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TOURENBERICHT | HOHE TAUERN

TOURENBERICHT | HOHE TAUERN

Aufstieg zum Venediger

FEUCHT: KRIMML 1.067 M –

KRIMMLER TAUERNHAUS 1.631 M

Nach früher Abfahrt in Düsseldorf und entspannter Anreise

via PKW erreichen wir am Nachmittag Krimml. Nun beginnt

wie immer das finale Packen der Rucksäcke für unsere

Tourenwoche, es ist sehr warm und es droht unbeständiges

Wetter in den Folgetagen. Bald ist das Gepäck geschultert,

von A wie Anorak bis Z wie Zahnbürste ist alles vertreten;

dieses Mal haben wir bedingt durch Corona noch einen

leichten Schlafsack mit dabei. Entlang der drei Stufen der

gewaltigen Krimmler Wasserfälle gewinnen wir schnell an

Höhe, unterbrechen aber immer wieder den Anstieg, um die

Ausblicke auf die tosenden Wassermassen zu genießen und

uns der kühlenden Gischt auszusetzen. Mit einer Fallhöhe

von 380 Metern sind dies die höchsten Wasserfälle Europas.

Den Ursprung der Fälle bildet die Krimmler Ache, immer

noch ein typischer Gletscherbach mit stark wechselnder

Wasserführung. Gerade jetzt, Mitte Juni, „hört“ man die

Schneeschmelze. Erst einmal geht es, begleitet von Nieselregen,

über sanfte Almböden hinein in das fast 20 Kilometer

lange Achental. Auf gut halber Strecke nächtigen wir im

Tauernhaus – ein schmucker Alpengasthof mit Tradition,

urkundlich erwähnt erstmalig im Jahr 1389. Diese Raststation

auf der historischen Nord-Süd-Verbindung über die Krimmler

Tauern besitzt heute noch eine hölzerne Stube aus dem

16. Jahrhundert.

Schmucksteig

LUFTIG: WARNSDORFER HÜTTE 2.324 M –

GAMSSPITZE 2.888 M – KÜRSINGER HÜTTE 2.558 M

Gut gestärkt durch das Frühstückbuffet geht es erst einmal

relativ flach weiter hinein ins Achental, bevor es am Talende

hinauf zur Warnsdorfer Hütte aufsteilt. Es liegt noch viel

Schnee und die Hütte hat erst seit einigen Tagen geöffnet.

Nach einem Vormittags-Bier-Kaffee beginnt das Spuren

durch die Firnfelder hinauf zur Gamsspitze. Vom Gipfel

genießen wir die Schau über den Obersulzbachkees hinüber

zum imposanten Großvenediger. Vom Krimmler Törl bewegen

wir uns im Bogen über die weiten Gletscherflächen Richtung

Kürsinger Hütte. Mögliche Spalten sind noch unter Schneemassen

versteckt. Aus dem ehemals geschlossen Talgletscher

sind sechs Teilgletscher geworden, die kaum noch miteinander

verbunden sind. In gähnender Tiefe befindet sich vor

uns ein großer Gletschersee. Eine Traversierung über Eis

hinüber zur Kürsinger Hütte, die in greifbarer Nähe vor uns

liegt, ist nicht mehr möglich. Nach einiger Suche finden wir

den mit Stangen markierten Einstieg zu einem Klettersteig,

der im Bereich der ehemaligen „Türkischen Zeltstadt“, einem

vormals wilden Eisbruch, über Gletscherschliff in die Tiefe

leitet. Wir gelangen in eine fast 100 Meter hohe Steilflanke,

normalerweise hangelt man sich hier an einem Stahlseil

hinab. Dieses ist aber noch von einer instabilen Schneeschicht

bedeckt. Nur mit Pickel und Steigeisen und mit

Blick zum Eis gelingt uns vorsichtig der luftige Abstieg.

Ohne alpine Erfahrung und Ausrüstung wäre an dieser

Stelle eine Umkehr angesagt gewesen. Über eine Hängebrücke

gelangen wir über den wild tosenden Seeabfluss

zum Schmucksteig, einem leichten Klettersteig hinauf zur

Hütte. In voller Nachmittagssonne kämpfen wir uns wieder

250 Meter nach oben, können aber die Tiefblicke hinunter

zum Gletschersee genießen. An den Felsen ist der Gletscherstand

zu unterschiedlichen Jahren markiert. Noch Ende der

1990er-Jahre lag die Eisschicht 50 Meter über dem Talgrund.

Als 1875 die Hütte erbaut wurde, lag diese knapp oberhalb

des Gletschers.

TIEFGEHEND: GROSSVENDEDIGER 3.657 M –

DEFREGGERHAUS 2.962 M – JOHANNISHÜTTE 2.121 M

Eigentlich wollen wir nach der Besteigung des Großvenedigers

auf dem gestrigen Weg wieder hinüber zur Warnsdorfer

Hütte, aus Sicherheitsgründen verzichten wir jedoch auf die

nochmalige Begehung der instabilen Firnflanke. Wir finden

aber einen Aus-, besser gesagt einen Umweg über das Osttiroler

Virgental. Nach frühem Aufbruch von der Kürsinger

Hütte über die weiten Gletscherflächen bläst uns unterhalb

der Vendigerscharte ein eisiger Wind ins Gesicht. Wie mag es

wohl erst auf dem Gipfelgrat sein? Wider Erwarten ist es dort

fast windstill, aber der Schnee ist uns nicht wohlgesonnen.

Bei jedem zweiten Schritt brechen wir im tiefen Schnee ein.

Bald ist der Gipfel zusammen mit einigen anderen Seilschaften

erreicht, die sich mit Hilfe von Schneeschuhen einfacher

tun und in der Vielzahl von der Neuen Prager Hütte herübergekommen

sind. Für uns geht es aber ganz allein gen Süden

Richtung Defregger Haus, was schon einer guten Orientierung

bedarf. Das Haus ist noch geschlossen, unser Tagesziel

ist die tief unter uns liegende Johannishütte. Vor dem

Abstieg darf ich aber mit dem Pickel erst einmal einen tief

im Schnee verklemmten Fuß von Michael freilegen, der kurz

vor dem Haus im Tiefschnee feststeckt. Die Johannishütte

erreichen wir, durch ein Meer von Alpenblumen wandernd,

am frühen Nachmittag und genießen den Strudel auf der

sonnengefluteten Terrasse.

Abstieg von der

Zittauer Hütte

Irgendwann überrascht mich Margit, die Hüttenwirtin, mit

den Worten „Dich kenne ich“. Wir hatten vor 35 Jahren auf

der benachbarten Essener-Rostocker Hütte ein kurzes

Zusammentreffen, sie kellnerte dort, ich war mit Sektionsfreunden

auf Tour.

EINSAM: TÜRMELJOCH 2.790 M – MAURERTÖRL

3.104 M – WARNSDORFER HÜTTE 2.324 M

Umwege bedeuten sondern nicht nur Strecke, auch Höhenmeter.

Im Gegensatz zur Wettervorhersage geht’s sonnig

hinauf zum Türmeljoch. Noch ein letzter Blick zurück zum

südseitigen Venedigereis, und dann folgen direkt wieder

500 Meter Abstieg auf dem bekannten Venediger Höhenweg.

Kurz vor der nahen Essener-Rostocker Hütte beginnt der

Aufstieg durch das einsame Maurertal, später angeseilt über

das steile Eis des Maurerkeeses in den schmalen, felsigen

Streifen des Törls. Rechts von uns dominiert der mächtige

Große Geiger, zu unseren Füßen liegt wieder der Obersulzbachkees.

Die interessante Traversierung zum Krimmler Törl

durch teils tiefen Schnee kostet Kraft. Diesmal breche ich

bei der Übersteigung eines Felsrückens mit einem Bein ein.

Routine – die Befreiung mithilfe eines Pickels haben wir ja

schon am Vortag geübt. Vom Törl fahren wir dann entspannt

über die bekannten Firnhänge hinab zur gastlichen Warnsdorfer

Hütte mit ihren wenigen Gästen und den sehr netten

Wirten Elli und Stefan.

Richterhütte

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