S - Finanz Informatik
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Spezial Geschichte des Büros<br />
O<br />
livetti Valentine – gemeint ist keine liebliche, italienische<br />
Olivensorte, sondern ein bekannter Design -<br />
klassiker der sechziger Jahre: Die knallrote Schreib ma -<br />
schine von 1968 erreichte Kultstatus. Und ihre zahlreichen<br />
Vorgänger ab 1870 revolutionierten die Büro ar beit.<br />
Doch wann und wie entstanden die ersten Büros?<br />
Handelskontore<br />
Die Antwort führt zurück in die Renaissance: Seit<br />
dem Ende des Mittelalters hatte der Fernhandel zuge -<br />
nom men. Durch den blühenden internationalen Han del<br />
mit Ge würzen, Pelzen, Stoffen etc. entstanden um das<br />
15. Jahr hun dert Handelskontore, in denen der Kauf mann<br />
oder Kontorist in seiner »Amtsstube« die Waren kon -<br />
trol lierte, buchte, bezahlte und die Korrespondenz mit<br />
den Han dels partnern erledigte. Das zentrale dickleibige<br />
Kon tor buch enthielt alle Eintragungen des Geschäfts -<br />
be triebs, ebenso gab es aber auch Waren-, Korres pon denzund<br />
La gerbücher zu führen. Diese chronologischen Ein -<br />
träge waren mitunter nur sehr mühsam einander zuzuordnen.<br />
Lose Blätter wurden auf eine Art Bank gelegt, es<br />
ent stan den Stapel an Dokumenten. Hier rührt der Spruch<br />
her: »Etwas auf die lange Bank schieben«.<br />
Oft befand sich das Kontor mit dem Warenlager und<br />
den Wohnräumen des Kaufmanns unter einem Dach. Zu<br />
den üblichen Arbeitsutensilien zählten seinerzeit neben<br />
dem Schreibtisch beispielsweise Tintenfass und Feder -<br />
kiel sowie eine Münzwaage, um die Echtheit des Geldes<br />
zu überprüfen. Passend deshalb der Name: Kontor stammt<br />
von dem französischen »comptoir«, was Zahl- oder La -<br />
dentisch bedeutet. Die Kontore, auch Handelsnie der las -<br />
sungen im Ausland, bildeten eine Stadt in der Stadt. In<br />
Hamburg beispielsweise entstanden zwischen 1886 und<br />
1938 hunderte Kontorhäuser. Erst später trennte man<br />
Wohnen und Arbeiten. Mehr und mehr Gebäude entstan -<br />
den, die ausschließlich der Büronutzung dienten.<br />
Das Chilehaus ist ein 1922 bis 1924 erbautes<br />
Kontorhaus im Hamburger Kontorhausviertel.<br />
Industrialisierung und Massenproduktion<br />
Der internationale Handel weitete sich immer mehr<br />
aus, die Bevölkerung wuchs und dementsprechend wurden<br />
immer mehr Güter hergestellt. Durch die Massen -<br />
pro duk tion und die damit einhergehende Industriali -<br />
sie rung stieg die Zahl der Beschäftigten in den Fabriken<br />
und Manufakturen. Im Gegensatz dazu blieb die Zahl<br />
der im Büro Tätigen noch sehr niedrig: Um 1900 kamen<br />
auf hundert Arbeiter nur zwei bis drei Bürokräfte, die<br />
oft in Baracken oder lieblosen Anbauten der Fabrik un -<br />
tergebracht waren. Die Zahlen haben sich jedoch gewaltig<br />
geändert: Heute sind rund 70 Prozent der Er werbs -<br />
tätigen nicht mehr mit der Herstellung von Waren und<br />
Gütern beschäftigt, sondern üben im weitesten Sinne<br />
Dienst leis tungstätigkeiten aus. Und das wo? In Büros.<br />
Charlie Chaplins Film "Modern Times" karikierte die<br />
industrielle Revolution und deren Umwälzungen.<br />
In Preußen entwickelte sich zum Ende des 19. Jahr -<br />
hunderts nach dem Vorbild des Militärs eine straffe Büro -<br />
organisation. Ausgelöst unter anderem von steigendem<br />
Steueraufkommen und dem Sozialversicherungswesen<br />
war die neue Bürokultur geprägt von Disziplin, Korrek t -<br />
heit und Treue gegenüber Herrscher und Staat. Diese<br />
effiziente »Bürokratie« wurde zum Vorbild für andere<br />
Staaten und Großunternehmen.<br />
Vorrangige Arbeit der damaligen Kontoristen war<br />
das Schreiben, Rechnen und Kopieren. Und die Zahl der<br />
Schriftstücke stieg immer weiter, die Verwaltungsarbeit<br />
wurde immer aufwändiger. Erste Erleichterung brachten<br />
Stempel und Vordrucke sowie die Kopierpresse zum<br />
Vervielfältigen der Dokumente. Das wichtigste Büro mö -<br />
bel der Epoche war das Stehpult mit abgeschrägter Schreib -<br />
fläche. Hier kamen Stahlfeder, Federhalter und Tinte zum<br />
Einsatz.<br />
42 <strong>Finanz</strong> <strong>Informatik</strong> ITmagazin · 04 · 2012<br />
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