planet toys_April_2022
planet toys - das Magazin für den Spielwarenhandel
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HANDEL<br />
45<br />
BVS-Geschäftsführer Steffen Kahnt bezeichnet<br />
die steigenden Kosten etwa für Energie als „große<br />
Hypothek für den Handel.” Für starke Belastungen<br />
sorge zudem der im Herbst <strong>2022</strong> steigende<br />
Mindestlohn. Das sieht auch der BVS-Vorsitzende<br />
Wieland Sulzer so, der nicht verstehen kann,<br />
„warum der Staat gerade in Zeiten, in denen es<br />
dem Handel nicht so glänzend geht, eine solche<br />
Erhöhung beschlossen hat”. Grundsätzlich<br />
werde sich die Liquiditätssituation der Händler<br />
weiter verschärfen.<br />
Wie in einem Zeitraffer habe sich während der<br />
Pandemie der Strukturwandel der Branche entwickelt,<br />
so Insider, nachdrücklich dokumentiert<br />
durch den starken Zuwachs des Online-Handels.<br />
Dessen Marktanteile erreichten zeitweise<br />
57 Prozent, während der Fachhandel mehr<br />
oder weniger tatenlos in den Schließungsphasen<br />
Einbußen hinnehmen musste und von einst<br />
35 Prozent bis auf 24 Prozent absackte. An der<br />
dominierenden Stellung des Online-Handels<br />
wird sich nichts mehr ändern, das zeigen die Erfahrungen<br />
anderer Branchen. Gleichwohl sieht<br />
Wieland Sulzer, selbst erfahrener Fachhändler,<br />
für das stationäre Geschäft noch genügend Entwicklungschancen,<br />
und das meint er nicht nur<br />
in Bezug auf die Verzahnung mit Online-Aktivitäten.<br />
Selbstständige Einzelhändler müssten<br />
sich vornehmlich um ihre Läden kümmern<br />
können, deshalb sei es notwendig, sie entsprechend<br />
zu entlasten. Das wäre dann die Aufgabe<br />
starker Organisationsstrukturen, die übergeordnete<br />
Funktionen wie Einkauf und Marketing<br />
verantworteten.<br />
Auch andere Brancheninsider sehen dabei als<br />
„Blaupause“ den Lebensmittelhandel, der eben<br />
nicht nur aus konzerngeführten Filialen bestehe,<br />
sondern auch erprobte und erfolgreiche Strukturen<br />
biete für das unternehmerische Engagement<br />
von selbstständigen Einzelhändlern. Mit<br />
ihren ertragsstarken Läden gehören sie bei der<br />
Rewe zu den wesentlichen Stützen deren Geschäfts.<br />
Bei Edeka bilden die Selbstständigen<br />
in den jeweiligen Regionen den Kern des Unternehmens.<br />
Eigentlich sollte diese Struktur in den<br />
1990er-Jahren durch eine zentrale Führung ersetzt<br />
werden. Um dies zu verhindern, bedurfte<br />
es harter interner Auseinandersetzungen, bis<br />
sich Selbstständige und die Hamburger Zentrale<br />
auf ein tragfähiges Konzept einigten. Der Erfolg<br />
gibt ihnen bis heute recht. Edeka ist schon<br />
seit vielen Jahren umsatzstärkster Lebensmittelhändler<br />
in Deutschland.<br />
Für die Selbstständigen bedeutet die Mitgliedschaft<br />
bei Rewe oder Edeka einerseits unternehmerische<br />
Freiheit, andererseits aber auch<br />
die Verpflichtung, das Markenlogo des Händlers<br />
zu führen und zudem alle übergreifenden<br />
Dienstleistungen umzusetzen. Dazu gehören nicht<br />
nur Marketingmaßnahmen, die neben Werbung<br />
auch den einheitlichen Ladenbau umfassen, sondern<br />
auch eine gemeinsame Sortimentsstruktur<br />
mit zentraler Beschaffung. Die Einzelhändler<br />
haben in diesem Rahmen die Möglichkeit, beispielsweise<br />
Sortimente selbstständig zu listen,<br />
die vor Ort von den Kunden gewünscht werden.<br />
Die Verbundgruppen idee+spiel sowie VE-<br />
DES verfügten zwar ebenfalls über ein breites<br />
Dienstleistungsspektrum, gleichwohl fehle den<br />
Mitgliedsunternehmen bislang, so jedenfalls<br />
Branchenkenner, eine vergleichbare, übergreifende<br />
Sichtbarkeit und Handelsmarken-Power,<br />
wie sie sich bei den Selbstständigen im LEH,<br />
aber auch im Elektrohandel längst bewährt habe.<br />
Verbraucher schätzten Erkennbarkeit.<br />
„Wir sollten mutig sein, um auch mal konsequent<br />
über den Tellerrand auf andere Branchen<br />
zu schauen”, so BVS-Vorsitzender Wieland Sulzer,<br />
der sich bei Spielwaren ähnliche Strukturen wie<br />
bei den LEH-Selbstständigen gut vorstellen kann.<br />
Und er ergänzt mit Nachdruck: „Wenn wir es ablehnen,<br />
von anderen und deren Erfahrungen zu<br />
lernen, entgehen uns Chancen und Ideen". Der<br />
Strukturwandel der Branche, da sind sich viele<br />
Insider einig, könnte dadurch beim stationären<br />
Handel eine ganz eigene Dynamik entwickeln.<br />
Es sei nicht auszuschließen, dass ein solcher<br />
Erfahrungsaustausch bei den Verbundgruppen<br />
schon stattfindet. Schließlich beliefert die Großhandels-Tochter<br />
der VEDES auch viele Edeka-<br />
Händler. Und im Aufsichtsrat von idee+spiel sitzt<br />
Bruno Naumann, bis zum Eintritt in den Ruhestand<br />
einer der erfolgreichsten Rewe-Selbstständigen.<br />
Die Notwendigkeit, in der Spielwarenbranche<br />
über eine Modernisierung der Strukturen<br />
nachzudenken, sieht auch BVS-Geschäftsführer<br />
Steffen Kahnt. Es gebe noch viel Potenzial,<br />
das darauf warte, gehoben zu werden. Denn<br />
über eines ist er sich ganz sicher: „Das letzte<br />
Wort über die Zukunft des stationären Handels<br />
ist noch nicht gesprochen".<br />
ZUM AUTOR<br />
Tassilo Zimmermann war bis 2021<br />
Ressortleiter Nonfood der Lebensmittel<br />
Zeitung.<br />
Seitdem ist er freiberuflich als Dozent<br />
an der DHBW Heilbronn des Studienganges<br />
BWL-Handel tätig.<br />
Die Spielware hat<br />
sich immer<br />
krisenfest gezeigt.<br />
JOCHEN POHLE<br />
Vorstand EK