GL 4/2005 - der Lorber-Gesellschaft eV
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34 ER wird kommen, zu richten<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2005</strong><br />
<strong>der</strong> Seele, feinfühlig, sanftmütig, allem in Liebe, und <strong>der</strong> Kirche so<br />
bedingungslos ergeben, dass er als Mönch ins Kloster ging. Ivan dagegen<br />
ist, wie wir heute sagen würden, ein Macho, dem sinnlichen Leben<br />
zugeneigt, sehr intelligent, betonter Atheist, doch im Innern voller, nach<br />
außen hin geleugneter Zweifel. Beide sind sich weit über das bei Brü<strong>der</strong>n<br />
übliche Maß hinaus zugetan. Bei ihren Gesprächen provoziert oft schon<br />
die Kutte des Mönchs, dass Gott und als Gegensatz die Welt, ihre<br />
bevorzugten Themen sind. Dies musste ich vorausschicken, weil es dazu<br />
führt, dass <strong>der</strong> Gottesleugner Ivan eine von ihm erfundene Geschichte,<br />
eben die vom Großinquisitor erzählt:<br />
„Die Handlung spielt im sechzehnten Jahrhun<strong>der</strong>t, zur Zeit <strong>der</strong><br />
Inquisition und <strong>der</strong> Ketzerverbrennungen. Fünfzehn Jahrhun<strong>der</strong>te sind<br />
schon vergangen, da Er, Jesus, die Verheißung gab, und seit sein Prophet<br />
von Ihm schrieb, Er werde wie<strong>der</strong>kommen.<br />
Die Menschheit erwartet Ihn mit <strong>der</strong>selben Sehnsucht wie vordem,<br />
sogar mit noch innigerem Glauben, denn fünfzehn Jahrhun<strong>der</strong>te sind es<br />
auch seit eben jener Zeit, dass <strong>der</strong> Himmel aufhörte, den Menschen<br />
sichtbare Unterpfande zu geben.<br />
In Ivans Geschichte war Sein Wie<strong>der</strong>kommen natürlich nicht jenes<br />
Herabsteigen am Ende aller Zeiten in seinem ganzen himmlischen Ruhm,<br />
wie ein Blitz, <strong>der</strong> leuchtet vom Osten zum Westen. Nein, hier wird<br />
geschil<strong>der</strong>t, dass es Ihn verlangte, wenn auch nur für einen Augenblick,<br />
Seine Kin<strong>der</strong> zu besuchen, und eben dort, wo gerade die Scheiterhaufen<br />
<strong>der</strong> Ketzer prasselten. In Seinem maßlosen Mitleid kommt er noch einmal<br />
zu dem Volke in <strong>der</strong>selben menschlichen Gestalt, in <strong>der</strong> Er vor<br />
fünfzehnhun<strong>der</strong>t Jahren dreiunddreißig Jahre lang unter den Leuten<br />
wandelte. Er schreitet hinab zu den heißesten Plätzen <strong>der</strong> südlichen Stadt<br />
Sevilla, in <strong>der</strong> gerade erst tags vorher auf einen herrlichen Autodafe in<br />
Gegenwart des Königs, des Hofs, <strong>der</strong> Ritter, Kardinäle und <strong>der</strong><br />
lieblichsten Damen vom Hofe, in Gegenwart von zahllosen Bewohnern<br />
Sevillas durch den Kardinal-Großinquisitor fast ein ganzes Hun<strong>der</strong>t<br />
Ketzer auf einmal verbrannt worden war, - ad majorem gloriam Dei -.<br />
Er kam still daher, unbemerkt - und seltsam: alle erkennen Ihn! Mit<br />
unwi<strong>der</strong>stehlicher Gewalt drängt sich das Volk zu Ihm, es wächst um Ihn<br />
herum und folgt seinen Schritten. Schweigend wandelt Er unter ihnen mit<br />
dem stillen Lächeln unendlichen Mitgefühls. Die Sonne <strong>der</strong> Liebe brennt<br />
in Seinem Herzen, Strahlen von Licht und Kraft fließen aus Seinen Augen,<br />
strömen über die Masse hin und entzünden aller Herzen in Gegenliebe. Er<br />
streckt die Hände nach ihnen aus. Er segnet sie, und von Seiner<br />
Berührung, ja vom Saume Seines Gewandes geht heilende Kraft aus.