Die Kraft des Evangeliums 2/2022
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DIE KRAFT DES<br />
EVANGELIUMS<br />
Eine Ausgabe <strong>des</strong> Missionswerks Voice of Hope • 2/<strong>2022</strong><br />
Der Kampf um die<br />
Wahrheit<br />
• Keine Kompromisse<br />
• Einig in Wahrheit<br />
• Lähmung durch Angst und Schuld<br />
• <strong>Die</strong> neue KLEINE VOH-REIHE<br />
• Christen in der Feuerprobe<br />
• In Bedrängnis stillhalten<br />
• Lehre sie zu arbeiten<br />
• <strong>Die</strong> Einsamkeit <strong>des</strong> Single-Seins
INHALT<br />
4<br />
8<br />
14<br />
20<br />
28<br />
30<br />
34<br />
37<br />
Keine Kompromisse (Teil 2)<br />
Stuart Olyott<br />
Einig in Wahrheit<br />
D. Martyn Lloyd-Jones<br />
Lähmung durch<br />
Angst und Schuld<br />
R.C. Sproul<br />
<strong>Die</strong> neue KLEINE VOH-REIHE<br />
Christen in der Feuerprobe<br />
Mission – Afghanistan<br />
In Bedrängnis stillhalten<br />
Thomas Brooks<br />
Lehre sie zu arbeiten<br />
Mary Beeke<br />
<strong>Die</strong> Einsamkeit <strong>des</strong> Single-Seins<br />
Lydia Brownback
Kämpfe den guten Kampf<br />
DES GLAUBENS<br />
Alles bewegt sich, vieles verändert sich.<br />
Menschen sind verunsichert, und wir<br />
fragen uns, was noch alles auf uns zukommen<br />
wird. Womit sollen wir rechnen, wo können<br />
wir Halt finden? Das alles betrifft nicht nur<br />
die Ungläubigen; auch viele Christen sind verunsichert.<br />
Gemeinden spalten sich, viele verlassen ihre<br />
Gemeinden; ein Bruder steht gegen einen anderen<br />
auf, Pastoren geben ihre geistlichen Positionen<br />
und ihre Richtung auf, einige streben danach, bekannt<br />
und beliebt zu werden, und manche fragen<br />
sich: Wo ist nun die Braut Christi, die rein und unbefleckt<br />
ist? Warum sind so viele kompromissbereit,<br />
und wo bleibt die Einigkeit in der Wahrheit?<br />
Liebe Brüder und Schwestern, wenn sich auch vieles<br />
verändert – die biblische Wahrheit ändert sich<br />
nicht, nur weil einige ihren Standpunkt und ihre<br />
Richtung geändert haben. Wenn viele auch den<br />
Kampf um die Wahrheit aufgeben und statt<strong>des</strong>sen<br />
in menschliche und politische Kämpfe verwickelt<br />
sind – wahre Christen sind verpflichtet, ihr<br />
ganzes Denken an der Wahrheit auszurichten.<br />
<strong>Die</strong> Gemeinde Jesu darf sich niemals ohne<br />
triftigen Grund auf Kontroversen und Konflikte<br />
einlassen. Doch in jeder Generation hat sich der<br />
Kampf um die Wahrheit letztlich als unvermeidbar<br />
erwiesen, weil die Feinde <strong>des</strong> Kreuzes niemals<br />
nachgeben. <strong>Die</strong> Wahrheit steht immer unter Beschuss.<br />
Und es ist in der Tat eine Sünde, nicht dagegen<br />
anzukämpfen, wenn biblische Wahrheiten<br />
angegriffen oder verwässert werden.<br />
Wir erleben heute falsche Darstellungen der<br />
Heilslehre, der Gemeindelehre, ein falsches Verständnis<br />
der biblischen Prophetie und der Endzeitlehre.<br />
Wie in der Zeit der Apostel Gemeinden<br />
von Feinden <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> unterwandert wurden,<br />
so auch in unserer Zeit. Treue Christen sind<br />
<strong>des</strong>halb verpflichtet, auch innerhalb der Gemeinde<br />
wachsam zu sein. <strong>Die</strong> Wahrheit steht unter Beschuss,<br />
und zu wenige mutige Christen sind bereit,<br />
den wahren Kampf aufzunehmen. Viele kämpfen<br />
zwar, aber womöglich einen falschen Kampf.<br />
Paulus schreibt: »Denn unser Kampf richtet sich<br />
nicht gegen Fleisch und Blut« (Eph. 6,12). Und zu Timotheus<br />
sagt er: »Kämpfe den guten Kampf <strong>des</strong> Glaubens;<br />
ergreife das ewige Leben, zu dem du auch berufen bist«<br />
(1.Tim. 6,12). Wie kämpfte Paulus? Er predigte, er<br />
lehrte, er kämpfte um die Reinheit der Gemeinde<br />
und konnte sagen: »Denn ich habe nichts verschwiegen,<br />
sondern habe euch den ganzen Ratschluss Gottes<br />
verkündigt« (Apg. 20,27). Doch er musste auch leiden<br />
und für das Evangelium ins Gefängnis gehen.<br />
Und am Ende seines Lebens sagt er: »Ich habe den<br />
guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben<br />
bewahrt« (2.Tim. 4,7).<br />
Wenn wir vor dem Richterstuhl Christi stehen,<br />
werden Gläubige unserer Generation ihre<br />
Trägheit nicht dadurch entschuldigen können,<br />
dass der Kampf um die Wahrheit nur eine lehrmäßige<br />
Auseinandersetzung sei, womit sie ja gar<br />
nichts zu tun gehabt hätten. In Offenbarung 2-3<br />
werden Gemeinden zurechtgewiesen, weil sie<br />
falsche Lehren duldeten. Aber die Gemeinde von<br />
Ephesus wird ausdrücklich gelobt, weil sie falsche<br />
Apostel als Lügner entlarvt hatte (Off. 2,2).<br />
Liebe Freunde, wir dürfen nicht aus dem Grund<br />
kämpfen, weil wir einen Kämpfergeist haben,<br />
oder weil wir einen Gegner haben, den wir überwinden<br />
wollen, sondern aus einer echten Liebe zu<br />
Christus, weil Er alles ist, was wir für wahr und<br />
wert halten, dass man dafür kämpft. Es ist mein<br />
Gebet und sehnlicher Herzenswunsch, dass der<br />
Herr noch in unserer Zeit durch das kraftvolle<br />
Evangelium und Seinen Geist eine Erweckung<br />
wirkt, in unseren Familien, Gemeinden und in<br />
unserem Land.<br />
In Christus grüßt Sie herzlich<br />
Niko Derksen<br />
Prediger und Lehrer der<br />
Reformierten Baptistengemeinde Reichshof<br />
voiceofhope.de | 3
STUART OLYOTT<br />
KEINE<br />
ompromisse<br />
Daniel 3,19-30<br />
Im ersten Teil sahen wir, wie sich drei junge<br />
Männer weigerten, sich vor dem Götzen niederzuwerfen.<br />
Sie waren sich der Rettungsmacht<br />
<strong>des</strong> Herrn bewusst. Aber ihre Entschiedenheit<br />
ging so weit, dass sie sich selbst dann nicht<br />
vor dem Bild niederwerfen würden, wenn sie<br />
nicht von der Strafe befreit würden. Sie setzten<br />
ihr ganzes Vertrauen auf den Herrn. Zu solchem<br />
Handeln befähigt nur gottesfürchtiger Glaube.<br />
Wir haben gelernt, dass es unsere Aufgabe im<br />
Leben ist, das zu tun, was Gott wohlgefällt, koste<br />
es, was es wolle, und ganz gleich, welche Folgen<br />
es haben mag. <strong>Die</strong> Konsequenzen liegen in Seinen<br />
Händen, doch die Pflicht ist uns auferlegt. <strong>Die</strong> drei<br />
jungen Männer beschlossen, das Richtige zu tun<br />
und das Ergebnis Gott zu überlassen.<br />
Wir haben uns das letzte Mal jene unwiderstehliche<br />
<strong>Kraft</strong> angeschaut, danach jene drei unbeweglichen<br />
Gegenstände. Schließlich werden<br />
wir sehen, was geschieht, wenn die beiden Kräfte<br />
aufeinanderprallen.<br />
<strong>Die</strong> mächtigste <strong>Kraft</strong> der damaligen Welt hatte<br />
befohlen: »Tut dies!« Ihr wurde mit der Antwort<br />
begegnet, die der Böse am meisten fürchtet:<br />
»Nein!«<br />
• Nebukadnezar wird jedoch nicht von dem<br />
Weg abrücken, den er gewählt hat.<br />
• Sadrach, Mesach und Abednego werden<br />
auch nicht von dem Standpunkt abrücken,<br />
den sie eingenommen haben.<br />
4 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong><br />
TEIL 2
Welche Folgen wird ihre Haltung haben?<br />
<strong>Die</strong> Folge war, dass die drei kompromisslos gläubigen<br />
jungen Männer, Sadrach, Mesach und<br />
Abednego, ins Feuer geworfen wurden. Aber mitten<br />
im Feuer erfahren sie Errettung. Wir müssen<br />
beachten, dass sie die Errettung im Feuer empfingen<br />
und nicht vor dem Feuer.<br />
<strong>Die</strong> Heftigkeit <strong>des</strong> Zornes Nebukadnezars veränderte<br />
sogar seinen Gesichtsausdruck (V. 19)! In<br />
seiner Wut befiehlt er, dass der Feuerofen siebenmal<br />
heißer als gewöhnlich gemacht werden solle.<br />
Wenn diejenigen, die Gott mehr fürchten als<br />
alles andere, den Kompromiss ablehnen, dann<br />
kennt der Zorn der Gottlosen keine Grenzen. <strong>Die</strong>jenigen,<br />
die sagen, dass sie bereit seien, um <strong>des</strong><br />
Herrn willen in den Feuerofen zu gehen, müssen<br />
zu der Erkenntnis gebracht werden, dass jener<br />
Feuerofen um einiges heißer sein könnte, als sie<br />
es sich überhaupt vorstellen können.<br />
Es ist anhand von Vers 20 offensichtlich, dass Nebukadnezar<br />
Widerstand gegen seinen Befehl, die<br />
drei Abtrünnigen hinzurichten, erwartete, weil er<br />
diese Aufgabe in die Hände der stärksten Männer<br />
seiner Armee legte.<br />
In den Versen 21-23 sehen wir, wie sie die drei<br />
jungen Männer, gefesselt und in ihrer Hofkleidung,<br />
an die Öffnung <strong>des</strong> Ofens bringen. Der Ofen<br />
ähnelte einem großen Topf. In Bodennähe befand<br />
sich seitlich eine Tür, durch die er geheizt wurde.<br />
Nach oben war er offen.<br />
Zu dieser Öffnung werden nun Gottes treue<br />
junge Männer gebracht. Der Ofen ist so heiß, dass<br />
Nebukadnezars Helfer, die sie hinaufbringen, von<br />
der starken Hitze getötet werden – aber nicht, bevor<br />
Sadrach, Mesach und Abednego hineingeworfen<br />
wurden.<br />
<strong>Die</strong>jenigen, die das Ganze beobachten, sehen<br />
die jungen Männer durch die Flammen bis an den<br />
Boden <strong>des</strong> Ofens fallen. Sie sind gefesselt und hilflos,<br />
und das Feuer, das bereits diejenigen getötet<br />
hat, die doch draußen blieben, wird nun sicher<br />
auch sie töten. <strong>Die</strong>s bedeutet offensichtlich das<br />
Ende <strong>des</strong> kleinen Überrestes <strong>des</strong> Volkes Gottes.<br />
Aber das ist eben nur eine Vermutung! Das wahre<br />
Volk Gottes wird nie ein Ende finden! <strong>Die</strong> Welt<br />
wird niemals erleben, dass der treue Überrest vom<br />
Erdboden verschwindet. Ihre Zahl mag klein sein,<br />
doch sie werden nie zu existieren aufhören. Niemals!<br />
Bis Jesus wiederkommt, wird Er die Seinen<br />
immer schützen und bewahren. Das ist ein Trost<br />
für alle wahren Christen.<br />
Ich las von der Situation in Albanien vor 1990.<br />
Man konnte dort keine sichtbaren Zeichen der<br />
Gemeinde Jesu mehr finden. Und noch weniger<br />
gab es sichtbare Anzeichen dafür, dass die Christen<br />
einen Einfluss auf die albanische Nation ausgeübt<br />
hätten. Kein Buch in irgendeiner Bibliothek<br />
enthielt den Namen Gottes, außer zu dem Zweck,<br />
Seinen Namen zu missbrauchen. Es gab auf keinem<br />
Friedhof auch nur ein einziges Kreuz. Und<br />
doch gab es in diesem Land immer noch viele echte<br />
Gläubige, die Christus von ganzem Herzen liebten<br />
und bereit waren, für Ihn zu leiden. <strong>Die</strong> systematischen<br />
»Säuberungsaktionen« hatten mit<br />
ihrem Versuch, die Gläubigen auszurotten, keinen<br />
Erfolg gehabt. Man kann den Überrest Gottes niemals<br />
loswerden.<br />
Nebukadnezar und seine <strong>Die</strong>ner hatten sicher<br />
erwartet, ein kurzes Aufschreien zu hören und<br />
die drei Leichname in den Flammen verbrennen<br />
zu sehen. Das wäre, so dachten sie, das Ende der<br />
Angelegenheit gewesen. Es würden keine Abtrünnigen<br />
übrigbleiben. Jeder lebende Mensch in Babylon<br />
würde dann bereit sein, vor Nebukadnezars<br />
Bild niederzufallen.<br />
Aber Nebukadnezar sah – wie alle bösen Menschen,<br />
die sich gegen das wahre Volk Gottes verschworen<br />
haben – nicht das, was er sehen wollte.<br />
Statt<strong>des</strong>sen sah er etwas, was ihn veranlasste, von<br />
seinem Sitz aufzuspringen und dies mit seinen<br />
Staatsmännern zu überprüfen!<br />
»Haben wir nicht drei Männer gebunden in das<br />
Feuer werfen lassen?«<br />
»Ja, drei«, lautet die Antwort.<br />
»In welchem Zustand?«, fragt der König.<br />
»Gefesselt.«<br />
»Wie kommt es dann, dass ich jetzt vier Männer<br />
in den Flammen frei umhergehen sehe – ohne<br />
Anzeichen von Fesseln? Und wie kommt es, dass<br />
der Vierte ein übernatürliches Aussehen hat?«,<br />
fragt der König weiter.<br />
Natürlich beschrieb Nebukadnezar die vierte<br />
Person im Feuer mit den Begriffen, die er aus seinem<br />
eigenen religiösen System kannte. Er nannte<br />
ihn einen »Sohn der Götter«. Ebenso eindeutig<br />
voiceofhope.de | 5
esteht kein Zweifel daran, dass der vierte Mann<br />
kein anderer war als der Sohn Gottes Selbst.<br />
<strong>Die</strong> Heilige Schrift lehrt ganz eindeutig, dass<br />
der Sohn Gottes schon viele Male auf Erden<br />
in menschlicher Gestalt erschien, bevor Er in<br />
menschlichem Fleisch unter uns wohnte.<br />
Häufig wird Er in diesen Gotteserscheinungen<br />
vor Seiner Menschwerdung als »der Engel<br />
<strong>des</strong> Herrn« (z. B. 2.Mo. 3,2) oder »der Engel« beschrieben<br />
(1.Mose 48,16). Wir sind daher nicht<br />
überrascht, wenn wir hören, dass er in Vers 28 <strong>des</strong><br />
vorliegenden Kapitels als »Sein (Gottes) Engel«<br />
bezeichnet wird (Nebukadnezar bezeichnete Gott<br />
als den »Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos«).<br />
Der Herr Jesus Christus war es, der mit Sadrach,<br />
Mesach und Abednego in den Flammen<br />
umherging! Eine Verheißung, die Israel durch<br />
die Lippen <strong>des</strong> Propheten Jesaja gegeben wurde,<br />
erwies sich als wahr: »Wenn du durchs Wasser gehst,<br />
so will Ich bei dir sein, und wenn durch Ströme, so sollen<br />
sie dich nicht ersäufen. Wenn du durchs Feuer gehst, sollst<br />
du nicht versengt werden, und die Flamme soll dich nicht<br />
verbrennen« (Jes. 43,2).<br />
Wenn die drei einen Kompromiss geschlossen<br />
hätten, so hätten sie nie das Vorrecht gehabt, mit<br />
Christus in den Flammen <strong>des</strong> Feuerofens wandeln<br />
zu dürfen. Ihre Gemeinschaft mit Gott wäre unterbrochen<br />
worden, und sie wären für immer gebunden<br />
gewesen – nicht mit Seilen und Ketten, sondern<br />
mit einem alles durchdringenden Gefühl <strong>des</strong><br />
Versagens, der Enttäuschung und Nutzlosigkeit.<br />
Statt<strong>des</strong>sen hatten sie das Vorrecht, mit der<br />
zweiten Person der Dreieinigkeit, dem Sohn Gottes,<br />
schon 600 Jahre vor Seiner Geburt als Mensch<br />
umherwandeln zu dürfen. Durch ihre Weigerung<br />
zu sündigen hatten sie ein Erlebnis der Gemeinschaft<br />
mit dem Herrn Jesus Christus, das auf den<br />
Seiten <strong>des</strong> Alten Testaments beinahe einmalig ist.<br />
Wer hätte je geglaubt, dass so etwas möglich<br />
wäre?! Wenn sie versucht hätten, ihr Leben zu<br />
retten, dann hätten sie ihr Leben in Wirklichkeit<br />
verloren. Das Leben wäre für sie zu einer Existenz<br />
ohne Bedeutung und ohne Gemeinschaft geworden.<br />
Aber weil sie bereit waren, ihr Leben zu verlieren,<br />
hatten sie es gefunden.<br />
Niemand verliert etwas, wenn er sich zu sündigen<br />
weigert, was auch immer an Gegenteiligem<br />
gesagt werden mag. Sie erfuhren nicht Errettung<br />
vor dem Feuer, sondern Errettung im Feuer – das<br />
ist der Weg Gottes.<br />
Gott gibt Seinen Kindern, die sich weigern,<br />
Kompromisse zu schließen, sehr viele Tröstungen.<br />
Wie viel Eindruck hätten diese drei auf die<br />
Gottlosen gemacht, wenn sie sich wie alle anderen<br />
niedergeworfen hätten? Überhaupt keinen!<br />
Doch nun waren es die Gottlosen, die mit Erstaunen<br />
durch die Öffnung in der Seite <strong>des</strong> Ofens<br />
starrten und sich entsetzten. Sie waren Zeugen<br />
davon, dass diejenigen, die sie als »Abtrünnige«<br />
bezeichneten, nun mit Christus in den Flammen<br />
umherwandelten, und sie sahen, dass sie völlig<br />
unversehrt blieben. Soweit wir wissen, wurde<br />
niemand an jenem Tag bekehrt. Aber sie sollten<br />
einen Eindruck von der Macht Gottes bekommen,<br />
der sie ihr ganzes Leben hindurch nicht loslassen<br />
würde.<br />
Am Ende jenes bedeutsamen Tages drehte sich<br />
das Gespräch nur noch um den Gott Sadrachs,<br />
Mesachs und Abednegos. Das abscheuliche Bild<br />
wurde überhaupt nicht mehr erwähnt! Auf Nebukadnezars<br />
Bitte hin kommen die drei Gläubigen<br />
aus dem Feuer. Ihnen war nicht einmal ein Haar<br />
ihres Hauptes versengt worden! Auch ihre Kleider<br />
waren nicht angebrannt worden, und es war nicht<br />
einmal Brandgeruch an ihnen zu bemerken!<br />
Was für ein Gott! Seine Knechte sind völlig unversehrt!<br />
Was für ein großer Gott! Nebukadnezar<br />
hat sich hier noch nicht bekehrt; aber die Ereignisse<br />
<strong>des</strong> Tages sind zu viel für ihn. Einmal mehr wird<br />
er zu einer offenen Anerkennung Gottes getrieben.<br />
Es gab eine Zeit in unserem Land, als selbst die<br />
Unbekehrten eine gewisse Gotteserkenntnis hatten.<br />
Im Großen und Ganzen waren die Menschen<br />
ohne rettenden Glauben, und doch wurde Gott<br />
überall im Leben <strong>des</strong> Volkes anerkannt. Zehntausende<br />
– selbst unbekehrter Leute – besuchten<br />
regelmäßig die Gottesdienste, sprachen vor den<br />
Mahlzeiten Tischgebete und hielten die Sonntagsruhe<br />
ein. Viele weigerten sich, zu schwören, zu lügen<br />
und sich zu betrinken, und sie widerstanden<br />
denen, die versuchten, das Familienleben zu zerstören,<br />
die mit Geld spielten oder sich an irgendeiner<br />
Form von Unehrlichkeit beteiligten.<br />
<strong>Die</strong>s lag nicht daran, dass sie etwa bekehrt gewesen<br />
wären, sondern ergab sich aus dem starken<br />
Eindruck, den das Bewusstsein von Gott auf ihr<br />
Gewissen hatte. <strong>Die</strong> Sittlichkeit und die Moral un-<br />
6 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
seres Lan<strong>des</strong> war eng mit ihrem Gespür von der<br />
Existenz Gottes verknüpft.<br />
Mittlerweise ist unser Volk weit von jener Position<br />
entfernt und bewegt sich derzeit tatsächlich<br />
immer weiter davon weg. Der Abfall vom Glauben<br />
begann, als die Gemeinden und Christen allgemein<br />
anfingen, Kompromisse zu schließen. Je<br />
mehr sie versuchten, modern zu sein und »mit der<br />
Zeit zu gehen«, <strong>des</strong>to weniger Einfluss für Gott ist<br />
auf die Gesellschaft ausgeübt worden.<br />
Als die Gemeinden begannen, ihre Botschaft zu<br />
verwässern, so dass sie nichts mehr predigten, was<br />
in irgendeiner Form Anstoß erregen könnte, und<br />
statt<strong>des</strong>sen »besucherfreundliche« Gottesdienste<br />
gestalteten, war der Augenblick gekommen, in<br />
dem sie ihre <strong>Kraft</strong> verloren. Sie haben ihre <strong>Kraft</strong><br />
nicht in erster Linie <strong>des</strong>halb verloren, weil sie keinen<br />
Anstoß erregen wollten, sondern weil sie von<br />
der Wahrheit <strong>des</strong> rettenden <strong>Evangeliums</strong> abgewichen<br />
sind. Im Zentrum <strong>des</strong> Gottesdienstes steht<br />
nicht mehr eine Predigt, in der das Wort Gottes<br />
ausgelegt und an die Herzen angewandt wird. Es<br />
sind eher Mini-Predigten für Mini-Christen, und<br />
es gibt viel Unterhaltungsprogramm mit Musik.<br />
Nur dann, wenn das wahre Volk Gottes »Nein!«<br />
zu dem sagt, was Gott missfällt – wie unangenehm<br />
dies für andere auch sein mag –, kann es einen<br />
mächtigen Eindruck für Gott auf unsere gottlose<br />
Gesellschaft hinterlassen.<br />
Schauen wir uns an, zu welcher Erkenntnis Nebukadnezar<br />
gebracht wurde. Von Vers 28 an sehen<br />
wir, dass er anerkannte, wer Gott ist. Er kam<br />
zur Erkenntnis, dass Gott Knechte hat, dass Gott<br />
Seinen Engel gesandt hatte, dass Gott mächtiger<br />
ist als er selbst, obgleich er der mächtigste Mann<br />
in der Welt war, und dass Gott größer ist als jeder<br />
andere Gott und es verdient, angebetet zu werden.<br />
Noch hatte er nicht erkannt, dass Gott der alleinige<br />
Gott ist. Er kam auch noch nicht zum Glauben<br />
an Christus. Doch gewisse Wahrheiten wurden<br />
dem Herzen dieses Mannes eingebrannt.<br />
Seine Reaktion war der Erlass <strong>des</strong> Befehls, von<br />
dem wir in Vers 29 lesen. Wir können keineswegs<br />
gutheißen, was er hier befahl.<br />
Doch wir müssen bedenken, dass er immer<br />
noch ein unbekehrter Mann war, und es war in allen<br />
Jahrhunderten für solche Männer typisch, zu<br />
versuchen, andere durch die Gewalt <strong>des</strong> Schwertes<br />
für irgendeine Glaubensform zu gewinnen.<br />
<strong>Die</strong> Menschen kommen auf diese Weise nicht<br />
zum lebendigen Glauben, aber nur Männer und<br />
Frauen <strong>des</strong> Glaubens selbst haben das geistliche<br />
Unterscheidungsvermögen, um das zu erkennen<br />
– Nebukadnezar war noch nicht so weit.<br />
So geschah es, dass er befahl, dass jeder, der<br />
Schlechtes über den Gott Sadrachs, Mesachs und<br />
Abednegos reden würde, »in Stücke zerhauen und<br />
sein Haus zu einem Misthaufen gemacht werden soll«<br />
(V. 29). Von seinem Befehl distanzieren wir uns<br />
ausdrücklich. Aber wir nehmen die Tatsache zur<br />
Kenntnis, dass die Ereignisse einen gewaltigen<br />
Eindruck auf ihn gemacht hatten. <strong>Die</strong> Gottesfürchtigen<br />
waren durch Gottes gnädige Macht bewahrt<br />
worden, und das Zeugnis für Gott wurde in<br />
jenem heidnischen Weltreich fortgesetzt.<br />
Ob das wahre Zeugnis für Gott in dieser Welt Bestand<br />
hat oder nicht, hängt von einem einzigen<br />
Wort ab. <strong>Die</strong> ganze <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> wahren Volkes Gottes,<br />
die es braucht, um den Menschen um sie herum<br />
ein effektives Zeugnis sein zu können, kann<br />
durch ein einziges Wort zunichte gemacht werden.<br />
Das Wort, das alles zunichte macht, lautet »Ja«.<br />
Wenn die Gottlosen zur Sünde verleiten und die<br />
Kinder Gottes, die ein Licht und Zeugnis in dieser<br />
Welt sein sollen, darin einwilligen, dann werden<br />
sie schnell so wie jeder andere auch. Auf diese<br />
Weise verlieren sie all ihre <strong>Kraft</strong>, Gutes zu tun<br />
oder die Wahrheit zu erhalten.<br />
Wenn jedoch Versuchungen zur Sünde mit einem<br />
standhaften »Nein!« beantwortet werden,<br />
dann ist die Lage völlig anders. Zunächst einmal<br />
ist der »Feuerofen« gewiss. <strong>Die</strong> Gläubigen müssen<br />
sich entweder außerhalb <strong>des</strong> Feuerofens auf der<br />
Seite Nebukadnezars befinden oder in dem Feuerofen<br />
bei Christus. Es gibt keinen Mittelweg. Doch<br />
der Platz der beispiellosen Hitze ist auch der Platz<br />
der beispiellosen Gemeinschaft mit dem Herrn.<br />
<strong>Die</strong>jenigen, die dort wandeln, genießen auch die<br />
Gewissheit, dass sie am Gewissen der Unbekehrten<br />
ergreifende Spuren für Gott hinterlassen.<br />
<strong>Die</strong> Menschen können keinen »Feuerofen« erfinden,<br />
der das Volk Gottes zerstören könnte. Wenn<br />
sie meinen, solche Feueröfen hergestellt zu haben,<br />
erweisen sich diese tatsächlich gerade als das<br />
Mittel, das Gott gebraucht, um Seinen Überrest<br />
aus allen Völkern zu bewahren und Seine Wahrheit<br />
in der Welt aufrecht zu erhalten.<br />
voiceofhope.de | 7
Einig<br />
IN WAHRHEIT<br />
» ... und eifrig bemüht seid, die Einheit <strong>des</strong><br />
Geistes zu bewahren durch das Band <strong>des</strong> Friedens.«<br />
Epheser 4,3<br />
D. Martyn Lloyd-Jones
GEMEINSCHAFT ODER LEHRE –<br />
WAS HAT VORRANG?<br />
Viele Christen sind der Auffassung, dass wir an dieser Stelle ermahnt würden,<br />
unter Zurückstellung unserer persönlichen Lehrauffassungen zunächst Gemeinschaft<br />
untereinander zu pflegen, um in der weiteren Folge auch zur Einheit<br />
in speziellen Glaubensfragen zu kommen.<br />
Vor einigen Jahren drückte ein bekannter Evangelist seine Haltung jedoch<br />
so aus: »Ich habe stets den Grundsatz vertreten«, sagte er, »nur dann mit anderen<br />
Christen Gemeinschaft zu pflegen, wenn ich auch lehrmäßig mit ihnen<br />
übereinstimmte.« Doch später änderte sich seine Ansicht, und er war nun auch<br />
zur Gemeinschaft mit solchen bereit, die theologisch nicht mit ihm übereinstimmten<br />
und in ihren Lehraussagen unter Umständen sogar eine liberale<br />
Auffassung vertraten. Durch die Pflege der Gemeinschaft hoffte er, schließlich<br />
auch zu einer lehrmäßigen Einheit zu kommen. Das bedeutete eine vollständige<br />
Abkehr von seiner früheren Haltung.<br />
In Epheser 4 bespricht der Apostel Paulus die ernste Frage über die Einheit<br />
der Gemeinde Jesu. Der Schlüssel zum Verständnis <strong>des</strong> gesamten Briefes findet<br />
sich in den Versen 9 und 10 <strong>des</strong> ersten Kapitels: »Er hat uns das Geheimnis Seines<br />
Willens bekannt gemacht, entsprechend dem [Ratschluss], den Er nach Seinem Wohlgefallen<br />
gefasst hat in Ihm, zur Ausführung in der Fülle der Zeiten: alles unter einem Haupt<br />
zusammenzufassen in dem Christus, sowohl was im Himmel als auch was auf Erden ist.«<br />
Im Folgenden zeigt Paulus, auf welche Weise Gott das bewirkt hat, natürlich<br />
indem Er Juden und Heiden zu einem Leib, der die Gemeinde ist, zusammenfügte.<br />
Und im vierten Kapitel kommt er dann ausführlich auf sein Thema zu<br />
sprechen.<br />
Ausschlaggebend für meine Auslegung ist das Wort »so« im ersten Vers, und<br />
dies weist uns zurück auf die ersten drei Kapitel dieses Briefes und besagt, dass<br />
sich die Einheit aus dem zuvor Gesagten ergibt. Was wir verstehen müssen, ist,<br />
dass der Wandel <strong>des</strong> Christen immer von seinem Verständnis der Wahrheit abhängt;<br />
der Wandel ist eigentlich angewandte Lehre. Und genau das erwartet der<br />
Apostel hier. »So ermahne ich euch nun, ich, der Gebundene im Herrn, dass ihr der Berufung<br />
würdig wandelt, zu der ihr berufen worden seid« (Eph. 4,1). In seiner Ermahnung<br />
ruft er die Gläubigen zum Ausleben <strong>des</strong>sen auf, was er in den ersten drei Kapiteln<br />
gelehrt hat. Erst nachdem sie über die Grundlagen der Einheit belehrt worden<br />
sind, erfolgt die Aufforderung, diese Einheit zu bewahren.<br />
WÜRDIG DER BERUFUNG WANDELN<br />
In seiner einleitenden Ermahnung sagt der Apostel unmissverständlich, dass<br />
wir würdig wandeln sollen der Berufung, zu welcher wir berufen worden sind.<br />
Das Wort »würdig« hat eine doppelte Bedeutung. Einmal heißt es: gleiches Gewicht,<br />
Gleichgewicht. Er sagt gewissermaßen: Nachdem ihr die Lehre gehört<br />
habt, müsst ihr nun euren Wandel damit in Übereinstimmung, ins Gleichgewicht<br />
bringen.<br />
Außerdem hat das Wort »würdig« die Bedeutung: sich schicken oder zu etwas<br />
passen. In Philipper 1,27 lesen wir: »Nur führt euer Leben würdig <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />
von Christus.« »Ich habe euch unterwiesen«, will Paulus sagen, »und nun<br />
voiceofhope.de | 9
achtet darauf, dass euer Wandel nicht im Widerspruch<br />
dazu steht, sondern dazu passt, damit<br />
harmoniert und ihr so die Herrlichkeit und Vollkommenheit<br />
<strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> immer deutlicher<br />
darstellt.« Und zu Titus schreibt er, dass die Christen<br />
auf Kreta »der Lehre Gottes, unseres Retters, in jeder<br />
Hinsicht Ehre machen« sollen (Tit. 2,10).<br />
Unser praktischer Wandel hat eine große Bedeutung,<br />
und wir dürfen ihn niemals von der<br />
Lehre trennen. Von der Einheit zu reden, ohne die<br />
Lehre vor Augen zu haben, ist das Gleiche, als ob<br />
man von den Kleidern einer Frau spräche, ohne<br />
sie in Verbindung mit ihr selbst zu sehen. Zweck<br />
der Kleidung ist es, ihre Trägerin zu zieren. Und<br />
eben das gilt in Bezug auf Wandel und Lehre; eines<br />
soll dem anderen zur Zierde dienen. <strong>Die</strong>se<br />
grundsätzlichen Feststellungen sind für das rechte<br />
Verständnis der christlichen Einheit unentbehrlich.<br />
Um es noch deutlicher zu machen, ermahnt<br />
der Apostel: »... dass ihr der Berufung würdig wandelt,<br />
zu der ihr berufen worden seid«. Warum die Wiederholung<br />
<strong>des</strong> Wortes Berufung? Paulus bezieht sich<br />
damit auf den großen Heilsplan Gottes, den er<br />
zuvor bereits in groben Zügen dargestellt hat. Um<br />
das zu verstehen, müssen wir die vorhergehenden<br />
Kapitel <strong>des</strong> Briefes gut kennen.<br />
DIE EINHEIT DERER,<br />
DIE IN CHRISTUS SIND<br />
Wen ruft Paulus zur Einheit auf? Sein Aufruf gilt<br />
denen, die die wahre Einheit kennengelernt haben.<br />
Wir lesen es in Epheser 4,2-3: »... indem ihr mit<br />
aller Demut und Sanftmut, mit Langmut einander in Liebe<br />
ertragt und eifrig bemüht seid, die Einheit <strong>des</strong> Geistes<br />
zu bewahren durch das Band <strong>des</strong> Friedens.« Wofür sollen<br />
wir Fleiß aufwenden? Nicht, um die Einheit<br />
zu schaffen oder zu erstreben, sondern, um die<br />
Einheit zu bewahren – eine Einheit, die bereits<br />
besteht. Es ist die Einheit all jener, die der Verkündigung<br />
der ersten drei Kapitel glauben. Deshalb<br />
gehören sie zu dem Leib Christi und sind eins<br />
mit allen anderen, die an das gleiche Evangelium<br />
glauben. An sie richtet sich die Ermahnung, diese<br />
Einheit festzuhalten und zu bewahren.<br />
Das ist das Fundament, von dem aus sich das<br />
Neue Testament mit der Einheit beschäftigt. Sie<br />
ist eine natürliche Folge bei denen, die durch den<br />
Heiligen Geist aus dem geistlichen Tod erweckt<br />
wurden und neues Leben in Christus Jesus empfingen.<br />
Und sie sollen mit Fleiß darauf achten,<br />
dass die Einheit durch nichts unterbrochen und<br />
zerstört wird. <strong>Die</strong> Betonung liegt völlig auf dem<br />
Wort bewahren.<br />
Und um keine Zweifel aufkommen zu lassen,<br />
wiederholt der Apostel: Es ist eine Einheit <strong>des</strong><br />
Geistes, eine vom Heiligen Geist erzeugte Einheit.<br />
Da sie geistlichen Ursprungs ist, kann sie allein<br />
durch die Wirkung <strong>des</strong> Heiligen Geistes entstehen,<br />
allein durch Ihn. Der Apostel frohlockt über<br />
den erstaunlichen Umstand, dass Juden und Heiden<br />
nun in Christus Jesus eins sind. Sie sind nicht<br />
nur Teilhaber <strong>des</strong> gleichen Lebens, sie halten sich<br />
auch an die gleiche Lehre der Apostel. Sie glauben<br />
das Gleiche, sie vertrauen der gleichen Person<br />
und wissen, dass Er sie alle auf die gleiche Weise<br />
errettet hat. Er hat »aus beiden eins gemacht und die<br />
Scheidewand <strong>des</strong> Zaunes abgebrochen« (Eph. 2,14). <strong>Die</strong><br />
Juden sind nicht länger stolz darauf, Hüter <strong>des</strong><br />
Gesetzes zu sein. Sie sehen nicht mehr herab auf<br />
die unwissenden Heiden, die kein Teil an der Stellung<br />
<strong>des</strong> auserwählten Volkes Gottes hatten. <strong>Die</strong>se<br />
Unterschiede sind überwunden. Sie alle sind eins<br />
in der Erkenntnis ihres verlorenen Zustan<strong>des</strong>,<br />
ihrer völligen Hoffnungs- und Hilflosigkeit. Sie<br />
sind aber ebenso eins im Vertrauen auf den Herrn<br />
Jesus Christus, den Sohn Gottes, der sie um den<br />
Preis Seines eigenen kostbaren Blutes erkauft hat.<br />
Und so sind sie fähig, die Ermahnung zu verstehen,<br />
mit Fleiß und Wachsamkeit die Einheit, zu<br />
der sie durch das Wirken <strong>des</strong> Heiligen Geistes gebracht<br />
worden sind, zu bewahren.<br />
DAS WESEN<br />
DER GEISTLICHEN EINHEIT<br />
Welcher Art ist die vom Geist erzeugte Einheit?<br />
<strong>Die</strong> Antwort wird uns in den Versen 4-6 gegeben:<br />
»Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer<br />
Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine<br />
Taufe; ein Gott und Vater aller, über allen und durch alle<br />
und in euch allen.«<br />
Beachten wir den ehrfurchtsvollen Ton, in der<br />
die Einheit beschrieben wird. Es geht nicht um<br />
ein wenig Freundlichkeit oder Kameradschaft untereinander,<br />
nicht nur um den guten Willen und<br />
Wunsch, nett zueinander zu sein. Es ist etwas,<br />
10 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
was uns in den Bereich der Heiligen Dreieinigkeit<br />
erhebt: der Geist, der Sohn, der Vater. Stets muss<br />
die Einheit in ehrfürchtiger Weise behandelt und<br />
niemals mit einer kameradschaftlichen Zusammenarbeit<br />
oder Organisation verglichen werden.<br />
1. Ein Leib<br />
»Befleißigt euch, die Einheit <strong>des</strong> Geistes zu bewahren durch<br />
das Band <strong>des</strong> Friedens: Ein Leib...« (ELB). Der Apostel<br />
schreibt es knapp und ohne alle Ausschmückung,<br />
ist doch die Tatsache über jede Diskussion erhaben.<br />
<strong>Die</strong> Einheit <strong>des</strong> Leibes, vom Heiligen Geist<br />
geschaffen, ist schon vorhanden. Wir müssen uns<br />
von der Vorstellung lösen, die Epheser würden<br />
hier ermahnt, etwas herzustellen oder nach etwas<br />
zu streben. Sie ist da, sagt er. Was euch zu tun übrig<br />
bleibt, ist, sie zu erhalten.<br />
Das Wesen der Einheit wird nun als Erstes mit<br />
der Einheit eines menschlichen Leibes verglichen.<br />
Und das ist eindeutig der Vergleich, den der Apostel<br />
bei diesem Thema bevorzugt.<br />
Warum ist es ein so guter Vergleich? Einfach<br />
darum, weil er den lebendigen und organischen<br />
Charakter der Einheit darstellt. Es geht ja nicht<br />
nur um die Bildung einer unverbindlichen Gruppe<br />
oder um ein unpersönliches äußerliches Zusammentreffen;<br />
vielmehr entspricht die Einheit<br />
dem Wunder und Geheimnis eines menschlichen<br />
Körpers, der aus vielen unterschiedlichen Teilen<br />
besteht, die aber alle organisch miteinander verbunden<br />
sind. <strong>Die</strong> Finger sind nicht mechanisch an<br />
die Hände gesteckt oder die Hände an die Unterarme<br />
usw. Nein, das Ganze ist eine lebendige Einheit.<br />
Alle Organe haben sich aus einer einzigen<br />
Zelle entwickelt, entspringen nur einem Keim,<br />
<strong>des</strong>sen Lebenskraft sie durch ihr Wachstum unter<br />
Beweis stellen. So ist es mit der Einheit der wahren<br />
Gemeinde Jesu.<br />
Dann fährt Paulus fort, die Einheit der Gläubigen<br />
und das Leben, das für sie charakteristisch ist,<br />
mit der Einheit der drei göttlichen Personen zu<br />
vergleichen und mit der geheimnisvollen Verbindung<br />
zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist.<br />
»Ein Leib«, sagt er, »und ein Geist ... ein Herr ... ein<br />
Gott und Vater aller.« Drei in Einem, Einer in Dreien.<br />
Von dieser Einheit spricht der Apostel, und<br />
nun beschreibt er die Aufgaben, die jede der drei<br />
Personen bei der Herstellung der Einheit erfüllt.<br />
Es ist das besondere Werk <strong>des</strong> Geistes, uns in<br />
die Einheit zu rufen. Er überführt, erweckt und befähigt<br />
uns zu glauben. Er nimmt Wohnung in uns<br />
und tauft uns in den Leib <strong>des</strong> Christus (1.Kor. 12,13).<br />
Dann erleuchtet Er unser Verständnis und führt<br />
uns weiter. Wir erfreuen uns Seiner Gemeinschaft.<br />
2. Berufung<br />
Dem Apostel ist es wichtig, diese Berufung, den<br />
Ruf, zu betonen, der vom Heiligen Geist ausgeht<br />
und von Ihm wirkungsvoll gemacht wird. Wir<br />
finden das häufiger in seinen Briefen. In 1. Korinther<br />
2 sagt er zum Beispiel: »Der natürliche Mensch<br />
aber nimmt nicht an, was vom Geist Gottes ist; denn es<br />
ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil<br />
es geistlich beurteilt werden muss« (V. 14). Wie kommt<br />
ein Mensch zum Glauben? Paulus antwortet: »Uns<br />
aber hat es Gott geoffenbart durch Seinen Geist« (V. 10).<br />
Und weiter: »Wir aber haben nicht den Geist der Welt<br />
empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, sodass<br />
wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist« (V.<br />
12). Das ist der Geist, der das Werk vollbringt, und<br />
es ist ein erfolgreiches Werk.<br />
In jedem von uns schafft Er das Gleiche, mögen<br />
auch im Einzelnen kleine, unwichtige Unterschiede<br />
vorhanden sein. Und das Ergebnis zeigt sich in<br />
der Einheit <strong>des</strong> Glaubens, der Lehrauffassungen<br />
und insbesondere der Hoffnung. <strong>Die</strong> Blickrichtung<br />
der Christen hat das gleiche Ziel. »Eine Hoffnung<br />
eurer Berufung.« Sie sind Pilger und Fremdlinge in<br />
der Welt, erneuerte Menschen mit einer völlig<br />
verwandelten Denkweise, und ihre Augen sind<br />
auf die gleiche ewige Heimat gerichtet. Sie freuen<br />
sich der glückseligen Hoffnung auf das Kommen<br />
ihres Herrn. Sie warten auf das Endgericht über<br />
die Sünde und das Böse, erwarten die Aufrichtung<br />
Seines ewigen Reiches und werden mit Ihm herrschen<br />
in der ewigen Herrlichkeit. »Ein Geist« – und<br />
das Werk dieses einen Geistes führt immer zu einer<br />
Hoffnung der Berufung.<br />
3. Ein Herr<br />
Hier müssen wir betonen, dass es nur einen Herrn<br />
gibt. Das war der Kern der apostolischen Predigt.<br />
Mit großer Freimütigkeit sagte es Petrus, als er<br />
und Johannes vor dem Hohen Rat standen: »Und<br />
voiceofhope.de | 11
es ist in keinem anderen das Heil; denn es ist kein anderer<br />
Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem<br />
wir gerettet werden sollen!« (Apg. 4,12). Es gibt keinen<br />
anderen, keinen zweiten Herrn! Niemand kann<br />
Ihm an die Seite gestellt werden. Er ist absolut<br />
einmalig. Hier steht kein einfacher Mensch, Lehrer<br />
oder Prophet. Er ist der Sohn Gottes! Er ist der<br />
»Herr der Herrlichkeit« (1.Kor. 2,8), der menschliches<br />
Wesen angenommen hat. Ein Herr, Jesus Christus<br />
– mit niemandem ist Er zu vergleichen.<br />
Paulus erklärt es auf bedeutungsvolle Weise:<br />
»Denn wenn es auch solche gibt, die Götter genannt werden,<br />
sei es im Himmel oder auf Erden – wie es ja wirklich<br />
viele ›Götter‹ und viele ›Herren‹ gibt –, so gibt es für uns<br />
doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind<br />
und wir für Ihn; und einen Herrn, Jesus Christus, durch<br />
den alle Dinge sind, und wir durch Ihn« (1.Kor. 8,5-6).<br />
Das Gleiche sagt er in 1. Timotheus 2,5: »Denn es ist<br />
ein Gott und ein Mittler« – und nur einer – »zwischen<br />
Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus.«<br />
Das ist in Bezug auf die christliche Einheit<br />
nun überaus wichtig. Sie ist die Einheit derer,<br />
die glauben, dass es nur einen Herrn gibt, <strong>des</strong>sen<br />
Werk so vollkommen ist, dass Er dazu keinen Beistand<br />
braucht. Es gibt keinen Miterlöser, wie das<br />
in der katholischen Kirche für die Jungfrau Maria<br />
in Anspruch genommen wird. Ebenso wenig<br />
sind Nothelfer erforderlich. Der Christ braucht<br />
die »Heiligen« nicht, um sie um ihre Fürbitte anzurufen.<br />
Einer ist Mittler, und der genügt. Er ist<br />
in sich vollkommen, und nichts muss Ihm und<br />
Seinem vollendeten Werk hinzugefügt werden.<br />
Der Glaube an diese Wahrheit der Heiligen Schrift<br />
eint uns, und es handelt sich dabei um einen wesentlichen<br />
Bestandteil der Einheit. Wir sehen auf<br />
den einmaligen Herrn und auf niemand anders.<br />
Er ist das Alpha und das Omega, der Erste und der<br />
Letzte, der Anfang und das Ende. Er ist alles in allem.<br />
»Wer sich rühmen will, der rühme sich <strong>des</strong> Herrn!«<br />
(1.Kor. 1,31). Ein Herr.<br />
4. Ein Glaube<br />
Paulus erinnert uns dann daran, dass es nur einen<br />
Glauben gibt. Was heißt das? <strong>Die</strong> Antwort ist nicht<br />
leicht. Einige sind der Auffassung, dass es sich um<br />
unseren subjektiven, persönlichen Glauben oder<br />
die Qualität unseres Glaubens handele. Gewiss<br />
ist das mit eingeschlossen, aber damit scheint<br />
mir nicht alles erfasst zu sein. Es muss hier auch<br />
ein objektives Element vorhanden sein. Heißt es<br />
denn, dass wir ein bestimmtes Glaubensbekenntnis<br />
oder ein besonderes Credo unterschreiben<br />
sollen? Das kann nicht sein, weil es bei solchen<br />
Glaubensbekenntnissen an bestimmten Stellen<br />
und hinsichtlich bestimmter Einzelheiten immer<br />
Unterschiede gegeben hat.<br />
Was ist nun dieser eine Glaube? Ich sehe da nur<br />
eine Antwort. Es handelt sich um die großartige<br />
Botschaft der Schrift von dem rechtfertigenden<br />
Glauben. Paulus drückt es in unübertrefflicher<br />
Weise so aus: »Denn ich schäme mich <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />
von Christus nicht; denn es ist Gottes <strong>Kraft</strong> zur Errettung<br />
für jeden, der glaubt, zuerst für den Juden, dann auch für<br />
den Griechen; denn es wird darin geoffenbart die Gerechtigkeit<br />
Gottes aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben<br />
steht: ›Der Gerechte wird aus Glauben leben‹« (Röm. 1,16-<br />
17). Das war der Kern, die Stärke der apostolischen<br />
Predigt – dass der Mensch durch Glauben gerechtfertigt<br />
wird, nicht durch Gesetzeswerke oder eigene<br />
Gerechtigkeit, welcher Art sie auch sein mag.<br />
Eine klassische Erklärung finden wir in Römer<br />
3. Nachdem uns Paulus mit den Worten: »Jetzt aber<br />
ist außerhalb <strong>des</strong> Gesetzes die Gerechtigkeit Gottes offenbar<br />
gemacht worden« (V. 21) an unsere neue Stellung<br />
als Christen erinnert hat, fährt er fort: »... sodass sie<br />
ohne Verdienst gerechtfertigt werden durch Seine Gnade<br />
aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus ist. Ihn<br />
hat Gott zum Sühnopfer bestimmt, [das wirksam wird]<br />
durch den Glauben an Sein Blut, um Seine Gerechtigkeit<br />
zu erweisen, weil Er die Sünden ungestraft ließ, die zuvor<br />
geschehen waren, als Gott Zurückhaltung übte, um Seine<br />
Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit zu erweisen, damit Er<br />
Selbst gerecht sei und zugleich den rechtfertige, der aus<br />
dem Glauben an Jesus ist. Wo bleibt nun das Rühmen?<br />
Es ist ausgeschlossen! Durch welches Gesetz? Das der<br />
Werke? Nein, sondern durch das Gesetz <strong>des</strong> Glaubens! So<br />
kommen wir nun zu dem Schluss, dass der Mensch durch<br />
den Glauben gerechtfertigt wird, ohne Werke <strong>des</strong> Gesetzes«<br />
(V. 24-28).<br />
Das ist die zentrale Botschaft der Heiligen<br />
Schrift. Durch diesen Glauben an den Herrn Jesus<br />
Christus und Sein Werk werden wir gerechtfertigt.<br />
Und eben das ist es, was Paulus hier mit<br />
dem einen Glauben ausdrücken will, so wie es<br />
beispielsweise auch das große Thema <strong>des</strong> Galaterbriefes<br />
ist. <strong>Die</strong>ses einzigartige Evangelium, dass<br />
Gott den Gottlosen, der an Jesus glaubt, rechtfertigt,<br />
ist über jede andere Heilslehre erhaben. Es<br />
12 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
steht im Widerspruch zu allen Vorstellungen, die<br />
sich auf eine Rechtfertigung durch eigene Werke<br />
oder die Werke anderer Personen stützen. Christus<br />
allein ist es, der rettet und uns zu Teilhabern<br />
<strong>des</strong> Heils macht. So haben wir einen Herrn und einen<br />
Glauben.<br />
5. Eine Taufe<br />
Wir kommen zur nächsten Aussage: eine Taufe.<br />
Auch hier müssen wir sehr sorgfältig vorgehen.<br />
Ich erinnere mich dabei an den Kommentar eines<br />
christlichen Wochenblattes, worin der Schreiber<br />
leichthin erklärte: »Natürlich bedeutet das die<br />
Wassertaufe durch Untertauchen.« Doch der Zusammenhang<br />
<strong>des</strong> Textes erlaubt es nicht, hier lediglich<br />
einen Hinweis auf die Art und Weise der<br />
Taufe herauszulesen.<br />
Wie wir sehen, wird hier die Taufe in Verbindung<br />
gebracht mit dem Ausdruck »ein Herr«. Was<br />
bedeutet das? Es ist der eine Herr, an den wir glauben,<br />
und um Seinetwillen sind wir durch den Glauben<br />
gerettet. Doch wir sind nicht nur gerettet, wir<br />
sind auch ein Leib mit Ihm. Und eben das will Paulus<br />
sagen. Er hat von dem einen Leib gesprochen,<br />
und in Vers 15 heißt es, dass Christus das Haupt<br />
<strong>des</strong> Leibes ist. Darum muss sich die Bezeichnung<br />
»eine Taufe« auf unsere geistliche Taufe in Christus<br />
hinein beziehen. Es geht nicht nur um eine<br />
Taufe in Seinem Namen, denn das würde unsere<br />
Aufmerksamkeit wieder auf das äußerliche Taufgeschehen<br />
lenken. Nein, hier steht die geheimnisvolle<br />
Vereinigung mit Ihm im Vordergrund, die<br />
durch den Taufakt dargestellt wird. Mit anderen<br />
Worten wird das Gleiche zum Ausdruck gebracht,<br />
was der Apostel in 1. Korinther 12,13 sagt. Hier wie<br />
dort spricht er von dem einen Leib: »Denn wir sind<br />
ja alle durch einen Geist in einen Leib hinein getauft worden,<br />
ob wir Juden sind oder Griechen, Knechte oder Freie,<br />
und wir sind alle getränkt worden zu einem Geist.«<br />
<strong>Die</strong> Einheit, die es zu bewahren gilt, betrifft<br />
die Einheit <strong>des</strong> einen Leibes. Der Glaube ist das<br />
Instrument, das uns zu Christus hinführt. Doch<br />
darüber hinaus sind wir Teil Seines Leibes, sind<br />
in Ihn hineingetauft, sind in Christus. Den gleichen<br />
Gedanken drückt Paulus aus, wenn er sagt,<br />
dass uns alle Segnungen zuteilwerden, weil wir<br />
mit Christus vereinigt sind: lebendig gemacht mit<br />
Ihm, auferweckt mit Ihm, mit Ihm sitzend in der<br />
Himmelswelt. Nichts anderes lesen wir in Römer<br />
6: »Oder wisst ihr nicht, dass wir alle, die wir in Christus<br />
Jesus hinein getauft sind, in Seinen Tod getauft sind? Wir<br />
sind also mit Ihm begraben worden durch die Taufe in den<br />
Tod, damit, gleichwie Christus durch die Herrlichkeit <strong>des</strong><br />
Vaters aus den Toten auferweckt worden ist, so auch wir<br />
in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit Ihm<br />
einsgemacht und Ihm gleich geworden sind in Seinem Tod,<br />
so werden wir Ihm auch in der Auferstehung gleich sein«<br />
(Röm. 6,3-5). Das ist die große und erhabene Lehre<br />
von der Vereinigung der Gläubigen mit dem Herrn<br />
Jesus Christus. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe.<br />
6. Ein Gott und Vater aller<br />
<strong>Die</strong> wichtige und wunderbare Aussage betrifft den<br />
Vater: »ein Gott und Vater aller, über allen und durch alle<br />
und in euch allen.« Das ist der Schluss und zugleich<br />
auch der Höhepunkt <strong>des</strong> Erlösungswerkes. Mit<br />
dem Herrn Jesus Christus haben wir noch nicht<br />
das Letzte erreicht. Er, der Sohn Gottes, kam und<br />
starb, wie Petrus uns erinnert, »damit Er uns zu Gott<br />
führte« (1.Pt. 3,18). Erst hier sind wir an der Quelle<br />
aller Einheit angelangt – bei Gott, dem alleinigen<br />
Gott, der die große Errettung geplant und Seinen<br />
Sohn gesandt hat. Wir sind Sein Volk. Wir alle gehen<br />
gemeinsam zu Ihm und beten Ihn an als unseren<br />
Vater. »Das ist aber das ewige Leben«, sagt unser<br />
Herr, »dass sie Dich, den allein wahren Gott, und den<br />
Du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen« (Joh. 17,3).<br />
<strong>Die</strong> Erkenntnis Gottes, sie ist das höchste Ziel, der<br />
edelste Besitz. Es gibt nur einen Gott, und wir dürfen<br />
Ihn als unseren Vater erkennen.<br />
Das ist das Fundament unserer Einheit. Wir<br />
sind Kinder <strong>des</strong> gleichen Vaters. Wir wissen, Er<br />
hat ein wunderbares Erbe für uns bereitet. Und<br />
wir sind zu der Einheit derer gelangt, die Miterben<br />
Christi sind, die auf die letzte Vollendung<br />
warten, auf ihren Eintritt in die Gegenwart Gottes.<br />
»Glückselig sind, die reinen Herzens sind, denn sie<br />
werden Gott schauen!« (Mt. 5,8). Er ist »über allen und<br />
durch alle und in euch allen«. Auf diese ausführliche<br />
Weise erklärt der Apostel das Wesen der Einheit.<br />
Und er betont, dass nur da Einheit möglich ist, wo<br />
wir Ihm in Bezug auf diese Wahrheiten zustimmen<br />
und an ihnen teilhaben. Das ist die Grundlage<br />
und das Wesen der christlichen Einheit. Und<br />
getrennt von diesen göttlichen Wahrheiten darf<br />
sie niemals gesehen und verstanden werden.<br />
Ein Auszug aus dem Buch »Einig in Wahrheit«, 3L-Verlag.<br />
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Lähmung durch<br />
ANGST und SCHULD<br />
Ein Auszug aus dem Buch »Gott wohlgefällig leben«<br />
von R.C. Sproul<br />
14 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
Als Franklin D. Roosevelt inmitten der<br />
Schwierigkeiten der Weltwirtschaftskrise<br />
als Präsident der Vereinigten Staaten<br />
vereidigt wurde, spornte er das Volk mit seiner<br />
berühmt gewordenen Aussage an: »Das einzige,<br />
was wir fürchten müssen, ist die Furcht selbst.«<br />
Präsident Roosevelt verstand, dass Angst eine<br />
gewaltige Macht ist. Sie kann Menschen lähmen<br />
und fest in ihrem Griff halten.<br />
Angst nimmt viele Formen an. Es kann sich um<br />
die Angst vor körperlichen Schäden handeln, um<br />
die Angst vor dem Versagen oder die Angst vor<br />
dem Erfolg mit allen damit verbundenen Verantwortungen<br />
und Erwartungen. Da hören wir Leute<br />
sagen: »Ich war vor Angst wie erstarrt.« Vor Angst<br />
zu erstarren, das bezieht sich auf eine Lähmung,<br />
durch welche die normale Handlungsfähigkeit<br />
blockiert wird, so wie Eisschollen die normale<br />
Strömung eines Flusses behindern.<br />
ANGST VOR<br />
VERÄNDERUNG<br />
Betrachten wir zunächst den Aspekt der Angst vor<br />
einem veränderten Status. Normalerweise fühlen<br />
wir uns auf der bisher erreichten Leistungsebene<br />
wohl. Wenn wir unter diesen Level absinken,<br />
erleben wir einen Verlust an Selbstvertrauen<br />
und Selbstachtung. Unser »Wohlfühlniveau« ist<br />
gestört. Als unbehaglich empfinden wir es aber<br />
auch, wenn wir über unsere normale Leistungsebene<br />
hinauswachsen. Wir werden in frem<strong>des</strong> und<br />
unbekanntes Gewässer geworfen. Wir sind nicht<br />
sicher, was wir zu erwarten haben. Wir befinden<br />
uns auf einer neuen Ebene der Verantwortung.<br />
»Wohlfühlzonen« haben wir in allen möglichen<br />
Bereichen. Wir haben eine wirtschaftliche<br />
Wohlfühlzone, eine akademische Wohlfühlzone,<br />
eine gesellschaftliche Wohlfühlzone, usw. Und wir<br />
haben auch eine geistliche Wohlfühlzone. Allzu<br />
viel Veränderung in allzu kurzer Zeit kann traumatisch<br />
sein und einen völlig lähmen. Wir können<br />
Veränderungen bewältigen, aber wir wollen nicht<br />
zu viele bewältigen müssen. Außerdem neigen<br />
wir dazu, uns mit dem Status quo zufrieden zu geben.<br />
<strong>Die</strong>s kann uns daran hindern, uns mit ganzer<br />
<strong>Kraft</strong> zu engagieren.<br />
Wir sprechen davon, »gut angepasst« zu sein.<br />
Was ist darunter zu verstehen? Sich anzupassen<br />
heißt, auf irgendeine Veränderung in seinem Leben<br />
zu reagieren. Ein Kind, das von der Grundschule<br />
zur weiterführenden Schule wechselt,<br />
muss sich an die veränderten Umstände anpassen.<br />
Ein Single, der heiratet, muss sich an die neue Lebenssituation<br />
anpassen. Der Geschäftsmann, der<br />
eine Beförderung erhält, muss sich umstellen. Wir<br />
bewundern Menschen, die sich in kreativer und<br />
produktiver Weise an neue Situationen anpassen<br />
können. Vielleicht bewundern wir deren Umstellung,<br />
weil wir wissen, wie schwierig das sein kann.<br />
Anpassungen sind nicht leicht, weil sie eine Veränderung<br />
in unserem Wohlfühlbereich erfordern.<br />
Doch jeder Christ ist aufgerufen, sich zu verändern.<br />
Wir sind aufgefordert, in unserem geistlichen<br />
Wachstum voranzugehen. Gott steht nicht<br />
still, und Er weigert sich, uns stillstehen zu lassen.<br />
Mit der Veränderung ist jedoch die Angst verbunden.<br />
Nehmen wir das Beispiel Abrahams:<br />
»Der HERR aber hatte zu Abram gesprochen: Geh hinaus<br />
aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft<br />
und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das Ich<br />
dir zeigen werde! Und Ich will dich zu einem großen<br />
Volk machen und dich segnen und deinen Namen groß<br />
machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen,<br />
die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen;<br />
und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf<br />
der Erde! Da ging Abram, wie der HERR zu ihm gesagt<br />
hatte, und Lot ging mit ihm. Abram aber war 75<br />
Jahre alt, als er von Haran auszog.« (1.Mo. 12,1-4)<br />
Gott forderte Abraham auf, wegzuziehen. Er<br />
musste seinen Wohlfühlbereich verlassen. Er<br />
musste seine Stadt, sein Volk und seine Verwandten<br />
verlassen. Er musste seine Wurzeln, seine Sicherheit<br />
und das ihm vertraute Gebiet hinter sich<br />
lassen. Das heutige Rentenalter hatte er bereits<br />
um zehn Jahre überschritten. Er war ein »alter<br />
Hase«, von dem erwartet wurde, ganz neue Haken<br />
schlagen zu lernen.<br />
Abrahams Berufung durch Gott war eine Berufung<br />
zur Größe. »Ich will dich zu einem großen<br />
Volk machen«, lautete die Verheißung. Der<br />
Schreiber <strong>des</strong> Hebräerbriefs kommentierte später,<br />
wie Abraham auf diese beängstigende Berufung<br />
reagierte:<br />
»Durch Glauben gehorchte Abraham, als er berufen<br />
wurde, nach dem Ort auszuziehen, den er als Erbteil<br />
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empfangen sollte; und er zog aus, ohne zu wissen, wohin<br />
er kommen werde. Durch Glauben hielt er sich in<br />
dem Land der Verheißung auf wie in einem fremden,<br />
und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben<br />
derselben Verheißung; denn er wartete auf die<br />
Stadt, welche die Grundfesten hat, deren Baumeister<br />
und Schöpfer Gott ist ...<br />
Darum sind auch von einem Einzigen, der doch<br />
erstorben war, Nachkommen hervorgebracht worden,<br />
so zahlreich wie die Sterne <strong>des</strong> Himmels und wie der<br />
Sand am Ufer <strong>des</strong> Meeres, der nicht zu zählen ist.<br />
<strong>Die</strong>se alle sind im Glauben gestorben, ohne das<br />
Verheißene empfangen zu haben, sondern sie haben<br />
es nur von ferne gesehen und waren davon überzeugt,<br />
und haben es willkommen geheißen und bekannt, dass<br />
sie Gäste ohne Bürgerrecht und Fremdlinge sind auf<br />
Erden.« (Hebr. 11,8-10.12-13)<br />
Abraham wurde zu einem Pilger. Er war ein<br />
Mann, der seiner göttlichen Berufung gehorsam<br />
war und sich auf den Weg machte. Dasselbe lässt<br />
sich von Mose, Josua, David, Paulus und vor allem<br />
von Christus sagen. Sie alle gingen, wohin Gott sie<br />
zu gehen hieß. Sie taten, was Gott ihnen auftrug,<br />
obwohl das einen gewissen Mangel an Sicherheit<br />
bedeutete. So ist auch der Christ aufgerufen, auf<br />
ein Gefühl der Sicherheit in dieser Welt zu verzichten<br />
– obwohl die absolute Sicherheit (die Liebe<br />
Gottes) ein mehr als angemessener Ausgleich<br />
dafür ist.<br />
DIE VERKNÜPFUNG<br />
VON ANGST UND SCHULD<br />
Aber was hat dies mit Schuld zu tun? Wie schon<br />
erwähnt, besteht oft eine enge, aber unterschwellige<br />
Verknüpfung zwischen Angst und Schuld.<br />
Bei<strong>des</strong> hat eine stark lähmende Wirkung. Bei<strong>des</strong><br />
kann uns dazu veranlassen, auf unserer geistlichen<br />
Wanderschaft innezuhalten oder sogar<br />
rückwärts zu gehen. Bei<strong>des</strong> kann uns davon abhalten,<br />
uns nach Gott auszustrecken. Bei<strong>des</strong> kann<br />
uns von unserem großen Ziel abbringen, Gott zu<br />
gefallen.<br />
Angst und Schuld lassen sich zwar voneinander<br />
unterscheiden, aber wir können sie nicht immer<br />
voneinander trennen. Oft ist lähmende Angst<br />
eine direkte Folge ungelöster Schuld. <strong>Die</strong> äußerste<br />
Angst ist die Angst vor der Bestrafung durch die<br />
Hand Gottes. Wir fürchten uns vor gesellschaftlicher<br />
Ablehnung, elterlicher Missbilligung und<br />
vor der Verurteilung durch Kameraden. Wir mögen<br />
uns vor der Polizei oder vor dem Finanzamt<br />
fürchten. Doch nichts ist schrecklicher, als »in die<br />
Hände <strong>des</strong> lebendigen Gottes zu fallen« (Hebr. 10,31)!<br />
Obwohl viele Menschen es nicht zugeben, haben<br />
sie Angst, dass ihr Leben den Schöpfer <strong>des</strong> Universums<br />
erzürnt hat. Sich der Sünde bewusst zu<br />
sein, hat offenbar universellen Charakter, und sowohl<br />
Christen als auch Heiden wissen oder spüren,<br />
dass ihre Vergehen dem allmächtigen Gott<br />
nicht gefallen.<br />
Ich wurde einmal von einem Psychiater gebeten,<br />
ihn in seiner Praxis als Berater zu unterstützen.<br />
Er war kein Christ, aber er sagte: »Eine ganze<br />
Reihe meiner Patienten braucht eher die Hilfe eines<br />
Predigers als die eines Arztes. Viele leiden an<br />
Problemen, die eigentlich mit Schuld verknüpft<br />
sind.«<br />
Um Psychiater zu werden, braucht man eine<br />
lange akademische Ausbildung. Ein Psychiater<br />
muss zuerst Medizin studieren und sich zum Arzt<br />
qualifizieren, bevor er sich auf sein Fachgebiet<br />
spezialisieren kann. Doch in all den Jahren akademischer<br />
Schulung erhält er wenig oder keine<br />
theologische Ausbildung.<br />
Schuld ist letztlich ein theologisches Problem.<br />
Ohne geistliche Erkenntnis sind Psychiater ernsthaft<br />
behindert im Umgang mit schuldbeladenen<br />
Menschen. Wenn sie selbst keine Gläubigen sind,<br />
können sie nicht verstehen, dass ein Schuldgefühl<br />
etwas ist, das oft wirklich berechtigt und daher<br />
angemessen ist, denn wenn Menschen gegen Gottes<br />
Gesetz verstoßen, begehen sie Sünde und werden<br />
dadurch wirklich schuldig.<br />
Traurigerweise bezahlen so viele Menschen<br />
professionelle Therapeuten dafür, dass sie sich<br />
ihren Kummer anhören, obwohl die Therapeuten<br />
von Sünde und Schuld wenig oder gar nichts<br />
verstehen. Probleme, die im Wesentlichen körperlicher<br />
Art zu sein scheinen, können tief in<br />
menschlicher Schuld verwurzelt sein. Viele Eheberater<br />
beraten Paare, die mit Problemen sexueller<br />
Funktionsstörung zu kämpfen haben, die ihre<br />
eheliche Gemeinschaft gefährden. Probleme der<br />
sogenannten Gefühlskälte und Impotenz lassen<br />
sich immer auf eine Form von Schuld oder Angst<br />
zurückführen. <strong>Die</strong> Annahme, dass es sich bei dem<br />
Problem lediglich um einen »mechanischen Feh-<br />
16 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
ler« handle, ist dem Patienten gegenüber sehr ungerecht.<br />
Gott ist liebevoll und vergibt. Gott ist auch der<br />
Schöpfer und Erhalter <strong>des</strong> Universums. Er ist eine<br />
ernstzunehmende Macht. Selbst Menschen, die<br />
nur sehr verkümmerte Vorstellungen von Gott<br />
haben, scheinen zu spüren, dass Gott (auch wenn<br />
sie das Wort »Gott« nicht mehr verwenden) ein<br />
moralisches Wesen ist, das über unsere notleidende<br />
Welt enttäuscht ist. <strong>Die</strong>ses mächtige Wesen ist<br />
für Heiden wie für Gläubige einschüchternd. Wir<br />
erinnern uns, wie Mose und die Israeliten auf die<br />
Gegenwart Gottes am Sinai reagierten. Sie war<br />
so schrecklich, dass das Volk sie nicht ertragen<br />
konnte, und selbst Mose wurde zu dem Ausruf gebracht:<br />
»Ich bin erschrocken und zittere!« (Hebr. 12,21).<br />
Obwohl der moderne Mensch alles in seiner<br />
Macht Stehende zu unternehmen scheint, um<br />
sich gegen jeden Gedanken an den Schrecken Gottes<br />
abzuschotten, ist er nicht in der Lage, solche<br />
Ängste völlig aus seinem Bewusstsein zu verdrängen.<br />
Der Heide zittert immer noch beim Rascheln<br />
eines Blattes; »der Gottlose flieht, auch wenn niemand<br />
ihn jagt« (Spr. 28,1). Es bleibt eine nagende, meist<br />
unausgesprochene Angst, dass Gott geduckt auf<br />
der Lauer liegt, bereit, sich jeden Moment auf uns<br />
zu stürzen. Wir haben immer noch Angst davor,<br />
dass nachts etwas Schlimmes passieren könnte.<br />
Vielleicht ist unsere ewige Angst vor der Dunkelheit<br />
im Grunde die Furcht vor Gott, einem<br />
Gott, der – so fürchten wir – irgendwann unsere<br />
Sünden dazu bringen wird, uns einzuholen.<br />
Niemand wagt es, Gott den Rücken zuzukehren.<br />
Wir wissen, dass Er jede unserer Bewegungen<br />
sieht, jeden unserer Gedanken kennt. <strong>Die</strong> Angst<br />
vor einer Bestrafung durch Seine Hand können<br />
schuldbeladene Menschen nie von sich abschütteln.<br />
Wenn wir über Schuld nachdenken, müssen<br />
wir sorgfältig darauf achten, zwischen Schuld<br />
und Schuldgefühlen zu unterscheiden. Schuldgefühle<br />
sind subjektiv. Sie kommen aus unserem<br />
Innern. Wir können uns schuldig fühlen, auch<br />
wenn gar keine Schuld vorliegt. Schuld dagegen<br />
ist objektiv. Sie betrifft einen wirklichen Sachverhalt.<br />
Wann immer wir sündigen, laden wir Schuld<br />
auf uns. Schuld beinhaltet ein Schuldverhältnis<br />
gegenüber Gott. Es ist mit Sünde verbunden.<br />
Im Kleinen Westminster Katechismus wird<br />
Sünde definiert als »jedweder Mangel an Übereinstimmung<br />
mit dem Gesetz Gottes oder jede Übertretung<br />
dieses Gesetzes.« Das ist eine meisterhafte<br />
Definition. Sie umfasst sowohl Unterlassungs- als<br />
auch Tatsünden. Wenn wir etwas von dem, was<br />
Gott gebietet, nicht tun, so ist das eine Unterlassungssünde.<br />
Wenn wir etwas tun, was Gott verbietet,<br />
so ist das eine Tatsünde. In beiden Fällen stimmen<br />
wir nicht mit dem Gesetz Gottes überein; wir<br />
entsprechen nicht dem, was Gott verlangt.<br />
MIT REALER<br />
SCHULD KONFRONTIERT<br />
Sei es durch Unterlassung oder durch eine Tat:<br />
Wenn wir das Gesetz Gottes verletzen, laden wir<br />
Schuld auf uns. <strong>Die</strong>se Schuld ist real und objektiv.<br />
Sie ist auch verheerend. Schuld mag von entsprechenden<br />
Schuldgefühlen begleitet sein oder nicht.<br />
Wir wissen, dass Schuldgefühle uns ein Unwohlsein<br />
vermitteln. Wir benutzen alle erdenklichen<br />
Mittel, um uns von diesen Gefühlen zu befreien.<br />
Wir entschuldigen uns selbst. Wir suchen rationale<br />
Erklärungen. Wir schieben die Schuld auf andere<br />
Menschen oder auf unsere Umstände. Wir geben<br />
der Gesellschaft die Schuld. Wir beschuldigen<br />
unsere Umgebung. Wir machen unsere Eltern dafür<br />
verantwortlich. Wir drehen und wenden uns<br />
in jede Richtung, um dem Schmerz der eigenen<br />
Verantwortlichkeit auszuweichen. Wir greifen auf<br />
jeden uns zur Verfügung stehenden Ausfluchtmechanismus<br />
zurück, weil unsere Schuld in der Tat<br />
groß ist. Sie kann zu schwer sein, um damit fertig<br />
zu werden, und wenn wir sie nicht auf die richtige<br />
Art und Weise bewältigen – indem wir uns auf das<br />
Rettungswerk Christi berufen –, vergeuden wir<br />
mit unserer Flucht vor der Schuld wertvolle Zeit<br />
und Energie. Viele von uns haben erfahren, wie<br />
wir unsere Herzen verhärten können. Wir können<br />
die Fähigkeit verlieren, vor Scham zu erröten. Jeremia<br />
verkündete dem Volk Juda das Wort Gottes:<br />
»Du hattest die Stirn eines Hurenweibes und wolltest dich<br />
nicht schämen« (Jer. 3,3). Hier sehen wir die Weigerung,<br />
Buße zu tun, in Verbindung mit der Unterdrückung<br />
der Schuldgefühle. Das Volk Juda beteuerte<br />
seine Unschuld, während es unaufhörlich das<br />
Gesetz Gottes verletzte. Durch mehrmalige Sünde<br />
erlangten die Israeliten die »Stirn« einer Hure.<br />
Das bedeutet, sie vergaßen, was es heißt, sich zu<br />
schämen.<br />
voiceofhope.de | 17
Das Fehlen der Schuldgefühle stellt jedoch keine<br />
Entschuldigung für die tatsächlich vorhandene<br />
Schuld dar. Ein Mann, der wegen Mor<strong>des</strong> angeklagt<br />
wird, wüsste, wie fadenscheinig seine Verteidigung<br />
wäre, wenn er nur vorzubringen hätte:<br />
»Aber ich fühle mich nicht schuldig.« Es gibt psychopathische<br />
Mörder, die keinerlei Reue über ihre<br />
Verbrechen empfinden. Das Fehlen der Reue entschuldigt<br />
ihre Taten jedoch nicht.<br />
Es ist traurig, wie in der heutigen Zeit häufig<br />
Berater die Schuldprobleme der Menschen dadurch<br />
zu lindern suchen, dass sie sich auf die<br />
Beseitigung der Schuldgefühle konzentrieren.<br />
Um die Schuld zu verringern, wird diesen Leuten<br />
eingeredet, sie seien Opfer ihrer Umgebung und<br />
der unterdrückenden moralischen Ansprüche einer<br />
unzeitgemäßen Religion. Das trifft nicht nur<br />
auf Nichtchristen zu, sondern auch auf Christen.<br />
Viele Christen, die aufgrund vergangener oder<br />
gegenwärtiger Sünde unter drückender Schuld leben,<br />
klagen dem Therapeuten ihren Kummer und<br />
bekommen im Wesentlichen zu hören: »Wenn<br />
man Ihr Leben betrachtet, das Sie führen mussten,<br />
dann ist es kein Wunder, dass Sie sich so verhalten<br />
haben. Solange Sie das verstehen, gibt es<br />
kein wirkliches Problem.«<br />
Aber das ist nicht wahr, oder? Ein Problem<br />
zu erklären, beseitigt es noch nicht. Schuld verschwindet<br />
nur, wenn wir mit Gott ins Reine<br />
kommen. <strong>Die</strong>se Stellung können wir jederzeit<br />
erlangen, denn wir dienen einem Gott, der vergibt.<br />
Aber Er zwingt Seine Kinder nicht, Ihn um<br />
Vergebung zu bitten. Sie tun dies aus freiem Willen,<br />
oder sie quälen sich mit Schuld herum, die die<br />
Therapeuten nicht wegerklären können.<br />
Einmal sprach mich eine verzweifelte College-Studentin<br />
an, die verlobt war. Sie erklärte,<br />
dass sie eine sexuelle Beziehung zu ihrem Verlobten<br />
eingegangen war und sich <strong>des</strong>wegen schuldig<br />
fühlte. Sie berichtete mir, dass sie die Beratungslehrerin<br />
aufgesucht hatte, die ihr sagte: »Der<br />
Grund, weshalb Sie sich schuldig fühlen, liegt<br />
darin, dass Sie zum Opfer einer viktorianischen<br />
Ethik oder eines puritanischen Tabus geworden<br />
sind. Sie müssen verstehen, dass Ihr Verhalten<br />
vollkommen normal ist. Es ist ein gesunder Ausdruck<br />
reifer Selbstverwirklichung und eine Vorbereitung<br />
auf die Ehe.«<br />
Dann sagte das Mädchen: »Aber, Professor<br />
Sproul, ich fühle mich immer noch schuldig!«<br />
Ich erwiderte: »Vielleicht ist der Grund für Ihre<br />
Schuldgefühle, dass Sie schuldig sind. Das Verbot<br />
der Unzucht wurde nicht von Königin Viktoria erfunden<br />
und war auch keine Erfindung der Puritaner.<br />
Es ist Gott, der Unzucht verbietet. Wenn wir<br />
die Gesetze Gottes brechen, laden wir uns wirkliche<br />
Schuld auf. Das einzige mir bekannte Heilmittel<br />
für reale Schuld ist reale Vergebung.«<br />
Ich erklärte der jungen Frau, dass der Preis für<br />
echte Vergebung echte Buße ist. Echte Buße ist etwas,<br />
was der Einzelne selbst tun muss. Niemand<br />
sonst kann für mich Buße tun. Und ich kann für<br />
keinen anderen Buße tun. Ich ermutigte die Frau,<br />
sich Zeit zu nehmen, um allein mit Gott zu sein,<br />
vor Ihm auf ihre Knie zu gehen, ohne mich und<br />
ohne ihre Beratungslehrerin. Dann wies ich sie<br />
auf die biblische Wahrheit hin: »Wenn wir aber unsere<br />
Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, dass Er<br />
uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit«<br />
(1.Joh. 1,9). Durch Gottes Gnade würde<br />
sie frei von Angst und Lähmung sein, die sich im<br />
Gefolge der Schuld einstellen.<br />
Als Christen müssen wir unser Leben prüfen.<br />
Wir müssen uns zwei grundlegende Fragen<br />
stellen: An welchem Punkt bin ich in meinem<br />
geistlichen Wachstum gelähmt? Warum bin ich<br />
gelähmt? Wenn wir diese beiden Fragen richtig<br />
beantworten können, werden wir aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach in der Lage sein, jene Bereiche<br />
der Angst und Schuld zu ermitteln, die einer Lösung<br />
bedürfen. <strong>Die</strong> Gnade Gottes – besonders die<br />
Gnade der Vergebung – ist die stärkste <strong>Kraft</strong>, die<br />
uns zur Verfügung steht, um von Lähmung befreit<br />
zu werden.<br />
Gott möchte nicht, dass wir gelähmt sind. Er<br />
möchte, dass wir uns in Ihm so geborgen fühlen,<br />
dass wir keine wirkliche Angst vor der Welt und<br />
ihren Widerständen zu haben brauchen. Er möchte,<br />
dass wir uns unserer Sünden bewusst sind, aber<br />
Er hat keine Freude daran, wenn wir durch unsere<br />
Schuld bewegungsunfähig werden. Wie jeder gute<br />
menschliche Vater und jede gute menschliche<br />
Mutter ist Gott sehr darauf bedacht, uns aus einem<br />
Leben in Angst und Schuld herauszuführen,<br />
damit wir frei werden, zu tun, was richtig und Ihm<br />
wohlgefällig ist. Welche Freiheit wird uns da angeboten!<br />
Freiheit von Schuld, Freiheit von Angst,<br />
Freiheit, um Gott zu dienen und Ihm mit allem,<br />
was wir sind, zu gefallen. Kein Therapeut der Welt<br />
kann uns ein solches Leben bieten.<br />
18 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
R.C. Sproul<br />
GOTT wohlgefällig LEBEN<br />
Wie sieht der Prozess der Heiligung aus? Wie beginnen wir ihn? Und ist es überhaupt<br />
möglich, ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen?<br />
R.C. Sproul erklärt, dass ein Gott wohlgefälliges Leben nicht nur möglich ist, sondern<br />
dass es unsere Berufung ist. Er gibt in seinem Buch einen tiefgehenden Einblick in<br />
Gottes Plan und Weg zur geistlichen Reife. Sproul enthüllt das postmoderne Denken<br />
und die Verführung durch Irrlehren und zeigt, wie jeder Gläubige durch eine Beziehung<br />
zu Gott eine authentische, dauerhafte Umgestaltung seines Lebens erfahren kann.<br />
Reich an biblischen Einsichten, bietet dieses Buch einen praktischen Leitfaden für<br />
jeden, der sich danach sehnt, ein Leben zu führen, das den Erretter ehrt.<br />
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voiceofhope.de | 19
DIE NEUE<br />
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Peter Schild<br />
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20 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong><br />
ZUR SERIE DER<br />
KLEINEN VOH-REIHE
WAS IST EIN CHRIST?<br />
Ein Auszug aus dem gleichnamigen Buch von Ryan M. McGraw<br />
RYAN M. McGRAW<br />
ist mit Krista verheiratet, und sie haben drei Söhne. Er ist<br />
Prediger und Bibellehrer am reformierten theologischen Seminar<br />
in Greenville, schreibt regelmäßig Artikel und Buchbesprechungen<br />
für zahlreiche Publikationen und ist Autor einiger Bücher.<br />
VORWORT von Niko Derksen<br />
Wir leben in einer Zeit, wo es schwierig<br />
erscheint, einen wahren Christen zu<br />
definieren. <strong>Die</strong> Welt sagt: »Jeder, der<br />
in die Kirche geht, ist ein Christ.« Natürlich trifft<br />
es zu, dass Christen in die Kirche gehen, und es<br />
ist auch unmöglich für einen wahren Christen,<br />
nicht regelmäßig zum Gottesdienst zu gehen. Der<br />
Kirchgang an sich macht allerdings noch keinen<br />
Christen aus.<br />
Andere meinen: »Ein Christ ist jemand, der ein<br />
gutes und moralisches Leben führt.« Ganz gewiss<br />
werden wahre Christen sich um ein gutes, moralisches<br />
Leben bemühen. Aber sie wissen auch, dass<br />
sie dadurch niemals zu Christen wurden. In unserer<br />
Gesellschaft gibt es viele Menschen, die sich<br />
bemühen, ein moralisches Leben zu führen, aber<br />
sich niemals als Christen bezeichnen würden. <strong>Die</strong><br />
Heilige Schrift ist ziemlich eindeutig darin, dass<br />
selbst die besten Taten eines Menschen nicht ausreichen,<br />
um von Gott angenommen zu werden.<br />
Wahre Christen wissen, dass in den Augen Gottes<br />
»alle unsere Gerechtigkeit wie ein beflecktes Kleid« ist<br />
(Jes. 64,5).<br />
Wahres Christentum ist viel mehr, als nur zur<br />
Kirche zu gehen, getauft und ein Mitglied einer<br />
Ortsgemeinde zu sein, ein moralisches Leben zu<br />
führen und sich vom Bösen fernzuhalten. Es ist<br />
auch viel mehr als eine bloße Religion. Der Unterschied<br />
zwischen selbstgemachter Religion und<br />
dem wahren Christentum – so wie die Heilige<br />
Schrift es uns beschreibt – besteht darin, dass sich<br />
das Christentum auf ehrliche Weise dem stellt,<br />
was und wer Gott ist und was der Mensch ist.<br />
Der Gott der Bibel, der dreieinige Gott, ist ein<br />
heiliger und gerechter Gott. In Seiner unendlichen<br />
Weisheit schuf Er durch Sein Wort das ganze<br />
Universum und alles Lebende. Als die Menschen<br />
in Sünde fielen, musste Gott sie in Seiner Heiligkeit<br />
aus Seiner Gegenwart vertreiben. Durch den<br />
Sündenfall ist die menschliche Natur völlig verdorben,<br />
und sie kann sich selbst nicht davon befreien.<br />
Das ist der Grund, warum alle Religionen<br />
mit ihren Bemühungen immer scheitern.<br />
Das wahre Christentum ist die Antwort Gottes<br />
auf die Sünde der Menschheit und ist <strong>des</strong>halb die<br />
einzige Lösung. Ich behaupte das, weil das Evangelium<br />
von Jesus Christus die einzige Hoffnung<br />
für unsere Welt ist. Alles, was Menschen versucht<br />
haben, ist gescheitert. In der Philosophie oder in<br />
der Politik werden Menschen keine Hoffnung finden;<br />
jede Religion, auch die Kirche, ist unfähig,<br />
den Menschen eine sichere Hoffnung zu geben.<br />
voiceofhope.de | 21
<strong>Die</strong> einzige Hoffnung ist das Evangelium der freien<br />
Gnade Gottes in Jesus Christus, welches allen<br />
Menschen Rettung bringt, die aufrichtig Buße tun<br />
und an den wahren Sohn Gottes glauben. Unsere<br />
Welt und selbst unzählige Menschen, die sich<br />
Christen nennen, kennen das Evangelium und<br />
das wahre Christentum nicht. Doch es ist immer<br />
noch die einzige Hoffnung für sie. Es ist daher<br />
dringend notwendig, dass wir uns fragen, was ein<br />
wahrer Christ ist.<br />
In diesem kleinen Buch erklärt Ryan Mc-<br />
Graw anhand der Heiligen Schrift, was es bedeutet,<br />
ein Christ zu sein, und zwar in Bezug auf das,<br />
was man glaubt, was man erlebt und wie man<br />
handelt – ein ganzheitliches Christentum mit<br />
Kopf, Herz und Händen.<br />
Ich glaube, dass viele Gemeindeglieder völlig<br />
unsicher darin sind, ob sie wirklich errettet sind,<br />
dass aber andere, die sich Christen nennen, gar<br />
nicht wirklich wissen, was einen Menschen zum<br />
Christen macht. Sie haben die Auffassung, die<br />
christliche Botschaft sei letzten En<strong>des</strong> nichts als<br />
eine Lehre darüber, wie wir unser Leben untereinander<br />
in Frieden führen können: arbeiten, um<br />
glücklich zu sein, und dann das Leben genießen.<br />
<strong>Die</strong> meisten interessieren sich wenig für das Alte<br />
Testament, und mit der Lehre <strong>des</strong> Apostels Paulus<br />
über die Rechtfertigung können sie auch nichts<br />
anfangen. Sie haben auch kein biblisches Verständnis<br />
von der Gemeinde Jesu und deren Auftrag<br />
in dieser Welt. Statt<strong>des</strong>sen legen sie großen<br />
Wert auf ethische Lehre. Sie sagen: »Man braucht<br />
nicht ständig die Bibel zu lesen, regelmäßig die<br />
Gemeinde zu besuchen, sondern nur die allgemeinen<br />
Prinzipien zu verstehen und sie in die Tat<br />
umzusetzen.« Das ist aber eine völlig falsche Vorstellung<br />
vom Christentum, nicht wahr?<br />
Wenn wir also wissen wollen, was ein Christ<br />
wirklich ist, was er glaubt und warum er sich völlig<br />
von der Welt unterscheiden muss, dann kommen<br />
wir nicht darum herum, die Antwort in der<br />
Heiligen Schrift zu suchen, die die Quelle der<br />
Wahrheit und die einzige Autorität für alle wichtigen<br />
Lebensfragen ist.<br />
Mein Gebet ist, dass der Heilige Geist durch<br />
dieses kleine Buch jedem Leser die Gewissheit<br />
gibt, ob er wirklich ein wahrer Christ ist oder<br />
nicht. Und wer sich seiner Errettung nicht gewiss<br />
ist, der möge überführt und zur Buße und zum<br />
Glauben geleitet werden. Und jeder, der durch die<br />
Gnade Gottes ein Nachfolger Jesu geworden ist,<br />
möge zu den Grundlagen <strong>des</strong> Glaubens gelangen,<br />
um in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn<br />
zu wachsen.<br />
Das Streben eines wahren Christen sollte sein,<br />
Jesus Christus ähnlich zu werden – und das mehr<br />
und mehr, bis zu unserem letzten Atemzug. Und<br />
je mehr wir Ihm ähnlich werden, umso unähnlicher<br />
werden wir dann all denen sein, die keine<br />
Christen sind. So zeichnet sich das wahre Volk<br />
Gottes aus!<br />
EINLEITUNG von Ryan M. McGraw<br />
Stellen wir uns vor, dass einige Studenten am Mittagstisch<br />
sitzen. Während ihres Gesprächs kommt<br />
das Thema Christentum zur Sprache, und einer<br />
von ihnen stellt die Frage: »Was ist überhaupt ein<br />
Christ?«<br />
Darauf antwortet einer von ihnen: »Ich denke,<br />
ich bin ein Christ. Meine Eltern sind sehr religiös,<br />
und mein Onkel ist Pastor einer Gemeinde.«<br />
Ein anderer sagt: »Ich bin ein Christ, da ich<br />
schon seit meiner Kindheit zur Kirche gehe, getauft<br />
und Mitglied der Gemeinde bin.«<br />
Einer der anderen Studenten widerspricht<br />
dem: »Es geht nicht nur darum, zur Kirche zu gehen.<br />
Ich nenne mich Christ, weil ich mich nach<br />
besten Kräften bemühe, Menschen zu lieben und<br />
das zu tun, was Gott will.«<br />
Eine junge Dame fügt hinzu: »Das ist nicht genug.<br />
Ich bin ein Christ, weil ich nicht in die Hölle<br />
kommen wollte. Deshalb habe ich Jesus gebeten,<br />
in mein Herz zu kommen, wie der Prediger es gesagt<br />
hat.«<br />
Jemand anderes äußert seine Meinung und<br />
sagt: »Ich bin mir nicht sicher, ob irgendjemand<br />
wirklich wissen kann, ob er ein wahrer Christ ist,<br />
bis er stirbt und dann feststellt, wie er vor Gott<br />
steht.«<br />
Ein Student, der sich alles still angehört hat,<br />
sagt plötzlich: »Jeder ist ein Kind Gottes, unab-<br />
22 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
hängig von seiner Religion. Welches Recht haben<br />
wir, zu behaupten, dass jemand kein Christ sei?«1<br />
Wer hat recht? Leider hat keiner dieser Studenten<br />
einen Christen in einer Weise definiert, die mit der<br />
Lehre Jesu Christi übereinstimmt.<br />
Der Begriff »Christ« wird genauso häufig missbraucht,<br />
wie er in rechter Weise gebraucht wird.<br />
Du magst vielleicht sagen: »Ich erkenne einen<br />
Christen, wenn ich einem begegne.« Man spricht<br />
jedoch von christlichen Nationen, christlichen<br />
Menschen, christlichen Kirchen, christlichen Büchern,<br />
christlichen Werten und vielen anderen<br />
christlichen Dingen. Für manche ist ein Christ ein<br />
Konservativer, ob politisch, sozial, wirtschaftlich<br />
oder in allen drei Bereichen. Für andere ist ein<br />
Christ ein Plagegeist, der den Fortschritt verhindert,<br />
indem er sich an veraltete Glaubensvorstellungen,<br />
Traditionen und Verbote klammert. Für<br />
die Menschen in manchen islamischen Ländern<br />
ist ein Christ ein starrköpfiger Ungläubiger.<br />
Ein Christ ist die Person, die jeder zu kennen<br />
behauptet, die aber niemand eindeutig identifizieren<br />
kann. Das Einzige, was über diesen Namen<br />
wahr bleibt, ist, dass ihm ȟberall widersprochen<br />
wird« (Apg. 28,22).<br />
WIE KÖNNEN WIR<br />
NUN EINEN CHRISTEN<br />
DEFINIEREN?<br />
Der beste Weg ist, zu betrachten, wie dieses Wort<br />
in der Bibel verwendet wird. Das Wort »Christ«<br />
kommt insgesamt dreimal im Neuen Testament<br />
vor. Zunächst war es eine verächtliche Bezeichnung<br />
für die Jünger Jesu Christi in Antiochia<br />
(Apg. 11,26). Ein Jünger ist jemand, der sich<br />
der Autorität eines Lehrers unterworfen hat,<br />
um von ihm zu lernen. Allerdings umfasst das<br />
Christsein mehr als nur das Erlernen von Informationen;<br />
ein Jünger Jesu Christi ist mit Ihm<br />
verbunden, indem er Ihm seine höchste Liebe<br />
und Treue schenkt, die alles andere übertrifft<br />
(Lk. 14,26-27.33), und im Laufe der Zeit wird er<br />
seinem Meister ähnlich (Lk. 6,40).<br />
<strong>Die</strong> neue Bezeichnung für die Jünger Jesu<br />
Christi setzte sich fest, und wir hören sie als<br />
nächstes aus dem Mund von König Agrippa, während<br />
er zu dem Apostel Paulus spricht: »Es fehlt<br />
nicht viel, und du überre<strong>des</strong>t mich, dass ich ein Christ<br />
werde!« (Apg. 26,28).<br />
Schließlich wurde sie von den Gläubigen selbst<br />
angenommen; der Apostel Petrus sagt, dass niemand<br />
sich schämen sollte, als Christ zu leiden, da<br />
er sich eines Tages an der Herrlichkeit Christi jubelnd<br />
erfreuen wird (1.Pt. 4,13.16). William Plumer<br />
schreibt: »Es ist lobenswert, den Namen Christ<br />
zu tragen; es ist die größte Ehre und das höchste<br />
Glück, das jemals auf Erden erlangt wurde.«²<br />
WAS IST ALSO EIN CHRIST?<br />
Das Wort selbst sagt uns, dass sich alles um Christus<br />
dreht. Thomas Peck schreibt: »Der Name beinhaltet<br />
die Zugehörigkeit zur Schule Christi,<br />
den Glauben an Seine Lehren und den Gehorsam<br />
gegenüber Seinen Geboten.«3 Glaubensüberzeugung<br />
und Gehorsam, oder Vertrauen und Liebe<br />
sind das Wesen <strong>des</strong> Christentums (2.Tim. 1,13).<br />
Martin Luther sagt dazu: »<strong>Die</strong>s sind die beiden<br />
Scharniere, an denen das ganze Christentum<br />
hängt – Glaube und Liebe.« Ebenfalls sagt der große<br />
Westminster Katechismus: »<strong>Die</strong> Heilige Schrift<br />
lehrt hauptsächlich, was der Mensch in Bezug<br />
auf Gott zu glauben hat und welche Pflicht Gott<br />
vom Menschen einfordert.« Jedoch beinhaltet<br />
das Christentum noch mehr, denn die Berufung,<br />
ein Jünger Jesu zu sein, ist eine Berufung, die<br />
den Christen in echter geistlicher Erfahrung mit<br />
Christus verbindet (Joh. 15,5).<br />
Ein Christ ist jemand, den Gott durch den<br />
Glauben mit Christus verbunden hat, so dass er<br />
glaubt, was Christus lehrt, und befolgt, was Christus<br />
befiehlt. In diesem kleinen Buch werden wir<br />
diese drei Aspekte <strong>des</strong> Christseins eingehender<br />
untersuchen: Was ein Christ glaubt, was ein Christ<br />
erlebt und wie ein Christ handelt.<br />
1<br />
<strong>Die</strong>se sechs Sichtweisen kommen aus der Liste in Wayne Mack,<br />
»The Bible’s Answer to the Question: What Is a Christian?«, Mack Publishing.<br />
2<br />
William S. Plumer, »The Christian«, Sprinkle Publications.<br />
3<br />
Thomas E. Peck, »The Writings of Thomas E. Peck«, Banner of Truth.<br />
voiceofhope.de | 23
Was ist BIBLISCHE<br />
Verkündigung?<br />
Ein Auszug aus dem gleichnamigen Buch von D. Martyn Lloyd-Jones<br />
D. MARTYN LLOYD-JONES (1899-1981)<br />
war Pastor in der Westminster Chapel und Autor zahlreicher<br />
Bücher. Dazu zählen eine 14-bändige Auslegung <strong>des</strong> Römerbriefes<br />
(sowie zahlreiche weitere Auslegungen), »<strong>Die</strong> Predigt und der<br />
Prediger« und »Einig in Wahrheit«.<br />
VORWORT von Niko Derksen<br />
Im Jahr 2008 wurde mir das Buch »<strong>Die</strong> Predigt<br />
und der Prediger« von D. Martyn Lloyd-Jones<br />
zu lesen empfohlen. <strong>Die</strong>ses Buch hat mich<br />
völlig überrascht. So etwas hatte ich zuvor noch<br />
nie gelesen, und von dem Autor hatte ich noch<br />
nie etwas gehört. Das veranlasste mich, alle seine<br />
Bücher zu kaufen, die es auf Deutsch gibt, und sie<br />
gründlich zu studieren. In all den Jahren hat mich<br />
Lloyd-Jones mehr geprägt als jeder andere Prediger<br />
oder Autor.<br />
<strong>Die</strong>ses kleine Buch »Was ist biblische Verkündigung?«<br />
sollte jeden Prediger und jeden Pastor<br />
ermutigen, genau das zu tun: in Treue das Evangelium<br />
zu verkündigen.<br />
Mehr als 30 Jahre lang predigte D. Martyn Lloyd-Jones<br />
in Wales und in der Westminster Chapel<br />
in London. Heute gilt er weithin als einer der größten<br />
Prediger <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts, wenn nicht sogar<br />
als einer der bedeutendsten seit seinem Vorbild<br />
Jonathan Edwards im 18. Jahrhundert.<br />
David Martyn Lloyd-Jones, der in Wales geboren<br />
und aufgewachsen ist, arbeitete als Assistenzarzt<br />
<strong>des</strong> königlichen Arztes in London, bevor er<br />
den Ruf erkannte, seine Karriere als Arzt aufzugeben<br />
und in den vollzeitigen Predigtdienst zu gehen.<br />
Seit 1927 diente er als Pastor, Prediger und Lehrer<br />
in der Westminster Chapel in London, bevor er<br />
1968 wegen Krankheit in den Ruhestand ging.<br />
Den Rest seines Lebens verbrachte er damit,<br />
seine Predigten für die Veröffentlichung aufzubereiten,<br />
andere Pastoren zu beraten und an Predigerseminaren<br />
zu lehren. <strong>Die</strong> Erkenntnisse von<br />
D. Martyn Lloyd-Jones über den Römerbrief, die<br />
er in jahrzehntelanger Predigttätigkeit gewonnen<br />
hat, sind in 14 Bänden zusammengefasst (leider<br />
aber noch nicht auf Deutsch erhältlich). <strong>Die</strong> Veröffentlichung<br />
dieser umfangreichen Auslegung<br />
hat seine auf dem Glauben basierende Weisheit<br />
weit über das hinaus verbreitet, was sein gesprochenes<br />
Wort jemals vermochte.<br />
Zu den weiteren veröffentlichten Büchern von D.<br />
Martyn Lloyd-Jones gehören u. a.:<br />
• Predigten über die Apostelgeschichte<br />
(Band 1-5)<br />
• Bergpredigt (Band 1-2)<br />
• 1. Johannesbrief (Band 1-2)<br />
• Ehe, Familie, Beruf (Epheser 5,18-6,9)<br />
• Der geistliche Kampf (Epheser 6,10-13)<br />
24 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
• Mit ganzem Einsatz (Epheser 6,10-20)<br />
• Studienreihe über biblische Lehren<br />
(Band 1-4)<br />
• <strong>Die</strong> Predigt und der Prediger<br />
• Geistliche Krisen und Depressionen<br />
Martyn Lloyd-Jones hat jedoch noch viel mehr<br />
Bücher veröffentlicht. Meistens sind sie aus seinen<br />
Auslegungspredigten aus den dreißig Jahren<br />
seines Wirkens als Prediger entstanden.<br />
In diesem kleinen Buch zeigt Lloyd-Jones, was<br />
Predigen bedeutet, was gepredigt werden muss<br />
und welch einen Stellenwert das Predigen in der<br />
Gemeinde einnehmen sollte, wenn wir eine gesunde<br />
und bibeltreue Gemeinde sein wollen.<br />
In seinem wohl wichtigsten Buch »<strong>Die</strong> Predigt und<br />
der Prediger« erklärt Lloyd-Jones, wer überhaupt<br />
in der Gemeinde predigen sollte: »Das Predigeramt<br />
ist nicht etwas, das man sozusagen nebenbei<br />
ausüben kann, sondern etwas für jemanden, <strong>des</strong>sen<br />
ganze Zeit davon beansprucht ist. Seit mehr<br />
als hundert Jahren wurde die Sichtweise angenommen,<br />
dass das Predigen fast jedem Mann,<br />
der Christ geworden ist, erlaubt sei. Ich behaupte,<br />
dass dies eine unbiblische Sichtweise der Verkündigung<br />
ist.«<br />
Dann stellt er die Frage: »Was ist ein Prediger?«<br />
Für die damalige Zeit war die Antwort noch<br />
nicht schwer; doch wie würden wir sie heute beantworten?<br />
<strong>Die</strong> einen meinen, jeder, der predigen<br />
möchte und Theologie studiert hat oder zumin<strong>des</strong>t<br />
ein Predigerseminar besucht hat, könne predigen.<br />
<strong>Die</strong> anderen meinen, dass jeder redebegabte<br />
Christ predigen sollte. Noch andere bestehen<br />
darauf, dass jeder predigen sollte, der von der Gemeinde<br />
dazu berufen ist.<br />
Nun, Lloyd-Jones argumentiert wie folgt: »Ein<br />
Prediger ist nicht jemand, der sich einfach dazu<br />
entscheidet, zu predigen; und genauso wenig, wie<br />
er sich dazu entscheiden kann, zu predigen, kann<br />
er sich dazu entscheiden, den Predigtdienst als<br />
seine Berufung anzunehmen. Das Predigtamt ist<br />
niemals etwas, das ein Mensch selbst auszuüben<br />
beschließt. Vielmehr geschieht es, dass er sich seiner<br />
»Berufung« bewusst wird. <strong>Die</strong> ganze Frage der<br />
Berufung ist keine leichte Angelegenheit, und alle<br />
<strong>Die</strong>ner <strong>des</strong> Wortes haben mit ihr gerungen, weil<br />
sie für uns von so entscheidender Bedeutung ist.«<br />
Einige Männer in der Gemeinde ringen auch<br />
heute mit der Frage: »Bin ich zum Prediger berufen<br />
oder nicht? Wie kann ich das wissen?« D. Martyn<br />
Lloyd-Jones war einer der größten Prediger seiner<br />
Zeit. Obwohl er viel gelehrt und gepredigt hatte<br />
und sich seiner Berufung als Prediger gewiss war,<br />
empfand er immer seine Schwachheit, ja sogar<br />
Furcht und Zittern, weil er nämlich immer wieder<br />
so sehr vor der großen Verantwortung zurückschreckte,<br />
dass er manchmal von anderen Ältesten<br />
erst zu seinem <strong>Die</strong>nst gedrängt werden musste.<br />
Vielleicht ist die Sichtweise heute verlorengegangen,<br />
dass kein <strong>Die</strong>nst in der Gemeinde eine so<br />
hohe Verantwortung mit sich bringt wie das Predigen<br />
<strong>des</strong> Wortes Gottes. Gott wird jeden Prediger<br />
und Lehrer <strong>des</strong> Wortes danach richten, wie treu<br />
und sorgfältig er seine Verkündigung ausgeübt<br />
hat. Je<strong>des</strong> Versagen und oberflächliches <strong>Die</strong>nen<br />
als Prediger <strong>des</strong> Wortes Gottes bringt nicht nur<br />
Schande, sondern auch Gericht hervor; aus diesem<br />
Grund ermahnt Paulus Timotheus:<br />
»Strebe eifrig danach, dich Gott als bewährt zu erweisen,<br />
als einen Arbeiter, der sich nicht zu schämen braucht,<br />
der das Wort der Wahrheit recht teilt« (2.Tim. 2,15).<br />
Lloyd-Jones schreibt: »Ein Mann, der meint, er sei<br />
kompetent und könne quasi nebenbei ›in seiner<br />
Freizeit‹ mühelos predigen, und der so ohne je<strong>des</strong><br />
Empfinden von Furcht und Zittern oder ohne je<strong>des</strong><br />
Zögern auf die Kanzel eilt, ist eigentlich jemand,<br />
der lauthals verkündigt, dass er nie zum Prediger<br />
berufen worden ist. Ein Mann, der von Gott dazu<br />
berufen worden ist, ist jemand, der erkennt, wozu er<br />
berufen worden ist. So erkennt er, dass das Predigen<br />
die größte Verantwortlichkeit in der Gemeinde<br />
mit sich bringt, und er schreckt <strong>des</strong>halb davor zurück.<br />
Nichts Geringeres als dieses überwältigende<br />
Empfinden, berufen worden zu sein, und der auferlegte<br />
innere Zwang sollte einen Menschen überhaupt<br />
zum Predigen veranlassen.«<br />
<strong>Die</strong>se demütige Haltung von Martyn Lloyd-Jones<br />
zeigt sich in seinen Predigten immer wieder.<br />
Sie sind voller <strong>Kraft</strong> und Leidenschaft, ermahnend<br />
und erbaulich zugleich. Ihm ging es immer<br />
darum, Christus und Sein Wort zu predigen. Er<br />
glaubte an die <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Wortes Gottes, und dass<br />
der Glaube, wie Paulus es in Römer 10 sagt, durch<br />
die Predigt <strong>des</strong> Wortes Gottes kommt. So wie der<br />
Glaube durch die Predigt kommt, so gebraucht der<br />
voiceofhope.de | 25
Herr auch die Predigt als Werkzeug zur Heiligung<br />
und Zurüstung der ganzen Gemeinde. Lloyd-Jones<br />
war bekannt als Auslegungsprediger, der ganze<br />
Bibelbücher und Briefe <strong>des</strong> Neuen Testaments<br />
Vers für Vers, Kapitel für Kapitel ausgelegt hat. Er<br />
war nämlich überzeugt davon, dass durch die Auslegungspredigt<br />
gewährleistet ist, dass der ganze<br />
Ratschluss Gottes gepredigt wird und man somit<br />
Gott Selbst sprechen lässt anstatt Menschen.<br />
Es scheint so, dass viele Prediger unserer Zeit<br />
nicht mehr vom Predigen begeistert sind, also<br />
kaum noch so leidenschaftliche Prediger sind wie<br />
z. B. die Puritaner, M. Henry, J. Owen, J. Bunyan<br />
oder C.H. Spurgeon und D.M. Lloyd-Jones. Natürlich<br />
ist das Resultat dann, dass auch die Gemeinden<br />
keine große Begeisterung für eine Predigt haben;<br />
somit fehlt ihnen die Gotteserkenntnis und<br />
Gottesfurcht. Viele Christen zweifeln inzwischen<br />
ernsthaft an der Wirkung <strong>des</strong> gepredigten Wortes<br />
Gottes. Prediger sind ernsthaft verwirrt darüber,<br />
was ihren <strong>Die</strong>nst betrifft, und <strong>des</strong>halb stehen Vorträge,<br />
Zeugnisse, Unterhaltung wie Anspiele und<br />
Theater, Lobpreisbands oder sonstige Musik und<br />
andere zweitrangige Gemeindedienste mehr im<br />
Vordergrund als die Kanzel und die Predigt.<br />
Unsere Generation muss wieder den wahren<br />
Wert <strong>des</strong> gepredigten Wortes Gottes und der Macht<br />
der Verkündigung erkennen. Wenn wir verstehen<br />
wollen, was es bedeutet, das Evangelium der Gnade<br />
Gottes zu predigen und zu lehren, müssen wir<br />
uns den größten Prediger und Apostel <strong>des</strong> Neuen<br />
Testaments anschauen. Was und wie predigte der<br />
Apostel Paulus? Er predigte Christus, er predigte<br />
das Wort Christi. Er verkündigte das Geheimnis,<br />
das im Neuen Testament geoffenbart wurde. Er<br />
verkündigte das Wort der Wahrheit. Er predigte<br />
den ganzen Ratschluss Gottes. All diese Begriffe<br />
weisen auf den Inhalt seiner Botschaft hin.<br />
Heutzutage gibt es Männer, die begabte Redner<br />
sind, die ein Publikum durch die Macht ihrer überzeugenden<br />
Rede beeinflussen und zu etwas bewegen<br />
können. Es gibt Menschen, die gut ausgebildet<br />
sind, die den menschlichen Verstand, Logik und<br />
Wissen anwenden können, Geschichten erzählen<br />
und die Herzen bewegen können. Aber ein Mann,<br />
der nicht das Wort Gottes verkündigt, ist kein treuer<br />
Prediger. Er ist kein von Gott berufener Prediger.<br />
John MacArthur sagte: »Ich habe mein Herz an<br />
die Auslegungspredigt gehängt, daran, das Wort<br />
Woche um Woche Vers für Vers zu verkündigen.<br />
Manche verurteilen solche Art von Predigen; sie<br />
bringen lieber Themen und erzählen dabei viele<br />
Erlebnisse. Sie können Menschen sehr bewegen;<br />
aber sie predigen nicht das Wort, sondern nur Gedanken<br />
aus dem Wort.«<br />
Und der schottische Prediger William Taylor<br />
schrieb: »Lasst uns nie vergessen, dass derjenige,<br />
der auf der Kanzel zu hohem Ansehen und<br />
Nützlichkeit gelangt und weise darin wird, Seelen<br />
zu gewinnen, über die Arbeit <strong>des</strong> <strong>Die</strong>nstes sagen<br />
muss: ›Das ist die eine Sache, die ich tue.‹ Er muss<br />
sein ganzes Herz und sein ganzes Leben auf die<br />
Kanzel konzentrieren. Er muss seine Tage und<br />
seine Nächte darauf verwenden, jene Predigt vorzubereiten,<br />
durch die er bestrebt ist, seine Zuhörer<br />
zu überführen, ihre Herzen zu bewegen und<br />
ihr Leben zu erheben.«<br />
Solche Worte überführen mich persönlich. Ich sollte<br />
meine ganze Zeit darauf verwenden, Predigten<br />
vorzubereiten, um meine Zuhörer mit dem Wort<br />
zu überführen, damit ihr Leben in das Bild Christi<br />
umgestaltet wird. Leider bietet das Leben so viele<br />
Ablenkungen, dass wir uns viel zu wenig dem Wort<br />
und der Gemeinschaft mit dem Herrn widmen. Es<br />
ist so, wie jemand sagte: »Wir haben zwar viele beliebte<br />
Prediger, aber nur wenige in Vollmacht <strong>des</strong><br />
Geistes.« Ich glaube, der Herr beruft auch heute<br />
noch Männer, um Sein Wort zu predigen. Und jeder<br />
treue Prediger muss die Ernsthaftigkeit seines<br />
Auftrags und den Inhalt seines Auftrags verstehen.<br />
Es ist mein Gebet, dass der Herr in unserer Generation<br />
Männer erweckt, die sich hauptsächlich<br />
mit dem Lehren und Predigen <strong>des</strong> Wortes Gottes<br />
beschäftigen. Denn dies ist die einzige <strong>Kraft</strong> Gottes<br />
zur Errettung und das einzige Mittel, das der<br />
Herr gegeben hat – wie Paulus es in Epheser 4<br />
ausdrückt – »zur Zurüstung der Heiligen, für das Werk<br />
<strong>des</strong> <strong>Die</strong>nstes, für die Erbauung <strong>des</strong> Leibes <strong>des</strong> Christus,<br />
bis wir alle zur Einheit <strong>des</strong> Glaubens und der Erkenntnis<br />
<strong>des</strong> Sohnes Gottes gelangen, zur vollkommenen Mannesreife,<br />
zum Maß der vollen Größe <strong>des</strong> Christus; damit wir<br />
nicht mehr Unmündige seien, hin- und hergeworfen und<br />
umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch das betrügerische<br />
Spiel der Menschen, durch die Schlauheit, mit<br />
der sie zum Irrtum verführen, sondern, wahrhaftig in der<br />
Liebe, heranwachsen in allen Stücken zu Ihm hin, der das<br />
Haupt ist, der Christus« (Epheser 4,12-15).<br />
26 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
EINLEITUNG von D. Martyn Lloyd-Jones<br />
UNSERE VERANTWORTUNG<br />
ALS CHRISTEN<br />
Das Thema der biblischen Verkündigung ist zu jeder<br />
Zeit von großer Wichtigkeit, weil die Folgen,<br />
die sich aus unserer Einstellung zum Evangelium<br />
ergeben, sich auf die Ewigkeit auswirken. Aber es<br />
gibt zwei Gründe, die dieses Thema in unserer Zeit<br />
besonders bedeutsam machen. Zunächst hat die<br />
Gemeinde darin versagt, das Evangelium unseres<br />
Herrn und Retters Jesus Christus in der ihm angemessenen<br />
Weise darzubieten. <strong>Die</strong>ses Versagen<br />
hat einen allgemeinen Abfall von der Wahrheit<br />
bewirkt, mit dem Ergebnis, dass in steigendem<br />
Maß Gottlosigkeit und krasser Materialismus das<br />
Leben bestimmen. Aber auch wegen <strong>des</strong> besonderen<br />
Charakters der Zeit, in der wir leben, scheint<br />
es mir ein Thema von dringender Wichtigkeit zu<br />
sein. Zwar ist das Leben immer unsicher gewesen,<br />
aber von unserer Zeit gilt das in außergewöhnlichem<br />
Maß.<br />
Wir, die wir Christen sind, sollten immer unsere<br />
Worte abwägen und sorgfältig überlegen, wie<br />
wir das Evangelium der Gnade Gottes darbieten;<br />
aber zweifellos sollte uns dies dringlicher denn je<br />
eingeprägt werden, wenn wir mit Männern und<br />
Frauen in Berührung kommen, die ohne Hoffnung<br />
und ohne Gott in der Welt sind. Bedenken<br />
wir daher, dass das Thema, mit dem wir uns hier<br />
befassen wollen, von allergrößter Bedeutung ist.<br />
Und dabei sollten wir von der Tatsache, dass Gott<br />
uns diese überaus wichtige Aufgabe aufgetragen<br />
hat, aufs Neue gepackt werden. Welch ein wunderbares<br />
Vorrecht ist es, welch eine Ehre, dass der<br />
Herr, der allmächtige Gott, das Werk, Sein Evangelium<br />
auszubreiten und zu verkündigen, uns<br />
Christen anvertraut hat! Es ist ein wunderbares<br />
Vorrecht, aber zugleich ist es auch eine sehr große<br />
Verantwortung – eine Verantwortung, die uns allen<br />
übertragen ist und die unserem <strong>Die</strong>nst damit<br />
einen großen Ernst verleiht.<br />
Unser Thema ist so umfassend und so bedeutsam,<br />
dass es offensichtlich ganz unmöglich ist, es hier<br />
erschöpfend zu behandeln. Ich kann nur einige<br />
Gedanken darlegen, die ich für grundlegend halte,<br />
und dabei will ich versuchen, so praktisch wie nur<br />
möglich vorzugehen.<br />
Zwei Punkte möchte ich hervorheben:<br />
1. die positiven Prinzipien, die für diesen <strong>Die</strong>nst<br />
gelten, und<br />
2. einige der Gefahren, denen wir stets ausgesetzt<br />
sind, sobald wir den <strong>Die</strong>nst tun.<br />
BRAUCHEN JUNGE<br />
MENSCHEN EIN ANDERES<br />
EVANGELIUM?<br />
Wir wollen das Thema nicht nur allgemein behandeln,<br />
sondern auch hinsichtlich der Verkündigung<br />
<strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> besonders unter jungen Menschen.<br />
Das ist eine bedeutsame Unterscheidung,<br />
die – wenn wir nicht ganz vorsichtig sind – auch<br />
sehr gefährlich werden kann.<br />
In den letzten zwanzig Jahren etwa herrschte eine<br />
auffallende Tendenz, die Verkündigung in den Gemeinden<br />
in Altersgruppen aufzuteilen. Allzu viel<br />
habe ich nie von dieser Aufteilung in Altersgruppen<br />
– mittleres Alter, junge Erwachsene, Jugend,<br />
Kinder usw. – gehalten. Ich meine, wir müssen<br />
sehr aufpassen, dass wir nicht dem Evangelium<br />
Gewalt antun, um es so den verschiedenen Altersstufen<br />
anzupassen. So etwas wie ein besonderes<br />
Evangelium für die jungen Menschen, ein besonderes<br />
Evangelium für die mittlere Altersstufe und<br />
wieder ein anderes für die Alten gibt es nicht. Es<br />
gibt nur ein Evangelium, und wir müssen darauf<br />
achten, dass wir nicht daran herumpfuschen und<br />
herumflicken, weil wir diese Altersunterschiede<br />
vor Augen haben. Zur gleichen Zeit gibt es jedoch<br />
einen Unterschied in der Art, wie wir dieses eine<br />
Evangelium auf die verschiedenen Altersstufen<br />
anwenden; aber dabei handelt es sich um einen<br />
Unterschied, der sich nur auf unsere Methode bezieht.<br />
voiceofhope.de | 27
MISSION – AFGHANISTAN<br />
CHRISTEN IN<br />
DER FEUERPROBE<br />
Wussten Sie, dass Christen in Afghanistan weltweit am stärksten verfolgt werden?<br />
Wie können sie in so einem Land überleben?<br />
DIE AKTUELLE LAGE IM LAND<br />
Afghanistan ist ein Land, das sich seit über 40<br />
Jahren im Krieg befindet. Es ist ein Land, das von<br />
der Finsternis <strong>des</strong> Islam durchzogen ist. Es ist ein<br />
Land, in dem Kriminalität und Korruption den<br />
Alltag beherrschen. Seit die Taliban im August<br />
2021 die Macht an sich nahmen, hat sich für die<br />
Bevölkerung vieles verändert.<br />
• Frauen müssen sich in der Öffentlichkeit komplett<br />
verschleiern und dürfen nicht ohne einen<br />
Vormund auf die Straße; ihnen bleiben der<br />
Schulbesuch in einer weiterführenden Schule<br />
und weitere Bildungsmaßnahmen verwehrt.<br />
• Gemäß einer Analyse <strong>des</strong> UN-Welternährungsprogramms<br />
ist fast die Hälfte der afghanischen<br />
Bevölkerung von akutem Hunger<br />
betroffen.<br />
• Darüber hinaus ist Afghanistan mit einem Anteil<br />
von über 85 % der weltweit größte Opiumproduzent.<br />
Da die Taliban und andere Terrormilizen<br />
vom Drogengeschäft profitieren, ist<br />
der Opiumanbau in Afghanistan noch weiter<br />
gestiegen. Für die afghanischen Bauern scheinen<br />
die Einnahmen aus dem Opiumgeschäft<br />
die einzige Möglichkeit zu sein, das Überleben<br />
der Familie zu sichern, anstatt die Felder für<br />
den Getreideanbau zu nutzen und somit einen<br />
Teil zur Ernährung der afghanischen Bevölkerung<br />
beizutragen. Und wer kauft die Drogen?<br />
<strong>Die</strong> gesamte Lage <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> scheint so hoffnungslos<br />
zu sein. Doch ist sie auch für unseren<br />
Herrn hoffnungslos? Hat unser Herr auch über<br />
dieses Land die Kontrolle?<br />
CHRISTEN IN AFGHANISTAN<br />
Lassen Sie uns noch ein wenig weiter gehen und<br />
fragen, wie es den Christen in Afghanistan ergeht.<br />
Zu allen Zeiten und an allen Orten der Erde gab es<br />
immer nur einen kleinen Überrest von Menschen,<br />
die dem Herrn kompromisslos nachgefolgt sind,<br />
und das ist auch heute in Afghanistan nicht anders.<br />
Es ist eine kleine Schar, aber es ist eine Schar<br />
da, die durch das Blut Jesu Christi erlöst ist und<br />
unter dem Schutz <strong>des</strong> Allerhöchsten steht. <strong>Die</strong><br />
Taliban betrachten Christen als ihre Feinde, die<br />
sie erbarmungslos zu bestrafen angedroht haben.<br />
Schon vor August 2021 wurden Christen streng bestraft<br />
(durch Haft oder Isolation) und sogar getötet,<br />
wenn sie ihren Glauben an Jesus Christus nicht<br />
widerriefen. Das ist heute nicht anders. Deshalb<br />
haben die meisten Missionare und einige Christen<br />
nach der Machtübernahme der Taliban das Land<br />
verlassen, und andere sind untergetaucht.<br />
Selbst, wenn sie sich zu Hause verstecken, sind<br />
unsere Geschwister nicht sicher, da sie alle muslimischer<br />
Herkunft sind. Sie erregen die Aufmerksamkeit<br />
ihrer Familie und Verwandtschaft, da sie<br />
nicht mehr in die Moschee gehen und einen völlig<br />
anderen Lebensstil haben. <strong>Die</strong> Familie wird unweigerlich<br />
erkennen, wenn sich jemand von seinem<br />
bisherigen Leben abwendet, an Jesus Christus<br />
glaubt und sich zu Ihm bekennt. Muslimische<br />
Familien sehen das als eine Schande für ihre Familie<br />
an, die nur abgewendet werden kann, indem<br />
man diesen Christen dazu bringt, zum muslimischen<br />
Glauben zurückzukehren, oder indem man<br />
ihn ermordet beziehungsweise hinrichtet. Durch<br />
28 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
die islamische Radikalisierung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> in den<br />
vergangenen Monaten ist somit insbesondere die<br />
Lage für Christen noch härter geworden. Einige<br />
ausländische Missionare hatten schon vor der<br />
Machtübernahme der Taliban das Land verlassen,<br />
da sie und ihre Familien Morddrohungen erhielten<br />
und eine Missionarsfamilie bei einem Anschlag<br />
ums Leben kam.<br />
In der Stadt, in der sich derzeit die meisten<br />
unserer Geschwister (die wir unterstützen) aufhalten,<br />
gibt es Hausdurchsuchungen. Ohne Vorwarnung<br />
gehen Soldaten von Haus zu Haus und<br />
durchsuchen diese Häuser. <strong>Die</strong> Taliban überprüfen<br />
Computer, Smartphones, Literatur und andere<br />
Dinge. Unsere Brüder mussten alle Literatur<br />
verstecken und alle elektronischen Daten löschen.<br />
Der Kontakt der Geschwister zum Missionar<br />
Omar, der die Pastoren in Afghanistan zurzeit<br />
von einem Nachbarland aus betreut, wurde auf<br />
das Wichtigste beschränkt. Und selbst das ist sehr<br />
gefährlich, denn die afghanische Regierung prüft<br />
alle Verbindungen und Kontakte, die ihre Einwohner<br />
nach draußen haben. Finanzielle Unterstützung<br />
wird nur noch durch Boten übermittelt.<br />
<strong>Die</strong> Lage ist schlimmer, als sie es in den letzten 14<br />
Jahren (in denen wir die Pastoren dort unterstützen)<br />
je gewesen ist. Aber Gott hat sich nicht verändert.<br />
Er wirkt mit Macht durch Sein Wort, das<br />
unsere Brüder dort in Treue verkündigen. Gott hat<br />
in der Finsternis dieses Lan<strong>des</strong> ein kleines, helles<br />
Licht angezündet, das die Taliban mit all ihrer<br />
Macht nicht auszulöschen vermögen. Wie sehr sie<br />
es auch versuchen und zu welchen Maßnahmen<br />
sie dabei auch immer greifen, sie werden es nicht<br />
schaffen. Jesus sprach: »[Ich] will … Meine Gemeinde<br />
bauen, und die Pforten <strong>des</strong> Totenreiches sollen sie nicht<br />
überwältigen« (Mt. 16,18).<br />
Unsere afghanischen Geschwister arbeiten<br />
nicht weniger, sie arbeiten nur ein wenig anders.<br />
Brüder, die im Glauben noch recht jung sind, predigen<br />
im Geheimen das Wort Gottes. Der Gottesdienst<br />
findet zu unterschiedlichen Zeiten und<br />
immer wieder an anderen Orten in Privathäusern<br />
statt. Dabei sind sie noch kreativer darin geworden,<br />
ihre Arbeit zu tarnen, um ihre Familien zu<br />
schützen.<br />
<strong>Die</strong> Missionare haben auch festgestellt, dass<br />
die Christen, die sich in kleinen Gruppen versammeln,<br />
ein noch intensiveres Bibelstudium und<br />
tiefere Gotteserkenntnis nötig haben, damit ihre<br />
Freude am Herrn größer werden und sie gerade<br />
in solchen Zeiten fest auf der Wahrheit gegründet<br />
stehen können, ohne zu wanken. Deshalb baten<br />
sie uns um Unterrichtsmaterial, wie z. B. die<br />
Grundlagen <strong>des</strong> Glaubens.<br />
IST MISSIONSARBEIT MÖGLICH?<br />
Bevor die Taliban in der Regierung waren, boten<br />
die Missionare Nähkurse, Englischunterricht für<br />
Frauen und IT- und Englischkurse für Männer<br />
an. <strong>Die</strong>se Unternehmungen gaben den Missionaren<br />
die Möglichkeit, Kontakte und somit auch<br />
Vertrauen aufzubauen, um Menschen mit dem<br />
Evangelium zu erreichen. Doch der Unterricht ist<br />
ihnen nun verboten worden, und <strong>des</strong>halb bietet<br />
ihnen diese Vorgehensweise keine Möglichkeit<br />
mehr, legal Kontakte aufzubauen. Aber auch das<br />
ist für unseren Herrn kein Hindernis. Er ist mächtiger<br />
und ermutigt Seine <strong>Die</strong>ner, trotz schwieriger<br />
Umstände nicht aufzugeben. So schenkt Er den<br />
Gläubigen auch in dieser Zeit Möglichkeiten, persönliche<br />
Kontakte zu pflegen, um Sein retten<strong>des</strong><br />
Evangelium zu verkündigen.<br />
Manchmal haben wir den Eindruck, dass unsere<br />
Geschwister in Afghanistan die Nachfolge viel<br />
ernster nehmen und dem Herrn mit viel größerer<br />
Hingabe dienen als wir im Westen. Sie sind nicht<br />
nur bereit, in so einem gefährlichen Land zu bleiben,<br />
sondern sie sind auch bereit, für das Evangelium<br />
zu leiden und zu sterben. Was noch ermutigender<br />
ist, ist ihr Eifer im Gebet für die jetzige<br />
Regierung und für ihre Landsleute, dass der Herr<br />
das Land in Seiner Gnade erwecken möge.<br />
»Nehmt Anteil an den Nöten der Heiligen ...« (Röm. 12,13).<br />
Lassen Sie uns gemeinsam für unsere verfolgten<br />
Glaubensgeschwister in Afghanistan beten!<br />
• Beten Sie, dass sie sich an der Hoffnung<br />
festhalten, die allein in Christus ist.<br />
• Beten Sie, dass sie anderen freimütig von<br />
Jesus Christus erzählen.<br />
• Beten Sie, dass unser Vater im Himmel für<br />
ihre leiblichen Bedürfnisse sorgt.<br />
• Beten Sie, dass Gott sie nach Seinem Willen<br />
beschützen möge.<br />
• Beten Sie für die Regierung und für Erweckung<br />
in Afghanistan.<br />
voiceofhope.de | 29
THOMAS BROOKS<br />
IN BEDRÄNGNIS<br />
STILLHALTEN<br />
Was beinhaltet ein umsichtiges, gnadenvolles und<br />
heiliges Schweigen unter Bedrängnissen?<br />
30 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
1. GOTT ALS DEN URHEBER<br />
ALLER BEDRÄNGNISSE<br />
ANERKENNEN<br />
»Ich schweige und tue meinen Mund nicht auf; denn Du<br />
hast es getan« (Ps. 39,10). Der Psalmist David blickt<br />
durch zweitrangige Ursachen hindurch zur ersten<br />
Ursache und erscheint <strong>des</strong>halb schweigend vor<br />
dem Herrn. Es gibt keine noch so leichte Krankheit,<br />
in der Gottes Hand nicht wirksam wäre,<br />
selbst wenn es sich nur um Schmerzen im kleinen<br />
Finger handelt.<br />
Der Schreiber besitzt die Fähigkeit zu schreiben,<br />
mehr als die Feder. Und der die Uhr baut<br />
und diese in Gang hält, ist kompetenter, sie zum<br />
Ticken und Schlagen zu bringen, als die Rädchen<br />
und Gewichte, die daran hängen; und jeder Handwerker<br />
ist in der Durchführung seiner Arbeiten<br />
geschickter als die Werkzeuge, die ihm als seine<br />
Instrumente dienen. So ist der Herr, welcher der<br />
bedeutendste Handlungsträger und die Triebkraft<br />
in allen Prozessen ist, und der die mächtigste<br />
Hand in allen unseren Bedrängnissen hat, mehr<br />
zu erkennen und anzuerkennen als irgendeine<br />
untergeordnete oder zweitrangige Ursache, welcher<br />
Art diese auch immer sei.<br />
Auch Hiob erblickte Gott in allem Geschehen:<br />
»Der HERR hat gegeben, der HERR hat genommen«<br />
(Hi. 1,21). Hätte er inmitten der Bedrängnisse nicht<br />
Gott gesehen, hätte er wohl ausgerufen: »O diese<br />
erbärmlichen Chaldäer, sie plünderten und ruinierten<br />
mich; diese boshaften Sabäer, sie raubten<br />
mich aus und fügten mir Unrecht zu!« Hiob<br />
erkannte, dass über der Hand der Chaldäer und<br />
Sabäer Gottes Auftrag lag; <strong>des</strong>halb legte er seine<br />
eigene Hand auf seinen Mund.<br />
Auch Aaron schwieg still, als er der Hand Gottes<br />
im vorzeitigen Tod seiner zwei Söhne gewahr<br />
wurde (3.Mo. 10,3). Seine Sicht über Gott bei diesem<br />
traurigen Schlag war sowohl für seine Denkweise<br />
als auch für seinen Mund ein Zaumzeug; er<br />
murrte nicht, noch klagte er. So auch Joseph, der<br />
von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft wurde<br />
und darin die Hand Gottes sah (1.Mo. 45,8); das<br />
brachte ihn zum Schweigen.<br />
Menschen, die inmitten ihrer Bedrängnis Gott<br />
nicht erkennen, haben ein leicht erhitzbares Gemüt,<br />
welches rasch entbrannt ist. Wenn sie sodann<br />
in ihrer Leidenschaft vollkommen aufgebracht<br />
sind und ihre Herzen wie in einer Feuerflamme<br />
stehen, beginnen sie frech zu werden. Sie zögern<br />
nicht, Gott ins Angesicht zu sagen, dass sie »mit<br />
Recht zornig« sind (Jon. 4,8-9). Jene, die Gott nicht<br />
als den Urheber ihrer Bedrängnisse anerkennen,<br />
sind sehr anfällig, auf das verrückte Prinzip der<br />
Manichäer hereinzufallen. <strong>Die</strong>se behaupten, der<br />
Teufel sei der Urheber von allem Unheil – obwohl<br />
kein »Unglück in der Stadt« geschehen kann, worin<br />
der Herr nicht Seine Hand hat (Am. 3,6). Jene, welche<br />
die befehlende Hand Gottes in ihren Bedrängnissen<br />
erkennen können, werden wie David ihre<br />
Hand auf den Mund legen, wenn die Zuchtrute<br />
Gottes auf ihren Rücken trifft (2.Sam. 16,11-12).<br />
Wird Gottes Hand in Bedrängnissen nicht wahrgenommen,<br />
wird das Herz nicht anders reagieren,<br />
als sich unter diesen Bedrängnissen zu ärgern und<br />
dagegen zu wüten.<br />
2. IN BEDRÄNGNISSEN<br />
GOTTES HERRSCHAFT UND<br />
VOLLMACHT ERKENNEN<br />
»Aber der HERR ist in Seinem heiligen Tempel – sei still<br />
vor Ihm, du ganze Erde!« (Hab. 2,20); oder wie es in<br />
der hebräischen Bibel lautet: »Sei still vor Seinem<br />
Angesicht, du ganze Erde!« Wenn Gott alle Menschen<br />
der Erde schweigend, ruhig und still vor sich haben<br />
möchte, will Er, dass sie Ihn in Seinem Tempel<br />
sehen, wo Er in Pracht, in Erhabenheit und in<br />
Herrlichkeit thront (2.Kö. 19,14-15). »Seid still vor<br />
dem Angesicht GOTTES, <strong>des</strong> Herrn!« (Zeph. 1,7).<br />
Schwatze nicht daher, murre nicht, nörgle<br />
nicht, streite nicht, sondern sei still, schweige, sei<br />
ruhig, lege deine Hand auf den Mund, wenn Seine<br />
Hand schwer auf deinem Rücken liegt – derjenige,<br />
der ganz Auge ist, um zu sehen, ist ebenso auch<br />
ganz Hand, um zu strafen. Wie die Augen eines<br />
hervorragend gemalten Gemäl<strong>des</strong> auf dich geheftet<br />
sind, von welcher Seite du es auch betrachtest,<br />
so sind auch die Augen <strong>des</strong> Herrn stets auf dich<br />
gerichtet. Deshalb hast du Grund genug, vor Ihm<br />
zu schweigen.<br />
Demnach hatte Aaron die Herrschaft Gottes im<br />
Blickfeld, was ihn zum Schweigen brachte. Hiob<br />
stellte sich die Erhabenheit Gottes vor Augen; dadurch<br />
gelangte er zur Ruhe. Eli sah auf die Vollvoiceofhope.de<br />
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macht und Gegenwart Gottes und konnte somit<br />
ruhig bleiben (1.Sam. 3,11-18). Ein Mensch wird<br />
sich niemals selbst demütigen, noch unter der<br />
Hand Gottes stillschweigen, bis er erkennt, dass<br />
die Hand Gottes sehr gewaltig ist: »So demütigt euch<br />
nun unter die gewaltige Hand Gottes« (1.Pt. 5,6).<br />
<strong>Die</strong> Menschen betrachten die Hand Gottes<br />
als eine schwache Hand, als eine kraftlose, eingeschränkte<br />
und gemeine Hand; somit erheben<br />
sich deren Herzen gegen Seine Hand. »Wer ist der<br />
HERR«, fragte Pharao, »dass ich auf Seine Stimme hören<br />
sollte?« (2.Mo. 5,2). Und solange Pharao die Hand<br />
Gottes nicht als eine gewaltige Hand erkannte und<br />
sie auch als eine solche spürte, ließ er Israel nicht<br />
gehen.<br />
Als Tiribazus, ein vornehmer Perser, festgenommen<br />
wurde, zückte er zuerst sein Schwert<br />
und verteidigte sich selbst. Doch als man ihn im<br />
Namen <strong>des</strong> Königs anklagte und informierte, dass<br />
der König den Befehl dazu gegeben hatte, ihn zu<br />
ihm zu bringen, ergab er sich willig. Umgeben uns<br />
also Bedrängnisse, so werden wir murren und<br />
nörgeln, wir werden uns anstrengen und sogar bis<br />
zum Tod kämpfen, bevor wir uns dem Gott ergeben,<br />
der uns schlägt – bis wir dahin gelangen, Seine<br />
Erhabenheit und Vollmacht zu erkennen; bis<br />
wir dahin gelangen, Ihn als den König der Könige<br />
und als den Herrn der Herren zu respektieren.<br />
Solch eine Sicht von Gott beugt das Herz unter<br />
Seine allmächtige Hand. Wie ein Blick auf Seine<br />
Gnade die Seele erfreut, so wird sie durch ein Erkennen<br />
Seiner Größe und Herrlichkeit beruhigt.<br />
3. IN BEDRÄNGNISSEN STILL<br />
UND GELASSEN SEIN<br />
Ein gnadenvolles Schweigen schließt jede innere<br />
Hitze, alles Murren, Ärgern, Streiten, Gerangel<br />
und je<strong>des</strong> Aufbäumen im Herzen aus. »Nur auf<br />
Gott wartet still meine Seele« (Ps. 62,2); das bedeutet,<br />
dass meine Seele ruhig ist und sich Gott fügt. Alles<br />
Murren und Ärgern, alle Leidenschaften und<br />
stürmischen Neigungen gelangen zur Ruhe, sie<br />
halten sich im Zaum und werden bezwungen.<br />
Auch in den genannten Beispielen von Aaron, Eli<br />
und Hiob kommt das klar zum Ausdruck. <strong>Die</strong>se<br />
erkannten, dass es der Vater im Himmel ist, der<br />
ihnen diesen bitteren Kelch in die Hand gab; dass<br />
es die Liebe ist, die ihnen dieses schwere Kreuz<br />
auf die Schulter legte; und dass es die Gnade ist,<br />
die ihnen dieses Joch um den Hals band. <strong>Die</strong>se Tatsachen<br />
bewirkten in ihrem Geist eine große Ruhe<br />
und Gelassenheit.<br />
Ein Mann verbiss sich seine Schmerzen, als der<br />
Chirurg sein Bein amputierte. Einige Menschen<br />
verbeißen sich ihre Schmerzen, wenn Gott ihnen<br />
dieses und jenes Erbarmen entzieht; sie verbergen<br />
und verheimlichen ihren Kummer und ihre Plage.<br />
Könnte man aber nur einen Blick in ihre Herzen<br />
werfen, würde man dort einen Aufruhr, eine Unordnung<br />
und alles in Flammen stehend vorfinden.<br />
Und mögen diese Menschen auch äußerlich kühl<br />
erscheinen, so wütet doch in ihnen ein heißes,<br />
brennen<strong>des</strong> Feuer. In solch einem Feuer befand<br />
sich einst auch David (Ps. 39,3-4). Eine heilige Stille<br />
aber lindert gewiss alle Tumulte in den Gedanken;<br />
sie bewirkt, dass ein Mensch durch »standhaftes<br />
Ausharren« seine Seele gewinnt (Lk. 21,19).<br />
Neben dem Gewinn der Gunst Gottes ist dies<br />
der erlesenste und lieblichste Gewinn in der ganzen<br />
Welt. <strong>Die</strong> wahre Stille herrscht sowohl im<br />
Herzen als auch in den Gedanken eines solchen<br />
Mannes – wie sie auch auf der Zunge <strong>des</strong>sen liegt,<br />
der zu einer wahrhaftigen und göttlichen Ruhe<br />
unter der zurechtweisenden Hand Gottes gelangt<br />
(Pred. 5,1). Wie die Worte der Lippen getrennt von<br />
der Gesinnung <strong>des</strong> Herzens keine Anerkennung<br />
vor Gott finden, so ist das Schweigen der Zunge<br />
getrennt vom Schweigen <strong>des</strong> Herzens vor Gott<br />
nicht wertgeachtet. »Weil sich dieses Volk mit seinem<br />
Mund Mir naht und Mich mit seinen Lippen ehrt, während<br />
es doch sein Herz fern von Mir hält und ihre Furcht<br />
vor Mir nur angelerntes Menschengebot ist« (Jes. 29,13).<br />
Ein Mensch genießt dann eine gnadenvolle Stille,<br />
wenn er sowohl in seinem Inneren als auch nach<br />
außen hin ruhig geworden ist.<br />
Terpandros, ein Harfenspieler und Poet, konnte<br />
durch die Lieblichkeit seiner Lyrik und Musik aufgebrachte<br />
Gedanken der Menschen beruhigen –<br />
David bewirkte mit seiner Harfe dasselbe bei Saul.<br />
Befinden sich Kinder Gottes unter der Rute Gottes,<br />
dann bringt Gott durch Seinen Geist und durch<br />
Sein Wort solch liebliche Musik in ihren Seelen<br />
hervor, dass alle aufgebrachten Neigungen, Leidenschaften<br />
und Verwirrungen zur Ruhe gelangen<br />
(Ps. 94,17-19; Ps. 119,49-50) und sie wie Noah in ihren<br />
Seelen den Frieden bewahren können.<br />
32 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
4. IN BEDRÄNGNISSEN<br />
GOTT NICHT ANKLAGEN<br />
»Damit Du recht behältst, wenn Du re<strong>des</strong>t, und rein dastehst,<br />
wenn Du richtest« (Ps. 51,6). Wenn Gott Sein<br />
Volk richtet, dann weist Er sie zurecht oder züchtigt<br />
sie: »Denn wenn wir uns selbst richteten, würden<br />
wir nicht gerichtet werden; wenn wir aber gerichtet werden,<br />
so werden wir vom Herrn gezüchtigt, damit wir nicht<br />
samt der Welt verurteilt werden« (1.Kor. 11,31-32).<br />
Davids großes Anliegen – als er unter der bedrängenden<br />
Hand Gottes war – bestand darin,<br />
den Herrn von aller Ungerechtigkeit freizusprechen.<br />
»Ach, Herr!«, gestand er, »es gibt nicht das<br />
geringste Anzeichen, nicht den geringsten Makel,<br />
Fleck, Fehler oder irgendein Ersinnen von Ungerechtigkeit<br />
in allen Bedrängnissen, die Du über<br />
mich gebracht hast. Ich schäme mich und besiegle<br />
es, dass der Herr gerecht ist. Und darin, was der<br />
Herr mir zumisst, liegt keine Ungerechtigkeit, keine<br />
Grausamkeit, noch irgendein Missgeschick.«<br />
Genauso bestätigt der Psalmist <strong>des</strong> 119. Psalms<br />
in Vers 75 und 137 auf liebliche und bereitwillige<br />
Art die Gerechtigkeit Gottes inmitten der scharfen<br />
und heftigen Bedrängnisse, die Gott ihm widerfahren<br />
lässt. »HERR, ich weiß, dass Deine Bestimmungen<br />
gerecht sind, und dass Du mich in Treue gedemütigt<br />
hast ... Gerecht bist Du, o HERR, und Deine Bestimmungen<br />
sind richtig!« Gottes Bestimmungen sind immer<br />
richtig; Er züchtigt niemals, außer in Seiner<br />
Treue. Sein Wille ist das Gesetz der Gerechtigkeit;<br />
<strong>des</strong>halb wagt eine begnadete Seele nicht zu nörgeln<br />
oder Seine Handlungsweise zu hinterfragen.<br />
<strong>Die</strong> bedrängte Seele weiß, dass ein gerechter Gott<br />
nichts anderes wirken kann außer dem, was der<br />
Gerechtigkeit entspricht. Sie weiß, dass Gott nicht<br />
von jemandem beherrscht werden kann; daher<br />
steckt der bedrängte Mensch Seinen Mund in den<br />
Staub (Kla. 3,29) und schweigt still vor Gott. Wer<br />
getraut sich, Ihn zu fragen: »Warum tust Du dies?«<br />
(2.Sam. 16,10)?<br />
Wenn in der Türkei früher Straftäter auf grausame<br />
Weise ausgepeitscht wurden, dann waren sie verpflichtet,<br />
jenen Richter aufzusuchen, der den Befehl<br />
dazu gegeben hatte; sie mussten ihm die Hand<br />
küssen und ihm danken, ebenso jenen Beamten<br />
bezahlen, der sie ausgepeitscht hatte – dadurch<br />
stellten sie klar, dass der Richter und der Beamte<br />
frei von Ungerechtigkeit seien. Schweigend die<br />
Rute zu küssen und jene Hand, die mit dieser Rute<br />
schlägt, ist die erhabenste Art klarzustellen, dass<br />
der Herr frei von aller Ungerechtigkeit ist.<br />
<strong>Die</strong> babylonische Gefangenschaft war die<br />
schmerzlichste, die schwerste Bedrängnis, die<br />
Gott jemals über ein Volk unter dem Himmel verhängt<br />
hatte. <strong>Die</strong>s wird in 1. Samuel 12 und in Daniel<br />
9,12 usw. bezeugt. Und doch wird unter diesen<br />
schmerzlichen Bedrängnissen die Weisheit gerechtfertigt<br />
von ihren Kindern (Mt. 11,19). »Du bist<br />
gerecht in allem, was über uns gekommen ist; denn Du<br />
hast Treue bewiesen; wir aber sind gottlos gewesen« (Neh.<br />
9,33). »Der HERR ist gerecht; denn ich bin widerspenstig<br />
gewesen gegen Sein Reden« (Kla. 1,18).<br />
Eine heilige Stille erstrahlt nirgends heller als<br />
dort, wo man Gott auf demütige Weise freispricht<br />
und entlastet, wohingegen ein verderbtes Herz<br />
dazu angetan ist, Gott in Zeiten der Bedrängnis<br />
anzuklagen. Gott kann, weil Er gut ist, nichts geben<br />
noch etwas tun, was nicht gut ist. »Was andere<br />
häufig tun, ist für Gott unmöglich«, schreibt<br />
Luther zu Psalm 120.<br />
Entnommen aus dem Buch:<br />
ALS CHRIST IN BEDRÄNGNIS STILLHALTEN<br />
Unter dem Eindruck seiner eigenen Erfahrung inmitten von Prüfungen und Bedrängnissen<br />
verfasste Thomas Brooks dieses Buch 1659 als Ermutigung und Ermahnung für<br />
andere. Er setzt Bedrängnisse, Versuchungen, Prüfungen und menschliche Schwächen<br />
ins Verhältnis zu Schrifterkenntnis, indem er ermahnt zu glauben und zur demütigen<br />
Annahme der Situation. Denn die disziplinierende Hand Gottes soll den Kindern Gottes<br />
zum Gewinn werden; das Ziel ist, Ihn als unseren Vater zu erkennen.<br />
voiceofhope.de | 33<br />
Erhältlich unter: www.voh-shop.de | Bestell-Nr.: 863.977 | 12,50 € | 3L-Verlag
MARY BEEKE<br />
Lehre sie<br />
ZU ARBEITEN<br />
34 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
Wie können wir Kinder zur<br />
Selbstständigkeit motivieren?<br />
Ein Auszug aus dem Buch »Teach Them to Work«,<br />
Reformation Heritage Books<br />
Vor kurzem las unsere Tochter, die verheiratet und Mutter von drei kleinen<br />
Kindern ist, einen Blog über das Muttersein. Eine junge Mutter<br />
fragte: »Soll ich die Spülmaschine ausräumen, während meine Tochter<br />
wach ist? Oder sollte ich nur mit ihr spielen?« Heutzutage herrscht die Meinung<br />
vor, dass die beste Erziehung darin bestehe, mit den Kindern zu spielen – sei<br />
es zum Lernen oder zum Spaß –, und zwar während ihrer gesamten Tageszeit.<br />
Von Kindern zu verlangen, schon in jungen Jahren eine Aufgabe im Haushalt<br />
zu übernehmen, wäre grausam und der Inbegriff von »Kinderarbeit«!<br />
Ich würde dem sofort widersprechen. Arbeiten zu lernen ist gut für Kinder! Es<br />
gibt darin viele Vorteile; aber wir müssen uns davor hüten, unsere Kinder zu<br />
überfordern. Wenn Kinder in die Arbeit der Familie einbezogen werden, dann<br />
werden sie auch in die Aktivitäten der Familie einbezogen. Sie spüren, dass sie<br />
gebraucht und geschätzt werden, was ihnen das Gefühl verleiht, wertvoll und<br />
nützlich zu sein. Außerdem werden durch die Arbeit Fertigkeiten für das Leben<br />
vermittelt. <strong>Die</strong> Kinder lernen dabei Gehorsam und Selbstdisziplin. Kleine<br />
Kinder haben Spaß an der Arbeit. Arbeit ist eine sinnvolle Nutzung der Zeit<br />
und gibt der Familie die Möglichkeit, miteinander Zeit zu verbringen. Es ist<br />
ehrenvoll, zu arbeiten.<br />
SPIELEN IST WERTVOLL<br />
»Das Spiel ist die Arbeit <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>«, sagte Maria Montessori, die Begründerin<br />
einer Erziehungsphilosophie, die in den nach ihr benannten Schulen gelehrt<br />
wird. Auch wenn ich nicht alle ihre Überzeugungen teile, würde ich dieser Aussage<br />
zustimmen. Sie war der Meinung, dass das Spiel die gesunde Entwicklung<br />
der Fein- und Grobmotorik, der Sprache, der Beziehungen, der persönlichen<br />
Wahrnehmung, <strong>des</strong> emotionalen Wohlbefindens, der Kreativität, der Fähigkeit,<br />
Probleme zu lösen, und <strong>des</strong> Lernvermögens <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> fördert.<br />
Spielen ist für Kinder eine Selbstverständlichkeit. Sie lernen spielerisch<br />
etwas über ihre Umwelt und über sich selbst. Im Sandkasten klopft Abigail<br />
Schlamm zu Kuchen, während Jamison mit seinem Bulldozer Straßen um einen<br />
See baut. Später erzählt Zoey ihrer Puppe eine Geschichte. William baut<br />
einen Turm aus Bauklötzen und reißt ihn dann wieder ein. Unsere Kleinen verbringen<br />
den größten Teil ihrer wachen Zeit mit Spielen. Spielen ist wunderbar!<br />
<strong>Die</strong> Bibel spricht in Sacharja 8,5 über spielende Kinder: »Und die Straßen der<br />
Stadt sollen erfüllt werden mit Knaben und Mädchen, die auf ihren Straßen spielen.« In 1.<br />
Korinther 13,11 sagt Paulus, dass er, als er ein Kind war, redete, dachte und urteilte<br />
wie ein Kind; als er aber ein Mann wurde, legte er das Kindliche ab.<br />
voiceofhope.de | 35
DER ÜBERGANG ZUM ARBEITEN<br />
Wir sind uns alle darin einig, dass Kinder spielen<br />
sollen. Wir alle sind uns einig, dass Erwachsene<br />
arbeiten sollen. Wie kommen wir also von dem einen<br />
zum andern? Es ist ein Prozess. In den ersten<br />
Jahren ihres Heranwachsens sind Kinder hauptsächlich<br />
am Spielen. Im Laufe der Jahre nimmt<br />
das Spielen ab und das Arbeiten zu, bis wir im Erwachsenenalter<br />
den größten Teil unserer Zeit mit<br />
Arbeiten verbringen. Wie finden wir die richtige<br />
Balance? Was ist für je<strong>des</strong> Alter angemessen? Wir<br />
sollten mehrere Faktoren berücksichtigen.<br />
Erstens erfolgt das Lernen schrittweise und allmählich.<br />
Das Arbeiten wird mit der Zeit und durch<br />
viel Übung erlernt. Wenn wir als Eltern alle Aufgaben<br />
im Haushalt selbst übernehmen und von unseren<br />
Kindern nichts verlangen, und wenn sie nur<br />
in der Schule mitarbeiten, wird das zu zwei Ergebnissen<br />
führen: Wenn sie mit sechzehn, achtzehn<br />
oder zweiundzwanzig Jahren in die Arbeitswelt<br />
eintreten, werden ihnen viele grundlegende Fähigkeiten<br />
fehlen, wie zum Beispiel das Aufräumen<br />
ihrer eigenen Unordnung, das Zubereiten von Essen<br />
und das Reparieren von Dingen. Außerdem<br />
werden sie von anderen erwarten, dass sie diese<br />
ihnen lästigen Aufgaben für sie erledigen. Wenn<br />
sie heiraten, werden sie einen Schock erleiden –<br />
oder ihr Ehepartner! Sie werden nicht in der Lage<br />
sein, einen Haushalt zu führen oder zu verwalten.<br />
Im Gegenteil, in den Sprüchen Salomos heißt<br />
es: »Gewöhne den Knaben an den Weg, den er gehen soll, so<br />
wird er nicht davon weichen, wenn er alt wird!« (Spr. 22,6).<br />
Ein altes Sprichwort lautet: »Gib mir ein Kind für<br />
die ersten sieben Jahre, und ich gebe dir den Mann<br />
zurück.« Der wichtigste Lernprozess findet in diesen<br />
frühen Jahren statt. Grundlegende Fähigkeiten<br />
wie Kommunikation und Interaktion mit anderen,<br />
persönliche Hygiene, Umgangsformen und grundlegende<br />
physikalische Kenntnisse über das Zusammenspiel<br />
der Dinge werden da erlernt.<br />
Wenn ihr Leben hauptsächlich aus Spielen<br />
und nur wenig Arbeit besteht, werden die Kinder<br />
frustriert sein, wenn die Zeit kommt, wo sie »reale<br />
Arbeit« zu verrichten haben, wie zum Beispiel<br />
die Wäsche zu waschen, zu bügeln oder die Garage<br />
aufzuräumen. Es ist viel besser, wenn die Arbeit<br />
ein Teil ihrer frühesten Erinnerungen ist, so dass<br />
es in ihren Köpfen verankert wird, dass das Arbeiten<br />
ein Teil <strong>des</strong> Lebens ist.<br />
Kinder in einem Landwirtschaftsbetrieb sind<br />
der Beweis dafür, dass Arbeit gut für sie ist. Sie<br />
lernen, wie man sich um Tiere kümmert, Lebensmittel<br />
anbaut und erntet, Geräte repariert und<br />
die eigenen Erzeugnisse verkauft oder einkauft.<br />
Darüber hinaus erlernen sie Ausdauer, Fleiß,<br />
Konzentration und das Arbeiten auf ein Ziel zu.<br />
<strong>Die</strong>se Gewohnheiten sind genauso wichtig wie<br />
die spezifischen Fähigkeiten selbst, da sie in jeder<br />
Situation angewendet werden können. Wenn ein<br />
Kind an der Seite seines Vaters lernt, Probleme zu<br />
lösen, während es einen Rasenmäher repariert,<br />
kann es diese Eigenschaft als Erwachsener auf<br />
seinen Job als Ingenieur anwenden.<br />
Wir können nicht alle Landwirte sein, aber<br />
wenn deine Kinder die Möglichkeit haben, an einem<br />
Wochenende oder im Sommer auf einem<br />
Bauernhof zu arbeiten, dann sollten sie es tun. Es<br />
wird ihnen gut tun. Sprüche 10,5 beschreibt den<br />
Jungen aus der Landwirtschaft; aber dieser Vers<br />
kann auf je<strong>des</strong> Kind angewendet werden: »Wer<br />
im Sommer sammelt, ist ein kluger Sohn, wer aber in der<br />
Ernte schläft, ist ein Sohn, der Schande macht.«<br />
Freunde von uns haben ein Blumengeschäft. Sie<br />
begannen damit vor Jahren in ihrer Garage, und<br />
sie haben immer hart und lange gearbeitet. Ihre<br />
größte Herausforderung besteht heute darin, zuverlässige<br />
Mitarbeiter zu finden, die stets ehrliche<br />
und aufrichtige Arbeit leisten und nicht versuchen,<br />
sich vor der Arbeit zu drücken, und die sich nicht<br />
über die Löhne und Sozialleistungen beschweren.<br />
Wir sollten uns der Herausforderung stellen, unsere Kinder<br />
dahingehend zu erziehen, dass sie eines Tages gute Arbeitnehmer sind,<br />
und vor allem, dass sie einen gottesfürchtigen und rechtschaffenen<br />
Lebenswandel führen. Um das zu erreichen, müssen wir jetzt<br />
damit beginnen. Lassen wir uns auf dieses Abenteuer ein!<br />
36 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
DIE EINSAMKEIT DES<br />
Single-Seins<br />
LYDIA BROWNBACK<br />
TEIL 1<br />
voiceofhope.de | 37
Wenn ich ein Podium betrete, um über<br />
das Thema »Leben als Single« zu sprechen<br />
(das kommt ziemlich häufig vor,<br />
weil ich selbst Single bin), suche ich unter den Zuhörern<br />
nach einem ganz bestimmten Typ Frau.<br />
Sie ist jung und sitzt mit gesenktem Kopf und mit<br />
verschränkten Armen zusammengesunken auf<br />
ihrem Stuhl. Sie ist nur da, weil sie von jemandem<br />
dazu überredet wurde, sich diesen Vortrag anzuhören.<br />
Aber eigentlich will sie gar nicht hier sein.<br />
Am liebsten würde sie zur Tür hinausrennen, um<br />
nicht schon wieder etwas über dieses Thema hören<br />
zu müssen. Ihre Körpersprache vermittelt ein<br />
bisschen Feindseligkeit und eine Menge Angst. Sie<br />
hat das alles schon von älteren Frauen gehört –<br />
manche von ihnen waren verheiratet, andere unverheiratet.<br />
Vor den alleinstehenden Rednerinnen<br />
graut es ihr am meisten, weil sie Angst hat, dass<br />
diese furchtbare Krankheit namens »Ehelosigkeit<br />
ab 40« ansteckend sein könnte. Von diesen jungen<br />
Frauen findet sich immer min<strong>des</strong>tens eine im Publikum,<br />
und aus diesem Grund betone ich gleich zu<br />
Beginn meiner Vorträge, dass wir Single-Frauen<br />
im Alter von 40 plus eher Ausnahmen sind, weil<br />
die Ehe die göttliche Norm für uns Menschen ist.<br />
WARUM GIBT ES<br />
SO VIELE SINGLES?<br />
Wenn die Ehe die Norm Gottes ist, warum lässt<br />
Gott es dann zu, dass so viele von uns allein bleiben?<br />
Heute gibt es in unserem Land etwa genauso<br />
viele alleinstehende Erwachsene wie verheiratete.<br />
Ein Grund für diesen Zustand liegt darin, dass<br />
sich die Lebensweise von Frauen in den letzten<br />
Generationen entscheidend verändert hat. Noch<br />
vor ein paar Jahrzehnten wollten Frauen nach<br />
dem Abschluss ihrer Berufsausbildung eine Familie<br />
gründen. Heute haben Frauen die gleichen<br />
Abschlüsse und Berufe wie Männer, und dadurch<br />
genießen sie eine Unabhängigkeit wie zu keiner<br />
anderen Zeit der Menschheitsgeschichte. Niemand<br />
bestreitet, dass viel Gutes entstanden ist aus<br />
der gesellschaftlichen Übereinkunft, dass Männer<br />
und Frauen den gleichen Wert haben. Aber diese<br />
Entwicklung hat nicht nur positive Veränderungen<br />
mit sich gebracht.<br />
<strong>Die</strong> Auswirkungen auf die Ehe gehören zu den<br />
negativen Punkten. Indem die Chancen von Frauen<br />
gestiegen sind, sind auch ihre Erwartungen<br />
höher geworden. Viele Frauen sind nicht bereit,<br />
einen Mann zu heiraten, der über eine geringere<br />
Bildung verfügt oder weniger verdient als sie.<br />
Deshalb wollen sie lieber allein bleiben. Das Gegenteil<br />
trifft ebenso zu. Viele Männer sind nicht<br />
übermäßig begeistert von der Aussicht, eine Frau<br />
zu heiraten, die über eine höhere Bildung verfügt<br />
oder mehr verdient als sie.<br />
Vor einigen Jahrzehnten brauchte eine Frau<br />
keinen beeindruckenden Lebenslauf, um sich<br />
eine sichere Existenz aufzubauen, denn dafür<br />
war ja der Ehemann zuständig. Insgesamt hat die<br />
moderne Relativierung der Geschlechterrollen<br />
die Chancen der Männer verringert, männlich<br />
zu sein, und den Frauen jenes Schutzbedürfnis<br />
genommen, für das sie in der Vergangenheit geschätzt<br />
wurden. Unter anderem hat auch diese<br />
Entwicklung zum allgemeinen Rückgang von<br />
Eheschließungen beigetragen. Christen sind davon<br />
nicht ausgenommen, obwohl es nicht so sein<br />
müsste. Im Alten Testament untersagte es Gott<br />
dem Propheten Jeremia zu heiraten, als ein Zeichen<br />
der Warnung vor dem kommenden Gericht<br />
über die Sünde Seines Volkes (Jer. 16,1-4); doch<br />
gläubige Menschen von heute haben die Gelegenheit,<br />
das genaue Gegenteil zu beweisen.<br />
<strong>Die</strong> Anweisungen Gottes an den Propheten Jeremia<br />
sind keine Anweisungen an die Gemeinde Jesu. Das<br />
Zeitalter <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> ist eine Zeit der Ehe, eine<br />
Zeit <strong>des</strong> Mitgefühls und eine Zeit für Festlichkeiten<br />
… Das Zeitalter <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> ist eine gute Zeit zu<br />
heiraten. In Jeremia 33 wird verheißen: In den Straßen<br />
Jerusalems »soll man wiederum Jubel- und Freudengeschrei<br />
vernehmen, die Stimme <strong>des</strong> Bräutigams und<br />
die Stimme der Braut« (V. 11). <strong>Die</strong>se Verheißung hat<br />
sich in Jesus Christus erfüllt. Es ist kein Zufall, dass Jesus<br />
Sein erstes Wunder – die Verwandlung von Wasser<br />
in Wein – bei einer Hochzeit wirkte (Joh. 2,1-11).<br />
Wenn der Erlöser kommt, ist es Zeit für Hochzeiten<br />
und Freudenlieder. 1<br />
1<br />
Philip G. Ryken, Jeremiah and Lamentations: From Sorrow to Hope, Preaching the Word, Hrsg. R.<br />
Kent Hughes, Crossway, Wheaton, IL, 2016, S. 270<br />
38 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
Gott hat Freude an der Ehe – unsere heutige Gesellschaft<br />
eher nicht mehr, zumin<strong>des</strong>t nicht an einer<br />
Ehe nach der göttlichen Ordnung. Mit dieser<br />
Tatsache und der Verschiebung der Geschlechterrollen<br />
lässt sich die weite Verbreitung der Ehelosigkeit<br />
erklären.<br />
HEIRATEN ODER NICHT –<br />
DAS ENTSCHEIDET GOTT<br />
Was bedeutet das für uns? Sind wir dazu verurteilt,<br />
ein Leben lang einsam und alleine zu bleiben,<br />
weil wir in einer moralisch bankrotten Gesellschaft<br />
leben, oder weil Streitigkeiten um Frauenrechte<br />
potenzielle Ehemänner in die Flucht schlagen?<br />
Natürlich besteht die Möglichkeit, dass wir<br />
alleinstehend bleiben; setzen wir uns damit ruhig<br />
offen auseinander. Davon abgesehen entscheidet<br />
nicht die Gesellschaft, ob wir heiraten oder nicht,<br />
sondern Gott allein. Er beschließt, wer heiratet<br />
und wer allein bleibt. Vergessen Sie die Statistiken<br />
– sie sind vergeudete Zeit für diejenigen, die das<br />
Wesen Gottes kennen. Wenn die Ehe der Plan Gottes<br />
für unser Leben ist, dann werden wir früher<br />
oder später heiraten. So oder so können wir sicher<br />
sein, dass ein Leben als einsame Einzelgängerin<br />
nicht zu Seinem Plan gehört. Er hat uns dazu berufen,<br />
in Gemeinschaft zu leben, in der Familie<br />
Seiner Kinder, und Er sorgt dafür, dass wir dorthin<br />
kommen.<br />
»Ein Gott, der Vereinsamten ein Heim gibt«, sagt uns<br />
der Psalmist (Ps. 68,7). Deshalb lautet die eigentliche<br />
Frage nicht, ob wir am Ende allein sein werden,<br />
sondern ob wir bereit sind, uns eine andere<br />
Form der Gemeinschaft als die Ehe schenken zu<br />
lassen.<br />
Deshalb beginnt der Umgang mit dem einsamen<br />
Single-Sein in unserem Herzen. Vertrauen<br />
wir Gott? Wir tun das nur, wenn wir sicher sind,<br />
dass Er gut ist, und mit »gut« meine ich nichts<br />
Allgemeines, sondern die Art, wie Gott die Einzelheiten<br />
in unserem Leben lenkt, auch die Frage<br />
unseres Familienstands. Das Single-Sein heute<br />
bedeutet, dass Gott heute gut zu uns ist. Glauben<br />
Sie das? Wenn ja, dann haben Sie echtes Gottvertrauen,<br />
das auch nicht ausgelöscht wird, wenn die<br />
Sehnsucht und die Einsamkeit, die diese Sehnsucht<br />
oft auslöst, uns von Zeit zu Zeit zu überwältigen<br />
drohen.<br />
UNVERHEIRATET<br />
UND EINSAM<br />
Wie bei der Einsamkeit in der Ehe gibt es auch<br />
eine spezielle Form der Einsamkeit im Single-Dasein.<br />
Eine junge, alleinstehende Frau fühlt diese<br />
Einsamkeit, wenn ihre Freundinnen sich verloben<br />
und ihre Hochzeitsfeiern planen, während bei ihr<br />
nichts dergleichen in Sicht ist. Eine Single-Frau<br />
über 30 fühlt diese Einsamkeit, wenn ihre verheirateten<br />
Freundinnen Kinder zur Welt bringen,<br />
während ihre eigene biologische Uhr tickt. Eine<br />
40-Jährige fühlt diese Einsamkeit, wenn andere<br />
in der Vergangenheitsform über ihre Heiratschancen<br />
sprechen, in etwa so:<br />
»Du erinnerst mich an meine Großtante Betty.<br />
<strong>Die</strong> hat auch nie geheiratet.«<br />
<strong>Die</strong> Einsamkeit der Unverheirateten wird<br />
durch solche Bemerkungen verstärkt, auch durch<br />
das Eheglück, das wir bei anderen wahrnehmen<br />
(oder vermuten). Bei solchen Bemerkungen auf<br />
Gott zu vertrauen bedeutet jedoch nicht, ein gelassenes<br />
Lächeln aufzusetzen und einfach um<br />
mehr Geduld zu beten. Es bedeutet vielmehr, sich<br />
enger an Jesus Christus anzulehnen und dabei alle<br />
Segnungen unserer Verbindung mit Ihm zu genießen,<br />
einer tieferen, freudigeren Verbindung, als<br />
man sie in der Ehe erleben kann. Wenn wir unsere<br />
Ruhe in Jesus Christus finden und auf die Güte<br />
unseres himmlischen Vaters vertrauen, wird die<br />
Einsamkeit unseres Single-Lebens zu einer Chance,<br />
die gesamte Gemeinde Jesu mit aufzubauen.<br />
Wir können unseren Glaubensgeschwistern dienen und<br />
Gott die Ehre geben – nicht trotz, sondern wegen unseres<br />
Alleinseins.<br />
BLOẞ KEIN MITLEID!<br />
Erstens: Wenn die Frucht unserer engen Gemeinschaft<br />
mit Jesus sichtbar wird, sowohl für<br />
uns selbst als auch für die Menschen in unserem<br />
Umfeld, beweisen wir damit, dass Singles nicht<br />
bemitleidet werden müssen. <strong>Die</strong> Frucht unseres<br />
Glaubens wird auch deutlich in der Art, wie wir<br />
über unser Leben als Alleinstehende sprechen.<br />
Wir können offen und ehrlich über unsere Probleme<br />
und Sehnsüchte reden und gleichzeitig die<br />
Botschaft vermitteln, dass wir zwar gerne verheiratet<br />
wären, dieser Traum jedoch nicht das Ziel<br />
voiceofhope.de | 39
unserer Hoffnung ist. Wir praktizieren das, was<br />
uns das Wort Gottes sagt: »Lasst uns festhalten am<br />
Bekenntnis der Hoffnung, ohne zu wanken – denn Er ist<br />
treu, der die Verheißung gegeben hat –, und lasst uns aufeinander<br />
achtgeben, damit wir uns gegenseitig anspornen<br />
zur Liebe und zu guten Werken« (Hebr. 10,23-24). Ob<br />
wir nun verheiratet oder unverheiratet sind – zu<br />
den Freundschaften in der Gemeinde Jesu gehören<br />
Bekenntnisse der Hoffnung, die sich auf die<br />
Treue Gottes stützen. Wenn wir solche Gespräche<br />
führen, motivieren wir uns gegenseitig, unseren<br />
Blick auf unsere Mitmenschen und auf Gott zu<br />
richten.<br />
Verheiratete haben häufig Mitleid mit uns<br />
Singles, und manchmal führt das damit einhergehende<br />
Unbehagen dazu, dass sie vor uns zurückscheuen.<br />
Wir Singles können auf eine echte Einheit<br />
hinarbeiten, indem wir darauf achten, wie<br />
wir über unser Single-Dasein sprechen, und auch<br />
darauf, wie wir die Worte anderer aufnehmen. Ein<br />
befreundeter Pastor, der glücklich verheiratet ist,<br />
seit er Anfang 20 war, sagte einmal zu mir:<br />
»Ich weiß nicht, wie du das aushältst. Ich kann<br />
mir nicht vorstellen, als Single zu leben.« Er bot<br />
mir kein Mitleid dar, sondern sprach offen über<br />
seine eigenen Gefühle. Seine Worte bewirkten bei<br />
mir kein Selbstmitleid, sondern das genaue Gegenteil.<br />
Ich fühlte mich bestätigt, weil seine Offenheit<br />
sowohl die Nöte <strong>des</strong> Single-Daseins aufzeigte<br />
als auch die Gnade, die Gott mir zum Durchhalten<br />
geschenkt hat.<br />
DAS SINGLE-SEIN<br />
IST KEIN PROBLEM, DAS<br />
MAN LÖSEN MUSS<br />
Zweitens: Wenn wir in der engen Gemeinschaft<br />
mit Jesus Christus bleiben, wird das Single-Sein<br />
für uns kein Problem mehr sein, das man lösen<br />
muss. Ich habe schon so manches Fürbitte-Gebet<br />
gehört, bei dem Singles in einem Atemzug mit<br />
den Kranken und Sterbenden erwähnt werden.<br />
Betrachtet man ein solches Gebet aus biblischer<br />
Perspektive, dann ist das ein ganz klarer Irrtum.<br />
Ein Single-Leben, das zur Ehre Gottes und zur Förderung<br />
Seines Reiches gelebt wird, ist ein Zeugnis dafür,<br />
dass Jesus Christus uns in allen Dingen genügt. In<br />
Christus empfängt ein Christ den vollen Segen Gottes,<br />
ob er nun verheiratet oder unverheiratet ist, reich<br />
oder arm, ein angenehmes oder hartes Leben hat. <strong>Die</strong><br />
unverwechselbare Berufung zu einem Single-Leben<br />
innerhalb der Gemeinde Jesu bestätigt diese Wahrheit<br />
… Innerhalb der Gemeinde muss diese Botschaft auch<br />
neu ausgesprochen werden. Unsere Jugendlichen hören<br />
ständig verwirrende Botschaften über Beziehungen<br />
und Sexualität. In unserer Gesellschaft werden die unersättlichen<br />
Gelüste nach sexueller Intimität und die<br />
äußeren Zeichen materiellen Wohlergehens zu Götzen<br />
gemacht. Deshalb muss die Gemeinde Jesu zielgerichtet<br />
vorgehen, wenn sie die biblische Lehre über<br />
das Single-Dasein und auch über die Ehe verkündigt.<br />
Hier geht es nicht um eine »Christianisierung« der<br />
unsere Gesellschaft beherrschenden Begierden auf der<br />
Beziehungs- und der materiellen Ebene, indem man<br />
sich nur noch damit beschäftigt, perfekte Familien zu<br />
gründen und luxuriöse Häuser zu bauen. Wir brauchen<br />
vielmehr klare Prinzipien zur Förderung von Lebensstilen,<br />
die im Einklang mit den Grundlehren <strong>des</strong><br />
<strong>Evangeliums</strong> stehen. Dazu gehört auch die Lehre, dass<br />
das Reich Gottes nahe ist und wir erst dann vollkommene<br />
Zufriedenheit finden werden, wenn wir in Jesus<br />
Christus mit unserem Gott versöhnt sind.2<br />
Da es im ewigen Reich Gottes keine Ehe geben<br />
wird, haben Singles die Gelegenheit, sowohl der<br />
Gemeinde Jesu als auch der sie umgebenden Welt<br />
einen Vorgeschmack vom Leben im Reich Gottes<br />
zu geben.<br />
Erkennen Sie, wie das Single-Dasein anstelle<br />
von Resignation ein Zeichen der Hoffnung setzen<br />
kann? Durch die Art, wie wir mit unserem Alleinsein<br />
umgehen, können wir diese Hoffnung auf unsere<br />
verheirateten Geschwister projizieren, und<br />
wir können auch ein Spiegel der Liebe Jesu sein<br />
für andere Singles, die sich ausgeschlossen fühlen<br />
vom Besten, das das Leben zu bieten hat. <strong>Die</strong><br />
Tatsache, dass Gott »Vereinsamten ein Heim gibt« (Ps.<br />
68,7), zeigt uns etwas vom Wesen Gottes. Er erfreut<br />
sich an der Familie – denn das ist mit »ein Heim«<br />
gemeint – und daran, alle Seine Kinder in eine Fa-<br />
2<br />
Barry Danylak, Redeeming Singleness: How the Storyline of Scripture Affirms the Single Life,<br />
Crossway, Wheaton, IL, 2010, S. 213f.<br />
40 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/<strong>2022</strong>
milie hineinzubringen. In Übereinstimmung mit<br />
dem Wort Gottes messen Christen der Familie<br />
großen Wert bei; aber im Zeitalter <strong>des</strong> Neuen Bun<strong>des</strong>,<br />
also in unserem Zeitalter, ist es die Familie der<br />
Gemeinde Jesu, die von der Bibel besonders hervorgehoben<br />
wird, nicht die Kernfamilie.<br />
Wenn diese Reihenfolge umgedreht wird, ist<br />
das für den Aufbau der Gemeinde insgesamt eher<br />
Hindernis als Hilfe.<br />
Der sich durch die gesamte Gesellschaft ziehende<br />
Zusammenbruch der Familie ist natürlich<br />
ein Grund, warum Gemeinden ihre Bedeutung<br />
so betonen; aber einige von ihnen übertreiben es<br />
und heben die aus Vater, Mutter und drei Kindern<br />
bestehende Familie auf ein Po<strong>des</strong>t. Wenn wir berücksichtigen,<br />
was die Apostel zu diesem Thema<br />
sagten, stellen wir fest, dass ihr Schwerpunkt eher<br />
auf dem Missionsauftrag Jesu lag, auf der Heiligung<br />
und auf dem Wachstum der Gemeinde-Familie.<br />
Aus dieser Familie sollte kein als Single lebender<br />
Christ ausgeschlossen werden.<br />
Zweifellos haben Sünde und Selbstsucht in unserer<br />
heutigen Gesellschaft zur »Vereinzelung«<br />
geführt. Es gibt Männer, die nicht erwachsen<br />
werden und Verantwortung für eine Familie übernehmen<br />
wollen, und es gibt Frauen, für die nur<br />
ein reicher, erfolgreicher Partner infrage kommt,<br />
während sie einen gläubigen Mann links liegen<br />
lassen. Aber wenn wir wegen dieser traurigen Realität<br />
das Single-Leben in einem negativen Licht<br />
sehen, übersehen wir die Worte <strong>des</strong> Apostels Paulus:<br />
»Ich sage aber den Ledigen und den Witwen: Es ist gut<br />
für sie, wenn sie bleiben wie ich« (1.Kor. 7,8). Außerdem<br />
vergessen wir die Worte Jesu, als Er sagte: »Denn<br />
es gibt Verschnittene, die von Mutterleib so geboren sind;<br />
und es gibt Verschnittene, die von Menschen verschnitten<br />
sind; und es gibt Verschnittene, die sich selbst verschnitten<br />
haben um <strong>des</strong> Reiches der Himmel willen. Wer es fassen<br />
kann, der fasse es!« (Mt. 19,12).<br />
Verschnittene (oder Eunuchen) waren Männer,<br />
die aus verschiedenen Gründen keine sexuelle<br />
Erregung empfinden konnten. Deshalb erwähnt<br />
Jesus sie hier in Matthäus 19 in einem Gespräch,<br />
das Er mit Seinen Jüngern über die Ehe – den einzigen<br />
von der Bibel erlaubten Rahmen für sexuelle<br />
Aktivität – und über Ehelosigkeit führte. Wenn<br />
wir über die Tragweite Seiner Worte nachdenken,<br />
wird uns bewusst, dass es Menschen gibt, die sich<br />
nicht selbst für ein Single-Dasein entscheiden,<br />
und andere, die das bewusst tun. Im Endeffekt<br />
bedeutet das: Wenn es um Ehelosigkeit und Ehe<br />
geht, zeigt uns das Neue Testament, dass keiner<br />
dieser Lebensumstände verkehrt ist, sondern dass<br />
beide gut sind.<br />
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WAHRES CHRISTENTUM<br />
bedeutet viel mehr, als nur zur Kirche zu gehen,<br />
getauft und ein Mitglied einer Ortsgemeinde<br />
zu sein, ein moralisches Leben zu führen und<br />
sich vom Bösen fernzuhalten. Es ist auch<br />
viel mehr als eine bloße Religion.<br />
Der Unterschied zwischen selbstgemachter<br />
Religion und dem wahren Christentum – so wie die<br />
Heilige Schrift es uns beschreibt – besteht darin, dass<br />
sich das Christentum auf ehrliche Weise dem stellt,<br />
was und wer Gott ist und was der Mensch ist.<br />
Niko Derksen