FOCUS-2022-30_Vorschau
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ENE, MENE, MUH<br />
Günter Bannas über die<br />
Ausschlussverfahren der SPD<br />
Seite 2<br />
23. Juli <strong>2022</strong> | #37<br />
Seite 4<br />
SONNENFINSTERNIS<br />
Anne Wizorek<br />
über das politische Klima<br />
Seite 5<br />
Herausgegeben von Ulrich Deppendorf und Ursula Münch<br />
EDITORIAL<br />
Die Zeitenwende in der Außenpolitik<br />
Von Robert Schneider, Chefredakteur<br />
Fotos: Peter Rigaud/<strong>FOCUS</strong>-Magazin, Reuters (2)<br />
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
die G7-Staaten im bayerischen Elmau, der<br />
Golf-Kooperationsrat mit US-Präsident Joe<br />
Biden in Dschidda und die Präsidenten<br />
von Russland, der Türkei und des Iran in<br />
Teheran: Wir haben in den vergangenen<br />
Tagen und Wochen drei Gipfeltreffen erlebt,<br />
die für gegensätzliche Welten stehen.<br />
In Elmau demonstrierten<br />
führende westliche Industrienationen<br />
Entschlossenheit,<br />
unsere Werte und Interessen<br />
gegen die russische<br />
Aggression zu behaupten.<br />
In Teheran war zu erleben,<br />
wie sich mit dem russischen<br />
Präsidenten Wladimir<br />
Putin und seinem iranischen<br />
Amtskollegen Ebrahim Raisi<br />
zwei der skrupellosesten<br />
Feinde von Freiheit, Demokratie<br />
und freien Märkten<br />
vernetzen.<br />
Russland und der Iran sind darüber<br />
hinaus beides bedeutende Öl- und vor<br />
allem Gasförderländer, die beide mit massiven<br />
westlichen Wirtschaftssanktionen zu<br />
kämpfen haben und die sich beide durch<br />
unsere Werte massiv bedroht fühlen. Wenn<br />
die Feinde der Demokratie Händchen halten,<br />
wie Putin und Raisi in Teheran, dann<br />
sollten Demokraten alarmiert<br />
sein. Und selbst ein autokratisch<br />
gesinnter Politiker wie<br />
Erdogan sollte sich fragen, ob<br />
er in Teheran nicht in schlechte<br />
Gesellschaft geraten ist.<br />
Dschidda wiederum steht<br />
für den Versuch der USA als<br />
westliche Führungsmacht,<br />
die Beziehungen zu – durchaus<br />
problematischen – Partnern<br />
wie Saudi-Arabien in<br />
unser aller Interesse zu stärken<br />
und so dem imperialen<br />
Drängen Mos kaus und Teherans,<br />
aber auch Chinas Einhalt<br />
zu gebieten.<br />
Es geht um Öl, Gas und<br />
Waffen, um die Vorherrschaft<br />
in der für unsere Wirtschaft<br />
DER HAUPTSTADTBRIEF<br />
und unseren Wohlstand so wichtigen Region<br />
am Persischen Golf, dessen Anrainerstaaten<br />
den aggressiven Iran mit seinen<br />
Huthi-Hilfstruppen im Jemen nicht weniger<br />
fürchten als wir in EU und Nato den<br />
Kriegstreiber im Kreml.<br />
Teheran rüstet die islamistischen Huthis<br />
mit Drohnen aus, auf die auch Russland<br />
für die Fortsetzung des Kriegs gegen<br />
die Ukraine hofft. Und natürlich würde<br />
Realpolitik US-Präsident Joe Biden mit Mohammed bin Salman in<br />
Saudi-Arabien, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan in Teheran<br />
EXKLUSIV<br />
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Trumps furchtbare Juristen führen die USA<br />
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Von Heike Paul<br />
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Analysen zur Politik<br />
es Putin bei seiner Energie-Erpressung<br />
des Westens in die Hände spielen, wenn<br />
vom bürgerkriegszerrütteten Jemen aus<br />
die Öl- und Gas-Infrastruktur am Golf so<br />
attackiert würden, dass nicht mehr, sondern<br />
im Gegenteil weniger Energie auf<br />
die Weltmärkte gelangen würde. Versuche<br />
dazu hat es in der Vergangenheit mehr als<br />
einen gegeben.<br />
Die westlichen Industrienationen<br />
müssen auf das Gegenteil<br />
hoffen, auf eine Ausweitung<br />
des Angebots an<br />
Energielieferungen aus dem<br />
Nahen Osten, damit der brutale<br />
Preisanstieg gestoppt wird,<br />
der die Inflation anheizt und<br />
uns Kraft kostet, die wir im<br />
Ringen mit den autokratischen<br />
Feinden unserer Werte<br />
und unseres Wirtschaftssystems<br />
dringend benötigen.<br />
Außenpolitik ist in unserer<br />
Welt mit Wirtschaftspolitik untrennbar<br />
verwoben, und zusammen<br />
haben sie entscheidenden<br />
Einfluss auf Sieg oder<br />
Niederlage auf dem Schlacht-<br />
feld. Der Bundeskanzler fordert als Konsequenz<br />
aus den grundlegenden Veränderungen<br />
der weltpolitischen Lage, dass<br />
die EU zu einem geopolitischen Akteur<br />
werden müsse. Dem kann man nur zustimmen.<br />
Es reicht aber nicht, wenn damit nur<br />
die alte Forderung nach mehr Geschlossenheit<br />
in der EU im Sinn von Berlin neu<br />
aufgelegt wird („Schluss mit nationalen<br />
Alleingängen“).<br />
Die USA werden es nach<br />
den Worten von Präsident<br />
Biden nicht zulassen, dass<br />
in der Golfregion ein Vakuum<br />
entsteht, „das von China,<br />
Russland oder dem Iran<br />
ausgefüllt wird“.<br />
Dabei sollte die EU, sollte<br />
Deutschland treibende<br />
Kraft werden. China zum<br />
Beispiel ist als strategischer<br />
Investor und industrieller<br />
Partner ein unübersehbarer<br />
Machtfaktor in den Golf-<br />
Anrainerstaaten geworden.<br />
Auch wir sollten stärker vom Energiekunden<br />
zum industriellen Partner dieser<br />
Staaten werden. Denn Instabilität am Golf<br />
mit seinen enormen Energievorkommen,<br />
aber auch mit seinen für den globalen<br />
Handel so wichtigen Schifffahrtsverbindungen<br />
würde sich schnell bei jedem von<br />
uns schmerzlich bemerkbar machen.<br />
Putins Überfall auf die Ukraine hat wie<br />
unter einem Brennglas die neue globale<br />
Schlachtordnung für jedermann erkennbar<br />
gemacht: Es geht nicht mehr um Sozialismus<br />
gegen Kapitalismus, wie im<br />
Kalten Krieg. Heute geht es vor allem um<br />
Demokratie und Freiheit gegen Autokra -<br />
tie und Unfreiheit. Wenn der Westen auch<br />
diese neue Herausforderung bestehen<br />
will, dann braucht es Realpolitik, kombiniert<br />
mit der Weitsicht von Staatsfrauen<br />
und -männern. Der große Henry Kissinger<br />
wird nicht müde, darauf hinzuweisen, vor<br />
drei Wochen auch im <strong>FOCUS</strong>. Man sollte<br />
ihm zuhören – in Brüssel und Berlin!<br />
Herzlich Ihr<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>30</strong>/<strong>2022</strong> 3