbedingungen nicht besonders<br />
beeindruckend im Vergleich<br />
zur freien Wirtschaft. Viele Nachwuchslehrkräfte<br />
werden in der<br />
Praktikumsphase des Studiums<br />
abgeworben.<br />
Wie kann man Lehrkräfte<br />
unter diesen Umständen für die<br />
beruflichen Schulen gewinnen?<br />
All diese Probleme lassen sich lösen,<br />
wenn man den Arbeitsplatz berufliche<br />
Schule attraktiv macht. Man braucht<br />
entsprechende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen,<br />
angemessene<br />
Verdienst-, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.<br />
Letztlich aber<br />
muss das Image des Lehramtes an<br />
beruflichen Schulen dringend aufgewertet<br />
werden. Das werden wir nur<br />
dann erreichen, wenn es uns gelingt,<br />
das Herausfordernde und Lohnende<br />
einer Lehrertätigkeit herauszustellen,<br />
die gleichzeitig Unterstützung und<br />
gesellschaftliche Anerkennung<br />
verdient.<br />
Was macht diese Tätigkeit<br />
denn so besonders?<br />
Wir arbeiten mit jungen Menschen<br />
an der Schnittstelle zum prallen Leben.<br />
Die Jugendlichen sind dabei, den<br />
Grundstein zu ihrem Platz in der Gesellschaft<br />
zu legen. Ein spannender und<br />
wichtiger Prozess. Gleichzeitig begleitet<br />
man alle Entwicklungen und Veränderungen<br />
der Arbeitswelt und bereitet die<br />
Schülerinnen und Schüler darauf vor.<br />
Das macht die Tätigkeit so anspruchsvoll<br />
und abwechslungsreich.<br />
Müsste der Quereinstieg<br />
leichter werden, um den<br />
Lehrkräftemangel zu beheben?<br />
Ich finde das ist keine Frage von<br />
„leichter werden“. Wir brauchen Quereinsteiger,<br />
sie bringen wichtige eigene<br />
Erfahrungen mit, die die Schulen<br />
bereichern. Daher müssen wir diese<br />
künftigen Kolleginnen und Kollegen so<br />
qualifizieren, dass sie als Lehrkräfte erfolgreich<br />
sind. Es braucht dafür gut vorbereitete<br />
und inhaltlich entsprechend<br />
angelegte Programme. Wir müssen<br />
dabei von Quereinsteigern die Qualifizierung<br />
verlangen, die sie für ihre Unterrichtspraxis<br />
benötigen. Dazu gehört<br />
auch ein Referendariat. Damit der Weg<br />
über den Quereinstieg angenommen<br />
werden kann, müssen die Länder dieser<br />
Bewerbergruppe besondere finanzielle<br />
Anreize bieten.<br />
Was müssen angehende Berufsschullehrkräfte<br />
also mitbringen?<br />
Neben den berufsfachlichen Kompetenzen<br />
vor allem Empathie, Freude an<br />
der Arbeit mit jungen Menschen und<br />
Teamfähigkeit. Man muss bereit dazu<br />
sein, sich selbst zu hinterfragen und<br />
sich lebenslang weiterzubilden. Und<br />
eine ganz wichtige Eigenschaft, ohne<br />
die es nicht geht: Man muss Menschen<br />
mögen!<br />
■<br />
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AUSBILDUNG<br />
DER BESCHEIDWISSER<br />
Motivation ist gut – aber wenn Azubis zu sehr von sich selbst überzeugt sind,<br />
kann das zu Problemen führen. Ausbildungscoach Gabriele Weingärtner zeigt,<br />
wie man solche Situationen einfühlsam und positiv löst.<br />
Die<br />
Herausforderung<br />
Gastbeitrag Gabriele Weingärtner<br />
Simon Gaudi, 33, ist Ausbilder in einem Familienunternehmen, das maßgeschneiderte Inneneinrichtungen<br />
verkauft. Er ist für Jan, Auszubildender zum Kaufmann im Einzelhandel<br />
im zweiten Ausbildungsjahr, verantwortlich. Gaudi schildert folgende Herausforderung:<br />
„Jan ist interessiert und zeigt Engagement in der Ausbildung. Leider neigt er stark dazu, mir und anderen<br />
Mitarbeitern Ratschläge zu geben, die meist nicht sinnvoll sind. Ich habe den Eindruck, er überschätzt<br />
sich häufig. Jetzt mag ich bald nicht mehr – ich weiß, dass ich nicht allwissend bin, aber muss ich mir<br />
ständig von meinem Auszubildenden sagen lassen, wie ich meine Abteilung zu führen habe, was ich dem<br />
Kunden verkaufen soll, wie ich meine Arbeit machen soll? Ich bin selbst noch jung und habe für so viel<br />
Motivation und Engagement Verständnis – aber manchmal frage ich mich, wer der Azubi und wer der<br />
Ausbilder ist. Wie soll ich mit dieser Situation umgehen? Ich will Jan nicht demotivieren, aber ich finde,<br />
er sollte sich bei Themen, bei denen ihm die Erfahrung und das Fachwissen fehlen, zurückhalten.“<br />
Abbildungen: Ausbilder-Akademie GmbH; © fizkes / Shutterstock.com<br />
16 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
Gabriele Weingärtner<br />
ist Trainerin und<br />
Coach und leitet die<br />
Ausbilder-Akademie<br />
GmbH.<br />
„Sie schildern eine<br />
verzwickte Situation.<br />
Auf der einen Seite<br />
beschreiben Sie einen<br />
Auszubildenden, von<br />
dem viele Betriebe<br />
träumen: Jan ist hoch motiviert, engagiert und aktiv.<br />
Das sind nicht nur wertvolle Eigenschaften, die<br />
ihm auf dem Weg zum beruflichen Erfolg helfen<br />
werden. Es sind auch Schlüsselkompetenzen, die<br />
wir als Ausbilderinnen und Ausbilder als Bausteine<br />
der beruflichen Handlungsfähigkeit in der Ausbildung<br />
entwickeln und fördern wollen. Andererseits<br />
scheint Jan zur Besserwisserei zu neigen und seine<br />
Meinungen auch ungefragt zu äußern. Aufgrund<br />
der noch fehlenden Erfahrung sind diese nicht<br />
immer richtig oder zielführend. Das wirkt sehr<br />
schnell unpassend und belehrend. Und es betrifft<br />
nicht nur Sie, es kann auch die Kollegen und<br />
Kolleginnen oder sogar Kundinnen und Kunden<br />
verärgern. Sie sollten also zeitnah handeln, bevor<br />
ein Konflikt daraus entsteht. Sie brauchen im Umgang<br />
mit Jan nun eine große Portion an Empathie,<br />
Geduld und Fingerspitzengefühl. Es wäre falsch,<br />
Jan voreilig in die Schranken zu weisen, insbesondere<br />
nicht im Kollegenkreis oder vor Kunden.<br />
Das Verhalten zu ignorieren ist aber auch keine<br />
Lösung. Planen Sie also ein Feedbackgespräch mit<br />
Jan. Wichtig ist ein ausreichend großes Zeitfenster,<br />
in dem Sie beide ungestört und ohne Termindruck<br />
sprechen können.<br />
Agieren Sie als Coach<br />
In der Rolle als Coach geben Sie Jan Impulse zum<br />
kritischen Hinterfragen seines Verhaltens und zur<br />
Verbesserung seiner sozialen Kompetenz. Durch<br />
gezielte Fragen erkennt Jan, dass sein Verhalten<br />
manchmal unpassend ist. Sie spiegeln sein Verhalten<br />
und dessen Wirkung auf die anderen und helfen<br />
ihm, Lösungen zu finden, ohne diese vorzugeben.<br />
• Praktischer Einstieg in Augmented Reality<br />
• Wichtiger Bestandteil von Industrie 4.0<br />
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AUSBILDUNG<br />
Probieren Sie im Gespräch mit Jan folgende<br />
Coaching-Fragen aus:<br />
» Welche Wirkung löst du deiner Meinung nach<br />
aus, wenn du den erfahrenen Kolleginnen<br />
oder Kollegen ungefragt Ratschläge gibst?<br />
» Welchen Eindruck hinterlässt deiner<br />
Meinung nach dieses Verhalten?<br />
» Was würdest du als Ausbilder denken oder<br />
tun, wenn dein Azubi alles besser weiß,<br />
aber dies oft nicht richtig ist?<br />
» Was motiviert dich zu diesem Verhalten?<br />
» Warum könnte hier ein Problem in der<br />
Zusammenarbeit entstehen?<br />
» Was könntest du tun, um das zu verändern?<br />
» Was würde wohl passieren, wenn du dich<br />
anders verhältst?<br />
» Was schlägst du vor?<br />
» Was würdest du an meiner Stelle tun?<br />
» Was können wir alle tun, um eine<br />
Verbesserung herbeizuführen?<br />
Beschreiben Sie Ihre Emotionen<br />
Geben Sie Jan Feedback darüber, wie seine Äußerungen<br />
auf Sie wirken. Nutzen Sie bewusst Ich-<br />
Botschaften, um Ihre Wahrnehmung zu schildern.<br />
Schildern Sie, wie Sie sich fühlen, wenn Sie ständig<br />
verbessert und korrigiert werden. Laden Sie Jan<br />
ein, sich in Ihre Rolle zu versetzen. Fragen Sie ihn<br />
„Wie würdest du dich fühlen, wenn du ständig<br />
verbesserst und korrigierst wirst?“ Durch diesen<br />
Perspektivenwechsel kann Jan verstehen, was seine<br />
Aussagen bei Ihnen auslösen und darüber nachdenken<br />
– und beim nächsten Mal sein Verhalten<br />
ändern.<br />
Hinterfragen Sie Jans Aussagen<br />
in konkreten Situationen<br />
Jan scheint sich auszukennen – aber stimmt das<br />
auch? Hinterfragen Sie seine Ideen hinter seinen<br />
Aussagen in bestimmten Situationen und gehen Sie<br />
mit ihm tiefer in die Materie, diskutieren Sie die<br />
Fakten und gehen Sie ruhig in die Details. Damit<br />
zeigen Sie Interesse, signalisieren Ihre Wertschätzung.<br />
Sie überprüfen dabei jedoch auch zusammen,<br />
ob Jan wirklich Recht hat oder ob ihm noch<br />
Wissen fehlt. Das hilft ihm, seine Aussagen selbst<br />
zu bewerten und einzuschätzen. Und Sie können<br />
gemeinsam die Wissenslücken füllen – oder sinnvolle<br />
Anregungen von Jan aufnehmen.<br />
Wichtig: Bleiben Sie positiv<br />
Behalten Sie Ihre gute Laune und sehen Sie das<br />
Positive an der Situation – Jan ist Auszubildender<br />
und muss vieles ausprobieren. Er engagiert sich,<br />
ist motiviert und will zum Erfolg beitragen. Mit<br />
Ihrer Hilfe wird er lernen, sein Engagement in die<br />
richtigen Worte zu fassen. Verlieren Sie nicht die<br />
Geduld. Das richtige Feingefühl für den Umgang<br />
mit Menschen zu entwickeln ist schließlich eine<br />
Kernaufgabe des Ausbilders.“<br />
■<br />
Haben Sie konkrete Problemstellungen<br />
oder Fragen, bei<br />
denen Sie sich Tipps wünschen?<br />
Schreiben Sie uns an:<br />
» redaktion@avr-verlag.de<br />
Abbildungen: © Pasuwan / Shutterstock.com<br />
18 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
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AUSBILDUNG<br />
STRENG VERTRAULICH<br />
Auszubildende gehen oft viel zu sorglos mit vertraulichen Informationen<br />
und Geschäftsgeheimnissen um. Deshalb ist es wichtig, sie für den verantwortungsvollen<br />
Umgang damit zu sensibilisieren und so negativen Folgen vorzubeugen.<br />
Gastbeitrag Ingrid Ute Ehlers und Regina Schäfer<br />
Wie schnell Auszubildende unternehmensinterne<br />
Informationen<br />
unbedacht offenlegen, zeigt sich<br />
an den folgenden Beispielen:<br />
» Sie erzählen im privaten Kreis von massiven<br />
Umsatzeinbußen.<br />
» Sie plaudern aus, welche Produktneuheit<br />
demnächst auf den Markt kommt.<br />
» Sie regen sich im Freundeskreis über die ihrer<br />
Meinung nach rückständige IT-Infrastruktur<br />
im Ausbildungsbetrieb auf.<br />
» Sie berichten namentlich von Kundinnen und<br />
Kunden mit Zahlungsschwierigkeiten.<br />
» Sie machen Selfies auf dem Werksgelände und posten<br />
die Fotos anschließend in sozialen Netzwerken.<br />
delt werden müssen, gehören Kundenbeschwerden,<br />
Fluktuation von Beschäftigten, Kurzarbeit und Entlassungen<br />
oder die Zahlungsmoral des Ausbildungsbetriebs<br />
und von Kunden.<br />
Orientierung geben<br />
Diese negativen Auswirkungen ihres Verhaltens<br />
sind den Auszubildenden bei solchen Verhaltensweisen<br />
meist nicht bewusst. Genau deswegen<br />
benötigen sie eine verlässliche Orientierung, bei<br />
welchen Informationen es sich um Betriebsgeheimnisse<br />
handelt. Dieses Thema muss daher in<br />
Unternehmensleitsätzen, Betriebsordnung und<br />
Ausbildungsvertrag eindringlich kommuniziert<br />
werden – und zwar in einer klaren Sprache mit<br />
entsprechenden Beispielen zu typischen Situationen<br />
im Ausbildungsalltag. Ausbilderinnen und<br />
Ausbilder sollten die Beispielsituationen zudem<br />
ausführlich mit den Auszubildenden besprechen,<br />
um die Informationen zu verankern und Missverständnissen<br />
entgegenzuwirken.<br />
» Sie dokumentieren Erlebnisse aus ihrem<br />
Ausbildungsalltag mit ihrem Smartphone und<br />
stellen andere Beschäftigte damit bloß.<br />
Solche und ähnliche Situationen resultieren aus einem<br />
Missverhältnis zwischen dem ungebremsten Mitteilungsbedürfnis<br />
vieler Auszubildender und ihrer sich<br />
noch entwickelnden persönlichen Reife. Jugendlichen<br />
fehlt oft die Erfahrung, um sich vorzustellen, welche<br />
Konsequenzen die Weitergabe solcher Informationen<br />
haben kann. Indiskretionen können nicht nur die Geschäftsbeziehungen<br />
und damit die wirtschaftliche Lage<br />
des Ausbildungsbetriebes belasten. Auch das Ansehen<br />
des Unternehmens als qualifizierter Ausbildungsbetrieb<br />
kann darunter leiden – was einen Wettbewerbsnachteil<br />
angesichts des aktuellen Fachkräftemangels<br />
darstellt. Zu den Informationen, die vertraulich behan-<br />
INGRID UTE EHLERS<br />
UND REGINA SCHÄFER<br />
sind als Trainerinnen und Fachautorinnen<br />
in Frankfurt am Main ansässig. Unter der<br />
Marke Vitamin-K-Plus.de unterstützen sie<br />
seit über 15 Jahren Ausbildungsbetriebe<br />
bei der Vermittlung von sozialen und persönlichen<br />
Kompetenzen an Auszubildende<br />
sowie beim Ausbildungsmarketing. Sie<br />
veröffentlichen regelmäßig Fachbeiträge<br />
zu den Themen Kommunikation im Beruf,<br />
Ausbildungsmarketing und interkulturelle<br />
Kompetenz.<br />
Abbildungen: © Fotostudio Firlé<br />
20 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
Aha-Erlebnisse bieten<br />
Um Auszubildenden verständlich zu machen, wie ihre<br />
Indiskretionen dem Unternehmen schaden können,<br />
greifen Ausbildungsverantwortliche am besten auf<br />
praxisnahe Situationen zurück und verpacken diese in<br />
ein fiktives Fallbeispiel. Dieses kann man gemeinsam<br />
mit den Azubis in einem Workshop spielerisch erarbeiten.<br />
Als Ausgangssituationen eignen sich typische,<br />
harmlos erscheinende Äußerungen. Im Anschluss<br />
erarbeitet die Gruppe gemeinsam ernste Folgen dieses<br />
Verhaltens wie beispielsweise die Verschlechterung<br />
der Kreditwürdigkeit, den Vertrauensverlust bei<br />
Geschäftsbeziehungen, einen Imageschaden in der<br />
Öffentlichkeit sowie Schwierigkeiten bei der Neubesetzung<br />
freier Stellen.<br />
Aha-Erlebnisse: Beispiele für geeignete<br />
Szenarien zur Reflexion<br />
In der S-Bahn sprechen zwei Azubis<br />
ausführlich und namentlich über die Zahlungsschwierigkeiten<br />
eines Großkunden.<br />
WARTUNGSTECHNIK IN DER AUSBILDUNG<br />
Mit Schulungen auf Industrie 4.0 Niveau Ihre<br />
Auszubildenden fit für den Wandel machen!<br />
BANG Ausbildungsnetzwerke<br />
Technologiepark 8 | 33100 Paderborn<br />
+49 5251 69405-0 | info@bang-netzwerke.de<br />
Eine Auszubildende erzählt auf einem<br />
Familienfest, dass der Ausbildungsbetrieb<br />
momentan kaum Aufträge hat.<br />
Ein Auszubildender postet auf einer öffentlichen<br />
Bewertungsplattform massive Kritik an den als<br />
schlecht empfundenen Arbeitsbedingungen.<br />
eduApps:<br />
DAS NEUE MUST-HAVE FÜR LEHRKRÄFTE<br />
Eine Auszubildende filmt Vorgesetzte in<br />
ausgelassener Stimmung auf dem Betriebsfest und<br />
veröffentlicht dies anschließend auf Youtube.<br />
Reflexionsfragen für die Auszubildenden<br />
Welche Personen/Unternehmen sind von<br />
diesem Verhalten betroffen?<br />
Auf welche Weise sind diese Personen/<br />
Unternehmen betroffen?<br />
Welche Folgen kann die Handlungsweise speziell<br />
für den Ausbildungsbetrieb haben?<br />
Wie wird das Bild des Unternehmens in der<br />
Öffentlichkeit dadurch beeinflusst?<br />
Wie denken mögliche Bewerber/-innen<br />
über den Ausbildungsbetrieb?<br />
Welche Konsequenzen können sich für<br />
mich als Azubi daraus ergeben?<br />
Hilfreiche<br />
Lehr- und<br />
Lern-Apps für<br />
Lehrkräfte<br />
Kostenlos und immer aktuell!<br />
Das neue Portal eduApps bietet eine<br />
Übersicht über digitale Angebote<br />
für Schule und Unterricht.<br />
Für alle Schul formen und Fächer.<br />
www.eduapps.de
AUSBILDUNG<br />
Vorbild sein<br />
Wie bei fast allen Aspekten, die das Verhältnis<br />
zwischen Ausbildungsbetrieb und Azubi<br />
betreffen, gilt auch beim verschwiegenen<br />
Umgang mit Vertraulichem: Es ist keine<br />
Einbahnstraße. Was man von den Auszubildenden<br />
erwartet, sollte man als Ausbildungsunternehmen<br />
auch leisten – aus Fairness, aber<br />
auch, weil so das Vertrauensverhältnis und die<br />
Motivation der Jugendlichen, sich ebenso zu<br />
verhalten, gestärkt wird.<br />
Wird diese Vorbildfunktion beim Thema Verschwiegenheit<br />
vom Ausbildungspersonal und dem restlichen<br />
Unternehmen vorgelebt, so hat dies eine eindrückliche<br />
Wirkung auf die Auszubildenden und ist daher ein<br />
wichtiger Baustein des Sensibilisierungsprozesses für<br />
vertrauliche Informationen. Durch das Zusammenspiel<br />
der geschilderten Maßnahmen können Ausbildungsverantwortliche<br />
bei ihren Nachwuchskräften den bewussten<br />
Umgang mit Betriebsgeheimnissen auf mehreren<br />
Ebenen fördern – und dem unbedarften Umgang mit<br />
Geschäftsgeheimnissen nachhaltig entgegenwirken. ■<br />
Tabelle 2: Vorbildliche Diskretion von Seiten<br />
des Ausbildungsbetriebes<br />
Verschwiegenheit<br />
bewahren...<br />
Beispielhafte Situationen<br />
...bei<br />
peinlichen<br />
Situationen<br />
» gravierende (nicht-fachliche)<br />
Wissenslücken bei Auszubildenden<br />
» Fehler bei Umgangs formen<br />
» Missgeschicke bei der Erledigung<br />
von Arbeitsaufträgen<br />
...bei<br />
persönlichen<br />
oder familiären<br />
Problemen<br />
» Krankheit in der Familie<br />
» Scheidung der Eltern<br />
» Pflegebedürftigkeit eines<br />
Familienmitglieds<br />
» Liebeskummer<br />
» Suchtprobleme<br />
» Eingewöhnungsschwierigkeiten/<br />
Heimweh<br />
...bei<br />
finanziellen<br />
Ausnahmesituationen<br />
» Vorschüsse auf die<br />
Ausbildungsvergütung<br />
» Verschuldung<br />
» gewährte<br />
Firmendarlehen<br />
» BAföG<br />
» Lohnpfändung<br />
» Unterhaltsverpflichtungen<br />
Abbildungen: © VideoFlow / Shutterstock.com<br />
22 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
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News<br />
BIBB-Leitfaden<br />
zur Ausbildung als<br />
kostenloser Download<br />
Der vom Bundesministerium<br />
für Bildung und<br />
Forschung geförderte<br />
„Leitfaden für ausbildende<br />
Fachkräfte“<br />
ist als kostenloses<br />
Pdf verfügbar. Enthalten<br />
sind Anregungen<br />
und Informationen<br />
zum Ausbildungsstart,<br />
zu Kommunikation und<br />
Feedback, zu Rechtsfragen<br />
und vielen weiteren<br />
Alltagsfragen<br />
der dualen Ausbildung.<br />
Der Leitfaden richtet<br />
sich an die große<br />
Gruppe der Fachkräfte,<br />
die in der Ausbildung<br />
involviert sind, aber<br />
keinen Abschluss nach<br />
der Ausbildereignungsverordnung<br />
vor-<br />
weisen müssen.<br />
» www.foraus.de/leitfadenausbildende-fachkraefte<br />
Materialien von<br />
Ausbildungsleitertagung online<br />
DDie Vorträge und Workshops der letzten Ausbildungsleitertagung für gewerblich-technische<br />
Berufe des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für<br />
Berufsbildung liegen nun online vor. Wegen Corona fand die Veranstaltung<br />
im November 2021 online statt. Die Vorträge und Dokumentationen der<br />
Workshops, etwa zu Themen wie Corona als Innovationstreiber oder<br />
erfolgreichem Talentmanagement, sind einsehbar auf:<br />
» www.kwb-berufsbildung.de/aktuelles/veranstaltungen<br />
KOSTENLOSE VORBEREITUNG AUF<br />
AUSBILDEREIGNUNGS PRÜFUNG<br />
Die IST Hochschule für Management stellt ab sofort kostenloses<br />
Lehrmaterial zur Vorbereitung auf die Ausbildereignungsprüfung<br />
der IHK zur Verfügung. Es umfasst Online-Vorlesungen, ein Lehrheft<br />
und einen Web-Test. Den Zugang zu den Materialien gibt es auf:<br />
» www.ist.de/studiumfueralle<br />
Rekordzahl unbesetzter<br />
Ausbildungsplätze<br />
2021 blieben 63 200 Ausbildungsstellen in Deutschland<br />
unbesetzt, so viele wie noch nie. Gleichzeitig<br />
stieg die Zahl der geschlossenen Verträge in der dualen<br />
Ausbildung um 1,2 Prozent auf 473 100 an. Das<br />
sind allerdings immer noch über 52 000 weniger als<br />
2<strong>01</strong>9, dem letzten Jahr vor Beginn der Coronapandemie.<br />
Alle Zahlen und Informationen auf:<br />
» www.bibb.de/de/149639.php<br />
Abbildungen: © Rido, ImageFlow / Shutterstock.com<br />
24 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
Jourist DC960<br />
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eignet sich ideal für den<br />
modernen Unterricht: Gestochen<br />
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und Fernbedienung<br />
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Ausbilderumfrage<br />
sucht nach<br />
Teilnehmenden<br />
Wie werden ausbildende Fachkräfte<br />
in den Ausbildungsbetrieben heute<br />
qualifiziert? Zu diesem Thema sucht<br />
eine aktuelle Ausbilderumfrage Antworten,<br />
die vom Ausbildungsportal<br />
AUBI-plus und der Ausbildungsexpertin<br />
Sabine Bleumortier durchgeführt<br />
wird. Ausbildungsleiter/-innen<br />
und ausbildende Fachkräfte können<br />
bis Ende April an der Online-Befragung<br />
teilnehmen, die Beantwortung<br />
dauert weniger als zehn Minuten.<br />
Die Umfrage findet nach 2<strong>01</strong>6 und<br />
2<strong>01</strong>9 bereits zum dritten Mal statt.<br />
Zur Umfrage:<br />
» www.ausbilderumfrage.de
WEITERBILDUNG<br />
DIE BILDUNGSWELT<br />
TRIFFT SICH IN KÖLN<br />
Die didacta – die Bildungsmesse in Köln ist verschoben.<br />
Sie findet wegen der steigenden Infektionszahlen in diesem Jahr nicht<br />
wie geplant Ende März statt, sondern vom 7. bis 11. Juni.<br />
Text Didacta Verband<br />
Die Bildungsmesse didacta<br />
ist auf Anfang Juni verschoben.<br />
„In Anbetracht<br />
der erneut steigenden Infektionszahlen<br />
war bei den Beteiligten die Unsicherheit<br />
groß, ob der Besuch einer Präsenzmesse<br />
möglich ist. Wir hatten auf<br />
eine andere Entwicklung gehofft, da die<br />
didacta vor allem vom persönlichen<br />
Austausch lebt“, sagte Reinhard Koslitz,<br />
Hauptgeschäftsführer des Didacta<br />
Verbandes. „Mit der Verschiebung der<br />
Bildungsmesse in den Juni wollen wir<br />
allen Bildungsverantwortlichen die<br />
Möglichkeit geben, an der didacta als<br />
wichtigstem Branchentreffpunkt und<br />
Fortbildungsveranstaltung vor Ort<br />
teilzunehmen.“ Die Messe mit dem<br />
abwechslungsreichen Programm findet<br />
nun im Sommer statt. Die Besucherinnen<br />
und Besucher erwarten vielfältige<br />
Seminare, Workshops und Vorträge in<br />
den Bildungsbereichen Kita, Schule,<br />
Berufliche Bildung und myQ/Weiterbildung.<br />
Auf vier Didacta-Foren diskutieren<br />
zudem zahlreiche Gäste aus der<br />
Praxis, der Wissenschaft, der Politik<br />
und der Wirtschaft über aktuelle Bildungsthemen.<br />
Erstmals mit dabei sein wird auch<br />
die Lehrkräftefortbildung mobile.<br />
schule, die ein eigenes Programm<br />
für Lehrerinnen und Lehrer bei der<br />
Messe anbieten wird. „Mit ihrem<br />
Ansatz von Lehrern für Lehrer ist<br />
mobile.schule ein sehr spannendes<br />
und zurecht beliebtes Format. Deshalb<br />
freuen wir uns, dass die mobile.<br />
schule das Programm der didacta in<br />
diesem Jahr verstärkt. Wir setzen auf<br />
Die Kernthemen auf der didacta<br />
Bildungsmesse:<br />
1. Digitalisierung<br />
Die digitale Transformation des Bildungswesens in<br />
allen Bildungsbereichen wird auf der didacta aus<br />
vielen Blickwinkeln beleuchtet werden.<br />
2. Fachkräftemangel<br />
Viele kleine und mittlere Unternehmen haben<br />
Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsstellen zu<br />
besetzen. In Zukunft könnte dieses Problem noch<br />
größer werden. Auf dem Forum Berufliche Bildung<br />
werden diese und andere aktuelle Themen der Aus-<br />
und Weiterbildung diskutiert.<br />
3. Schulen: Mehr als Lernorte<br />
In der Schule geht es um mehr als nur um<br />
die Vermittlung von Wissen – die Pandemie hat<br />
das deutlich gezeigt. Zum breiten Spektrum der<br />
Aufgaben – von Inklusion über politische Bildung<br />
bis zu sozialer Kompetenz – wird es auf der<br />
didacta zahlreiche Angebote geben.<br />
eine langfristige Zusammenarbeit, von<br />
der alle Bildungsinteressierten profitieren“,<br />
sagte Reinhard Koslitz. In der<br />
nächsten Ausgabe von <strong>Bildungspraxis</strong><br />
werden die Programm-Highlights<br />
näher vorgestellt.<br />
■<br />
» www.didacta-messe.de<br />
26 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
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vieler Verlage für alle Schulformen und<br />
Schulfächer zum sofortigen Download.<br />
www.netzwerk-lernen.de
WEITERBILDUNG<br />
ZUSAMMEN IST<br />
MAN STÄRKER<br />
Weiterbildungsverbünde können kleinen und<br />
mittleren Unternehmen dabei helfen, von neuen<br />
Technologien zu profitieren – etwa im<br />
Bereich der Fernwartungstechnik.<br />
Gastbeitrag Guido Schubert<br />
Wenn eine Maschine beim<br />
Kunden defekt ist, diese<br />
aber hunderte Kilometer<br />
entfernt ist, kommt es auf Schnelligkeit an. Jede<br />
Minute zählt: Produktionsausfälle von mehreren<br />
Stunden können sich schnell zu hohen Verlusten<br />
addieren. Um Wartungsprozesse zu optimieren<br />
und Verzögerungen zu vermeiden, hat sich in<br />
den letzten Jahren der Einsatz von Virtual Reality<br />
und Augmented Reality in der Wartungstechnik<br />
etabliert. Maschinen und Anlagen, die<br />
über solche Fernwartungssysteme gewartet und<br />
betreut werden, haben kürzere Standzeiten und<br />
eine längere Lebensdauer. Diese Technologien<br />
sind inzwischen mitten in Produktion, Vertrieb,<br />
Service, Ausbildung und Qualifizierung angekommen.<br />
Das gilt allerdings vor allem für große, finanzstarke<br />
Unternehmen.<br />
GUIDO SCHUBERT<br />
leitet das Ausbildungsnetzwerk<br />
BANG Nordschwarzwald. Er sieht die<br />
Digitalisierung als Chance für kleinere<br />
und mittlere Unternehmen – und die<br />
Mitarbeiterbindung und -gewinnung<br />
als wachsende Herausforderung.<br />
Abbildung: © LuckyStep / Shutterstock.com; Autorenfoto: BANG Netzwerke<br />
28 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
Wie können aber auch kleine und mittlere<br />
Unternehmen (KMU) von solchen technologischen<br />
Entwicklungen profitieren? Ein Ansatz,<br />
den die frühere ebenso wie die aktuelle Bundesregierung<br />
unterstützt, ist die Teilnahme an<br />
einem thematisch passenden Weiterbildungsverbund.<br />
In Weiterbildungsverbünden schließen<br />
sich Unternehmen, Bildungsanbieter und<br />
Arbeitsmarktakteure einer Region mit dem<br />
Ziel zusammen, Weiterbildungsmaßnahmen<br />
kostensparend über Betriebsgrenzen hinaus<br />
zu organisieren und so an neuen Technologien<br />
teilzuhaben, die sich vor allem in kleineren Unternehmen<br />
schwer erproben lassen.<br />
Entlastung beim Onboarding<br />
Bei der Qualifizierung bestehender Mitarbeiter/-<br />
innen, eine der großen Herausforderungen für<br />
KMU, ist ein solcher Weiterbildungsverbund<br />
besonders hilfreich. Er ist leicht erreichbar,<br />
denn er liegt in der Region, und das Qualifikationsangebot<br />
ist auf die Mitgliedsunternehmen<br />
zugeschnitten. Das lebenslange Lernen wird so<br />
Realität: Unternehmen, die sich im Verbund<br />
organisieren, erhöhen die Bildungsqualität, fördern<br />
den gegenseitigen Austausch unter Gleichgesinnten,<br />
senken Kosten und Risiken, machen<br />
den Qualifizierungsprozess kalkulierbar und<br />
nachhaltig. Und nicht zuletzt zeigen umfassende<br />
Weiterbildungsmöglichkeiten, die in solchen<br />
Verbünden umgesetzt werden, Wertschätzung<br />
gegenüber den Mitarbeitenden. Zudem kann<br />
eine Verbundlösung die Unternehmen auch<br />
beim „Onboarding“ und dem Anlernen neuer<br />
Kolleginnen und Kollegen entlasten. Kaum<br />
ein Mitarbeiter hat ausreichend Zeit, sich im<br />
laufenden Betrieb tief in neue Technologien<br />
einzuarbeiten, oder diese an neue Mitarbeiter<br />
weiterzuvermitteln. In der Trainingswerkstatt<br />
des Verbunds kann dies jedoch problemlos geschehen.<br />
Fehlinvestitionen vermeiden<br />
Am Beispiel der Wartungstechnik, insbesondere<br />
beim Einsatz von VR und AR und den damit<br />
verknüpften Software-Anwendungen, kann<br />
man veranschaulichen, wie die Verbundlösung<br />
die Wettbewerbsfähigkeit steigert: Auch wenn<br />
in den einzelnen Unternehmen die Technik<br />
noch nicht vorhanden ist, wird im Verbund mit<br />
neuester Software und aktuellen Geräten und<br />
VR-Brillen gearbeitet und gelernt. Hochspezialisierte<br />
Referent/-innen, die sich einzelne KMU<br />
oft nicht leisten können, werden im Verbund<br />
bezahlbar. Die beteiligten Unternehmen kommen<br />
so an das nötige Know-how, um die eigenen Wartungs-<br />
und Serviceprozesse zu überprüfen und<br />
neu aufzustellen. Mit geringen Eigenmitteln lassen<br />
sich neue Technologien ausprobieren und erproben<br />
und Fehlinvestitionen vermeiden – denn die<br />
Entscheidung für oder gegen die Anschaffung oder<br />
Einführung neuer Technologien beruht auf den im<br />
Verbund gesammelten Erfahrungen.<br />
Im Weiterbildungsverbund lassen sich Szenarien erproben<br />
und studieren. Zum Beispiel, welche Effekte<br />
es hat, wenn ein Unternehmen sein Service- und<br />
seine After-Sales-Angebote neu aufstellen möchte.<br />
Dieses Kennenlernen der Vor- und Nachteile hat<br />
Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung. Der<br />
persönliche Austausch mit den Spezialisten des<br />
Verbundes, das Durchspielen der eigenen Erwartungen<br />
anhand verschiedener Szenarien und das<br />
erfahrungsbasierte Aufstellen von Kosten-Nutzen-<br />
Analysen schärfen den Blick fürs Machbare.<br />
Wollen Unternehmen Technologien wie AR oder<br />
VR kennenlernen oder einführen, Mitarbeiter<br />
nachhaltig für den Umgang damit qualifizieren und<br />
ausbilden, sich dabei jedoch vor Fehlinvestitionen<br />
schützen und Anfängerfehler vermeiden, bietet es<br />
sich an, die Mitwirkung in einem naheliegenden<br />
Weiterbildungsverbund in Erwägung zu ziehen. ■<br />
Förderung von<br />
Weiterbildungsverbünden<br />
Das Bundesministerium für Arbeit<br />
und Soziales fördert mit dem<br />
Programm „Aufbau von Weiterbildungsverbünden“<br />
zahlreiche Verbundlösungen<br />
für die berufliche<br />
Bildung. Auf der Website des Ministeriums<br />
findet man, neben Informationen<br />
zur Förderung, unter anderem<br />
eine Übersicht über bestehende<br />
Weiterbildungsverbünde – eine gute<br />
Möglichkeit, sich einen Überblick<br />
über Kooperationsmöglichkeiten in<br />
der eigenen Region zu verschaffen.<br />
» www.bmas.de (Suchbegriff „Aufbau<br />
von Weiterbildungsverbünden“)<br />
›› BILDUNGSPRAXIS <strong>01</strong>/22 | 29
WEITERBILDUNG<br />
News<br />
Homeoffice schadet<br />
Produktivität nicht<br />
Rund 60 Prozent der Betriebe, die in der Pandemie Beschäftigten<br />
Homeoffice ermöglichten, gaben an, dass die<br />
Arbeit im Homeoffice keine Auswirkungen auf die Produktivität<br />
ihrer Beschäftigten hat. Das ergab die Novemberausgabe<br />
der monatlich durchgeführten repräsentativen<br />
Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ des<br />
Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Es befragt<br />
dafür jeden Monat bis zu 2000 Unternehmen. 40 Prozent<br />
der Betriebe schätzten ihre Homeoffice-Erfahrungen als<br />
positiv ein, 17 Prozent zogen eine negative Bilanz. 60 Prozent<br />
der Betriebe planen dennoch, ihr Homeoffice-Angebot<br />
auf das Niveau vor 2020 zurückzufahren.<br />
» www.iab.de<br />
Meisterprüfung im<br />
Handwerk reformiert<br />
Der Bundesrat hat im Dezember<br />
einer Verordnung zu Neuregelungen<br />
in der Meisterprüfung<br />
zugestimmt. Die Neuregelungen<br />
basieren auf dem im Sommer<br />
beschlossenen „Fünften Gesetz<br />
zur Änderung der Handwerksordnung<br />
und anderer handwerksrechtlicher<br />
Vorschriften“ und<br />
sehen vor, dass der Meisterprüfungsausschuss<br />
sich künftig<br />
nur mit administrativen<br />
Aspekten der Prüfung beschäftigt,<br />
aber nicht selbst die<br />
Prüfung abnimmt. Zu diesem<br />
Zweck sollen die Ausschüsse<br />
stattdessen einen Prüferpool<br />
aus mehreren Personen bestimmen,<br />
die flexibel bei den<br />
Prüfungen zum Einsatz<br />
kommen.<br />
Weiterbildung immer häufiger<br />
Thema in Stellenausschreibungen<br />
Der Anteil der Firmen, die in ihren Stellenangeboten Weiterbildung<br />
als Benefit nennen, lag 2021 mit 37,7 Prozent drei<br />
Prozentpunkte höher als im Vorjahr. Das ist das Ergebnis<br />
einer Analyse des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister.<br />
Für diesen Job-Navigator wurden rund 1,2<br />
Millionen Jobangebote im Oktober 2021 ausgewertet.<br />
» www.personaldienstleister.de/bap-job-navigator-11/<br />
2021-weiterbildung<br />
Abbildungen: © fizkes, Intarapong / Shutterstock.com<br />
30 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
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WEITERBILDUNG<br />
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Messen, Kongresse und Seminare für die berufliche Aus- und Weiterbildung<br />
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Ausbilderfortbildungen<br />
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Interesse an Aufstiegsfortbildungen 6.<br />
Wo? Online<br />
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APRIL <strong>2022</strong><br />
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15.<br />
MÄRZ <strong>2022</strong><br />
Ausbildungsleitertagung<br />
Für wen? Ausbilderinnen<br />
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Wo? Hamburg<br />
Die Tagung für kaufmännische Ausbildungsleiter<br />
des Kuratoriums der deutschen Wirtschaft für<br />
Berufsbildung wird nach mehreren coronabedingten<br />
Ausfällen diesen Mai wieder als Präsenzveranstaltung<br />
stattfinden. Kooperationspartner ist die Berufsgenossenschaft<br />
Handel- und Warenlogistik. Das Programm<br />
steht noch nicht fest, eine Vormerkung ist bereits<br />
möglich auf:<br />
» www.kwb-berufsbildung.de/<br />
aktuelles/veranstaltungen<br />
16. & 17.<br />
MAI <strong>2022</strong><br />
didacta Bildungsmesse<br />
Für wen? Alle Akteure aus<br />
dem Bildungsbereich<br />
Wo? Köln<br />
Zum ersten Mal seit Beginn der Coronapandemie<br />
wird Europas größte Bildungsmesse didacta im<br />
kommenden Juni wieder als Präsenzveranstaltung<br />
stattfinden. Neben Hunderten von Ausstellern aus<br />
dem Bildungsbereich wird es auf den Themenforen<br />
auch ein großes Veranstaltungsprogramm für die berufliche<br />
Bildung geben.<br />
» www.didacta-koeln.de<br />
7. – 11.<br />
JUNI <strong>2022</strong><br />
Human Resources Congress<br />
Für wen? Akteure aus<br />
dem HR-Bereich<br />
Wo? Düsseldorf<br />
Im Jahr <strong>2022</strong> findet in Düsseldorf wieder der HRocks<br />
Human Resources Congress, vormals Deutscher Ausbildungsleiterkongress,<br />
statt. Die Vorträge und Workshops<br />
drehen sich um die vier Hauptbereiche Ausbildung, Recruiting,<br />
Administration und Gesundheitsmanagement.<br />
Die Teilnahme kostet 799 Euro, für Berufsschulen gibt es<br />
einen Sonderpreis von 399 Euro. Alle Informationen auf:<br />
» www.hrocks.de/teilnehmerinfo<br />
7. – 9.<br />
NOVEMBER <strong>2022</strong><br />
32 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>
Der Bildungsprofi für Technik<br />
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Grundlagen der Elektrotechnik digital vermitteln<br />
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Eine Initiative der:<br />
der DIHK-Bildungs-gGmbH