Ausgabe 2 / 2011 - Freie Christengemeinde
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ImPuls<br />
Wie gehe iCh mit mensChen um,<br />
die mir böses tun?<br />
Wie behandle ich Menschen, die<br />
mich verletzen, tyrannisieren,<br />
verleumden, anfeinden, mobben<br />
oder mit körperlicher, seelischer<br />
oder geistlicher Gewalt verletzen?<br />
Die Jahreslosung der Herrenhuter<br />
Brüdergemeinde für <strong>2011</strong> lautet: „Lass<br />
dich nicht vom Bösen überwinden,<br />
sondern überwinde das Böse mit Gutem.“<br />
(Römer 12,21) Dieser Vers, der<br />
im Zusammenhang mit der Liebe untereinander<br />
und zu unseren Feinden<br />
steht, fordert uns heraus,<br />
das Böse zu hassen,<br />
jedoch den Menschen,<br />
der unter dem<br />
Bösen gefangen ist, zu<br />
segnen und zu lieben.<br />
Wie soll das gehen?<br />
Im Gegensatz zu<br />
unserem modernen<br />
Karin Ebert<br />
humanistischen Denken<br />
der Toleranz, in<br />
dem Böses altmodisch und bestenfalls<br />
relativ geworden ist, benennt die Bibel<br />
böse Handlungen und Worte tatsächlich<br />
als Böses und damit als Sünde,<br />
wenn wir sie tun, oder als Schuld anderer,<br />
wenn sie an uns begangen wird.<br />
Nur wenn wir den Mut haben, die Dinge<br />
ebenso klar zu benennen, haben<br />
wir auch Gottes Weisheit und Kraft zur<br />
Verfügung, mit ihnen gut umzugehen.<br />
Genau in diesem Punkt scheitert es oft<br />
bereits. Wir sind so gewohnt zu rationalisieren,<br />
also zu erklären, warum etwas<br />
geschieht, oder zu entschuldigen,<br />
etwas als unbedeutend zu behandeln<br />
oder zu beschönigen, dass wir oft gar<br />
nicht den Wunsch haben, Verhalten<br />
im Licht Gottes anzuschauen und zu<br />
benennen. Und damit gibt es keine<br />
Schuld, keine Verantwortung für Denken,<br />
Reden und Handeln und keine angemessene<br />
Reaktion. Wer Böses nicht<br />
mehr zu erkennen und benennen vermag,<br />
öffnet Raum für Verwirrung, Vermischung<br />
bis hin zur Zerstörung von<br />
Menschen.<br />
das Böse überwinden<br />
Was ist Böses? Die biblischen Kataloge<br />
über die „Werke des Fleisches“ definieren<br />
das klar. Es ist erkennbar an<br />
seiner jeweiligen Wirkung von Lüge,<br />
Illusion, Raub, Zerstörung, Trennung<br />
vom Leben und von Gott, wie es von<br />
Satan oder dem Bösen als Ziel beabsichtigt<br />
wird. Doch wie überwinden<br />
wir das Böse? Indem wir es erkennen,<br />
benennen und zum einzigen Ort bringen,<br />
an dem es entmachtet wird: zum<br />
Kreuz von Golgatha. Wir bekennen unsere<br />
Schuld (die oft durch Reaktionen<br />
auf Verletzungen entsteht) und die<br />
Schuld des anderen, durchtrauern den<br />
Schmerz und lassen die „Rechnung“,<br />
nachdem wir sie vor Gott geklagt haben,<br />
an Jesus los. Warum? Weil nur<br />
Gott in der Lage ist, das Böse gerecht<br />
zu vergelten, und uns eindringlich davor<br />
warnt, Rache zu nehmen (Römer<br />
12,19). Wenn wir auf Böses aus uns<br />
selbst heraus reagieren, werden auch<br />
wir zu Menschen, die Böses tun. Wenn<br />
wir aber das Böse zu Gott gebracht haben,<br />
sind wir frei, den Menschen, der<br />
unter dem Bösen gefangen ist, zu segnen,<br />
das heißt für sein Wohlergehen,<br />
seine Gesundheit und seine Erlösung<br />
zu beten und ihm Gutes zu tun. Den<br />
Feind zu lieben bedeutet nicht, eine<br />
verharmlosende oder verniedlichende<br />
Nettigkeit dem Täter gegenüber<br />
an den Tag zu legen, sondern, um mit<br />
C. S. Lewis zu sprechen: „Liebe ist etwas<br />
Kolumne<br />
Strengeres und Großartigeres als bloße<br />
Freundlichkeit.“<br />
Gutes und echte Liebe kommen aus<br />
dem Wesen und der Weisheit Gottes.<br />
Manchmal ist es gut, sich von jemandem<br />
radikal zu trennen. Manchmal<br />
ist es gut, jemandem etwas zu trinken<br />
zu geben oder ihn einfach wertschätzend<br />
zu behandeln, trotz allem<br />
Bösen. Es ist die Freiheit, nicht mehr<br />
in der Reaktion auf das Böse leben zu<br />
müssen, sondern das tun zu dürfen,<br />
was Gottes Herz und Wesen ist. Wenn<br />
wir Jesus anschauen, kann das Gute<br />
klare, strenge Worte beinhalten, etwa<br />
wie er sie zu den Pharisäern sagt, aber<br />
auch einladende, liebevolle, wie zu der<br />
Ehebrecherin. Es kann bedeuten, eine<br />
aufgebrachte, tobende Menge einfach<br />
stehen zu lassen (Nazareth) oder<br />
eine „friedliche“ Menge durch sein<br />
Handeln zu reizen (Tempelräumung).<br />
Wenn wir die Freiheit entdecken, das<br />
Böse zu erkennen, zu benennen und<br />
Wenn Wir Auf böses Aus uns selbst<br />
herAus reAgieren, Werden AuCh Wir zu<br />
mensChen, die böses tun.<br />
es durch Gottes Geist auf Golgatha zu<br />
entsorgen, entsteht Raum in uns, auch<br />
bei verletzenden, schwierigen und<br />
zerstörerischen Menschen das echte<br />
und von Gott geschenkte Gute zu entdecken<br />
und lieben lernen zu können.<br />
Martin Luther King hat uns genau das<br />
in einer Art und Weise vorgelebt, die<br />
die Welt verändert hat.<br />
Karin Ebert ist Supervisorin, Lebens-<br />
und Sozialberaterin sowie Sprecherin<br />
in Lehr- und Konferenzveranstaltungen<br />
der <strong>Freie</strong>n <strong>Christengemeinde</strong> Österreich.<br />
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