David | Erne |Krüger |Wabel: Körper und Kirche – Symbolische Verkörperung und protestantische Ekklesiologie (Leseprobe)
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Einleitung<br />
als aussichtsreich, die eine Dimension geteilter geistiger Bedeutung<br />
stets begleitet denken von Phänomenen physischer,<br />
sozialer <strong>und</strong> medialer <strong>Verkörperung</strong> <strong>und</strong> umgekehrt, ohne<br />
dieses Wechselverhältnis auf einen der beiden Pole zu reduzieren.<br />
Eine Vorrangstellung der leibkörperlichen Dimension<br />
zu behaupten wäre ebenso vereinseitigend wie die ausschließliche<br />
Verortung des Christlich-Religiösen in Bewusstseinsprozessen.<br />
Ihre ekklesiologische Konkretisierung findet diese Einsicht<br />
darin, dass sichtbare <strong>und</strong> verborgene (oder, mit Zwingli:<br />
unsichtbare) <strong>Kirche</strong> 32 strikt aufeinander bezogen zu denken<br />
sind. Die stets mitgeführte Seite einer verborgenen Gemeinschaft<br />
dispensiert nicht etwa von den vielfältigen konfessionellen<br />
Gestalten des Christlichen, sondern bringt diese gerade<br />
zum Leuchten. Denn nur in dem je konfessionell gefärbten<br />
Bestand von Symbolen, Ritualen <strong>und</strong> anderen Formen<br />
der Glaubenspraxis, mithin im Zusammenspiel physischer,<br />
sozialer <strong>und</strong> medialer Formen der <strong>Verkörperung</strong>, tritt jene <strong>–</strong><br />
für <strong>protestantische</strong> <strong>Ekklesiologie</strong>n zentrale <strong>–</strong> Unterscheidung<br />
der <strong>Kirche</strong> von sich selbst zutage, in der sie ihre Identität<br />
nicht aus sich gewinnt, sondern dem gnädigen Urteil Gottes<br />
anheimstellt <strong>und</strong> auf die die Begriffsdifferenzierung zwischen<br />
»sichtbar« <strong>und</strong> »verborgen« zielt. 33<br />
Diese Selbstunterscheidung der <strong>Kirche</strong> gibt nun Anlass zu<br />
einer kritischen Weitung im Blick auf das Wechselverhältnis<br />
32 Ausführlich zu dieser Begriffsdifferenzierung bei den Reformatoren s.<br />
Ulrich Barth, Sichtbare <strong>und</strong> unsichtbare <strong>Kirche</strong>. Die Tragweite von<br />
Luthers ekklesiologischem Ansatz, in: Christian Danz/Jan-Heiner<br />
Tück (Hrsg.), Martin Luther im Widerstreit der Konfessionen. Historische<br />
<strong>und</strong> theologische Perspektiven, Freiburg/Basel/Wien 2017, 288<strong>–</strong>351, hier:<br />
298<strong>–</strong>317.<br />
33 Vgl. Moxter, Das Unsichtbare der Gemeinschaft (s. Anm. 19), 129 f.<br />
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