DIE UHRENVERSTEHER AUS ELLWANGENWIEDER IN DENTAKT GEFUNDENRund 20 Uhren hängen an den Wänden im ersten Stock des Hauses in derMarienstraße 9 in Ellwangen. Große, kleine, ältere, alte und ganz alte. In den Regalenund auf den Tischen liegen noch weitere. Verschiedene Arten, verschiedene Größen,verschiedene Marken. Das Ticken ist nicht zu überhören. Dennoch scheinen die vier, dieinmitten all dieser Zeitmesser sitzen, davon keine Notiz zu nehmen.36 åla Top-Frau Fotos: geliefert
„Ich wollte etwas mit meinen Händen machen,Schreinerin, Steinmetzin, Goldschmiedin odereben Uhrmacherin.“Anika PfletschingerAndreas Hunke, von Beruf Uhrmacher undGoldschmiedemeister, sein Sohn Tim, derseit Juli 2021 die Uhrmacherausbildung inPforzheim abgeschlossen hat und die beidenUhrmacher Eero Qvick und Anika Pfletschinger –alle sind konzentriert und alle haben sie eine Uhrvor sich. Denn die Uhren, denen sich die vier annehmen,nehmen es mit der Genauigkeit der Zeitnicht mehr ganz so genau. Sie gehen zu schnelloder zu langsam, manchmal gehen sie gar nichtmehr. Eine neue Batterie ist der unspektakulärsteGrund dafür und schnell behoben. Alles anderebraucht Zeit, Geduld, Wissen und vor allem eineruhige Hand.Seit Ende letztes Jahr verstärkt Anika Pfletschingerdas Uhrmacherteam. Die 25-jährige aus Göppingenhat vor sechs Jahren ihre Ausbildung erfolgreichabgeschlossen und ist seitdem eine derwenigen Frauen, die in diesem Beruf arbeiten.„Ich wollte etwas mit meinen Händen machen,Schreinerin, Steinmetzin, Goldschmiedin odereben Uhrmacherin“, erzählt sie mit einem Lächeln.Als Ausbildungsbetrieb fand sie einen eingesessenenJuwelier mit Uhrmacherwerkstatt inGöppingen. Im Rückblick ein wahrer Glücksfall.„Ich habe dort sehr viel Handwerkliches gelernt.Verschiedene Uhrenarten und Uhrenmarken. Ichhabe die ganze Vielfalt in Sachen Uhren kennengelerntund auch viel mit alten Uhren gearbeitet.“Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie nochweitere 2 Jahre in ihrem Lehrbetrieb als Uhrmacherinund eignete sich wichtige Berufserfahrungan. Mit dem Drang zur Großstadt zog es sie dannnach München, wo sie als Mechatronikerin imGerätebau für Medizintechnik tätig war. DreieinhalbJahre später wollte sie auf die Ostalb zurück,in die vertraute Heimat. Sie beschloss, sich alsUhrmacherin wieder der handwerklichen Vielfaltzu widmen. „Wenn man eine Uhr auf den Tischbekommt, die ungenau oder gar nicht mehr geht,wenn man sie dann repariert, gereinigt, geölt,wieder zusammengebaut hat und sie wiederläuft, dann ist das ein sehr gutes Gefühl.“ Besondershaben es ihr die großen Uhren angetan, amliebsten, wenn sie eine Geschichte haben. „Obwohldie Grundfunktion eines Werkes an sichimmer gleich ist, ist doch jedes Uhrwerk unterschiedlich.Man lernt von Uhr zu Uhr dazu. Ichkann hören, was der Uhr fehlt“, gibt sie preis undwundert sich schon lange nicht mehr, dass siedamit bei Laien einen fragenden Blick erntet.„Das ist wie beim Herzschlag. Ist der aus demTakt, stimmt etwas nicht. Genauso ist es bei einerUhr. Wenn ich eine Unregelmäßigkeit, zumBeispiel ein leises Reiben höre, ein Störgeräuschoder etwas, das zu laut oder zu leise ist, weiß ich,da muss ich mich drum kümmern.“ Die Uhren-Versteherin weiß so gut wie immer, wo ihr Eingreifenerforderlich ist – eine kaputte Feder, eindefekter Zahn im Zahnrad, ein ausgeschlagenerRäderzapfen. Kommt sie dennoch mal nicht weiter,setzt sie auf das Wissen im Team: Vier Köpfewissen mehr als einer. „Mein Kollege Eero Qvickund ich, wir hatten gleichzeitig jeweils eine relativkomplexe und problematische Uhr in Arbeit,mit der wir einfach nicht weiter kamen. Wir habendann kurzerhand die Uhren getauscht undjeder ging mit einem unverbrauchten Blick an dieUhr des anderen ran. Jetzt laufen beide wiederzuverlässig“, so Anika Pfletschinger sichtlich zufrieden.Meistens sind es die Spuren der Zeit, die eine Uhraus dem Takt kommen lassen. An den mechanischenTeilen von Großuhren lagern sich Staubpartikelab, die verbinden sich mit den Schmierstoffenund reiben unablässig in den Teilen. Dasåla Top-Frau Fotos: geliefert37