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FOCUS-24_2022_Vorschau

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KINO<br />

Foto: dpa<br />

Natürlich wollte niemand<br />

auf ihn hören.<br />

Seit knapp dreißig<br />

Jahren warnt Dr. Ian<br />

Malcolm nun schon<br />

vor den Gefahren der<br />

Dinosaurier für die<br />

Menschheit, doch die Menschen sehen<br />

in ihnen je nach Weltsicht eine groß -<br />

artige Geschäftsidee, ein Wunder der<br />

Wissenschaft oder aber possierliche, wenn<br />

auch etwas zu groß geratene Tierchen.<br />

Trotz des Wohlwollens zeigen die Saurier<br />

ihrerseits aber keinerlei Respekt für<br />

all die zivilisatorischen Errungenschaften,<br />

die uns lieb und teuer sind,<br />

wie etwa Eigentumsverhältnisse,<br />

Straßenverkehrsregeln und<br />

Ladenöffnungszeiten. Probleme<br />

sind also unvermeidlich.<br />

Inzwischen sind die Saurier<br />

jedenfalls überall. In „Jurassic<br />

World: Ein neues Zeitalter“, dem<br />

Abschluss der „Jurassic World“-<br />

Trilogie und der sechsten Folge<br />

der „Jurassic“-Reihe insgesamt,<br />

trollen sie durch die Wälder,<br />

grasen in der Prärie und nisten<br />

auf Hochhausdächern. „Ja, ich<br />

weiß auch nicht, warum man<br />

nicht auf Ian Malcolm hören<br />

will“, sagt Jeff Goldblum, der<br />

den beliebten Chaostheoretiker<br />

seit dem ersten Teil spielt und<br />

von der Deutschlandpremiere in<br />

Köln per Telefon zugeschaltet<br />

ist. „Dabei ist Malcolm ja ein<br />

anerkannter Experte und redet<br />

über die Weltuntergangsuhr,<br />

die Spezies Mensch und was sie tun<br />

könnte und sollte, um das Ruder doch<br />

herumzureißen.“ Im mutmaßlich letzten<br />

Teil der Reihe sieht man, wie er einen<br />

Vortrag hält und das Auditorium gebannt<br />

seinen Worten lauscht. Aber dann endet<br />

alles wieder im Desaster. Goldblum pragmatisch:<br />

„Ja, sonst gäbe es ja auch keinen<br />

neuen Film.“<br />

Urlaub mit Dinos<br />

Die „Jurassic“-Reihe gibt es, seit Steven<br />

Spielberg 1993 Michael Crichtons Roman<br />

„DinoPark“ auf die Leinwand brachte. Im<br />

Zentrum stand damals ein Multimilliardär,<br />

der mittels Gentechnologie allerhand<br />

Dinosaurier zum Leben erweckt hatte, die<br />

in seinem Freizeitpark gleich um die Ecke<br />

von Costa Rica auf der pazifischen Insel<br />

Nublar die Besucher unterhalten sollten.<br />

Aufgrund einer unglücklichen Kombination<br />

von Gier, Pech, Unvermögen, Hybris,<br />

technischen Problemen, einem Unwetter<br />

sowie zweifelhaften Mitarbeitern nutzten<br />

aber bald die schönsten Sicherheitsvorkehrungen<br />

nichts. Zäune wurden niedergetrampelt<br />

und Leute am Wegesrand verspeist,<br />

weshalb alle, die die Katastrophe<br />

überlebten, zu dem Schluss kamen, dass<br />

sie sich die Wiederbelebung der Dinosaurier<br />

irgendwie anders vorgestellt hatten.<br />

Niemand hatte auch mit einem derart<br />

durchschlagenden Erfolg gerechnet. Im<br />

Jahr seines Kinostarts spielte der Film<br />

knapp 913 Millionen Dollar ein und war<br />

damit der erfolgreichste Film aller Zeiten,<br />

Tyrannosaurus<br />

Boss<br />

Es heißt Abschied nehmen.<br />

„Jurassic World: Ein neues Zeitalter“<br />

ist der angeblich letzte Teil der<br />

beliebten Filmreihe. Dabei kann es im<br />

Kino gar nicht genug Dinosaurier geben<br />

TEXT VON HARALD PETERS<br />

bis James Cameron vier Jahre später die<br />

„Titanic“ versenken sollte. Der Film zog<br />

Videospiele, Brettspiele, Spielfiguren, Comics,<br />

Ausstellungen, Freizeitparkattraktionen<br />

nach sich sowie selbstverständlich<br />

einen weiteren Film.<br />

Nur vier Jahre später ließ Spielberg<br />

in „Vergessene Welt: Jurassic Park“ auf<br />

Nublars Nachbarinsel Sorna, wo die<br />

Dinos ohne Touristen ungestört ihren<br />

Dino-Geschäften nachgingen, Großwildjäger<br />

und Tierschützer aufeinandertreffen,<br />

zwei natürliche Feinde, die im Verbund<br />

mit Tyrannosaurus Rex, Compsognathus,<br />

Pachycephalosaurus und wie sie alle heißen<br />

wieder ein mächtiges Durcheinander<br />

veranstalteten.<br />

Die Daimler-Benz AG nutzte damals den<br />

sagenhaften Erfolg der Filmreihe und platzierte<br />

zur Markteinführung zwei Modelle<br />

seiner Mercedes-M-Klasse in der Hand-<br />

lung, um sie dann im Chaos zerdeppern<br />

zu lassen. Mögliche Werbebotschaft:<br />

stabil, aber im Falle eines Dino-Angriffs<br />

vielleicht doch nicht ausreichend. Zum<br />

Abschluss der ersten Trilogie wurde<br />

2001 in „Jurassic Park III“ ein weiteres<br />

Mal die Insel Sorna angesteuert, was im<br />

Ergebnis allerdings nur von überschaubarer<br />

künstlerischer Bedeutung war.<br />

Mit „Jurassic World“, dem Beginn der<br />

zweiten Trilogie, ging 2015 wieder alles<br />

von vorne los. Die Figuren waren neu,<br />

aber die Geschichte bekannt: Freizeitparkträume,<br />

geklonte Saurier, unvorhergesehene<br />

Probleme, Schäden noch und<br />

nöcher. In „Jurassic World: Das<br />

gefallene Königreich“ kam es<br />

drei Jahre später erneut zum<br />

Showdown zwischen Tierschützern<br />

und Großwildjägern, die<br />

im Auftrag eines fragwürdigen<br />

Unternehmens die Dinos<br />

an zwielichtige Milliardäre verhökerten.<br />

Wieder verlief nichts<br />

nach Plan, weswegen man<br />

es nun im dritten Teil mit frei<br />

laufenden Sauriern zu tun hat<br />

sowie einem seltsamen Dino-<br />

Reservat in den Dolomiten, das<br />

von einem dubiosen Tech-Guru<br />

betrieben wird, den man sich als<br />

eine soziopathische Mischung<br />

aus Mark Zuckerberg, Steve<br />

Jobs, Elon Musk und Peter Thiel<br />

vorstellen muss. Was könnte da<br />

schon schiefgehen?<br />

Urlaub mit Dinos<br />

Nun könnte man die frappierende<br />

Ähnlichkeit der ersten mit der<br />

zweiten Trilogie als Beweis für die Einfallslosigkeit<br />

der Macher nehmen, doch<br />

andererseits ist es vielleicht auch eine<br />

Metapher für die Dummheit der Menschheit,<br />

die verdammt zu sein scheint, die<br />

gleichen Fehler wieder und wieder zu<br />

begehen. „Das scheint tatsächlich eines<br />

der großen Probleme von uns zu sein“,<br />

sagt Goldblum. Andererseits seien wir<br />

als Spezies aber auch ausgesucht widerstandsfähig,<br />

was besonders für Goldblum<br />

selbst gilt, sonst hätte er wohl nicht so<br />

lange in der Rolle überlebt. Inzwischen<br />

scheint Goldblum die Rolle derart verinnerlicht<br />

zu haben, dass er sich keine<br />

erkennbare Mühe mehr gibt, sie auch<br />

nur ansatzweise überzeugend zu spielen<br />

– was dem Spaß im Großen und Ganzen<br />

aber keinen Abbruch tut, man schaut ihm<br />

einfach gerne zu.<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>24</strong>/<strong>2022</strong> 91

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