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Das Los der Galgos
Spanien und seine Windhunde – eine Frage der Haltung für Tier
und Mensch.
BARBARA BACHMANN (TEXT)
CHRIGEL FARNER (ILLUSTRATION)
AUS # / MAI
# MAI
TARITA
Sie ist eine Wae. In diesen weiten, kargen Flächen der
westspanischen Region Extremadura taucht der Hase o aus dem
Nichts auf, ebenso schnell verschwindet er wieder, und dennoch
entgeht er Tarita selten. Von den elf Hasen, denen sie in der
vergangenen Saison hinterherrannte, hat sie zehn gefasst. Weibchen
sind Meisterinnen der Jagd, wacher, mutiger als die Männchen.
Taritas Fell ist getigert, ihre Augen klein und mandelförmig –
pisch für eine reinrassige spanische Windhündin, eine Galga. Sie
hat eine feuchte, schmale Nase, eine lange Schnauze, einen
schlanken, biegsamen Hals. Vor kurzem ist Tarita drei Jahre alt
geworden und damit für einen Windhund über das beste Alter
bereits hinaus. Aber noch immer ist sie brauchbar, weil sie die
wichtigste Eigenscha eines Galgos besitzt. Codicia bedeutet aus
dem Spanischen übersetzt Gier, aber das trit es nicht: Tarita tötet
ihre Beute ehrenha, nicht aus unersälicher Lust oder Aression,
sie wird nicht müde, einen Hasen zu jagen. Tarita ist auch noch nicht
sucio. Als schmutzig bezeichnen Jäger Hunde, die dem Hasen den
Weg abschneiden. Die mit den Jahren zu schlau geworden sind. Die
Jagd dauert dann bloss Sekunden, nicht Minuten. Taritas einziges
Manko: Sie lässt die erlegte Beute, der sie zuvor das Genick
durchgebissen hat, einfach liegen. Luis Miguel Muñon Mendoza
muss sich dann auch einmal selbst bewegen und den Hasen holen.
«Tarita ist eine veruchte Maschine», sagt der -Jährige. Muñon
Mendoza liebt das einfache Leben auf dem Land. Sonntags mit
Freunden abhängen, jagen. Und töten. Oder vielmehr töten lassen.
Die Jagd Tier gegen Tier, Hund gegen Hase, ist für ihn «pure Natur».
Wie jeder Jäger hat auch er mehrere Windhunde, im Moment sind es
dreizehn. Von den meisten kennt er auf Anhieb nicht die Namen. So
viele seien in den Jahren gekommen und wieder gegangen, sagt er.
Tarita ist seine Favoritin. Noch.
Tarita ist die erste Galga, die ich auf meiner knapp Kilometer
langen Reise durch Spanien kennenlerne. Am Ende werden es viele
Hunderte ihrer Art sein, die mir helfen, Antworten zu nden auf die
Frage: Was bedeutet es, ein Galgo zu sein in Spanien? «In einem
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Dorfe von La Mancha, dessen Namen ich mich nicht entsinnen mag,
lebte unlängst ein Edler, der eine Lanze und einen alten Schild
besass, einen dürren Gaul und einen Galgo.» So beginnt Miguel de
Cervantes› Don Quijote.Die Galgos, sie gehören zu den Regionen
Kastilien, Andalusien und der Extremadura wie ihre weiten,
menschenarmen Ebenen. Bereits die Kelten und später die Römer
jagten in der Provinz Hispania mithilfe von spanischen
Windhunden. Ovid huldigte ihnen in seinen Metamorphosen,
Shakespeare erwähnte sie in elf seiner Stücke, in der Bibel kommen
sie als einzige Hunderasse vor. Ein Galgo galt als edles, exklusives
Tier, nur wer Geld hae, konnte sich früher einen Windhund
leisten. Heute ist die Jagd mit Galgos eine beliebte
Freizeitbeschäigung, o eine Passion. Sie ist in Spanien als
Sportart eingetragen, neben Disziplinen wie Fuss- oder Basketball.
zählte der spanische Windhundverband Federación Española
de Galgos knapp Sportlizenzen für rund Galgos im
Land. Addiert man jene, die in keiner Datenbank auauchen, sind es
gemäss Schätzungen bis zu einer halben Million. Für die Jagd taugen
die meisten, aber nur die Besten schaen es bis in die A-Liga der
Galgos.
# MAI
INDIA
Sie ist eine Athletin. Wie eine Raubkatze bewegt sie sich durch die
Mohnblumen- und Weizenfelder von Castilla-La Mancha in
# MAI
Zentralspanien. Zu schnell für meine Augen. Was für eine Anmut!
Bis zu acht Stunden trainiert sie täglich, läu und läu, seit sie
Monate alt ist, auch am Wochenende. Täglich wird India massiert
und gewogen: Eine Galga darf nicht zu dick sein. Vor Wekämpfen
setzt ihr Trainer sie auf eine spezielle Diät, die hauptsächlich aus
Gemüse und Pasta besteht. Mehrmals jährlich wird ihr Blut
abgenommen. Die Anzahl der roten Blutkörperchen gibt Auskun
über den Gesundheitszustand eines Galgos. Windhunde haben mehr
rote Blutkörperchen als jede andere Hunderasse, dadurch kriegen
ihre Muskeln mehr Sauersto, sie können schneller und länger
laufen. India wird gehütet wie ein Schatz, die Tür zu ihrem
Schlafplatz, einem Holzschuppen im Garten ihrer Besitzer, ist
versehen mit einem Alarmsystem. India ist nicht irgendeine
Hündin. Sie ist die Enkelin der berühmtesten und besten Galga aller
Zeiten: Tara, spanische Meisterin in den Jahren und .
Bronzestatuen erinnern an die Hündin, die vor Jahren an einem
Tumor verstorben ist. Tara und India sind Produkte einer der
bekanntesten Galguero-Familien Spaniens, der Montes. Auch
Toreros entstammen ihr: Die Faszination für die Galgozucht und
Stierkämpfe geht in Spanien o zusammen. Im Keller hängen
Stierköpfe an der Wand, in einem Glaskasten liegt das Kostüm, in
dem ein Vorfahre von einem Stier aufgespiesst wurde. Dazwischen
Fotos ihrer Galgas auf dem Siegerpodest.
Erfolg, davon sind die Montes überzeugt, liegt im Blut. Die Familie
kennt den Stammbaum ihrer Hunde besser als den eigenen, verkau
Welpen für den stolzen Preis von Euro. Wie ihre Grossmuer
hat India an der spanischen Meisterscha teilgenommen, als eine
der Auserwählten. Zuvor setzte sie sich in regionalen
Wekämpfen durch. Um teilnehmen zu können, muss der
Hundebesitzer einem Sportklub angehören. Allein Castilla-La
Mancha zählt davon, die je aus mindestens Mitgliedern
bestehen, von denen jeder drei bis vier Galgos besitzt, o sind es
auch wesentlich mehr. Gemeinsam wählen sie den besten Hund aus
und schicken ihn ins Rennen. Für die Euro Teilnahmegebühr
pro Verein, die direkt an den Verband gehen, legen sie o
zusammen. Der Ablauf einer Meisterscha ähnelt demjenigen einer
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Jagd, ausser dass die meisten Beteiligten auf Pferden sitzen.
Zunächst wird auf oenem Feld ein Hase ausgesetzt. Das Beutetier
erhält Sekunden Vorsprung. Dann lässt man die beiden Galgos,
die gegeneinander antreten, los, und die Jagd beginnt. Der
cronometrador stoppt die Zeit, drei Schiedsrichter entscheiden über
den Sieger. Nicht immer gewinnt der Hund, der den Hasen tötet.
Manchmal ist es auch der, der sich am nobelsten schlägt, sich am
meisten bemüht, am schönsten rennt. Nach durchschnilich
eineinhalb Minuten ist die Wekampfrunde vorbei. «Es wird immer
schwieriger, zu gewinnen, weil es immer weniger Unterschiede
zwischen den Hunden gibt, sie sind alle gut», sagt Pedro Montes, ,
Indias Trainer. Er ist schlank und sportlich wie seine Galgos. Die
Arbeit mit ihnen bestimmt sein Leben. Fährt er zu einem Turnier,
lässt er den Hund im Hotelbe schlafen und legt sich auf den Boden.
«Ich bin ein Sklave der Galgos, nicht umgekehrt», sagt Montes. In
schnörkeliger Schri hat er sich grossächig den Namen Tara auf
den rechten Unterarm tätowieren lassen, eine Abbildung ihres
Kopfes ziert seine linke Hand. Dahinter ein in einen Stern gefasstes
D. Für Divina, eine seiner Hündinnen, die während der
spanischen Meisterscha vor Erschöpfung starb. schied India
in der zweiten Runde aus. Montes hat damals Euro für sie
geboten bekommen. Halb so viel wie die Rekordsumme, die je für
einen Galgo, nämlich für Tara, geboten wurde. Pedro Montes hat
weder Tara noch India verkau. Aber zur Meisterscha im Januar
hat er eine andere Hündin geschickt: «India wird fürs Gebären
gebraucht.»
ASTRID
Sie hae Glück, trotz allem. Leicht betäubt liegt sie auf dem
Operationstisch, weil ihre Wunde schon wieder blutet. Dort, wo
vergangene Woche noch ihr rechtes Hinterbein war. In den
Monaten zuvor haben die Tierärzte Astrids gebrochenen Halswirbel
operiert, dann die Hüe, schliesslich die Beinamputation. Sie schaut
ins Leere, ihr Körper reglos. Astrid ist eine zarte Hündin mit
hellbraunem Fell. Man fand sie angefahren auf einer andalusischen
Autobahn. Ohne den für Haustiere verpichtenden Mikrochip im
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Ohr, der auf ihren Besitzer verwiesen häe. Man brachte Astrid in
das grösste Aufnahmezentrum für Galgos in Spanien, die Fundación
Benjamín Mehnert, ausserhalb von Sevilla.
Die Galgos trennen Spanien in zwei Lager, die einzig gemein haben,
dass sie stundenlang über die Vierbeiner diskutieren können. Auf
der einen Seite sind die Galgueros: Jäger, Züchter und all jene, deren
Hunde an den Meisterschaen teilnehmen. Ein Galgo sei für die
Jagd bestimmt, gehöre ins oene Feld, nicht ins Haus oder zum
Kuscheln aufs Sofa. Sie sind vernetzt in Verbänden, in Klubs und in
Facebook-Gruppen, die Namen tragen wie «Galgueros hasta la
médula» (Galgueros bis ins Mark). Dort posten sie Fotos von Galgos
während der Paarung. Von Welpen, die sie verkaufen oder
verschenken. Von Hunden, die zu Technomusik stundenlang auf
einem Lauand trainieren. Auf der anderen Seite stehen die
animalistas, die Tierrechtler. Auch sie sind vernetzt, in Vereinen wie
SOS Galgos und in sozialen Netzwerken mit Gruppennamen wie
«Con Alma de Galgo» (Mit der Seele eines Windhundes). In ihren
Kreisen ist Galguero ein Schimpfwort, gleichbedeutend mit
Tierquälerei. Sie organisieren Demonstrationen und
Reungsaktionen. Sie prangern digitale Flohmärkte an, auf denen
Galgos für ein paar Euro angeboten werden, zwischen Fahrrädern
und falschen Wimpern. Sie erönen Facebook-Prole unter
falschem Namen, um den Galgueros Informationen zu entlocken. Sie
sammeln Zahlen über ausgesetzte Galgos, die weder für die Jagd
noch für die Meisterscha nützlich sind. Jährlich sollen es etwa
sein.
Rund davon leben wie Astrid in der Fundación Benjamín
Mehnert auf zwei Hektar Grund. Schwarze, eckige, beige. Kaum
graue, weil man diesen früher Langsamkeit nachsagte. Junge, alte,
trächtige. Zu viele auf zu wenig Platz, und die Warteliste ist lang.
Der Geruch von Kot und Urin, von nassem Hundefell hat sich längst
in meiner Nase festgesetzt, als eine Mitarbeiterin mich fragt: «Hast
du bemerkt, dass Galgos nicht stinken?» Tausend Augen kreuzen
sich an nur einem Tag mit den meinen. Leere, rollende, weit
aufgerissene, in sich gekehrte Augen. Meist nur für einen Moment,
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viele können dem Blickkontakt nicht standhalten, so nervös sind sie.
Immer ist in dem Aufnahmezentrum Betrieb. Im Februar, dem
«Monat der Angst», wie ihn Tierrechtler nennen, weil dann die Jagd
zu Ende geht und das grosse Aussetzen beginnt. Aber auch im
Oktober, wenn der Teufelskreis mit der Erönung der Jagdsaison
von neuem startet. Manche der Galgos hier humpeln zur
Physiotherapie, andere sind psychische Wracks und werden
therapiert. Fast alle bellen laut und ununterbrochen, obwohl Galgos
von Natur aus stille Tiere sind. Die schwersten Fälle liegen wie
Astrid auf der Krankenstation. «Es klingt furchtbar, aber die
Wahrheit ist: Es ist besser, wenn sie sich verletzen, denn dann
landen sie bei uns», sagt die Zuständige für die internationalen
Adoptionen, jeden der Hunde in der Fundación Benjamín
Mehnert kennt sie beim Namen. «Das ist kein Paradies», sagt der
Hundepsychologe, «es ist ein Zuuchtsort.» Die Tierärztinnen und -
ärzte kastrieren oder sterilisieren jeden hereinkommenden Galgo,
vier bis sechs pro Tag. «Die Zucht ist das grösste Problem, weil Jahr
für Jahr Tausende neue Hunde in die Welt gesetzt werden, die bald
niemand braucht», sagt die Tierärztin am Operationstisch, die
Astrids Wunde säubert.
Wie alle hiesigen Galgos hiess Astrid früher anders. Betri ein Hund
die Einrichtung, erhält er als Erstes einen neuen Namen. Um damit
ein neues Leben zu beginnen. Die meisten führt dieses neue Leben
später ins Ausland. Jeden Freitag starten Tiertransporte nach
Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Kanada, Belgien, in die
USA, die Niederlande oder die Schweiz. Galgos sind leichter zu
vermieln als andere Hunderassen, weil ihre Geschichte so viel Leid
enthält. Die Adoptionen sind neben privaten Spenden, einer eigenen
Hundefuermarke, einer Tagesklinik, einer Hundepension und
einem Shop mit Pege- und Spielartikeln die Haupteinnahmequelle
der Fundación Benjamín Mehnert. Wenn Astrid vollständig
gesundet, erzählt ihre Tierärztin, werde sie nach Deutschland
gebracht. Alle in der Krankenstation haben bereits ein Zuhause
gefunden. Es ist bizarr, sagen die Mitarbeiter der Einrichtung: Je
ruinierter ein Galgo, je aussichtsloser seine Situation sei, desto eher
erwärme sich ein Menschenherz. Zwei Wochen später allerdings die
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Gewissheit: Astrid wird ihr neues Leben nicht beginnen. Sie stirbt
an einem warmen Frühlingstag. «Du Kriegerin mit weissen
Flügeln», schreiben die Mitarbeiter der Einrichtung zum Abschied.
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Es gibt Bilder von Hunden, die es nicht in ein Aufnahmezentrum
geschat haben: verhungerte und verdurstete, überfahrene, an
Zugschienen gebundene, in Brunnen ertränkte Galgos. Ein
Angeschossener, der mit einer Gesichtshäle weiterlebt.
Massengräber. Und immer wieder an Bäumen aufgehängte
Windhunde. «Klavier spielen» nennt sich dieser langsame Tod, weil
die Zehen den Boden berühren wie die Finger eines Pianisten eine
Klaviatur. Man kann das Verhältnis der spanischen Gesellscha zu
Tieren als «eigen» bezeichnen, zumindest jenes Teils von ihr, der
vornehmlich auf dem Land lebt, in konservativen Mustern denkt. Es
gibt dort Bräuche, die sich nirgendwo anders nden. «Bous a la
mar»: Eine Menschenmenge in Badeshorts versucht einen Stier ins
Meer zu treiben. «Toro de fuego»: Einem Stier werden Pechklumpen
auf seine Hörner geklebt und angezündet. Lange gehörte es in
Manganeses de la Polvorosa dazu, beim jährlichen Dorest eine
lebende Ziege vom Glockenturm zu werfen. Als das gesetzlich
verboten wurde, protestierten die Einwohner wochenlang. Spanien
ist weltweit bekannt für seine Stierkämpfe, in jeder grösseren Stadt
gibt es eine Arena. In Spanien ist die Jagd auf Finken und
Turteltauben erlaubt, eine der am stärksten bedrohten Vogelarten
Europas. Spanien ist auch das letzte Land der EU, das die Jagd mit
einem Tier als Wae erlaubt – dem Galgo. Im März sprach sich
das Europäische Parlament gegen die Praktik aus. Sie sei nicht
vereinbar mit Artikel des Vertrages über die Arbeitsweise der
Europäischen Union, der die Mitgliedstaaten auordert, Tiere als
fühlende Wesen anzuerkennen.
«Unsere Traditionen beruhen auf der Misshandlung von Tieren»,
sagt die Plaform NAC (No a la Caza – Nein zur Jagd), die die Jagd
abschaen möchte. Da Spanien viele Jahre lang unter einer Diktatur
lebte, habe sich das Land dem Fortschri verschlossen. «Durch
Vererbung von derlei überholten Bräuchen existiert das alte Spanien
noch heute.» Auf Prozent des Staatsgebietes darf gejagt werden –
aber nur Prozent der Spanier sind aktive Jäger. Laut NAC kamen
bei Jagdunfällen mehr als Menschen ums Leben,
wurden verletzt. Nach Angaben der spanischen Regierung sterben
jährlich mehr als Millionen Tiere bei der Jagd, die meisten davon
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sind Wildtiere wie Feldhasen, Hirsche oder Rehe. Hinzu kommen
Tiere, die von Wilderern erlegt werden. Oder Tiere wie die Galgos,
die sich bei der Jagd tödlich verletzen. Jedes Jahr werden weniger
Jagdlizenzen erneuert, derzeit haben noch rund Menschen
eine, während es vor zehn Jahren noch mehr als eine Million waren.
Aber anders als hinter dem Stierkampf, der zu einem grossen Teil
von öentlichen Geldern abhängt (und die Zucht der Stiere von EU-
Subventionen), steht hinter der Jagd eine einussreiche Lobby,
bestehend aus Grossgrundbesitzern und Galguero-Verbänden.
«Ich glaube nicht, dass man die Jagd verbieten kann, dafür ist die
Branche zu mächtig. Aber sie wird mit der Zeit von allein
aussterben, weil die meisten Spanier nicht dahinterstehen», sagt
Sergio García Torres, Spaniens erster Generaldirektor für Tierrechte.
García Torres ist seit Februar im Amt, als seine Kollegen von
der Linkspartei Podemos mit der Sozialistischen Arbeiterpartei
PSOE eine Regierung bildeten und Tierrechte auf die Agenda
setzten. «Tiere stehen kurz davor, gewisse Rechte zu erhalten. Es
liegt an uns als Gesellscha, ihnen diese zuzugestehen», sagt García
Torres. Es gebe ein grosses Bewusstsein für das Tierwohl in
Spanien. Aber sowohl die Gesetzeslage als auch die Kontrolle
hinkten dem hinterher. Spanien sei daher auch eines der Länder, in
denen die meisten Tiere, allen voran Hunde und Katzen, ausgesetzt
würden – weil man praktisch strarei davonkomme. Der
Generaldirektor für Tierrechte geht von einer Million Tieren jährlich
aus. Und kaum irgendwo hielten einzelne Menschen, fast alle von
ihnen Jäger, so viele Tiere auf einmal. Das Programm des
Generaldirektors ist ambitioniert. Seit fast zwei Jahren arbeitet seine
Abteilung an fünf nationalen Datenbanken, die der Polizei für
Kontrollen zur Verfügung stehen sollen. Daneben erarbeitet die
Generaldirektion für Tierrechte verschiedene Gesetzesinitiativen.
Einen Meilenstein erreichte die Behörde Anfang Dezember :
Durch eine Änderung im spanischen Zivilgesetzbuch sind Tiere
fortan als fühlende Wesen anerkannt, was Auswirkungen auf andere
Zivilgesetze, Verwaltungsvorschrien und das Strafgesetzbuch
haben wird. García Torres’ Ziel: ein gesamtspanisches, modernes
Tierschutzgesetz: «Schri für Schri wird sich Spanien zu einem
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modernen Land entwickeln.» Dass Initiativen wie diese auf
Gegenwind stossen, sieht García Torres gelassen: «Es gibt immer
eine Gruppe, die gegen Veränderungen ist und sich trotzdem rasch
daran gewöhnt, denken wir an das Rauchverbot in Restaurants oder
die Picht, sich im Auto anzuschnallen.»
GRECO
Er wird hier eines Tages sterben dürfen. Vorher muss er nichts mehr
leisten. Zusammen mit sieben anderen Galgos lebt er auf einem
Fünfeinhalb-Hektar-Grundstück in einem Dorf nahe Toledo,
Castilla-La Mancha. Am liebsten isst er Lammeisch, liegt
stundenlang im Schaen oder in seiner sehr geräumigen Box, die er
mit niemandem teilen muss. Greco, neun Jahre alt, hat diesen
unverkennbaren «Gutmütiger Hund»-Blick. Seine Besitzerin hat ihn
mit der Flasche aufgezogen, während ihres Studiums in Madrid. Er
begann erst spät zu jagen, mit zweieinhalb Jahren. Schon in der
ersten Saison verletzte er sich auf dem harten, trockenen Boden
Zentralspaniens. Seither taugt Greco nicht mehr für die Jagd. Melisa
Vara Orozco hat ihn trotzdem behalten. Greco ist ihr Lieblingshund,
sie verbringe mehr Zeit mit ihm als mit ihrer Familie, sagt sie und
lacht. «Ich will das Beste für meine Tiere, aber ich vergesse nie, dass
sie Galgos sind.» Der Mensch dürfe nicht erlauben, dass ein Tier
humanisiert werde oder gar über ihm stehe. «Du bist der Chef, der
Hund ist unter dir.» Die -Jährige ist mit Galgos aufgewachsen.
Ihre Muer war Galguera, ihr Opa ernährte seine Familie von der
Jagd mit Windhunden. «Ich bin von Herzen Jägerin», sagt die junge
Frau. «Ein Hase muss eine reale Chance haben wegzulaufen, sonst
macht es keinen Spass.» Melisas Familie ist wohlhabend und kann
sich dieses kostspielige Hobby leisten. Um die Euro kostet
allein die Jagdgebühr, pro Jahr. Von allen Orten, die ich besuche,
geht es den Galgos bei ihr am besten. Nirgendwo haben sie so viel
Auslauf, nirgendwo sind die Gehege grösser, das Essen gesünder.
Unter den Galgueros ist Melisa Vara Orozco eine Berühmtheit. Es
gibt nicht viele junge Frauen mit Universitätsabschluss unter ihnen.
Die gelernte Journalistin hat ein Buch über Galgos veröentlicht
und schreibt ein Blog für Galgueros. Von Gleichgesinnten erhält sie
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Lob und Komplimente, von Tierrechtlern Drohungen und
Beleidigungen.
Bedächtig wählt Melisa jedes Wort, sie weiss um das schlechte
Image ihrer Szene. «Es tut mir weh, dass man Galgueros in einen
Topf wir mit Misshandlern.» Die Presse, sagt sie, stehe auf der
Seite der Tierrechtler, sei deren grösste Macht. Diese habe bereits
eine Meinung, bevor sie die Realität kenne. Lange häen sich die
Jäger und Züchter deshalb bedeckt gehalten. «Aber wenn nur die
Tierschützer mit den Journalisten sprechen, sind wir selbst schuld.
Ich habe nichts zu verbergen.» Ja, es würden Galgos ausgesetzt, aber
viel mehr noch Hunde anderer Rassen. «Warum reden sie nur von
Galgos? Weil sich durch die Adoptionen mit ihnen ein Geschä
machen lässt.» Eine Adoption kostet zwischen und Euro,
die Summe ist abhängig vom Zielland und der dortigen
Organisation, nicht von der Hunderasse. Jäger sollten sich mit
Tierrechtlern zusammentun, um gemeinsam die wahren Probleme
zu bekämpfen, sagt Melisa. Illegale Wekämpfe, systematische
Diebstähle in grossen Mengen. Egal mit welchem Galguero ich
spreche, alle klagen früher oder später, wie o Galgos gestohlen
würden, gerade gute Hunde. Nicht die Jäger seien es, die die Hunde
aussetzten. Sondern die Diebe, darunter, so sagt man mir, viele
gitanos, spanische Roma, nachdem sie keine Verwendung mehr für
sie häen. Jeder, den ich frage, ob ihm das selbst schon passiert sei,
sagt allerdings: «Zum Glück bisher nicht, aber einem Bekannten.»
Der Generaldirektor García Torres fragt Jäger, die ihm von
Diebstählen erzählen, gerne, ob sie denn einen Galgo von zwölf
Jahren oder älter besässen. Bisher konnte ihm niemand einen
zeigen.
TIBURÓN
Er ist bereit zu gewinnen, alle hinter sich zu lassen bei diesem
Windhunderennen über Meter in Guadalajara, Castilla-La
Mancha. Der Wind bläst durch die umliegenden Rapsfelder.
Hunde treten in dieser Kategorie an, je sechs auf einmal. Die meisten
von ihnen sind keine reinrassigen spanischen Windhunde, sondern
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importierte aus Irland oder England. Sie gelten als robuster und als
die schnellsten Hunde der Welt, bis zu Stundenkilometer schnell
können sie laufen. Seit den er Jahren werden sie vermehrt nach
Spanien gebracht, viele der einheimischen Galgos wurden mit ihnen
gekreuzt. Tiburón ist der Sohn eines irischen Windhundes und einer
spanischen Halbnalistin. Die grossen Muskeln, seinen dicken
runden Hals hat er vom Vater geerbt, die schwarze Fellfarbe von der
Muer. Er hat so dunkle Augen, dass man kaum die Pupillen
ausmachen kann. Ein Prachtexemplar. Das klappe nicht immer, «der
Sohn von Maradona war auch kein guter Fussballer», sagen Luis und
Jesús Sanz, Tiburóns Besitzer, zwei Brüder Ende . Sie haen
Glück, Tiburón wurde spanischer Meister im
Windhunderennen über Meter. Gerade Strecken sind sein
Terrain. Wie viele Männchen kann er schnell Geschwindigkeit
auauen, verliert sie aber in den Kurven.
Start. Hinter Tiburón steht Jesús Sanz. Er hält seinen Galgo am Hals
fest, dann lässt er los. Und Tiburón rennt. So schnell wie kein
anderer dem falschen Hasen hinterher, einer Plastikasche,
eingehüllt in Lammfell. Sie ist auf eine Schnur gebunden, die am
Ende der Piste automatisch eingezogen wird. Ein laufender
Windhund verbringt drei Viertel der Zeit in der Lu, der Schwanz
dient ihm dabei als Steuer. Im Ziel wartet Luis Sanz und beobachtet
Tiburón mit dem Fernglas. Tiburón kommt als Erster an, qualiziert
sich für die nächsten beiden Runden. Und rennt zu seinem
Herrchen. Windhunde sind so treu wie kaum eine andere Rasse,
sagen ihre Besitzer. Auch Luis und Jesús Sanz lieben die Jagd, aber
seit geraumer Zeit nden sie immer mehr Gefallen an den
Windhunderennen. «Wegen des Mangels an Feldhasen werden die
Rennen von Jahr zu Jahr beliebter», sagen sie. Feldhasen sind vom
Aussterben bedroht. Seit ein paar Jahren grassiert die
Kaninchenpest, Myxomatose, unter ihnen, die Viruserkrankung
entstellt und tötet die Hasen. Zweite Runde. Auch diese gewinnt
Tiburón, der als einer der wenigen Hunde keine blutenden Pfoten
davonträgt. Heute ist ein guter Tag. Sollten sie nachher siegen,
haben die Gebrüder Sanz das nicht dem Zufall überlassen. Vor dem
Rennen haben sie ihren Galgo drei Tage lang in eine Box gesteckt, in
# MAI
der ihn Magnetwellen auf den Wekampf vorbereiteten, eine
umstriene erapieform, die Durchblutung und Stowechsel
fördern soll. Zum Frühstück hat er eine energetisierende Paste
gegessen. Während der Pause ruht Tiburón im Auto, kriegt
Elektrolyte zur Stärkung, die besondere Rezeptur halten die Sanz’
geheim. Finale. Tiburón wird Erster, beisst am Ende in den falschen
Hasen und lässt ihn nicht mehr los – nicht zufällig bedeutet Tiburón
Hai. Die Brüder sind zufrieden, posieren mit dem Sieger, einem
Pokal und einem Sack Hundefuer, ihrem Preis. Dann fahren sie in
ihr Dorf zurück, im Koerraum ihres dunklen Geländewagens der
müde Champion.
FLORA
Sie war eine Gebärmaschine. Wie viele Junge sie zur Welt gebracht
hat, kann man nur erahnen. Die hängenden Brüste, der ausgelaugte
Bauch, die langen Krallen, die verraten, wie lange sie nicht rannte.
Zuchthündinnen werden o angekeet, damit sie bei ihren Welpen
bleiben, um diese zu ernähren. Ihre Augen tragen eine tiefe
Müdigkeit in sich. Wenn Galgueros aus der Gegend Flora sehen,
werden sie ehrfürchtig. Sie soll einmal eine der besten Jägerinnen
Andalusiens gewesen sein. In jener Zeit muss sie ihren Groll auf
Menschen entwickelt haben. Als sie im Alter von zehn Jahren
bei Carmen Krauer abgegeben wurde, war dieser Groll so stark, dass
sie jeden, der ihr nah kam, angri. «Sie ist die einzige Galga, die ich
je habe zubeissen sehen», sagt die Frau, die ihr eine zweite Chance
gegeben hat. Krauer nahm sie mit in ihr Haus, ng sich einen
Sommer lang Bissspuren ein, dann verstand Flora: Hier dure sie
zur Ruhe kommen, hier war sie in Sicherheit. «Galgos sind die
sensibel-ste und empathischste Hunderasse, die ich kenne. Wenn
man auch nur die Tonlage erhöht, fahren sie in sich zusammen. Sie
sind elfenha. Und die Tragödie, die sie erleben, ist eine der
schlimmsten.» Heute liegt Flora am liebsten auf einem Sessel, den
sie ungern mit anderen teilt. Als Jagdhunde rennen Galgos gerne,
powern sich aus. Aber sie lieben auch die Gemütlichkeit, sind
kinderlieb, können stundenlang schlafen. Floras Fell ist ergraut, wie
das Haar einer älteren Dame. Berührungen lässt sie nun auch von
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Fremden wie mir zu. Je selbstbewusster ein spanischer Windhund
sei, desto zutraulicher werde er, sagt Carmen Krauer. Sie ist Jahre
alt und in der Schweiz aufgewachsen. Eines Tages fand sie während
der Ferien bei ihrer andalusischen Familie eine halbtote Hündin auf
der Strasse. Sie informierte die Polizei, die riet ihr allerdings, das
Tier in den nächsten Graben zu werfen. Krauer brachte sie in die
Fundación Benjamín Mehnert und vermielte sie später privat in
die Schweiz. gründete sie ihren eigenen Verein: Parenas CH,
benannt nach ihrer ersten Hündin. In Carmona, einer Galguero-
Hochburg in Andalusien, lebt Krauer allein zwischen gereeten
Galgos, Podencos (einer anderen o ausgesetzten spanischen
Hunderasse), Mischlingen, Hauskatzen, Wildkatzen, Pferden, Eseln,
Hühnern, Ziegen, Hasen, Vögeln. Ein Team von über
Freiwilligen, die die Adoptionen betreuen, unterstützt sie in der
Schweiz.
Unzählige Tiermisshandlungen hat Krauer schon angezeigt. Die
schlimmste: Vier unter der Augustsonne Andalusiens auf einem
Flachdach ausgesetzte Galgos, eingehüllt in Gestank von Fäkalien
und Verwesung. Aus Hunger und Verzweiung haen sie einen
fünen Hund aufgefressen. Hunderte Tiere hat Krauer gereet.
Andere hat sie aus staatlichen Tierheimen geholt, wo sie jeder
kostenlos abgeben darf. Findet sich innerhalb von drei Wochen
jedoch kein neues Zuhause, werden die Tiere vernichtet –
«Tötungsstationen» nennen Tierrechtler diese Orte. Krauer sagt, sie
habe in ihrem Leben zwei Welten kennengelernt, die Schweiz und
Spanien. «Hier rufst du an und sagst, ein Hund ist auf der Autobahn,
und es interessiert niemanden. In der Schweiz wird deshalb die
Strecke abgesperrt. Und dennoch sind es die spanischen
Tierschützer, die ihr Leben auf stark befahrenen Strassen riskieren,
um einen Hund zu reen.»
PORTILLANO
Er ist der Letzte. Als er zur Welt kommt, kurz vor Uhr morgens,
liegen seine sieben Geschwister bereits eingegraben im weichen Fell
ihrer Muer. Er regt sich nicht, als sie die Plazenta von ihm beisst,
# MAI
ihn sauberleckt. Bald darauf versucht er zu trinken, nuckelt etwas
unbeholfen an der Brust. Wie ein dicker Wollknäuel sieht er aus,
ganz anders als die hagere Muer, seine Augen sind geschlossen.
Wochen später wird er einer von vier Welpen sein, die überlebt
haben und einen Namen kriegen: Portillano. Weil er in Portillo,
einem bekannten Galguero-Dorf in Castilla-La Mancha, geboren ist.
Portillano und seine Geschwister sind am berechneten
Geburtstermin zur Welt gekommen. April ist ein beliebter Zeitpunkt
für Geburten, weil die Hunde im Jahr darauf zu Jagd- und
Webewerbsbeginn das ideale Alter haben, eineinhalb Jahre. Und
die Zeit, in der sie etwas erreichen können, ist kurz. Über die frisch
geborenen Welpen beugt sich ein Mann, weisses Haar, runder
Bauch. David Díaz Guerra, Jahre alt, Vizepräsident der Galgos-
Vereinigung in Castilla-La Mancha. Nachts hat er Portillanos Muer
massiert, ihr das wehenfördernde Hormon Oxytocin gespritzt, einen
Zentimeter in die Haut hinein. Díaz Guerra nennt seine Hunde
«Produkt», er sagt: «Ich liebe die Zucht. Mein Ziel ist es, die Besten
für die Meisterscha zu nden.» Deshalb ist er mit Portillanos
Muer fast Kilometer bis nach Huelva in Andalusien gefahren.
Zu einem Galgo, den er bei einer Landesmeisterscha hat rennen
sehen. Er zeigt mir ein Video von der Zeugung und strahlt dabei,
spult zweimal zurück. Die Hinterteile der beiden Hunde sind
minutenlang mit einem Plastikseil zusammengebunden, damit sie
sich nicht lösen.
Seit Jahren versucht Díaz Guerra eine Meisterin zu produzieren:
«Ich spiele in der Mielliga, wie die meisten.» Für seine Liebhaberei
hat er viel Geld ausgegeben und kaum etwas daran verdient.
Dennoch kann er sich ein Leben ohne einen Galgo nicht vorstellen.
Immer öer sieht Díaz Guerra dieses Leben aber bedroht. Von
Tierrechtlern, die besser organisiert seien als seine Leute. Von
Institutionen wie der Generaldirektion für Tierrechte, die er nicht
versteht. Vom Wandel der Zeit. In den ländlichen Gebieten mangelt
es an Unterhaltungsmöglichkeiten, an Museen, an Sportzentren.
«Also schauen wir uns Stierkämpfe an oder gehen jagen, hinaus mit
unseren Hunden. Was ist so schlimm daran?» Tierquälerei ist für
Díaz Guerra, wenn ein Galgo, der mehr als alles andere Auslauf
# MAI
brauche, in einer Zweizimmerwohnung in Madrid gehalten wird.
Galgueros wie er versuchen, aus der Jagd mit Windhunden ein
Kulturgut zu machen, um irgendwann den Status des Unesco-
Weltkulturerbes zu erreichen. Oder sogar olympische Disziplin zu
werden, schliess-lich handele es sich um einen anerkannten Sport.
Und was passiert mit den Hunden, die nichts taugen? Mit den alten,
den langsamen, den zu schlauen? Was geschieht mit Portillano,
wenn er seinen Zenit überschrien hat? Wie alle Galgueros, die
bereit sind, mit mir zu sprechen, sagt auch David Díaz Guerra, er
habe noch nie einen Hund ausgesetzt, nicht einmal bei Tierschützern
abgegeben, «und ich kenne auch niemanden, der so etwas tut.» Es
gäbe eine naheliegendere Möglichkeit. Portillano, sagt er, werde er
bald mit den vorgeschriebenen Impfungen versehen. Und dann
verschenken. Irgendjemand, der einen Galgo will, ndet sich
schliesslich immer.
# MAI
Supersinne
Warum haben Hunde lange Schnauzen? Damit sie gut riechen
können. Die Nase ist das wichtigste Sinnesorgan dieser Tiere. Sie
besitzen etwa 220 Millionen Riechzellen, zehn- bis zwanzigmal mehr
als der Mensch. Zudem sind diese sensibler. Auch die Atemtechnik
der Hunde – viele kurze Atemzüge – unterstützt den Geruchssinn. Das
Resultat: Ein Hund kann schätzungsweise eine Million Gerüche
unterscheiden, der Mensch 10 000. Auch beim Gehör sind Hunde
dem Menschen weit überlegen. Mithilfe von 17 Muskeln können
Rassen mit Stehohren diese wie einen Radar bewegen, um Geräusche
zu orten. Sie nehmen höhere Frequenzen wahr als Menschen. Einzig
beim Sehen können wir mithalten: Hunde haben Mühe, unbewegte
Objekte zu sehen, weder auf Distanz noch in der Nähe sehen sie
scharf. Einzige Ausnahme: Windhunde. Beim Jagen können sie die
Beute aus 800 Meter Entfernung ausmachen, dank eines
Sichtbereichs von 270 Grad selbst diejenige, die sich hinter ihnen
befindet.
Interessenkonflikte
Ab einer bestimmten Anzahl von Tieren im Privathaushalt ist in
Spanien eine spezielle Erlaubnis nötig. Dieser núcleo zoológico ist
verbunden mit Auflagen wie etwa einer bestimmten
Grundstücksgrösse. Ab wann die Tierhaltung reguliert – und
entsprechend auch kontrolliert – wird, ist jedoch von Region zu
Region verschieden: Bis zu fünf Tiere darf man frei von Auflagen in
Madrid halten, im ländlichen Andalusien sind es fünfzehn. Spaniens
Generaldirektor für Tierrechte will die Anzahl der erlaubten Hunde
ohne spezielle Genehmigung spanienweit auf fünf pro Haushalt
senken. Jägerverbände dagegen möchten sie erhöhen, auf mindestens
zehn.
AUTORIN
Aufgrund von Studienaufenthalten, Reisen und Recherchen kennt die
Reporterin Barbara Bachmann Spanien relativ gut, neben Deutsch,
# MAI
Italienisch und Englisch spricht sie fliessend Spanisch. Trotzdem hat
sie vor dieser Recherche kaum etwas über das Los der Galgos, dieser
gleichermassen zarten wie zähen Tiere, gewusst. Dabei spalten nur
wenige andere Themen die Spanier so sehr. «Die Recherche hat mir
einmal mehr gezeigt, welch fühlende und charakterstarke Wesen Tiere
sind», sagt Bachmann. Gerne hätte sie die Windhunde fragen können,
wie es ihnen gehe und was ihre Sicht der Dinge sei.
# MAI