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Bildungspraxis 01/2022

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1/<strong>2022</strong> | März / April | 192<strong>01</strong> | Deutschland 6,80 € | Österreich 7,50 € | Schweiz 11 CHF<br />

www.bildungspraxis.de<br />

AUSSCHAU HALTEN<br />

WELCHE KOMPETENZEN BRAUCHT<br />

BERUFSBILDUNG IN ZUKUNFT?<br />

AUSBILDUNG<br />

Berufsschulen<br />

brauchen Lehrkräfte<br />

IM FOKUS<br />

Kompetenzen<br />

für die Zukunft<br />

WEITERBILDUNG<br />

Verbünde helfen<br />

kleinen Betrieben


BILDUNG BRAUCHT EIN MITEINANDER.<br />

DER DIDACTA VERBAND – EIN STARKES NETZWERK.<br />

Für mehr Zusammenhalt und eine lebendige Demokratie:<br />

Damit sich diese nachhaltig entwickelt, knüpfen wir<br />

ein starkes Bildungsnetzwerk, das Perspektiven eröffnet.<br />

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EDITORIAL<br />

GERÜSTET SEIN<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Abbildung: © Sascha Kreklau<br />

Digitalisierung, neue Technologien<br />

und neue Arbeits- und Lernformen<br />

verändern die Ausbildung.<br />

Das hat auch Auswirkungen auf<br />

die Rolle des Ausbildungspersonals<br />

und betrifft nicht nur das nötige<br />

Fachwissen. Die heute weitverbreitete<br />

und anerkannte Verschiebung<br />

des Ausbilders oder der Ausbilderin<br />

hin zu Lernbegleitenden verlangt von ihnen<br />

neue Kompetenzen, die in der Vergangenheit<br />

weniger im Vordergrund standen. Welche dies<br />

sind und wie sie die Zukunft der beruflichen<br />

Bildung bestimmen, das steht im Fokus der<br />

neuen Ausgabe von <strong>Bildungspraxis</strong>.<br />

Lesen Sie in weiteren Beiträgen, wie Auszubildende<br />

für den Umgang mit Betriebsgeheimnissen<br />

sensibilisiert werden können, warum<br />

wir mehr Berufsschullehrkräfte brauchen und<br />

inwieweit Weiterbildungsverbünde neue<br />

Chancen bieten.<br />

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre, Ihr<br />

Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis<br />

Chefredakteur <strong>Bildungspraxis</strong><br />

7. –11. Juni <strong>2022</strong><br />

Live vor Ort in Köln und digital<br />

Erleben Sie auf Europas größter<br />

Bildungsmesse, welche neuen<br />

Impulse Digitalisierung setzt und<br />

wie sie konkret in zeitgemäße<br />

Bildungsangebote integriert wird.<br />

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Frühe Bildung<br />

Schule<br />

Berufliche Bildung/<br />

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AUSTAUSCH<br />

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INHALT<br />

Lehrermangel in den<br />

Berufsschulen begegnen, ab Seite 14.<br />

Umgang mit jungen<br />

Besserwissern, ab Seite 16.<br />

Im Fokus<br />

Zukunftskompetenzen in der<br />

beruflichen Bildung<br />

4 Was darf es denn sein?<br />

Welche Skills Ausbildung in Zukunft<br />

braucht<br />

8 „Es fehlen Formate zur Vernetzung“<br />

Austausch löst Probleme<br />

10 „On the job“ und „on demand“<br />

Neue Wege in der Weiterbildung<br />

Ausbildung<br />

14 „Man muss Menschen mögen“<br />

Berufliche Schulen leiden unter<br />

Lehrkräftemangel<br />

16 Der Bescheidwisser<br />

Wenn der Azubi sich überschätzt<br />

20 Streng vertraulich<br />

Azubis für Betriebsgeheimnisse<br />

sensibilisieren<br />

24 Ausbildung News<br />

Weiterbildung<br />

26 Die Bildungswelt trifft sich in Köln<br />

Die didacta Bildungsmesse<br />

28 Zusammen ist man stärker<br />

Von Weiterbildungsverbünden<br />

profitieren<br />

30 Weiterbildung News<br />

32 Veranstaltungen <strong>2022</strong><br />

DIE NÄCHSTE BILDUNGSPRAXIS ERSCHEINT IM MAI <strong>2022</strong>.<br />

2 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


IMPRESSUM<br />

›› Herausgeber: Didacta Ausstellungs- und Verlagsgesellschaft mbH<br />

Rheinstraße 94 • 64295 Darmstadt<br />

AVR Agentur für Werbung und Produktion GmbH<br />

Arabellastraße 17 • 81925 München<br />

›› Chefredaktion: Prof. Dr. mult. Wassilios E. Fthenakis (verantwortlich)<br />

wassilios@fthenakis.de<br />

›› Verlag und AVR Agentur für Werbung und Produktion GmbH<br />

Redaktionsanschrift: Arabellastraße 17 • 81925 München<br />

Telefon: +49 89 419694-43<br />

Fax: +49 89 4705364<br />

E-Mail:<br />

info@avr-werbeagentur.de<br />

bildungspraxis.magazin@avr-verlag.de<br />

Internet: www.avr-werbeagentur.de<br />

www.bildungspraxis.de<br />

›› Leser- und Aboservice: abo-bildungspraxis@easy-mail.de<br />

Tel: 089-4506621-0<br />

Aboverwaltung<br />

c/o Easy Mail GmbH<br />

Otto-Hahn-Str. 14<br />

85609 Aschheim<br />

›› Geschäftsführung: Thomas Klocke<br />

›› Gesamtleitung Tina Sprung<br />

Bildungsredaktion:<br />

›› Projekt- und Vincent Hochhausen<br />

Redaktionsleitung:<br />

›› Redaktion: Benigna Daubenmerkl<br />

Silvia Gallus<br />

Thorsten Timmerarens<br />

Marisa Balz<br />

›› Autoren und Mitarbeiter Ingrid Ute Ehlers<br />

dieser Ausgabe: Julia Knopf<br />

Regina Schäfer<br />

Marius Schönberger<br />

Guido Schubert<br />

Oliver Thomas<br />

Gabriele Weingärtner<br />

›› Anzeigenleitung: Kirstin Strecker • Telefon: +49 89 419694-57<br />

E-Mail: kstrecker@avr-verlag.de<br />

›› Mediaberatung: Anja Löscher • Telefon: +49 89 419694-33<br />

E-Mail: aloescher@avr-verlag.de<br />

›› Art Direction und Michaela Körner<br />

Bildredaktion:<br />

›› Grafik Design: Sabrina Gentner<br />

›› Composing: Udo Karohl<br />

›› Titelbild: © Alex SG / Shutterstock.com<br />

›› Erscheinungsweise: 4 × jährlich<br />

›› Druck: Weiss-Druck GmbH & Co. KG,<br />

Hans-Georg-Weiss-Straße 7, 52156 Monschau<br />

›› Preis des Heftes: Deutschland 6,80 € inkl. MwSt., Österreich 7,50 €,<br />

Schweiz 11 CHF<br />

›› Abonnement: Jahresabonnement (4 Hefte) 24 €, zzgl. Versandkosten<br />

Bestellung auf: www.bildungspraxis.de<br />

Hinweis:<br />

Beiträge freier Autoren geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder.<br />

Verleger zugleich Anschrift aller Verantwortlichen<br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand ist München. Nachdruck oder<br />

sonstige Vervielfältigung – auch auszugsweise – sind nur mit<br />

Genehmigung des Verlages gestattet. Für unaufgefordert eingesandtes<br />

Redaktionsmaterial übernimmt der Verlag keine Haftung.<br />

© AVR GmbH <strong>2022</strong><br />

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IM FOKUS<br />

Abbildungen: © Christiani; locrifa / Shutterstock.com; ifaa/Tania Walck<br />

4 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


WAS DARF ES<br />

DENN SEIN?<br />

Dass in Zukunft bestimmte Kompetenzen wichtiger<br />

werden, darüber sind sich alle einig. Aber welche genau?<br />

<strong>Bildungspraxis</strong> hat bei Fachleuten nachgefragt.<br />

Interviews Vincent Hochhausen<br />

Oliver Heckemann ist Mitglied der<br />

Geschäftsleitung beim Anbieter für<br />

technische Bildung Christiani.<br />

Bei den Kompetenzen der Zukunft muss man<br />

wie bisher zwischen fachlichen, sozialen und<br />

persönlichen Kompetenzen unterscheiden.<br />

Die wichtigste fachliche Kompetenz für Auszubildende,<br />

gerade im technischen Bereich, ist und bleibt die Handlungskompetenz,<br />

also die Fähigkeit, theoretisches Wissen<br />

im beruflichen Alltag optimal umzusetzen. Insofern muss<br />

dem Arbeiten mit konkreten Projekten noch größere Aufmerksamkeit<br />

gewidmet werden, aber auch dem Prozessverständnis.<br />

Denn die junge Generation wird maßgeblich an<br />

der Transformation der Prozesse arbeiten. Im technischen<br />

Sektor werden Themen wie Automatisierung, Smart-Hardware-Robotik<br />

und Datenanalyse eine bedeutende Rolle<br />

spielen, was auch Medienkompetenz erfordert.<br />

Es wird dabei deutlich, dass die Komplexität der Themen<br />

und Fragestellungen in den Unternehmen weiter zunimmt.<br />

Deshalb sind im Bereich der sozialen Kompetenz die<br />

Teamfähigkeit und Kooperationsbereitschaft künftig von<br />

größter Bedeutung. Das muss durch verstärktes Lernen in<br />

Teams in passenden Lernumgebungen gefördert werden –<br />

Stichwort Ermöglichungsdidaktik.<br />

Bei den persönlichen Kompetenzen sollte das kreative<br />

Denken mehr in den Vordergrund gestellt werden. Denn<br />

auch in Zukunft wird diese Fähigkeit den Menschen von<br />

der Maschine unterscheiden.“<br />

›› BILDUNGSPRAXIS <strong>01</strong>/22 | 5


IM FOKUS<br />

Catharina Stahn ist<br />

promovierte Psychologin<br />

und beschäftigt<br />

sich beim IFAA – Institut<br />

für angewandte<br />

Arbeitswissenschaft in<br />

Düsseldorf mit dem<br />

Thema Digitalisierung<br />

in der Arbeitswelt.<br />

Neben Formalqualifikationen<br />

spielt<br />

die Digitalisierung eine<br />

maßgebliche Rolle. Die<br />

damit einhergehenden<br />

Anforderungen sind<br />

vielfältig und berufsspezifisch.<br />

Generell wird<br />

der sichere Umgang mit<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

sowie die Fähigkeit,<br />

Informationen und Daten<br />

aus verschiedenen<br />

Quellen auszuwählen,<br />

anlassbezogen aufzubereiten und aufgabenbezogen<br />

zu interpretieren, noch wichtiger<br />

werden. Neugier und Offenheit sind gerade<br />

in Zeiten des Umbruchs von großem Vorteil.<br />

Dies wurde uns auch von betrieblichen<br />

Akteurinnen und Akteuren bestätigt, die<br />

wir zu den Auswirkungen der digitalen<br />

Technologien auf die Beschäftigten befragt<br />

haben. Die Befragten waren der Meinung,<br />

dass klassische Kompetenzen in den Bereichen<br />

Kommunikation und Problemlösung<br />

weiterhin wichtig bleiben. Beschäftigte – und<br />

damit auch Auszubildende – sind nach wie<br />

vor gefragt, sich einzubringen und über den<br />

Tellerrand der eigenen Tätigkeit hinauszuschauen.<br />

Um das zu vermitteln, sind eine enge Verzahnung<br />

und Kommunikation aller Akteure<br />

entscheidend. Das schließt nicht nur Ausbildungsverantwortliche<br />

im Betrieb und<br />

Lehrkräfte an den Schulen ein, sondern auch<br />

die Auszubildenden. Ihr Input ist wesentlich,<br />

um eine bestmögliche Kombination aus Theorie<br />

und Praxis zu erreichen.“<br />

Wichtig ist die Selbstlernkompetenz.<br />

Aber auch die Fähigkeit,<br />

interdisziplinär und berufsübergreifend<br />

in Teams zu arbeiten, wird immer<br />

bedeutender. Die Digitalisierungskompetenz<br />

und das Nachhaltigkeitsverständnis sind<br />

weitere wichtige Bausteine für den beruflichen<br />

Erfolg. Letztlich kommt es besonders<br />

darauf an, durch die Kompetenz der Veränderungsfähigkeit<br />

sich immer wieder auf neue<br />

Situation einstellen zu können. Wir beobachten<br />

zunehmend, dass die<br />

Robustheit der jungen Menschen<br />

sinkt und sie nicht mehr<br />

gewohnt sind, mit herausfordernden<br />

Situationen umzugehen.<br />

Deshalb ist es aus unserer<br />

Sicht wichtig, junge Menschen<br />

zu stabilisieren. Die pädagogische<br />

Arbeit mit den Aus-<br />

Udo Lemke ist Geschäftsführer<br />

des zubildenden muss verstärkt<br />

hessischen Bildungsanbieters<br />

Provadis<br />

werden. Um mehr Selbstlernkompetenz<br />

zu erreichen, sind<br />

Partner für Bildung<br />

und Beratung. digitale Lernformate wichtig.<br />

Sie ermöglichen außerdem, die<br />

Digitalisierungskompetenz zu<br />

steigern, was dringend erforderlich ist – allerdings<br />

nicht nur bei jungen Menschen.“<br />

Abbildungen: © Provadis; locrifa / Shutterstock.com; Lucas Nülle GmbH, Provadis Partner für Bildung und Beratung GmbH; ifaa/Tania Walck<br />

6 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


Jörg Ludwig ist<br />

Leiter der Geschäftsentwicklung<br />

beim<br />

nordrhein-westfälischen<br />

Lehrsystemhersteller<br />

Lucas<br />

Nülle.<br />

Es gibt so viele aktuelle Veränderungen<br />

in der Arbeitswelt,<br />

von Industrie 4.0 bis zu<br />

künstlicher Intelligenz. Damit verbunden<br />

sind viele Kompetenzen, aber eine der<br />

wichtigsten ist die Erschließung von digitalem<br />

Wissen. Also das Bewusstsein, wie<br />

man an relevante Informationen herankommt<br />

und sich neue Themen erschließt.<br />

Um diese Kompetenz zu schulen reicht es<br />

nicht, einfach allen ein Tablet zu geben.<br />

Digitales Lernen muss mit praktischem<br />

Handeln verbunden sein, das erhöht<br />

Motivation und Praxiskompetenz. Ausbilderinnen<br />

und Ausbilder müssen dafür kontinuierlich qualifiziert<br />

werden. Um die Verbindung von Technologie und Praxis bestmöglich<br />

zu verwirklichen bräuchte es Lernplattformen, die universell<br />

sind, auf denen man alle Inhalte findet und teilt. Es gibt<br />

schon viele gute Angebote auf betrieblicher oder Branchenebene,<br />

die aber eigentlich immer noch zu klein sind. Meine Idealvorstellung<br />

wäre eine gemeinsame bundesdeutsche Lernplattform<br />

für die Ausbildung, auf denen Ausbilder ihre Inhalte und Best-<br />

Practice-Beispiele für alle abrufbar machen können.“<br />

29. Internationale Fachmesse und Kongress<br />

zur Digitalisierung der Lern- und Arbeitswelt<br />

Bildung in einer Kultur der Digitalität<br />

Der Treffpunkt von Schulträgern,<br />

Schulleitungen,<br />

Workshops, Vorträge und Diskussionsrunden<br />

Medienzentren und Lehrkräften<br />

zum Erfahrungsund<br />

Informationsaustausch<br />

rund um die Digitalisierung<br />

der Schulen.<br />

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IM FOKUS<br />

„ES FEHLEN FORMATE<br />

ZUR VERNETZUNG“<br />

Zwei Berufsbildungsprofis wollen mit einer neuen Initiative Ausbilderinnen<br />

und Ausbilder dabei unterstützen, auf der Höhe der Zeit zu bleiben.<br />

Ihr Mittel: den Austausch untereinander fördern.<br />

Interview Vincent Hochhausen<br />

Im Interview<br />

MILENA PFLÜGL UND<br />

JANIN UTTERODT<br />

sind die Gründerinnen der Initiative<br />

Wir für Ausbildung. Milena Pflügl ist seit<br />

über zehn Jahren in der beruflichen Bildung<br />

tätig und hat selbst ein Bildungsunternehmen<br />

gegründet. Sie kennt sich mit<br />

digitalen Lerninhalten für Unternehmen<br />

aus. Janin Utterodt arbeitet als Spezialistin<br />

für Ausbildungs- und Nachwuchsmanagement<br />

in einem Konzern und hat<br />

schon einige Bildungsprojekte<br />

erfolgreich umgesetzt.<br />

<strong>Bildungspraxis</strong>: Was müssen<br />

Ausbilderinnen und Ausbilder heute<br />

mehr können als früher?<br />

Janin Utterodt: Ein Aspekt, der zwar<br />

schon immer zum Ausbilderberuf gehört<br />

hat, aber immer zentraler wird, ist<br />

die Bereitschaft, die eigenen fachlichen<br />

Kompetenzen fortlaufend weiterzuentwickeln.<br />

Denn die Inhalte verändern<br />

sich, unter anderem durch die Digitalisierung,<br />

teils sehr schnell. Man muss<br />

immer im Auge behalten, welche neuen<br />

Entwicklungen in die eigene Ausbildungsarbeit<br />

integriert werden. Aber genauso<br />

wichtig sind die überfachlichen<br />

Kompetenzen. Beispielsweise Empathie<br />

oder Sozialkompetenz. Vor allem in<br />

ihrer neuen Rolle als Lernbegleiter, die<br />

darin besteht, Lernenden den Raum<br />

zu geben, durch eigene Erfahrungen<br />

notwendige Fähigkeiten für den Beruf<br />

zu erwerben. Da die Auszubildenden<br />

verschiedene Vorkenntnisse und Persönlichkeiten<br />

mitbringen, brauchen die<br />

Ausbilder ein Gespür für die individuellen<br />

Lernbedürfnisse.<br />

Milena Pflügl: Das Thema Sozialkompetenz<br />

ist in allen Branchen aktuell.<br />

Eine weitere wichtige Kompetenz ist<br />

die Vernetzungsfähigkeit, also die<br />

Bereitschaft, Kontakte zu suchen und<br />

voneinander zu lernen. Informelle<br />

Lernangebote können dafür Gelegenheiten<br />

bieten.<br />

Sie sprachen die neue, begleitende Rolle<br />

von Ausbildern an. Wie verändert das<br />

die Arbeit des Ausbildungspersonals?<br />

Utterodt: Lernbegleiter gestalten Lernen<br />

multimedial. Die Herausforderung<br />

ist, das Angebot und den Lernprozess<br />

Abbildungen: © optimarc / Shutterstock.com; Wir für Ausbildung<br />

8 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


Dokumentenkameras<br />

für den Unterricht<br />

so zu designen, dass jeder gut durch die<br />

Ausbildung kommt. Das bedeutet auch,<br />

sich zurückzunehmen und die Lernenden<br />

beim selbständigen Lernen und<br />

Ausprobieren zu beobachten<br />

Pflügl: Diese neue Rolle, gepaart<br />

mit den digitalen Möglichkeiten, das<br />

Lernen zu gestalten, eröffnet Ausbilderinnen<br />

und Ausbildern viele Perspektiven,<br />

ist für viele aber auch eine<br />

Herausforderung. Die Ausbildung ist<br />

im Wandel, inhaltlich und technisch<br />

getrieben, und die Ausbildenden<br />

müssen mitgenommen und befähigt<br />

werden diesen neuen Anforderungen<br />

gerecht zu werden. Wenn diese Unterstützung<br />

da ist, dann entstehen ganz<br />

viele neue Möglichkeiten.<br />

Wo können Ausbilderinnen und<br />

Ausbilder sich diese Unterstützung<br />

holen?<br />

Utterodt: Das Weiterbildungsangebot<br />

für Ausbildungspersonal ist generell<br />

gut, besonders was die fachlichen<br />

Kompetenzen angeht. Was noch fehlt<br />

sind Formate, die Berufsbildungsprofis<br />

stärker miteinander vernetzen und<br />

ihnen erlauben, voneinander zu lernen<br />

und sich Ideen zu holen. Oft fehlt die<br />

Zeit für umfangreiche Seminare. Was<br />

es braucht sind flexible Formate, die<br />

gut in den Ausbilderalltag integrierbar<br />

sind.<br />

Pflügl: Manche Herausforderungen<br />

lassen sich zudem schwer in Weiterbildungsformaten<br />

abdecken. Wenn<br />

ich zu wenig Bewerber habe oder<br />

Jugendliche zusätzlich betreuen muss,<br />

weil sie Unterstützung benötigen, dann<br />

helfen Weiterbildungen nur bedingt.<br />

Der Austausch untereinander hingegen<br />

kann Lösungswege aufzeigen, etwa darüber,<br />

welches Talentfindungstool gut<br />

funktioniert oder wie man das Anlernen<br />

der neuen Azubis anpasst, um besondere<br />

Lernbedarfe zu ermitteln. Bei<br />

solchem informellen Lernen profitiert<br />

man oft am meisten. Wer diesen Vernetzungsprozess<br />

anstoßen will, kann,<br />

neben Initiativen wie unserer, zum Beispiel<br />

in der eigenen Region nach Partnern<br />

suchen, sei es bei den Kammern,<br />

Schulen oder Unternehmen.<br />

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ist ungemein praktisch. Mit 8MP Ultra-HD-Auflösung<br />

liefert sie ein detailreiches<br />

Bild. Der Kameraarm lässt sich<br />

ideal ausrichten. Die Lernvideos erstellen<br />

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Verbindung mit PC, Mac per USB.<br />

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Die Initiative Wir für Ausbildung<br />

„Viele Ausbilderinnen und Ausbilder fühlen sich den wachsenden<br />

Herausforderungen nicht gewachsen und haben<br />

die gleichen Fragen wie andere, es liegt nahe sie zu<br />

vernetzen“, sagt Milena Pfügl, eine der Gründerinnen<br />

der Initiative Wir für Ausbildung. Die Website und die<br />

Social Media Kanäle der Initiative sollen als Knotenpunkt<br />

dienen, um Interessierte in Austausch zu bringen<br />

und darüber hinaus einen Beitrag zur Attraktivität<br />

der beruflichen Bildung zu leisten.<br />

» www.wirfuerausbildung.de<br />

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IM FOKUS<br />

„ON THE JOB“ UND „ON DEMAND“<br />

Damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den veränderten Arbeitsprozessen in der<br />

digitalisierten Welt Schritt halten können, braucht es zeitgemäße betriebliche Weiterbildung.<br />

Das Konzept des Corporate Education Engineering bietet die Grundlage dafür.<br />

Gastbeitrag Julia Knopf, Oliver Thomas, Marius Schönberger<br />

Die digitale Transformation der Arbeit<br />

und Gesellschaft führt zu einem<br />

steigenden Bedarf an qualifizierten<br />

Fachkräften. Durch moderne Technologien, die mit<br />

der Digitalisierung einhergehen, verändern sich bestehende<br />

Arbeitsinhalte, -abläufe und -anforderungen<br />

nachhaltig. Dies betrifft nicht nur die Industrie,<br />

den Handel oder das Gesundheitswesen, sondern<br />

auch weniger digitalisierungsaffin erscheinende<br />

Branchen, wie etwa die Land- und Forstwirtschaft.<br />

Qualifizierung muss daher fester Bestandteil eines<br />

jeden Arbeitsplatzes werden.<br />

Deutschland ist gut aufgestellt<br />

Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist für den<br />

digitalen Wandel der Arbeitswelt gut gerüstet.<br />

Nach einer Erhebung des Digitalverbands Bitkom<br />

investierte die deutsche Wirtschaft im Jahr 2020<br />

in die digitale Weiterbildung: 70 Prozent der über<br />

1100 befragten Unternehmen gaben an, ihre Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter gezielt für die digitale<br />

Arbeitswelt fit zu machen. Bei der Erhebung des<br />

Digital-Indexes 2020 durch die Initiative D21,<br />

der ein jährliches Lagebild zum Digitalisierungsgrad<br />

liefert, zeigte sich, dass für 53 Prozent der<br />

Berufstätigen der digitale Wandel mehr positive<br />

Veränderungen in das Berufsleben bringt als negative.<br />

Ähnliche Ergebnisse erzielte eine Befragung<br />

unter Erwerbstätigen in Deutschland im Auftrag<br />

der Bertelsmann-Stiftung im Jahr 2<strong>01</strong>6. Demnach<br />

stehen Beschäftigte der Digitalisierung und den<br />

damit einhergehenden Veränderungen in ihrem<br />

Arbeitsalltag offen gegenüber. Die Bereitschaft zur<br />

Weiterbildung der Beschäftigten in Deutschland<br />

ist über alle Branchen hinweg hoch.<br />

Weiterbildungs bedarf steigt<br />

Die kürzeren Entwicklungszyklen innovativer<br />

Technologien führen zu steigenden Anforderungen<br />

an die Mitarbeiter und höherem Fort- und<br />

Weiterbildungsbedarf. Die Bedeutung von digitalen<br />

Grundkompetenzen beispielsweise im Umgang<br />

mit mobilen Endgeräten oder Standardsoftware<br />

nimmt zu. Allerdings verfügen nicht alle Unter-<br />

Abbildungen: © LookerStudio / Shutterstock.com; Universität des Saarlandes<br />

10 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


nehmen in Deutschland<br />

über genügend digital<br />

qualifizierte Mitarbeiter.<br />

Laut dem Digital-Index<br />

2020 werden 34 Prozent<br />

der Befragten in ihren<br />

Unternehmen ausreichend<br />

geschult, um mit digitalen<br />

Technologien kompetent<br />

umgehen zu können. Insbesondere<br />

kleine und mittlere<br />

Unternehmen (KMU) verfügen<br />

nicht immer über die<br />

zeitlichen, personellen und<br />

finanziellen Ressourcen,<br />

um ihre Mitarbeiter unternehmensspezifisch<br />

weiterzubilden. Laut dem KfW-<br />

Mittelstandspanel aus dem Jahr 2020 kann etwa ein<br />

Drittel der befragten KMU nicht ihren Bedarf an<br />

Digitalkompetenzen decken.<br />

Die Digitalisierung hat weitreichende Auswirkungen<br />

auf den Arbeitsmarkt und führt zu einer<br />

Veränderung der Tätigkeits- und Anforderungsstruktur.<br />

Dabei werden Beschäftigungsgruppen,<br />

deren Routineaufgaben durch moderne Technologien<br />

ersetzt werden können, stärker betroffen sein<br />

als andere. Auffällig ist, dass diese Gruppe deutlich<br />

unterdurchschnittlich häufig an betrieblichen<br />

Weiterbildungen teilnimmt. Lebenslanges Lernen<br />

sowie individuelle Weiterbildung sind jedoch<br />

wichtig, um negative Folgen für diese Beschäftigen<br />

zu vermeiden. Für Unternehmen besteht die<br />

Herausforderung darin, vorhandene oder sich<br />

abzeichnende Weiterbildungsbedarfe frühzeitig zu<br />

identifizieren und entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen<br />

zu planen und durchzuführen, individualisierte<br />

Lerninhalte zu schaffen sowie geeignete<br />

Lehr- und Lernsituationen zu ermöglichen.<br />

JULIA KNOPF<br />

ist Professorin für Fachdidaktik Deutsch<br />

Primarstufe und leitet das Forschungsinstitut<br />

Bildung Digital an der Universität des<br />

Saarlandes. Sie ist Gründungspartnerin der<br />

Didactic Innovations GmbH und Mitglied<br />

im Vorstand des Didacta Verbands e.V.<br />

OLIVER THOMAS<br />

ist Professor für Wirtschaftsinformatik<br />

an der Universität Osnabrück und Leiter<br />

des Forschungsbereichs Smart Enterprise<br />

Engineering beim Deutschen Forschungszentrum<br />

für Künstliche Intelligenz.<br />

MARIUS SCHÖNBERGER<br />

ist Geschäftsführer am Forschungsinstitut<br />

Bildung Digital an der Universität des<br />

Saarlandes.


KMU hinken noch hinterher<br />

Problematisch ist allerdings, dass viele KMU sich<br />

derzeit zu selten mit diesen Themen und Technologien<br />

beschäftigen. Oftmals werden analoge Lernangebote<br />

lediglich digitalisiert und unter der Prämisse,<br />

jeder Lernende sei gleich, in standardisierten<br />

Kursangeboten unternehmensweit zur Verfügung<br />

gestellt. Vielen Unternehmen fehlt es an didaktisch<br />

wertvollen Bildungsangeboten, die zum Unternehmen<br />

und den Bildungsbedarfen passen. Das Konzept<br />

des Corporate Education Engineering löst sich<br />

von diesen intranetbasierten Standardangeboten<br />

und rückt die Gestaltung digitaler Weiterbildungsangebote<br />

als Erfolgsfaktor für die Unternehmensentwicklung<br />

in den Fokus. Das Konzept setzt dabei<br />

auf innovative Formate und Technologien für den<br />

individuellen Kompetenzerwerb, die ein modulares<br />

und selbstbestimmtes Lernen unterstützen.<br />

So können beispielsweise Assistenzsysteme auf<br />

Basis Künstlicher Intelligenz (KI) auf individuelle<br />

Lernbedarfe eingehen und damit ein arbeitsplatzintegriertes<br />

Lernen „on the job“ sowie „on demand“<br />

ermöglichen. Corporate Education Engineering hat<br />

damit das Potenzial, auch Personengruppen für die<br />

nötige Weiterbildung zu gewinnen, die mit klassischen<br />

Kursen oder Lernmanagementsystemen nur<br />

schwer zu erreichen sind.<br />

Verstärkter Fokus auf Didaktik<br />

Corporate Education Engineering bedingt, dass<br />

die betriebliche Aus- und Weiterbildung neu gedacht<br />

wird. Hierzu gehört zunächst, die eigenen<br />

Ziele, Grundsätze und Qualifizierungsmission<br />

neu zu definieren. Dabei muss die Didaktik in<br />

den Vordergrund rücken. Dies ist in der aktuellen<br />

Weiterbildungspraxis noch nicht angekommen:<br />

Die Qualität betrieblicher Weiterbildungsangebote<br />

leidet häufig unter der fehlenden Berücksichtigung<br />

didaktischer Prinzipien und schlecht aufbereiteter<br />

Lehrmaterialien.<br />

Ein weiterer Erfolgsfaktor für die Mitarbeiterqualifizierung<br />

sind ausgebildete Trainerinnen und Trainer,<br />

die mit den digitalen Tools umgehen können. Traditionelle<br />

Lernmanagementsysteme sind in der Regel<br />

funktional überladen, sodass unerfahrene Trainer<br />

sich zunächst einarbeiten müssen. Sie müssen bei<br />

der Erstellung von Kursen und Lernangeboten unterstützt<br />

werden. Ein auf die Bedürfnisse der Trainer<br />

zugeschnittenes KI-basiertes Tool kann diese<br />

bei der didaktischen Gestaltung ihrer Aus- und<br />

Fortbildungseinheiten unterstützen, sie durch den<br />

Planungsprozess führen und somit für eine höhere<br />

Qualität der Kurse sorgen.<br />

Individualisierung als Leitbild<br />

Die individuelle Aus- und Weiterbildung der<br />

Lernenden muss als Leitbild in den Unternehmen<br />

positioniert werden. Dies bezieht sich nicht nur<br />

auf die spezifische Ausgestaltung der Lernangebote<br />

an den Werten des jeweiligen Unternehmens,<br />

sondern auch die gezielte Identifikation und Förderung<br />

ganz persönlicher Bedürfnisse, Interessen<br />

und Talente der Lernenden. Für die Planung ist<br />

ein Bottom-up-Ansatz zu empfehlen, der die<br />

Lernenden als Ausgangspunkt der Weiterbildung<br />

versteht.<br />

Zudem bieten sich intelligente, digitale Assistenzsysteme<br />

an, um Beschäftigten entsprechend ihrer<br />

Kompetenzen individuelle Aus- und Weiterbildungsangebote<br />

zu liefern. Besonders für KMU ist<br />

die Individualisierung der betrieblichen Weiterbildung<br />

immer an einen erhöhten Aufwand geknüpft.<br />

Finanzielle Hürden führen dazu, dass KMU von<br />

einer Freistellung ihrer Mitarbeiter für individuelle<br />

Weiterbildungsaktivitäten absehen. Dieser Aufwand<br />

steht allerdings in keinem Verhältnis zu dem Preis,<br />

den Unternehmen zahlen, wenn sie es verpassen,<br />

ihre Mitarbeiter rechtzeitig für zukünftige Kompetenzen<br />

weiterzubilden.<br />

■<br />

Im Überblick:<br />

» Die aktuelle Weiterbildungspraxis<br />

in den<br />

Unternehmen, insbesondere<br />

in KMU, ist dem rapide<br />

voranschreitenden<br />

technologischen Wandel<br />

nicht gewachsen.<br />

» Klassische Lernmethoden<br />

und standardisiertes<br />

Lernen sind veraltet und<br />

ignorieren didaktische<br />

Grundprinzipien wie<br />

Personalisierung oder<br />

Kompetenzorientierung.<br />

» Die didaktische Transformation<br />

der betrieblichen<br />

Aus- und Weiterbildung<br />

wird somit zum strategischen<br />

Wettbewerbsvorteil.<br />

12 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


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AUSBILDUNG<br />

„MAN MUSS MENSCHEN MÖGEN“<br />

Es fehlt zunehmend an Lehrkräften an beruflichen Schulen. Pankraz Männlein erklärt,<br />

wieso dies die Schulqualität gefährdet und was man dagegen tun kann.<br />

Interview Vincent Hochhausen<br />

Im Interview<br />

PANKRAZ MÄNNLEIN<br />

ist Vorsitzender des Verbandes der<br />

Lehrer an beruflichen Schulen in<br />

Bayern. Er leitet die Staatliche<br />

Berufsschule III in Bamberg.<br />

<strong>Bildungspraxis</strong>: Wie viele Lehrerinnen<br />

und Lehrer fehlen an beruflichen Schulen?<br />

Pankraz Männlein: Aktuell fehlen bundesweit<br />

rund 10 000 bis 15 000 Lehrkräfte.<br />

Genaue Zahlen gibt es leider nicht, aber<br />

die Schätzungen sind realistisch. Bei rund<br />

125 000 Lehrkräften an beruflichen Schulen<br />

bundesweit ist das eine ganze Menge.<br />

Leider wird dieser Fehlbestand sogar noch<br />

größer werden, denn der Ersatzbedarf für<br />

ausscheidende Lehrkräfte liegt laut einer<br />

Studie der Bertelsmann Stiftung von 2<strong>01</strong>8<br />

bis 2030 bei rund 40 000. Diese Zahl ist<br />

weitaus höher als die Zahl der Lehramtsstudierenden,<br />

die nachrücken.<br />

Welche Folgen hat das?<br />

Vor allem Unterrichtsausfall und zu<br />

große Klassen. Schon jetzt werden einzelne<br />

Fächer bisweilen nicht erteilt, wie<br />

Sport oder Religion, andere nur reduziert,<br />

wie etwa Englisch. Ganz dramatisch<br />

wird es, wenn berufsbezogener<br />

Fachunterricht betroffen ist, denn das<br />

bedeutet eine große Gefährdung für<br />

die Ausbildungsqualität. Oft fehlen<br />

Zeitressourcen für Förderung, Integration<br />

oder das Angebot von Projektarbeit.<br />

Teilweise müssen sich Schulen<br />

und Lehrkräfte entscheiden, ob sie Abstriche<br />

beim Unterricht oder bei der<br />

Lehrkräftefortbildung machen, die in<br />

unserem Beruf enorm wichtig ist. Und<br />

ein weiterer Aspekt, der oft übersehen<br />

wird: Berufliche Schulen bieten auch<br />

alle allgemeinen Schulabschlüsse an.<br />

Unterrichtsausfall und -reduzierung<br />

betrifft daher nicht nur die Jugendlichen<br />

selbst, sondern auch die Qualität<br />

der Schulabschlüsse.<br />

Abbildungen: © Jacob Lund / Shutterstock.com; Christian Ecker<br />

14 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


Warum rücken so wenige<br />

Lehrkräfte nach?<br />

Wir haben eine lange und anspruchsvolle<br />

Ausbildung. Man braucht ein<br />

zehnsemestriges Universitätsstudium,<br />

das entweder eine duale Ausbildung<br />

oder ein einjähriges Betriebspraktikum<br />

voraussetzt. Danach kommt noch ein<br />

anderthalb- bis zweijähriges Referendariat.<br />

Wir reden also über rund acht<br />

Jahre Ausbildungszeit, vorausgesetzt alles<br />

läuft glatt. Und Auslandsaufenthalte,<br />

die ja immer wichtiger werden, sind da<br />

noch nicht eingerechnet. Zum anderen<br />

herrscht an vielen Schulen ein Modernitätsrückstand.<br />

Inwiefern?<br />

Wenn man in der Ausbildung und im<br />

Studium innovative Lehr- und Lernkonzepte<br />

kennengelernt hat und deren<br />

Umsetzung im Unterricht dann zum<br />

Beispiel an fehlender IT-Infrastruktur<br />

scheitert, ist das frustrierend. Solche<br />

Beispiele verbreiten sich schnell und<br />

wirken sich auf die Entscheidung<br />

von angehenden Lehramtsstudenten<br />

aus, die sich dann für eine Tätigkeit<br />

in der Wirtschaft entscheiden. Dazu<br />

kommen auch noch weitere herausfordernde<br />

Bedingungen wie heterogene<br />

Schülerschaft, große Klassen<br />

und hohe Prüfungsbelastung. Auch<br />

sind die Verdienstmöglichkeiten und<br />

Beschäftigungsbedingungen nicht besonders<br />

beeindruckend im Vergleich<br />

zur freien Wirtschaft. Viele Nachwuchslehrkräfte<br />

werden in der<br />

Praktikumsphase des Studiums<br />

abgeworben.<br />

Wie kann man Lehrkräfte<br />

unter diesen Umständen für die<br />

beruflichen Schulen gewinnen?<br />

All diese Probleme lassen sich lösen,<br />

wenn man den Arbeitsplatz berufliche<br />

Schule attraktiv macht. Man braucht<br />

entsprechende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen,<br />

angemessene<br />

Verdienst-, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.<br />

Letztlich aber<br />

muss das Image des Lehramtes an<br />

beruflichen Schulen dringend aufgewertet<br />

werden. Das werden wir nur<br />

dann erreichen, wenn es uns gelingt,<br />

das Herausfordernde und Lohnende<br />

einer Lehrertätigkeit herauszustellen,<br />

die gleichzeitig Unterstützung und<br />

gesellschaftliche Anerkennung<br />

verdient.<br />

Was macht diese Tätigkeit<br />

denn so besonders?<br />

Wir arbeiten mit jungen Menschen<br />

an der Schnittstelle zum prallen Leben.<br />

Die Jugendlichen sind dabei, den<br />

Grundstein zu ihrem Platz in der Gesellschaft<br />

zu legen. Ein spannender und<br />

wichtiger Prozess. Gleichzeitig begleitet<br />

man alle Entwicklungen und Veränderungen<br />

der Arbeitswelt und bereitet die<br />

Schülerinnen und Schüler darauf vor.<br />

Das macht die Tätigkeit so anspruchsvoll<br />

und abwechslungsreich.<br />

Müsste der Quereinstieg<br />

leichter werden, um den<br />

Lehrkräftemangel zu beheben?<br />

Ich finde das ist keine Frage von<br />

„leichter werden“. Wir brauchen Quereinsteiger,<br />

sie bringen wichtige eigene<br />

Erfahrungen mit, die die Schulen<br />

bereichern. Daher müssen wir diese<br />

künftigen Kolleginnen und Kollegen so<br />

qualifizieren, dass sie als Lehrkräfte erfolgreich<br />

sind. Es braucht dafür gut vorbereitete<br />

und inhaltlich entsprechend<br />

angelegte Programme. Wir müssen<br />

dabei von Quereinsteigern die Qualifizierung<br />

verlangen, die sie für ihre Unterrichtspraxis<br />

benötigen. Dazu gehört<br />

auch ein Referendariat. Damit der Weg<br />

über den Quereinstieg angenommen<br />

werden kann, müssen die Länder dieser<br />

Bewerbergruppe besondere finanzielle<br />

Anreize bieten.<br />

Was müssen angehende Berufsschullehrkräfte<br />

also mitbringen?<br />

Neben den berufsfachlichen Kompetenzen<br />

vor allem Empathie, Freude an<br />

der Arbeit mit jungen Menschen und<br />

Teamfähigkeit. Man muss bereit dazu<br />

sein, sich selbst zu hinterfragen und<br />

sich lebenslang weiterzubilden. Und<br />

eine ganz wichtige Eigenschaft, ohne<br />

die es nicht geht: Man muss Menschen<br />

mögen!<br />

■<br />

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AUSBILDUNG<br />

DER BESCHEIDWISSER<br />

Motivation ist gut – aber wenn Azubis zu sehr von sich selbst überzeugt sind,<br />

kann das zu Problemen führen. Ausbildungscoach Gabriele Weingärtner zeigt,<br />

wie man solche Situationen einfühlsam und positiv löst.<br />

Die<br />

Herausforderung<br />

Gastbeitrag Gabriele Weingärtner<br />

Simon Gaudi, 33, ist Ausbilder in einem Familienunternehmen, das maßgeschneiderte Inneneinrichtungen<br />

verkauft. Er ist für Jan, Auszubildender zum Kaufmann im Einzelhandel<br />

im zweiten Ausbildungsjahr, verantwortlich. Gaudi schildert folgende Herausforderung:<br />

„Jan ist interessiert und zeigt Engagement in der Ausbildung. Leider neigt er stark dazu, mir und anderen<br />

Mitarbeitern Ratschläge zu geben, die meist nicht sinnvoll sind. Ich habe den Eindruck, er überschätzt<br />

sich häufig. Jetzt mag ich bald nicht mehr – ich weiß, dass ich nicht allwissend bin, aber muss ich mir<br />

ständig von meinem Auszubildenden sagen lassen, wie ich meine Abteilung zu führen habe, was ich dem<br />

Kunden verkaufen soll, wie ich meine Arbeit machen soll? Ich bin selbst noch jung und habe für so viel<br />

Motivation und Engagement Verständnis – aber manchmal frage ich mich, wer der Azubi und wer der<br />

Ausbilder ist. Wie soll ich mit dieser Situation umgehen? Ich will Jan nicht demotivieren, aber ich finde,<br />

er sollte sich bei Themen, bei denen ihm die Erfahrung und das Fachwissen fehlen, zurückhalten.“<br />

Abbildungen: Ausbilder-Akademie GmbH; © fizkes / Shutterstock.com<br />

16 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


Gabriele Weingärtner<br />

ist Trainerin und<br />

Coach und leitet die<br />

Ausbilder-Akademie<br />

GmbH.<br />

„Sie schildern eine<br />

verzwickte Situation.<br />

Auf der einen Seite<br />

beschreiben Sie einen<br />

Auszubildenden, von<br />

dem viele Betriebe<br />

träumen: Jan ist hoch motiviert, engagiert und aktiv.<br />

Das sind nicht nur wertvolle Eigenschaften, die<br />

ihm auf dem Weg zum beruflichen Erfolg helfen<br />

werden. Es sind auch Schlüsselkompetenzen, die<br />

wir als Ausbilderinnen und Ausbilder als Bausteine<br />

der beruflichen Handlungsfähigkeit in der Ausbildung<br />

entwickeln und fördern wollen. Andererseits<br />

scheint Jan zur Besserwisserei zu neigen und seine<br />

Meinungen auch ungefragt zu äußern. Aufgrund<br />

der noch fehlenden Erfahrung sind diese nicht<br />

immer richtig oder zielführend. Das wirkt sehr<br />

schnell unpassend und belehrend. Und es betrifft<br />

nicht nur Sie, es kann auch die Kollegen und<br />

Kolleginnen oder sogar Kundinnen und Kunden<br />

verärgern. Sie sollten also zeitnah handeln, bevor<br />

ein Konflikt daraus entsteht. Sie brauchen im Umgang<br />

mit Jan nun eine große Portion an Empathie,<br />

Geduld und Fingerspitzengefühl. Es wäre falsch,<br />

Jan voreilig in die Schranken zu weisen, insbesondere<br />

nicht im Kollegenkreis oder vor Kunden.<br />

Das Verhalten zu ignorieren ist aber auch keine<br />

Lösung. Planen Sie also ein Feedbackgespräch mit<br />

Jan. Wichtig ist ein ausreichend großes Zeitfenster,<br />

in dem Sie beide ungestört und ohne Termindruck<br />

sprechen können.<br />

Agieren Sie als Coach<br />

In der Rolle als Coach geben Sie Jan Impulse zum<br />

kritischen Hinterfragen seines Verhaltens und zur<br />

Verbesserung seiner sozialen Kompetenz. Durch<br />

gezielte Fragen erkennt Jan, dass sein Verhalten<br />

manchmal unpassend ist. Sie spiegeln sein Verhalten<br />

und dessen Wirkung auf die anderen und helfen<br />

ihm, Lösungen zu finden, ohne diese vorzugeben.<br />

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AUSBILDUNG<br />

Probieren Sie im Gespräch mit Jan folgende<br />

Coaching-Fragen aus:<br />

» Welche Wirkung löst du deiner Meinung nach<br />

aus, wenn du den erfahrenen Kolleginnen<br />

oder Kollegen ungefragt Ratschläge gibst?<br />

» Welchen Eindruck hinterlässt deiner<br />

Meinung nach dieses Verhalten?<br />

» Was würdest du als Ausbilder denken oder<br />

tun, wenn dein Azubi alles besser weiß,<br />

aber dies oft nicht richtig ist?<br />

» Was motiviert dich zu diesem Verhalten?<br />

» Warum könnte hier ein Problem in der<br />

Zusammenarbeit entstehen?<br />

» Was könntest du tun, um das zu verändern?<br />

» Was würde wohl passieren, wenn du dich<br />

anders verhältst?<br />

» Was schlägst du vor?<br />

» Was würdest du an meiner Stelle tun?<br />

» Was können wir alle tun, um eine<br />

Verbesserung herbeizuführen?<br />

Beschreiben Sie Ihre Emotionen<br />

Geben Sie Jan Feedback darüber, wie seine Äußerungen<br />

auf Sie wirken. Nutzen Sie bewusst Ich-<br />

Botschaften, um Ihre Wahrnehmung zu schildern.<br />

Schildern Sie, wie Sie sich fühlen, wenn Sie ständig<br />

verbessert und korrigiert werden. Laden Sie Jan<br />

ein, sich in Ihre Rolle zu versetzen. Fragen Sie ihn<br />

„Wie würdest du dich fühlen, wenn du ständig<br />

verbesserst und korrigierst wirst?“ Durch diesen<br />

Perspektivenwechsel kann Jan verstehen, was seine<br />

Aussagen bei Ihnen auslösen und darüber nachdenken<br />

– und beim nächsten Mal sein Verhalten<br />

ändern.<br />

Hinterfragen Sie Jans Aussagen<br />

in konkreten Situationen<br />

Jan scheint sich auszukennen – aber stimmt das<br />

auch? Hinterfragen Sie seine Ideen hinter seinen<br />

Aussagen in bestimmten Situationen und gehen Sie<br />

mit ihm tiefer in die Materie, diskutieren Sie die<br />

Fakten und gehen Sie ruhig in die Details. Damit<br />

zeigen Sie Interesse, signalisieren Ihre Wertschätzung.<br />

Sie überprüfen dabei jedoch auch zusammen,<br />

ob Jan wirklich Recht hat oder ob ihm noch<br />

Wissen fehlt. Das hilft ihm, seine Aussagen selbst<br />

zu bewerten und einzuschätzen. Und Sie können<br />

gemeinsam die Wissenslücken füllen – oder sinnvolle<br />

Anregungen von Jan aufnehmen.<br />

Wichtig: Bleiben Sie positiv<br />

Behalten Sie Ihre gute Laune und sehen Sie das<br />

Positive an der Situation – Jan ist Auszubildender<br />

und muss vieles ausprobieren. Er engagiert sich,<br />

ist motiviert und will zum Erfolg beitragen. Mit<br />

Ihrer Hilfe wird er lernen, sein Engagement in die<br />

richtigen Worte zu fassen. Verlieren Sie nicht die<br />

Geduld. Das richtige Feingefühl für den Umgang<br />

mit Menschen zu entwickeln ist schließlich eine<br />

Kernaufgabe des Ausbilders.“<br />

■<br />

Haben Sie konkrete Problemstellungen<br />

oder Fragen, bei<br />

denen Sie sich Tipps wünschen?<br />

Schreiben Sie uns an:<br />

» redaktion@avr-verlag.de<br />

Abbildungen: © Pasuwan / Shutterstock.com<br />

18 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


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AUSBILDUNG<br />

STRENG VERTRAULICH<br />

Auszubildende gehen oft viel zu sorglos mit vertraulichen Informationen<br />

und Geschäftsgeheimnissen um. Deshalb ist es wichtig, sie für den verantwortungsvollen<br />

Umgang damit zu sensibilisieren und so negativen Folgen vorzubeugen.<br />

Gastbeitrag Ingrid Ute Ehlers und Regina Schäfer<br />

Wie schnell Auszubildende unternehmensinterne<br />

Informationen<br />

unbedacht offenlegen, zeigt sich<br />

an den folgenden Beispielen:<br />

» Sie erzählen im privaten Kreis von massiven<br />

Umsatzeinbußen.<br />

» Sie plaudern aus, welche Produktneuheit<br />

demnächst auf den Markt kommt.<br />

» Sie regen sich im Freundeskreis über die ihrer<br />

Meinung nach rückständige IT-Infrastruktur<br />

im Ausbildungsbetrieb auf.<br />

» Sie berichten namentlich von Kundinnen und<br />

Kunden mit Zahlungsschwierigkeiten.<br />

» Sie machen Selfies auf dem Werksgelände und posten<br />

die Fotos anschließend in sozialen Netzwerken.<br />

delt werden müssen, gehören Kundenbeschwerden,<br />

Fluktuation von Beschäftigten, Kurzarbeit und Entlassungen<br />

oder die Zahlungsmoral des Ausbildungsbetriebs<br />

und von Kunden.<br />

Orientierung geben<br />

Diese negativen Auswirkungen ihres Verhaltens<br />

sind den Auszubildenden bei solchen Verhaltensweisen<br />

meist nicht bewusst. Genau deswegen<br />

benötigen sie eine verlässliche Orientierung, bei<br />

welchen Informationen es sich um Betriebsgeheimnisse<br />

handelt. Dieses Thema muss daher in<br />

Unternehmensleitsätzen, Betriebsordnung und<br />

Ausbildungsvertrag eindringlich kommuniziert<br />

werden – und zwar in einer klaren Sprache mit<br />

entsprechenden Beispielen zu typischen Situationen<br />

im Ausbildungsalltag. Ausbilderinnen und<br />

Ausbilder sollten die Beispielsituationen zudem<br />

ausführlich mit den Auszubildenden besprechen,<br />

um die Informationen zu verankern und Missverständnissen<br />

entgegenzuwirken.<br />

» Sie dokumentieren Erlebnisse aus ihrem<br />

Ausbildungsalltag mit ihrem Smartphone und<br />

stellen andere Beschäftigte damit bloß.<br />

Solche und ähnliche Situationen resultieren aus einem<br />

Missverhältnis zwischen dem ungebremsten Mitteilungsbedürfnis<br />

vieler Auszubildender und ihrer sich<br />

noch entwickelnden persönlichen Reife. Jugendlichen<br />

fehlt oft die Erfahrung, um sich vorzustellen, welche<br />

Konsequenzen die Weitergabe solcher Informationen<br />

haben kann. Indiskretionen können nicht nur die Geschäftsbeziehungen<br />

und damit die wirtschaftliche Lage<br />

des Ausbildungsbetriebes belasten. Auch das Ansehen<br />

des Unternehmens als qualifizierter Ausbildungsbetrieb<br />

kann darunter leiden – was einen Wettbewerbsnachteil<br />

angesichts des aktuellen Fachkräftemangels<br />

darstellt. Zu den Informationen, die vertraulich behan-<br />

INGRID UTE EHLERS<br />

UND REGINA SCHÄFER<br />

sind als Trainerinnen und Fachautorinnen<br />

in Frankfurt am Main ansässig. Unter der<br />

Marke Vitamin-K-Plus.de unterstützen sie<br />

seit über 15 Jahren Ausbildungsbetriebe<br />

bei der Vermittlung von sozialen und persönlichen<br />

Kompetenzen an Auszubildende<br />

sowie beim Ausbildungsmarketing. Sie<br />

veröffentlichen regelmäßig Fachbeiträge<br />

zu den Themen Kommunikation im Beruf,<br />

Ausbildungsmarketing und interkulturelle<br />

Kompetenz.<br />

Abbildungen: © Fotostudio Firlé<br />

20 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


Aha-Erlebnisse bieten<br />

Um Auszubildenden verständlich zu machen, wie ihre<br />

Indiskretionen dem Unternehmen schaden können,<br />

greifen Ausbildungsverantwortliche am besten auf<br />

praxisnahe Situationen zurück und verpacken diese in<br />

ein fiktives Fallbeispiel. Dieses kann man gemeinsam<br />

mit den Azubis in einem Workshop spielerisch erarbeiten.<br />

Als Ausgangssituationen eignen sich typische,<br />

harmlos erscheinende Äußerungen. Im Anschluss<br />

erarbeitet die Gruppe gemeinsam ernste Folgen dieses<br />

Verhaltens wie beispielsweise die Verschlechterung<br />

der Kreditwürdigkeit, den Vertrauensverlust bei<br />

Geschäftsbeziehungen, einen Imageschaden in der<br />

Öffentlichkeit sowie Schwierigkeiten bei der Neubesetzung<br />

freier Stellen.<br />

Aha-Erlebnisse: Beispiele für geeignete<br />

Szenarien zur Reflexion<br />

In der S-Bahn sprechen zwei Azubis<br />

ausführlich und namentlich über die Zahlungsschwierigkeiten<br />

eines Großkunden.<br />

WARTUNGSTECHNIK IN DER AUSBILDUNG<br />

Mit Schulungen auf Industrie 4.0 Niveau Ihre<br />

Auszubildenden fit für den Wandel machen!<br />

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Eine Auszubildende erzählt auf einem<br />

Familienfest, dass der Ausbildungsbetrieb<br />

momentan kaum Aufträge hat.<br />

Ein Auszubildender postet auf einer öffentlichen<br />

Bewertungsplattform massive Kritik an den als<br />

schlecht empfundenen Arbeitsbedingungen.<br />

eduApps:<br />

DAS NEUE MUST-HAVE FÜR LEHRKRÄFTE<br />

Eine Auszubildende filmt Vorgesetzte in<br />

ausgelassener Stimmung auf dem Betriebsfest und<br />

veröffentlicht dies anschließend auf Youtube.<br />

Reflexionsfragen für die Auszubildenden<br />

Welche Personen/Unternehmen sind von<br />

diesem Verhalten betroffen?<br />

Auf welche Weise sind diese Personen/<br />

Unternehmen betroffen?<br />

Welche Folgen kann die Handlungsweise speziell<br />

für den Ausbildungsbetrieb haben?<br />

Wie wird das Bild des Unternehmens in der<br />

Öffentlichkeit dadurch beeinflusst?<br />

Wie denken mögliche Bewerber/-innen<br />

über den Ausbildungsbetrieb?<br />

Welche Konsequenzen können sich für<br />

mich als Azubi daraus ergeben?<br />

Hilfreiche<br />

Lehr- und<br />

Lern-Apps für<br />

Lehrkräfte<br />

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Das neue Portal eduApps bietet eine<br />

Übersicht über digitale Angebote<br />

für Schule und Unterricht.<br />

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AUSBILDUNG<br />

Vorbild sein<br />

Wie bei fast allen Aspekten, die das Verhältnis<br />

zwischen Ausbildungsbetrieb und Azubi<br />

betreffen, gilt auch beim verschwiegenen<br />

Umgang mit Vertraulichem: Es ist keine<br />

Einbahnstraße. Was man von den Auszubildenden<br />

erwartet, sollte man als Ausbildungsunternehmen<br />

auch leisten – aus Fairness, aber<br />

auch, weil so das Vertrauensverhältnis und die<br />

Motivation der Jugendlichen, sich ebenso zu<br />

verhalten, gestärkt wird.<br />

Wird diese Vorbildfunktion beim Thema Verschwiegenheit<br />

vom Ausbildungspersonal und dem restlichen<br />

Unternehmen vorgelebt, so hat dies eine eindrückliche<br />

Wirkung auf die Auszubildenden und ist daher ein<br />

wichtiger Baustein des Sensibilisierungsprozesses für<br />

vertrauliche Informationen. Durch das Zusammenspiel<br />

der geschilderten Maßnahmen können Ausbildungsverantwortliche<br />

bei ihren Nachwuchskräften den bewussten<br />

Umgang mit Betriebsgeheimnissen auf mehreren<br />

Ebenen fördern – und dem unbedarften Umgang mit<br />

Geschäftsgeheimnissen nachhaltig entgegenwirken. ■<br />

Tabelle 2: Vorbildliche Diskretion von Seiten<br />

des Ausbildungsbetriebes<br />

Verschwiegenheit<br />

bewahren...<br />

Beispielhafte Situationen<br />

...bei<br />

peinlichen<br />

Situationen<br />

» gravierende (nicht-fachliche)<br />

Wissenslücken bei Auszubildenden<br />

» Fehler bei Umgangs formen<br />

» Missgeschicke bei der Erledigung<br />

von Arbeitsaufträgen<br />

...bei<br />

persönlichen<br />

oder familiären<br />

Problemen<br />

» Krankheit in der Familie<br />

» Scheidung der Eltern<br />

» Pflegebedürftigkeit eines<br />

Familienmitglieds<br />

» Liebeskummer<br />

» Suchtprobleme<br />

» Eingewöhnungsschwierigkeiten/<br />

Heimweh<br />

...bei<br />

finanziellen<br />

Ausnahmesituationen<br />

» Vorschüsse auf die<br />

Ausbildungsvergütung<br />

» Verschuldung<br />

» gewährte<br />

Firmendarlehen<br />

» BAföG<br />

» Lohnpfändung<br />

» Unterhaltsverpflichtungen<br />

Abbildungen: © VideoFlow / Shutterstock.com<br />

22 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


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AUSBILDUNG<br />

News<br />

BIBB-Leitfaden<br />

zur Ausbildung als<br />

kostenloser Download<br />

Der vom Bundesministerium<br />

für Bildung und<br />

Forschung geförderte<br />

„Leitfaden für ausbildende<br />

Fachkräfte“<br />

ist als kostenloses<br />

Pdf verfügbar. Enthalten<br />

sind Anregungen<br />

und Informationen<br />

zum Ausbildungsstart,<br />

zu Kommunikation und<br />

Feedback, zu Rechtsfragen<br />

und vielen weiteren<br />

Alltagsfragen<br />

der dualen Ausbildung.<br />

Der Leitfaden richtet<br />

sich an die große<br />

Gruppe der Fachkräfte,<br />

die in der Ausbildung<br />

involviert sind, aber<br />

keinen Abschluss nach<br />

der Ausbildereignungsverordnung<br />

vor-<br />

weisen müssen.<br />

» www.foraus.de/leitfadenausbildende-fachkraefte<br />

Materialien von<br />

Ausbildungsleitertagung online<br />

DDie Vorträge und Workshops der letzten Ausbildungsleitertagung für gewerblich-technische<br />

Berufe des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für<br />

Berufsbildung liegen nun online vor. Wegen Corona fand die Veranstaltung<br />

im November 2021 online statt. Die Vorträge und Dokumentationen der<br />

Workshops, etwa zu Themen wie Corona als Innovationstreiber oder<br />

erfolgreichem Talentmanagement, sind einsehbar auf:<br />

» www.kwb-berufsbildung.de/aktuelles/veranstaltungen<br />

KOSTENLOSE VORBEREITUNG AUF<br />

AUSBILDEREIGNUNGS PRÜFUNG<br />

Die IST Hochschule für Management stellt ab sofort kostenloses<br />

Lehrmaterial zur Vorbereitung auf die Ausbildereignungsprüfung<br />

der IHK zur Verfügung. Es umfasst Online-Vorlesungen, ein Lehrheft<br />

und einen Web-Test. Den Zugang zu den Materialien gibt es auf:<br />

» www.ist.de/studiumfueralle<br />

Rekordzahl unbesetzter<br />

Ausbildungsplätze<br />

2021 blieben 63 200 Ausbildungsstellen in Deutschland<br />

unbesetzt, so viele wie noch nie. Gleichzeitig<br />

stieg die Zahl der geschlossenen Verträge in der dualen<br />

Ausbildung um 1,2 Prozent auf 473 100 an. Das<br />

sind allerdings immer noch über 52 000 weniger als<br />

2<strong>01</strong>9, dem letzten Jahr vor Beginn der Coronapandemie.<br />

Alle Zahlen und Informationen auf:<br />

» www.bibb.de/de/149639.php<br />

Abbildungen: © Rido, ImageFlow / Shutterstock.com<br />

24 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


Jourist DC960<br />

Dokumentenkamera<br />

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eignet sich ideal für den<br />

modernen Unterricht: Gestochen<br />

scharfes Live-Bild auf dem<br />

Beamer oder Smartboard per<br />

HDMI oder VGA, mit einer 8<br />

Megapixel Auflösung, Mausbedienung<br />

und Fernbedienung<br />

mit Bedienbuttons am Gehäuse<br />

sowie einem SD-Karten Slot, integriertem<br />

Mikrofon und einem<br />

einklappbaren Kameraarm, der<br />

sich bequem auf Vorlagen und<br />

Objekte ausrichten lässt.<br />

» www.scanner.expert<br />

Ausbilderumfrage<br />

sucht nach<br />

Teilnehmenden<br />

Wie werden ausbildende Fachkräfte<br />

in den Ausbildungsbetrieben heute<br />

qualifiziert? Zu diesem Thema sucht<br />

eine aktuelle Ausbilderumfrage Antworten,<br />

die vom Ausbildungsportal<br />

AUBI-plus und der Ausbildungsexpertin<br />

Sabine Bleumortier durchgeführt<br />

wird. Ausbildungsleiter/-innen<br />

und ausbildende Fachkräfte können<br />

bis Ende April an der Online-Befragung<br />

teilnehmen, die Beantwortung<br />

dauert weniger als zehn Minuten.<br />

Die Umfrage findet nach 2<strong>01</strong>6 und<br />

2<strong>01</strong>9 bereits zum dritten Mal statt.<br />

Zur Umfrage:<br />

» www.ausbilderumfrage.de


WEITERBILDUNG<br />

DIE BILDUNGSWELT<br />

TRIFFT SICH IN KÖLN<br />

Die didacta – die Bildungsmesse in Köln ist verschoben.<br />

Sie findet wegen der steigenden Infektionszahlen in diesem Jahr nicht<br />

wie geplant Ende März statt, sondern vom 7. bis 11. Juni.<br />

Text Didacta Verband<br />

Die Bildungsmesse didacta<br />

ist auf Anfang Juni verschoben.<br />

„In Anbetracht<br />

der erneut steigenden Infektionszahlen<br />

war bei den Beteiligten die Unsicherheit<br />

groß, ob der Besuch einer Präsenzmesse<br />

möglich ist. Wir hatten auf<br />

eine andere Entwicklung gehofft, da die<br />

didacta vor allem vom persönlichen<br />

Austausch lebt“, sagte Reinhard Koslitz,<br />

Hauptgeschäftsführer des Didacta<br />

Verbandes. „Mit der Verschiebung der<br />

Bildungsmesse in den Juni wollen wir<br />

allen Bildungsverantwortlichen die<br />

Möglichkeit geben, an der didacta als<br />

wichtigstem Branchentreffpunkt und<br />

Fortbildungsveranstaltung vor Ort<br />

teilzunehmen.“ Die Messe mit dem<br />

abwechslungsreichen Programm findet<br />

nun im Sommer statt. Die Besucherinnen<br />

und Besucher erwarten vielfältige<br />

Seminare, Workshops und Vorträge in<br />

den Bildungsbereichen Kita, Schule,<br />

Berufliche Bildung und myQ/Weiterbildung.<br />

Auf vier Didacta-Foren diskutieren<br />

zudem zahlreiche Gäste aus der<br />

Praxis, der Wissenschaft, der Politik<br />

und der Wirtschaft über aktuelle Bildungsthemen.<br />

Erstmals mit dabei sein wird auch<br />

die Lehrkräftefortbildung mobile.<br />

schule, die ein eigenes Programm<br />

für Lehrerinnen und Lehrer bei der<br />

Messe anbieten wird. „Mit ihrem<br />

Ansatz von Lehrern für Lehrer ist<br />

mobile.schule ein sehr spannendes<br />

und zurecht beliebtes Format. Deshalb<br />

freuen wir uns, dass die mobile.<br />

schule das Programm der didacta in<br />

diesem Jahr verstärkt. Wir setzen auf<br />

Die Kernthemen auf der didacta<br />

Bildungsmesse:<br />

1. Digitalisierung<br />

Die digitale Transformation des Bildungswesens in<br />

allen Bildungsbereichen wird auf der didacta aus<br />

vielen Blickwinkeln beleuchtet werden.<br />

2. Fachkräftemangel<br />

Viele kleine und mittlere Unternehmen haben<br />

Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsstellen zu<br />

besetzen. In Zukunft könnte dieses Problem noch<br />

größer werden. Auf dem Forum Berufliche Bildung<br />

werden diese und andere aktuelle Themen der Aus-<br />

und Weiterbildung diskutiert.<br />

3. Schulen: Mehr als Lernorte<br />

In der Schule geht es um mehr als nur um<br />

die Vermittlung von Wissen – die Pandemie hat<br />

das deutlich gezeigt. Zum breiten Spektrum der<br />

Aufgaben – von Inklusion über politische Bildung<br />

bis zu sozialer Kompetenz – wird es auf der<br />

didacta zahlreiche Angebote geben.<br />

eine langfristige Zusammenarbeit, von<br />

der alle Bildungsinteressierten profitieren“,<br />

sagte Reinhard Koslitz. In der<br />

nächsten Ausgabe von <strong>Bildungspraxis</strong><br />

werden die Programm-Highlights<br />

näher vorgestellt.<br />

■<br />

» www.didacta-messe.de<br />

26 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


Digitale Unterrichtsmaterialien<br />

vieler Verlage für alle Schulformen und<br />

Schulfächer zum sofortigen Download.<br />

www.netzwerk-lernen.de


WEITERBILDUNG<br />

ZUSAMMEN IST<br />

MAN STÄRKER<br />

Weiterbildungsverbünde können kleinen und<br />

mittleren Unternehmen dabei helfen, von neuen<br />

Technologien zu profitieren – etwa im<br />

Bereich der Fernwartungstechnik.<br />

Gastbeitrag Guido Schubert<br />

Wenn eine Maschine beim<br />

Kunden defekt ist, diese<br />

aber hunderte Kilometer<br />

entfernt ist, kommt es auf Schnelligkeit an. Jede<br />

Minute zählt: Produktionsausfälle von mehreren<br />

Stunden können sich schnell zu hohen Verlusten<br />

addieren. Um Wartungsprozesse zu optimieren<br />

und Verzögerungen zu vermeiden, hat sich in<br />

den letzten Jahren der Einsatz von Virtual Reality<br />

und Augmented Reality in der Wartungstechnik<br />

etabliert. Maschinen und Anlagen, die<br />

über solche Fernwartungssysteme gewartet und<br />

betreut werden, haben kürzere Standzeiten und<br />

eine längere Lebensdauer. Diese Technologien<br />

sind inzwischen mitten in Produktion, Vertrieb,<br />

Service, Ausbildung und Qualifizierung angekommen.<br />

Das gilt allerdings vor allem für große, finanzstarke<br />

Unternehmen.<br />

GUIDO SCHUBERT<br />

leitet das Ausbildungsnetzwerk<br />

BANG Nordschwarzwald. Er sieht die<br />

Digitalisierung als Chance für kleinere<br />

und mittlere Unternehmen – und die<br />

Mitarbeiterbindung und -gewinnung<br />

als wachsende Herausforderung.<br />

Abbildung: © LuckyStep / Shutterstock.com; Autorenfoto: BANG Netzwerke<br />

28 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


Wie können aber auch kleine und mittlere<br />

Unternehmen (KMU) von solchen technologischen<br />

Entwicklungen profitieren? Ein Ansatz,<br />

den die frühere ebenso wie die aktuelle Bundesregierung<br />

unterstützt, ist die Teilnahme an<br />

einem thematisch passenden Weiterbildungsverbund.<br />

In Weiterbildungsverbünden schließen<br />

sich Unternehmen, Bildungsanbieter und<br />

Arbeitsmarktakteure einer Region mit dem<br />

Ziel zusammen, Weiterbildungsmaßnahmen<br />

kostensparend über Betriebsgrenzen hinaus<br />

zu organisieren und so an neuen Technologien<br />

teilzuhaben, die sich vor allem in kleineren Unternehmen<br />

schwer erproben lassen.<br />

Entlastung beim Onboarding<br />

Bei der Qualifizierung bestehender Mitarbeiter/-<br />

innen, eine der großen Herausforderungen für<br />

KMU, ist ein solcher Weiterbildungsverbund<br />

besonders hilfreich. Er ist leicht erreichbar,<br />

denn er liegt in der Region, und das Qualifikationsangebot<br />

ist auf die Mitgliedsunternehmen<br />

zugeschnitten. Das lebenslange Lernen wird so<br />

Realität: Unternehmen, die sich im Verbund<br />

organisieren, erhöhen die Bildungsqualität, fördern<br />

den gegenseitigen Austausch unter Gleichgesinnten,<br />

senken Kosten und Risiken, machen<br />

den Qualifizierungsprozess kalkulierbar und<br />

nachhaltig. Und nicht zuletzt zeigen umfassende<br />

Weiterbildungsmöglichkeiten, die in solchen<br />

Verbünden umgesetzt werden, Wertschätzung<br />

gegenüber den Mitarbeitenden. Zudem kann<br />

eine Verbundlösung die Unternehmen auch<br />

beim „Onboarding“ und dem Anlernen neuer<br />

Kolleginnen und Kollegen entlasten. Kaum<br />

ein Mitarbeiter hat ausreichend Zeit, sich im<br />

laufenden Betrieb tief in neue Technologien<br />

einzuarbeiten, oder diese an neue Mitarbeiter<br />

weiterzuvermitteln. In der Trainingswerkstatt<br />

des Verbunds kann dies jedoch problemlos geschehen.<br />

Fehlinvestitionen vermeiden<br />

Am Beispiel der Wartungstechnik, insbesondere<br />

beim Einsatz von VR und AR und den damit<br />

verknüpften Software-Anwendungen, kann<br />

man veranschaulichen, wie die Verbundlösung<br />

die Wettbewerbsfähigkeit steigert: Auch wenn<br />

in den einzelnen Unternehmen die Technik<br />

noch nicht vorhanden ist, wird im Verbund mit<br />

neuester Software und aktuellen Geräten und<br />

VR-Brillen gearbeitet und gelernt. Hochspezialisierte<br />

Referent/-innen, die sich einzelne KMU<br />

oft nicht leisten können, werden im Verbund<br />

bezahlbar. Die beteiligten Unternehmen kommen<br />

so an das nötige Know-how, um die eigenen Wartungs-<br />

und Serviceprozesse zu überprüfen und<br />

neu aufzustellen. Mit geringen Eigenmitteln lassen<br />

sich neue Technologien ausprobieren und erproben<br />

und Fehlinvestitionen vermeiden – denn die<br />

Entscheidung für oder gegen die Anschaffung oder<br />

Einführung neuer Technologien beruht auf den im<br />

Verbund gesammelten Erfahrungen.<br />

Im Weiterbildungsverbund lassen sich Szenarien erproben<br />

und studieren. Zum Beispiel, welche Effekte<br />

es hat, wenn ein Unternehmen sein Service- und<br />

seine After-Sales-Angebote neu aufstellen möchte.<br />

Dieses Kennenlernen der Vor- und Nachteile hat<br />

Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung. Der<br />

persönliche Austausch mit den Spezialisten des<br />

Verbundes, das Durchspielen der eigenen Erwartungen<br />

anhand verschiedener Szenarien und das<br />

erfahrungsbasierte Aufstellen von Kosten-Nutzen-<br />

Analysen schärfen den Blick fürs Machbare.<br />

Wollen Unternehmen Technologien wie AR oder<br />

VR kennenlernen oder einführen, Mitarbeiter<br />

nachhaltig für den Umgang damit qualifizieren und<br />

ausbilden, sich dabei jedoch vor Fehlinvestitionen<br />

schützen und Anfängerfehler vermeiden, bietet es<br />

sich an, die Mitwirkung in einem naheliegenden<br />

Weiterbildungsverbund in Erwägung zu ziehen. ■<br />

Förderung von<br />

Weiterbildungsverbünden<br />

Das Bundesministerium für Arbeit<br />

und Soziales fördert mit dem<br />

Programm „Aufbau von Weiterbildungsverbünden“<br />

zahlreiche Verbundlösungen<br />

für die berufliche<br />

Bildung. Auf der Website des Ministeriums<br />

findet man, neben Informationen<br />

zur Förderung, unter anderem<br />

eine Übersicht über bestehende<br />

Weiterbildungsverbünde – eine gute<br />

Möglichkeit, sich einen Überblick<br />

über Kooperationsmöglichkeiten in<br />

der eigenen Region zu verschaffen.<br />

» www.bmas.de (Suchbegriff „Aufbau<br />

von Weiterbildungsverbünden“)<br />

›› BILDUNGSPRAXIS <strong>01</strong>/22 | 29


WEITERBILDUNG<br />

News<br />

Homeoffice schadet<br />

Produktivität nicht<br />

Rund 60 Prozent der Betriebe, die in der Pandemie Beschäftigten<br />

Homeoffice ermöglichten, gaben an, dass die<br />

Arbeit im Homeoffice keine Auswirkungen auf die Produktivität<br />

ihrer Beschäftigten hat. Das ergab die Novemberausgabe<br />

der monatlich durchgeführten repräsentativen<br />

Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ des<br />

Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Es befragt<br />

dafür jeden Monat bis zu 2000 Unternehmen. 40 Prozent<br />

der Betriebe schätzten ihre Homeoffice-Erfahrungen als<br />

positiv ein, 17 Prozent zogen eine negative Bilanz. 60 Prozent<br />

der Betriebe planen dennoch, ihr Homeoffice-Angebot<br />

auf das Niveau vor 2020 zurückzufahren.<br />

» www.iab.de<br />

Meisterprüfung im<br />

Handwerk reformiert<br />

Der Bundesrat hat im Dezember<br />

einer Verordnung zu Neuregelungen<br />

in der Meisterprüfung<br />

zugestimmt. Die Neuregelungen<br />

basieren auf dem im Sommer<br />

beschlossenen „Fünften Gesetz<br />

zur Änderung der Handwerksordnung<br />

und anderer handwerksrechtlicher<br />

Vorschriften“ und<br />

sehen vor, dass der Meisterprüfungsausschuss<br />

sich künftig<br />

nur mit administrativen<br />

Aspekten der Prüfung beschäftigt,<br />

aber nicht selbst die<br />

Prüfung abnimmt. Zu diesem<br />

Zweck sollen die Ausschüsse<br />

stattdessen einen Prüferpool<br />

aus mehreren Personen bestimmen,<br />

die flexibel bei den<br />

Prüfungen zum Einsatz<br />

kommen.<br />

Weiterbildung immer häufiger<br />

Thema in Stellenausschreibungen<br />

Der Anteil der Firmen, die in ihren Stellenangeboten Weiterbildung<br />

als Benefit nennen, lag 2021 mit 37,7 Prozent drei<br />

Prozentpunkte höher als im Vorjahr. Das ist das Ergebnis<br />

einer Analyse des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister.<br />

Für diesen Job-Navigator wurden rund 1,2<br />

Millionen Jobangebote im Oktober 2021 ausgewertet.<br />

» www.personaldienstleister.de/bap-job-navigator-11/<br />

2021-weiterbildung<br />

Abbildungen: © fizkes, Intarapong / Shutterstock.com<br />

30 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


Der Bildungsprofi für Technik<br />

| Schule | Ausbildung | Hochschule | Weiterbildung<br />

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WEITERBILDUNG<br />

VERANSTALTUNGEN <strong>2022</strong><br />

Messen, Kongresse und Seminare für die berufliche Aus- und Weiterbildung<br />

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Info-Webinar<br />

Ausbilderfortbildungen<br />

Für wen? Ausbilder/-innen mit<br />

Interesse an Aufstiegsfortbildungen 6.<br />

Wo? Online<br />

D<br />

APRIL <strong>2022</strong><br />

ie Ausbilderakademie GmbH<br />

bietet Aufstiegsfortbildungen<br />

zum Aus- und Weiterbildungspädagogen und zum<br />

Berufs pädagogen an. In kostenlosen Zoom-Webinaren<br />

informieren die Veranstalter über die Inhalte und Organisation<br />

des Lehrgangs sowie über Fördermöglichkeiten.<br />

Teilnehmer brauchen lediglich ein<br />

Endgerät mit Internetzugang sowie<br />

Kamera und Mikrofon.<br />

» www.ausbilder-akademie.de<br />

15.<br />

MÄRZ <strong>2022</strong><br />

Ausbildungsleitertagung<br />

Für wen? Ausbilderinnen<br />

und Ausbilder<br />

Wo? Hamburg<br />

Die Tagung für kaufmännische Ausbildungsleiter<br />

des Kuratoriums der deutschen Wirtschaft für<br />

Berufsbildung wird nach mehreren coronabedingten<br />

Ausfällen diesen Mai wieder als Präsenzveranstaltung<br />

stattfinden. Kooperationspartner ist die Berufsgenossenschaft<br />

Handel- und Warenlogistik. Das Programm<br />

steht noch nicht fest, eine Vormerkung ist bereits<br />

möglich auf:<br />

» www.kwb-berufsbildung.de/<br />

aktuelles/veranstaltungen<br />

16. & 17.<br />

MAI <strong>2022</strong><br />

didacta Bildungsmesse<br />

Für wen? Alle Akteure aus<br />

dem Bildungsbereich<br />

Wo? Köln<br />

Zum ersten Mal seit Beginn der Coronapandemie<br />

wird Europas größte Bildungsmesse didacta im<br />

kommenden Juni wieder als Präsenzveranstaltung<br />

stattfinden. Neben Hunderten von Ausstellern aus<br />

dem Bildungsbereich wird es auf den Themenforen<br />

auch ein großes Veranstaltungsprogramm für die berufliche<br />

Bildung geben.<br />

» www.didacta-koeln.de<br />

7. – 11.<br />

JUNI <strong>2022</strong><br />

Human Resources Congress<br />

Für wen? Akteure aus<br />

dem HR-Bereich<br />

Wo? Düsseldorf<br />

Im Jahr <strong>2022</strong> findet in Düsseldorf wieder der HRocks<br />

Human Resources Congress, vormals Deutscher Ausbildungsleiterkongress,<br />

statt. Die Vorträge und Workshops<br />

drehen sich um die vier Hauptbereiche Ausbildung, Recruiting,<br />

Administration und Gesundheitsmanagement.<br />

Die Teilnahme kostet 799 Euro, für Berufsschulen gibt es<br />

einen Sonderpreis von 399 Euro. Alle Informationen auf:<br />

» www.hrocks.de/teilnehmerinfo<br />

7. – 9.<br />

NOVEMBER <strong>2022</strong><br />

32 | ›› BILDUNGSPRAXIS – <strong>01</strong>/<strong>2022</strong>


Der Bildungsprofi für Technik<br />

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Grundlagen der Elektrotechnik digital vermitteln<br />

Unsere E-Learnings für die Elektrotechnik vermitteln alle relevanten Lerninhalte,<br />

die ihre Auszubildenden kennen müssen. Das Gesamtpaket Basics beinhaltet alle<br />

bestehenden Module, die den grundlegenden Themenbereich abdecken.<br />

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in der Schule oder zu Hause<br />

Lernziele:<br />

• Betriebliche und technische Kommunikation<br />

• Planen und Organisieren der Arbeit<br />

• Bewerten der Arbeitsergebnisse<br />

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Eine Initiative der:<br />

der DIHK-Bildungs-gGmbH

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